Friedrich Gerstäcker
Unter den Pehuenchen
Friedrich Gerstäcker

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23. Kapitel

Endlich hatte die Festlichkeit des Kazikenantritts ihr Ende erreicht; eine unglaubliche Quantität von Fleischwaren war verzehrt, von Tabak verraucht worden, und Lärmen und Toben, Singen, Lachen und Schreien erfüllte indes das Lager; aber kein Streit fiel vor, kein Zank, zwischen all den wilden Gesellen, obgleich sich hier, durch die fremden Kaziken hergeführt, fünf oder sechs verschiedene Volksstämme der Pampas versammelt hatten.

Don Enrique versäumte aber indessen seine Tage auch nicht, sondern bereitete alles vor, um augenblicklich in den Sattel springen zu können, sobald als es der Kazike, der sich fortwährend freundlich gegen ihn zeigte, gestattete.

Sein bestes Pferd hatte allerdings jener Argintiner mitgenommen und auch, aller Wahrscheinlichkeit nach, zu Tode geritten, auch seine beiden Pistolen waren fort, aber was tat das, er brauchte sie nicht mehr und besaß überdies jetzt genug leere Packpferde, um sich und seine Tochter noch beritten zu machen.

Mankelav übrigens, als die Zeit herannahte, säumte selber nicht. Auf Cruzados Warnung aber hatte er die Abreise der Fremden besonders deshalb verzögert, weil er vorher die Lagune von Tchaluaks Schwarm geräumt haben wollte. Jetzt – oder doch, bis sie den Platz erreichen konnten, waren die ihm gestatteten fünf Tage verstrichen, und die Fremden hatten nichts mehr von dem habsüchtigen und ehrgeizigen Häuptling zu fürchten.

Der Kazike hielt auch sein Versprechen, ihnen einen Trupp Indianer zur Bedeckung bis zur Landesgrenze mitzugeben. Möglich war es ja doch, daß sie herumschweifenden Horden von Pehuenchen unterwegs begegneten, ja selbst von den aus Chile verscheuchten Araukanern konnten sich einzelne bis hier herunter verloren haben.

Zum Führer dieses Trupps hatte sich Allumapu selber angeboten, und früh am vierten Tage wurden schon die Pferde aus der Pampas eingetrieben und gefangen, gesattelt und aufgezäumt, daß etwa um acht Uhr morgens die kleine Schar gerüstet vor dem Zelte des Kaziken hielt.

Aber auch Irenes brauner Paßgänger, den ihr Jenkitruss noch geschenkt, und vielleicht das beste Damenpferd in der Pampa, wurde mit Sattel und Zaum vorgeführt, als sie den Vater morgens abholen wollte. – Mankelav hatte das selber befohlen. Sie sollte ihn als Andenken an die Steppe mit in ihre Heimat nehmen.

Übrigens bot ihnen, statt Cruzados, der aus besonderen Gründen nicht nach Chile zurückzukehren wünschte und sich dem Zuge nur bis zur Lagune anschloß, ein anderer Dolmetscher seine Begleitung an: Tymaco, der Escribano des früheren Häuptlings Jenkitruss.

Der Abschied rückte heran, und wie lieb und freundlich waren die beiden jungen Frauen des Kaziken mit Irene, und wie herzten und wie küßten sie dieselbe und sagten ihr, wie leid es ihnen tue, daß sie nicht bei ihnen bleiben wolle; und wie frohlockten sie im Innern darüber, denn beide hatten schon große Angst ausgestanden, daß ihr Gatte Mankelav die reizende Fremde nicht wieder herausgeben würde, so daß die Eifersucht sie bös gequält. Aber jetzt war die Gefahr beseitigt, und das liebe, holde, leidende Kind hatte sich ihr Herz wirklich in der kurzen Zeit im Sturm erobert.

Vor seinem Zelt stand Mankelav, der Kazike, neben seinem Pferd; es war eine Artigkeit, die er ihnen erwies, die Fremden bis zum Flußufer zu begleiten. Noch einmal dankte ihm Don Enrique aus vollem Herzen, und lächelnd und abwehrend umarmte jener den alten Mann. Dann nahm er Irenes Hand und sah ihr lange und aufmerksam in das von hoher Röte jetzt überhauchte Antlitz, bog sich mit edlem Anstand zu ihr nieder, küßte sie leicht auf die Stirn und sagte auf spanisch freundlich: »Geh mit Gott!« Cruzado hatte viele Mühe gehabt, ihm das einzustudieren. Nun aber, als ob nichts weiter nötig sei, schwang er sich in den Sattel. »Adios, Alemanes!« rief er dabei, »und sag ihnen, Cruzado, wenn sie einmal im Sommer zu uns herüberkommen wollen, so können sie jagen nach Herzenslust, und«, setzte er lachend hinzu, »ich will ihnen jede Woche ein junges Pferd schlachten lassen.«

»Bitte!« rief der Doktor, als es ihm Cruzado übersetzte; »wenn ich noch einmal in meinem Leben über die Kordilleren komme, so muß es nur in stockfinsterer Nacht und aus Versehen geschehen – absichtlich gewiß nicht.«

Meier übersetzte das: »Der Doktor würde die Gastfreundschaft des Kaziken wahrscheinlich schon im nächsten Sommer auf die Probe stellen,« und dieser nickte den Deutschen freundlich zu. Auch Mercedes, die jetzt in ein anständiges indianisches Gewand gekleidet ging, kam nun herbei, aber Mankelav beachtete sie nicht; er wußte, daß Saman seine erbeutete Frau an die Weißen verkauft hatte, und kümmerte sich nicht um das Geschäft seiner Diener. Er setzte sich an die Spitze der Trupps und ritt mit diesem bis an die Furt hinab.

Der Übergang über den Limaï erfolgte ohne besondere Schwierigkeit; bald war das andere Ufer erreicht – ein ganzer Schwarm von wilden Kriegern folgte nach mit langen Lanzen und wehenden Haaren. Jetzt waren sie oben auf der Uferbank und hielten, und nun brach von drüben ein donnernder Gruß und Jubelruf der Pehuenchen aus, die sämtlich am Ufer standen und schrien und jubelten.

Und der Schrei wurde wiedergegeben – ein-, zwei- und dreimal; die Männer warfen die Arme empor, die Frauen schwenkten die Tücher; dann stieß der Führer, als er sah, daß Irene und Mercedes im Sattel saßen, einen gellenden Schrei aus – es war das Zeichen zum Aufbruch; die Indianer warfen ihre Pferde herum, und in voller Karriere sprengten sie nach Westen, gegen die Kette der Kordilleren an, die, nur von einzelnen leichten Nebelstreifen umflossen, blau und deutlich in der Ferne lagen.

Voraus Allumapu, der Führer der Schar, mit Cruzado und dem chilenischen Escribano. Hinter ihnen Don Enrique mit den beiden Frauen. Und diesen folgten dann die Deutschen mit vierzig vollständig gerüsteten Pehuenchenkriegern, die aber natürlich nicht in einem geordneten Zuge ritten, sondern wild und zerstreut über die Pampas, auch wohl um die Wette jagten, einander mit dem Lasso fingen und tausend tollen Mutwillen trieben.

Erst spät am Abend wurde gelagert, und zwar an einer kleinen Lagune, mehr einem Teich, der durch einen Steppenbach gebildet war. Das Wetter sah auch noch ziemlich gut aus, aber der Wind fing schon wieder an, unstät zu werden, und es war augenscheinlich, daß sie nicht mehr lange auf einen wolkenfreien Himmel und Südwind rechnen durften. Übrigens waren sie in dem Tagesmarsch, und nicht durch Packtiere belästigt, den Kordilleren schon merklich nähergerückt, und am nächsten Mittag bekamen sie schon den breiten Spiegel der Huetchun-Lagune mit dem dunkleren Grün der Apfelbaumwaldung in Sicht, ohne aber ihre Tiere auch nur im geringsten deshalb einzuzügeln, denn Allumapu wünschte noch heute vor Abend den Lagunenarm zu kreuzen, damit die Reisenden spätestens morgen abend den Gipfel der Kordilleren gewinnen konnten.

Allumapu war den Übrigen mit seinen beiden Begleitern ein Stück voraus, als er plötzlich, neben Cruzado hingaloppierend, dessen Arm ergriff und sagte: »Sieh dort, Kamerad, siehst du nicht Rauch zwischen den Apfelbäumen aufsteigen?«

»Er wird aus der Hütte des Fährmanns kommen.«

»Bah, die liegt weiter links, nein, dort drüben an vier, fünf verschiedenen Stellen.«

»Der eine Deutsche,« sagte Cruzado, »hat ein Glas, mit dem man weit hinaus in die Pampas sehen kann.«

»Ich brauche der Fremden Glas nicht,« sagte kopfschüttelnd der Indianer, »meine Augen trügen nicht; Tchaluak hat den Befehl des Kaziken nicht befolgt.«

»Er wärs imstande,« brummte der Halbindianer zwischen den Zähnen durch, »und auf eine gar freundliche Aufnahme dürfen wir uns eben nicht gefaßt machen.«

Allumapu biß die Zähne zusammen, erwiderte aber nichts und ließ nur sein Pferd noch schärfer ausgreifen als vorher, daß ihm die übrigen kaum folgen konnten. Je näher sie aber den Apfelbäumen kamen, desto deutlicher erkannten sie auch den Rauch von vielen Lagerfeuern, der ruhig in die Luft emporwirbelte, und es blieb jetzt keinem Zweifel mehr unterworfen, daß der trotzige Kazike bis jetzt noch den Platz behauptet habe.

»Halt, Allumapu,« sagte da Cruzado, indem er sein Tier dicht neben dem des Indianers hielt, »ehe wir weiterjagen und von dort drüben gesehen werden, muß ich dir wenigstens mitteilen, welche Gefahr wir laufen, wenn wir die Fremden in Tchaluaks Lager bringen.«

»Gefahr?« rief der Wilde trotzig zurück, »und welche Gefahr könnte uns drohen?«

»Uns gerade nicht,« beharrte der Dolmetscher, »aber dem Mädchen, das der Kazike freigegeben. Tchaluak begehrt sie für sich, und wer kann sagen, was er in seinem Übermut begeht.«

»Ha!« rief Allumapu, sich hoch aufrichtend, »weißt du das gewiß?«

Cruzado erzählte ihm jetzt mit kurzen Worten das Gespräch, welches er damals mit dem Häuptling gehabt, oder was dieser ihm vielmehr in halber Trunkenheit gestanden, und des Indianers Stirn runzelte sich, seine Augen blitzten, aber er zügelte sein Tier nicht ein – keinen Moment. Vorwärts flogen sie, ihrem Ziel entgegen, und schon konnten sie zur Linken die Nontue-Lagune erkennen, während sich der betretene und zerstampfte Pfad zu dem schmalen Verbindungsarm der beiden Wasser hinüberzog, an dem der Fährmann sein Floß liegen hatte.

Merkwürdigerweise waren sie bis jetzt, durch das Laub der Apfelbäume verdeckt, noch von niemandem auf der andern Seite bemerkt worden, und da der alte Indianer sich mit seinem Floß gerade an dieser Seite befand, um Äpfel zu sammeln, so konnte der Übergang ohne weiteres Zögern beginnen.

Diesmal aber wurden, auf Allumapus Befehl, der indes mit einigen der Hervorragendsten seiner Schar ein paar Worte heimlich gewechselt hatte, die Frauen und Fremden bis zuletzt zurückgelassen. Nur die Indianer schifften sich ein, was das Floß tragen konnte, ihre Pferde am Zügel nebenherleitend; auch Allumapu war unter ihnen und hatte indessen Cruzado mit der weiteren Einteilung beauftragt.

Der Fährmann wollte allerdings im Anfang Schwierigkeiten machen, da er behauptete, der Kazike hätte ihm streng befohlen, niemanden überzusetzen, ohne ihm dessen Ankunft vorher zu melden; Allumapu aber befahl im Namen des Apo Mankelav, und er mußte wohl gehorchen, wäre ihm gegen die Übermacht auch noch eine Wahl geblieben. Aber lange sollten sie nicht ungestört, wenigstens unbemerkt bleiben, denn eben wie der zweite Transport hinüberging, und während Allumapu noch mit seinen Leuten die Sättel auflegte, die sie diesmal auf dem ziemlich großen Floß gehabt, kam Tchaluak selber, von einigen seiner Leute gefolgt, angejagt, schon von weitem konnten sie den roten Mantel durch die Zweige blitzen sehen, und zügelte, nicht eben in besonderer Laune, sein Pferd vor Allumapu ein.

»Hoho!« rief er diesem zu, »und wißt Ihr nicht, daß es Sitte ist, sich vorher bei dem Kaziken anzumelden, ehe Ihr bewaffnet seine Jagdgründe und seinen Lagerplatz beschreitet? Woher kommt Ihr und was wollt Ihr?«

»Ich wußte gar nicht, Kazike,« sagte Allumapu ruhig, indem er sich jetzt ebenfalls in den Sattel schwang, »daß überhaupt ein Kazike an dieser Stelle lagerte, denn Mankelav hat mir bestimmt versichert, daß dieser Platz seit heute morgen von dem Kaziken Tchaluak geräumt sein müsse. Ich selber bin beauftragt, den Ort für unsere Zelte auszusuchen, da Mankelav schon morgen mit den Seinen hier eintreffen wird, um Chicha zu bereiten.«

»Und wenn der Platz für die Zelte dann noch besetzt sein sollte?« höhnte Tchaluak.

»Ich glaube es kaum,« sagte Allumapu ruhig, »denn die Befehle des Apo müssen befolgt werden.«

»Und wen habt Ihr dort drüben?«

»Die Fremden, die über die Berge zurückkehren.«

»Es sind Frauen dabei,« rief Tchaluak hastig; »hat der Kazike die Witwe seines Bruders verkauft?«

»Er hat sie freigegeben,« lautete die ruhige Antwort, »und sie bekam freies und ungestörtes Geleit auch unter seinem Namen über die Berge hinüber, bis in ihre Heimat.«

»Gut – gut,« nickte der Häuptling vergnügt vor sich hin, »Mankelav ist ein großer Kazike, er kann über ein ganzes Land verfügen; laß sie herüberfahren, sie sind willkommen. – Aber eh – wohin sprengt der einzelne Pehuenche dort? weshalb bleibt er nicht bei dem Zug? Was soll er?«

»Ich habe ihn zurückgesandt!« sagte Allumapu fest, »um Mankelav anzuzeigen, daß er noch keinen Raum für seine Zelte findet.«

Der Häuptling sah den jungen Indianer wild und trotzig an, aber dieser hielt den Blick aus, und wenn sich ja eine Veränderung in seinen Zügen erkennen ließ, so war es ein leichtes Lächeln, das um seine Lippen spielte. Was aber auch in Tchaluaks Hirn arbeitete, kein Wort mehr kam über seine Lippen; ein paar Sekunden starrte er noch auf das Floß, das sich jetzt zum zweitenmal dem Ufer näherte, dann wandte er sein Pferd und sprengte, von seinen eigenen Leuten gefolgt, zurück, wie er gekommen, den unwillkommenen Gästen freie Hand lassend, ihren Übergang zu bewerkstelligen.

Am liebsten hätte Allumapu freilich die Fremden gleich noch heut abend weiterbefördert, aber erstlich waren die Tiere, besonders durch das Schwimmen, erschöpft, und dann verschwand die Sonne auch schon hinter der Kordillere und sie würden doch, noch im Sicht vom Lager, von der Nacht überrascht worden sein. Da also blieben sie viel sicherer hier, im Schutze der befreundeten Pehuenchen, und es galt jetzt nur, einen günstigen Platz für ihre Zelte aufzufinden.

Am Lager angelangt, begegnete ihnen aber schon wieder der Kazike, doch jetzt so freundlich, wie er vorhin mürrisch und verdrießlich geschienen.

»Den Boten, Allumapu,« sagte er, als er an dessen Seite ritt, »hättest du dir sparen können, denn wenn Mankelav morgen hier eintrifft, wird er wohl keinen von uns mehr hier finden und Platz genug für seine Zelte haben. Aber jetzt kommt; Ihr seid gerade zur rechten Zeit eingetroffen, denn wir sind eben bei den zwei letzten Fässern Chicha, und deine Leute werden Verlangen danach tragen.«

Allumapu hätte diese Einladung gern abgelehnt, aber er wollte den Kaziken auch nicht unnötigerweise reizen und erwiderte deshalb dankend: »Sie werden gern von deiner Gastfreundschaft Gebrauch machen, aber vorher erlaube, daß wir unsere Zelte aufschlagen und die Frauen unterbringen. Ich bin beauftragt, für sie zu sorgen.«

»Oh, damit bemühe dich nicht,« erwiderte Tchaluak, »du kannst die Frauen nicht besser und behaglicher unterbringen, als daß du sie für die Nacht meinen Weibern überläßt. Unser Zelt ist geräumig und sie finden Felle genug, um warm und weich darauf zu liegen.«

»Ich danke dir, Kazike,« sagte Allumapu ruhig, »aber mein Befehl lautet, die Witwe Inkitruss nicht mehr von ihrem Vater zu trennen, und jede Nacht, solange sie unter meinem Schutz stehen, ein besonderes Zelt für sie aufzuschlagen.«

Tchaluak biß sich auf die Lippen, aber er rief lachend: »Ei, auch das läßt sich machen; den alten Mann magst du ebenfalls bei meinen Frauen unterbringen – er ist willkommen, und sie werden mit ihm rauchen.«

»Er wird ihnen seine Geschenke in ihr Zelt senden,« sagte Allumapu bestimmt, »überlasse es mir, für die Gäste Mankelavs selbst ein Obdach herzustellen.«

Tchaluaks Pferd bäumte sich hoch auf, so fest und plötzlich hatte er unter dem Mantel in die Zügel gegriffen. Der junge Indianer tat aber gar nicht, als ob er seine Bewegung bemerkt habe, und den Blick umherwerfend, ritt er jetzt, von seinem Trupp gefolgt, durch das ganze Lager der Horde und wählte an der Nontue-Lagune selber den Platz für ihre Zelte. Hier standen auch noch überall vereinzelte Apfelbäume, die das Errichten der Fellwohnungen erleichterten, und noch ehe das Tageslicht geschwunden war, hatten sie ihre Arbeit beendet und waren für die Nacht vollkommen eingerichtet.

Daß sich aber Tchaluak wirklich mit bösen Absichten herumtrage, daran zweifelte Allumapu keinen Augenblick mehr, und nach einer kurzen Beratung mit Cruzado kamen sie überein, die Fremden am nächsten Morgen noch vor Tag aufbrechen zu lassen und ihnen dann soweit das Geleit zu geben, daß sie sicher die Höhe erreichen konnten. Übrigens hielt es der Halbindianer jetzt auch geraten, die Deutschen zu warnen, auf ihrer Hut zu sein und ihre Waffen instand zu halten, es war immer besser, auf alle Fälle gerüstet zu sein.

Don Enrique, dem man aber von einer vermuteten Gefahr nichts sagte, um ihn nicht, vielleicht unnötigerweise, zu ängstigen, wurde indes veranlaßt, das, was er an Geschenken für Tchaluak bestimmt hatte, herauszusuchen und ihm zu senden, denn einen Tribut fordern die Kaziken stets, wenn sie Fremde durch ihr Lager passieren lassen.

Auch die Deutschen legten, was sie noch an Kleinigkeiten entbehren konnten, bei, um ihm ja keinen Anlaß zur Unzufriedenheit zu geben, und Allumapu ging selber mit den Geschenken zu ihm hinüber. Übrigens erlaubte er seinen Leuten nicht sämtlich, an dem Chichagelage teilzunehmen, denn ganz verbieten konnte er es ihnen nicht. Nur die Hälfte wurde beordert, auf eine Stunde hinüberzugehen und sollte dann zurückkehren, um die andere Hälfte abzulösen.

Allumapu, der auch recht gut die Gefahr kannte, der sich der Kazike Tchaluak aussetzte, wenn er den Befehlen Mankelavs offenen Widerstand bot, fühlte sich jetzt vollkommen sicher. Trotzdem versäumte er keine Vorsicht und ließ die ganze Nacht hindurch regelmäßige Wachen das Lager beziehen. Er selber aber schlief sanft und ruhig, in seinen Poncho eingehüllt, unter freiem Himmel, die Lanze neben sich in den Boden gesteckt, und sein Pferd unfern von ihm angebunden, wo ziemlich viel langes Gras am Ufer der Lagune wuchs.

Nicht so Cruzado, der das frühere Gespräch mit Tchaluak noch nicht vergessen hatte und deshalb die ganze Nacht nicht schlafen konnte. Wohl zehnmal war er auf und schaute nach den Pferden und wurde nicht ruhiger, da dünne, von Süden nach Norden ziehende Nebelstreifen sich manchmal über den Mond hinüberzogen. Aber auch seine Befürchtungen schienen unbegründet, und schon trat im Osten der Morgenstern über den Duft der Steppe, ohne daß ihre Ruhe gestört worden wäre.

Aber hörte er da drüben im Lager Tchaluaks nicht Geräusch? Er horchte, eine dunkle Gestalt glitt über den Boden auf ihn zu, es war eine ihrer eigenen Wachen.

»Was gibt es dort drüben, Kamerad?«

»Der Kazike bricht seine Zelte ab,« sagte der Indianer, »ich kroch am Schilfrand bis ziemlich nahe hinan.«

»In der Tat,« nickte Cruzado mit einem Seufzer, »nun Gott sei Dank, da scheint er doch Wort zu halten. Haben sie ihre Pferde schon bereit?«

»Alles – sie müssen schon vor einer Stunde damit begonnen haben, aber so leise, daß wir nichts davon gehört.«

»Caramba! und wozu denn eigentlich diese Vorsicht?« brummte der Halbindianer vor sich hin; »nun, dann wirds jedenfalls Zeit, daß wir uns auch rüsten; wecke deinen Führer, Freund, und sag' ihm, was du gesehen, ich will indes die Fremden munter machen.«

Nicht zehn Minuten vergingen, und das ganze Lager befand sich auf den Füßen, um ebenso geräuschlos wie ihre Nachbarn die nötigen Zurüstungen zum Abmarsch zu treffen.

Der Zug war geordnet und selbst die Frauen schon wieder im Sattel. Irene auf ihrem muntern Paßgänger, Mercedes auf Reiwalds Packpferd, einem etwas schwerfällig aussehenden Tier, das aber eine ziemlich sanfte Gangart hatte; auch saß es sich vortrefflich auf seinem breiten Rücken.

»Vorwärts denn,« rief Allumapu, »schickt die Señoritas nach vorn, Cruzado, und sagt den Deutschen, daß sie sich zu ihnen halten; wir begleiten die Fremden noch bis zu dem ersten Taleinschnitt, durch den sich der Weg zieht und lagern dort bis gegen Abend; nachher wissen wir, daß sie in Sicherheit sind – vorwärts!«

Cruzado hatte sich im Sattel hoch aufgerichtet und wandte den Kopf zurück; hinter ihnen wurde Pferdegetrappel hörbar, das nicht zu ihrer Kolonne gehören konnte, und wie sein Blick an der Lagune hinabflog, tauchten aus dem Grün der Apfelbäume Tchaluaks wilde Reiter auf, mehr und mehr, bis sie den ganzen Raum ausfüllten, und zwischen ihnen leuchtete der rote Mantel des Kaziken.

»Caracho!« murmelte der Halbindianer zwischen den Zähnen durch, »sollten wir doch am Ende noch nicht über den Berg sein. Was, zum Teufel, wollen die Schufte? Allumapu, dort haben wir die ganze Gesellschaft hinter uns her!«

»Ich sehe sie,« sagte der Indianer ruhig, während sein Auge aber blitzte; »doch er wird es nicht wagen, uns zu hindern – er kann es nicht!« setzte er trotzig hinzu.

»Sie sind uns an Zahl dreifach überlegen.«

»Aber er ist seiner Leute nicht sicher!« lachte Allumapu verächtlich, »der Name Mankelavs schlägt ihn zu Boden.«

»Und wenn er es trotzdem versucht?«

»Sage deinen Deutschen, daß sie ihre Gewehre bereithalten!«

»Aber wir dürfen doch nicht die Feindseligkeiten beginnen?«

»Nein, aber im Notfall, der Kazike ist vogelfrei, sobald er eine Lanze gegen uns senkt.«

»Dann will ich mich wenigstens ebenfalls fertigmachen;« brummte Cruzado, indem er ruhig seine Bolas abknüpfte, die er um den Leib gebunden wie all' die Übrigen trug; »der Henker hole die Schufte, da sind sie.«

»Um der heiligen Mutter Gottes willen, Señor!« rief Irene, sich ängstlich an seine Seite drängend, »droht uns eine Gefahr?«

»Quien Sabe!« sagte der Mann ruhig, »halten Sie sich nur zu uns. Don Carlos, haben Ihre Freunde die Gewehre in Ordnung? man kann nicht wissen, was vorfällt!«

»Alles in Ordnung, Cruzado, aber glaubt Ihr, daß –«

»Sagt ihnen nur, sie sollen, wenn ja ein Angriff geschieht, auf niemanden als auf den Halunken im roten Mantel schießen – dem schadet's nichts. Aufgepaßt – haltet euch zusammen.«

»Hallo, Freunde!« rief Tchaluak, der dem Zug voransprengte, lachend aus, indem er freundschaftlich die linke Hand gegen sie schwenkte. »Ist das recht, Allumapu, daß ihr so ohne Abschied von uns fort wollt?«

»Wir gehen nicht fort, Kazike!« antwortete der junge Indianer, indem die übrige Schar Tehaluats ebenfalls heranpreßte und sich freundlich und lachend zwischen die Pehuenchen Mankelavs mischte, »nur die Fremden gehen, und da wir nicht wissen konnten, daß du so früh heute aufgestanden bist, wollten wir dich nicht stören.«

»Nicht stören, Freund – wie könnt ihr uns stören?«

»Haltet euch ein wenig da zurück, ihr Leute!« rief Allumapu den Indianern zu; »ihr macht uns die Pferde scheu und drängt sie in die Lagune.«

»Und wo ist denn mein alter Freund, der Chileno?« rief der Kazike, indem er den alten Mann zu suchen schien, aber sein Blick hatte ihn schon lange vorn in der Nähe der Frauen erkannt; »ah, dort! ei seht doch – ich muß ihm doch noch einmal die Hand schütteln und ihm danken, daß er mir gestern so viele Geschenke gesandt – und so viel Tabak. – Wollt ihr zurück, ihr Burschen, ihr drängt mir die Frauen wahrhaftig ins Wasser hinein – dort hinüber, und bringt ihre Pferde wieder auf den Weg zurück! Heda, nach vorn, hört ihr nicht!«

»Tchaluak, ruf deine Krieger ab!« sagte Allumapu, indem er sein Pferd neben ihn zu bringen suchte; aber zehn oder zwölf von dessen Leuten spornten ihre Tiere lachend und plaudernd zwischen ihn und den Kaziken, der jetzt die vordere Gruppe erreicht hatte und seinen Rappen zwischen Irene und ihren Vater preßte.

»Ah, Don Enrique,« rief er dabei, ihm die Hand entgegenstreckend, während aber sein Blick umherflog, um zu sehen, wen er hinter sich hatte; es waren fast nur die Seinen, von denen auch die Deutschen beiseite geschoben wurden; »Don Enrique – glückliche Reise, mein alter Bursche – glückliche Reise, und dein Töchterchen hier wollen wir dir indessen aufheben, – hei! Ihr Kameraden.«

Der alte Chilene verstand die Worte nicht, aber er sah sich weiter und weiter von seiner Tochter fortgedrängt, ohne daß er imstande gewesen wäre, sie wieder zu erreichen.

»Cruzado!« rief er in Todesangst, »hierher, Cruzado – schütze mein Kind!«

»Ja, Cruzado!« lachte der wilde Häuptling, und stieß in diesem Augenblick einen gellenden Schrei aus; zu gleicher Zeit hatte er mit der Rechten die Zügel von Irenes Braunem ergriffen, der in dem Lärmen um ihn her schon ungeduldig zu tanzen anfing, rechts von ihr faßte ein anderer Pehuenche ebenfalls nach dem Zaum, und während die jetzt hinter ihr befindlichen das schon kaum zurückzuhaltende Tier mit dem langen Ende ihres Zügels schlugen, sprang es nach vorn, nahm das Gebiß zwischen die Zähne und wäre bald aus dem Bereich der Feinde gewesen, hätten es diese nicht selber zurückgezogen, um nur Schritt mit ihm zu halten. Aber in Karriere flogen sie davon, rechts von der Straße ab, nach Norden hinauf, Tchaluak und der Indianer zur Rechten, im gestreckten Galopp, der Braune immer in seinem Paß, und hinter ihm die Pehuenchen, ihn noch stachelnd und treibend.

»Verrat!« schrie Allumapus donnernde Stimme über den Plan und an einem Indianer vorüber, der eben Donna Mercedes von ihrem schwerfälligen Packpferde herunter und vorn auf sein eigenes Tier riß, jagte er, wie er nur Bahn gewann, mit verhängtem Zügel und gesenkter Lanze dem Kaziken nach. Dicht hinter ihm, ja ihn fast überholend, Reiwald.

Auch der Doktor hatte seine schon schußfertige Büchse emporgerissen, aber bei der Bewegung des Pferdes nicht damit zielen können. Kaum sah er jedoch, daß der übrige Schwarm Tchaluaks, sobald die List des Kaziken gelungen war, von ihnen abließ und nach Norden abschwenkte, als er, von all' den befreundeten Indianern begleitet, hinter ihnen herjagte. Da erblickte er den Indianer mit Mercedes auf dem Pferde, und mit den Worten: »Ei, du braunhäutiger Schurke!« riß er sein Tier herum, sprang aus dem Sattel und feuerte hinter ihm drein, wie er nur die Büchse an die Backe brachte, und allem Anschein nach vollkommen unbekümmert, wen er mit der Kugel traf; aber es war ein Glücksschuß, denn das Blei schlug dem Pferd des Indianers, dicht hinter dem Sattel, das Rückgrat entzwei, daß es auch mit dem Knall fast zusammenstürzte und den Reiter wie seine Beute weit ab in den Sand schleuderte.

Mit merkwürdiger Ruhe hatte Meier der Entführung seiner eigenen Frau zugesehen. Als aber einer der befreundeten Indianer dem Räuber seinen Lasso überwarf und ihn fort von der Stelle schleifte, raffte sich die Frau empor und sprang unverletzt auf die Füße, und Meier stöhnte: »Ich habe es ja gewußt, daß der verdammte Doktor mit seinem alten Schießeisen heute noch Unheil anrichten würde.«

Allumapu war dicht hinter dem flüchtigen Kaziken, von zehn oder zwölf der bestberittenen Seinen gefolgt. Reiwald jagte neben ihm hin, aber einzelne Apfelbäume standen im Wege, und nicht mit der indianischen Geschicklichkeit, ihnen auszuweichen, begabt, bog er rechts ab und setzte dabei seinem Pferde fester die Sporen ein. Allumapu war dabei so nahe, daß er seine Bolas hätte schleudern können, aber erstlich machten die Apfelbäume den Gebrauch dieser Waffe schwierig, und dann hätte er auch mit den Schlingkugeln die dicht neben dem Kaziken reitende Frau treffen müssen. Aber weiter und weiter ließen sie die Ihrigen zurück, während die Truppe Tchaluaks, auf vollkommen ausgeruhten, ja durch das gute Futter fast übermütigen Tieren, im größten Vorteile gegen sie war.

Allumapu schäumte vor Wut – wieder und wieder faßte er die Bolas, um sie wenigstens um die Füße der Renner zu werfen, aber schon war die Entfernung dafür zu groß geworden, ja er fühlte, daß sie sich mit jeder Sekunde vergrößerte.

Zu immer wilderer Eile trieben dabei die Reiter das Pferd ihres unglücklichen Opfers; vor ihnen lag ein kleiner, unbedeutender Bergbach. Der Weg führte hindurch, dort, auf der andern Seite, hörten die Bäume auf, und sie hatten eine lange Strecke die offene Pampas vor sich; dort ließen sie die müden Tiere der Verfolger weit zurück.

»Halt!« schrie da Tchaluak, »rechts ab, das Ufer ist eingestürzt, wir kommen nicht hindurch, gleich rechts ist der andere Paß, vorwärts – vorwärts, wir haben gewonnen!«

Rechts ab schwenkte der Trupp, die am leichtesten Berittenen setzten trotz der eingefallenen Bank durch den Bach, andere flogen vor dem Häuptling her, als plötzlich ihnen entgegen ein Reiter angejagt kam. Ausweichen ließ sich nicht, links war das steile, bröcklige Bachufer, der offene Rand kaum zwölf Schritt breit, rechts standen knorrige Apfelbäume. Einer der Pehuenchen legte seine Lanze ein, um den Feind niederzurennen, als Reiwald, der hier dem Zug begegnete, und kaum wissend, was er tat, die Büchse emporhob und den Schrotlauf gegen ihn abfeuerte. Mit einem Aufschrei warf sich der Verwundete zurück aus dem Sattel, und rechts und links ab vor der gefürchteten Feuerwaffe prallten die Pehuenchen zur Seite. – Vor ihm war Tchaluak.

»Steh, Kanaille!« schrie Reiwald ihm zu, »Bestie, hab ich dich!«

Die Pferde der Reiter hatten vor dem Schuß gescheut und schreckten ebenfalls zur Seite.

»Stecht den weißen Hund nieder!« schrie Tchaluak, als hinter ihm donnernde Hufe den Boden schlugen. Es war Allumapu; die Indianer wußten nicht, gegen wen sie sich wenden sollten; das Pferd des jungen Pehuenchen berührte kaum den Boden, seine Lanze war gesenkt und die Spitze in jener schwingenden Bewegung, die es fast unmöglich machte, einen solchen Stoß zu parlieren. »Hu!« schrie der Kazike, der die Gefahr bemerkte, er ließ Irenes Tier los, um sich die Uferbank hinabzuwerfen. Lautlos, ohne Schrei oder Ruf flog der Rächer herbei. »Hilfe! Zurück!« schrie der Bube, zu spät, in die linke Seite fuhr der Stahl, und mit so furchtbarem Anprall stürmte der Sieger nach, daß er Pferd und Reiter in den Bach hinabwarf und selber, nicht imstande, sein Tier zu parieren, dahinter her und über sie hinstürzte.

Einer der Indianer stieß mit der Lanze nach ihm, in demselben Moment aber traf ihn Reiwalds Kugel, daß er wie ein Sack aus dem Sattel schlug, und seine Büchse dann fortwerfend und beide Revolver aus den Holftern reißend, feuerte der junge Deutsche jetzt auf die herbeisprengenden Wilden eine solche Reihe von Schüssen ab, daß diese erschreckt und eingeschüchtert ihre Pferde zurückdrängten.

Aber in diesem Augenblick kam auch Hilfe; mit dem wilden Jubelruf: »Mankelav! Mankelav!« sprengte die kleine, tapfere Horde heran, Bolas flogen, Lanzen zischten, und während der Ruf: »Tchaluak ist tot!« die Gegner noch mehr entmutigte, warfen diese plötzlich ihre Pferde herum und jagten steppein, den Siegern das Schlachtfeld und die Gebliebenen überlassend.

Drei oder vier von Allumapus Leuten waren verwundet worden, zehn oder zwölf der Feinde deckten aber den Boden, und die Verfolger wollten ebenso bemerkt haben, daß noch einzelne der Flüchtigen schwer getroffen sein mußten, denn sie hatten im Sattel geschwankt. Die Indianer indessen fingen die herrenlosen Pferde ein, unter denen sie auch des Doktors Tier antrafen, und Allumapu, sich auf eins der Indianerpferde werfend, winkte Irene, ihm zu folgen, und trabte den Weg zurück, den sie eben in solcher Hetze gekommen. Um den Kaziken kümmerte er sich gar nicht.

Den aber hatten die Pehuenchen indessen aus dem Bach gezogen, seine silbernen Sporen, sein silbernes Reitzeug durfte nicht in der Pampas liegen bleiben, und was mit dem Körper wurde? Bah, die Seinigen mochten kommen und ihn holen; er war ein Verräter und verdiente keines Häuptlings Grab. Einer der Indianer hatte ihm aber den roten Mantel abgebunden und sich selber mit großer Befriedigung umgehängt und Reiwald, noch mit seinem eigenen Tier beschäftigt, gar nicht darauf geachtet. Wie aber der rote Bursche so in allem Stolz, und von seinen Kameraden umjubelt, einherstolzierte, fühlte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter, und der Doktor, indem er ihm den Mantel ruhig abnahm, sagte: »Bitte, erlauben Sie einmal; möchten Sie wohl, nicht wahr? Sie rotes Ungeheuer Sie. – Auch noch? Ne, der ist konfisziert – und wie sie ihn zugerichtet haben, Löcher drin, blutig und wie aus dem Wasser gezogen. Kommen Sie einmal her, junger Mensch und bringen Sie mir mein Pferd da herüber.«

Die Pehuenchen lachten, ließen aber den Deutschen gewähren, brachten ihm auch sein Pferd, denn die Pantomine war deutlich genug gewesen, und die Fremden hatten ihnen doch mit ihren Feuerwaffen Respekt eingeflößt. Aber jetzt drängten sie auch zurück zu den Ihrigen, ein Bote war schon gekommen, um sie abzurufen, und nur noch an Lassos und Bolas sammelnd, was umherlag, jagten sie jetzt mit sechs oder acht erbeuteten Tieren zurück zur Lagune.

Wer aber schildert die Seligkeit des alten Mannes, als er sein ihm zweimal wiedergegebenes Kind an sein Herz drücken durfte, und wie dankte er den Freunden, die ihn mit eigener Gefahr so wacker geschützt vor dem neuen Verderben. Allumapu lehnte sein Verdienst zwar bescheiden ab und versicherte Cruzado, sie würden den Räuber, ohne des Deutschen Dazwischenkunft, nie eingeholt haben, aber er hatte doch den Feind unschädlich gemacht, und auch Reiwald reichte die junge Chilenin tief errötend die Hand und dankte ihm mit süßen, lieben Worten.

Aber Allumapu drängte jetzt selber zum Aufbruch. Die Wolkenstreifen am Himmel zeigten sich immer drohender, und je früher sie auf der andern Seite den Witchi-Leufu passierten, desto besser. Rasch war ihr Zug geordnet; keiner von allen fühlte das Bedürfnis, in diesem wilden Landstrich länger zu weilen, wo noch allein die Kette der Kordilleren zwischen ihnen und Sicherheit und Ruhe lag; fort, und der junge Indianer, der wirklich entschlossen schien, seine Schutzbefohlenen nicht eher zu verlassen, ehe er sie jeder Gefahr der Steppe enthoben wußte, setzte sich selber an die Spitze des Zuges, den sie ein weites Stück hinauf in die Berge führten. Soweit sich diese noch offen zeigten, begleitete er sie auch mit den Seinen, und nur erst, wo ein enges Tal begann und damit jede Möglichkeit abgeschnitten war, daß sie noch von irgendeinem Streifzug des versprengten Trupps belästigt werden konnten, hielt er an.

So scheu er sich aber auch bis dahin von dem jungen lieblichen Wesen zurückgehalten hatte, das jetzt an der Spitze des Zuges neben dem Vater ritt, nun lenkte er sein Pferd gerade auf sie zu, und ihr die Hand entgegenstreckend, in die sie vertrauend die ihre legte, sagte er herzlich: »Leb wohl, weiße Frau, dein Pfad ist jetzt sicher, und wir kehren in unsere Steppe zurück; Allumapu aber hat dir nie vergessen, wie lieb und gut du mit ihm gewesen, als er gefangen in deines Vaters Hütte lag. Was dich betroffen, ich vermochte nicht, es von dir abzuwenden, oder ich hätte es getan, lebe wohl! Möge die Sonne auf deinen Pfad scheinen, und wenn du der schönen Pampas gedenkst, tue es nicht allein in Zorn und Haß. Glaube, daß du auch Freunde hast, die dir Gutes wünschen – leb wohl!« Und ohne eine Antwort von ihr abzuwarten, ließ er ihre Hand los, warf sein Pferd herum und sprengte in voller Flucht, von seinem ganzen Schwarm gefolgt, in das Tal zurück.

Cruzado hatte indes von dem alten Chilenen, der ihn schon reich für seine Dienste belohnt und ihm noch außerdem alle die Pferde gelassen, die er nicht mehr brauchte, Abschied genommen und hielt noch neben Meier.

»Don Carlos,« sagte er, ihm die Hand schüttelnd, »Ihr geht jetzt nach Chile zurück, aber – habt acht auf Euch selber. Wenn Sie Euch erwischen –«

»Cruzado, alter Junge,« sagte Meier, »sie haben mich schon, aber – quien sabe und – grüßt mir meinen Schwager noch einmal. – Lebt wohl, Gott behüt Euch!« Damit nickte er ihm freundlich zu und folgte der kleinen Kavalkade den Pfad hinauf.

 


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