Friedrich Gerstäcker
Unter den Pehuenchen
Friedrich Gerstäcker

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17. Kapitel

Den vollen Tag im Galopp, ohne ein einziges Mal ihre Tiere zu wechseln, wie Pehuenchen überhaupt ihre Reisen zurücklegen, jagten die Reiter durch die Pampas, und nur einmal, etwa zwei Uhr nachmittags, als sie einen kleinen Bach erreichten, der durch die Steppe rieselte, wurde gehalten und den Pferden eine kurze, kaum mehr als halbstündige Rast gegönnt. Dann ging es weiter, im Galopp wie bisher, bis die Nacht anbrach und das schwindende Tageslicht ihnen kaum noch Zeit ließ, ihr Lager notdürftig herzurichten.

Am nächsten Morgen brachen sie zeitig wieder auf und nahmen nur so viel Rücksicht auf ihre Tiere, daß sie mit den Reitpferden wechselten und die, welche sie gestern geritten, heute an der Leine gehen ließen. Nur mit den Packpferden ließ sich das nicht ebenso durchführen, und die meisten von ihnen mußten nach der kurzen Rast (in der sie noch gezwungen gewesen, sich durch die Nacht ihr Futter zu suchen), denselben Ritt vom vorigen Tag mit der nämlichen Last beginnen.

Die Pampas blieb sich hier vollkommen gleich; ein paar Stellen trafen sie, wo niederes Buschwerk stand, und von weitem sahen die Sträucher dann jedesmal großen Bäumen täuschend ähnlich, was wohl in der Luftspiegelung seinen Grund hatte. Sonst belebte nichts die weite monotone Ebene, als zahlreiche Flüge von Wildenten und zuzeiten eine kleine Herde von den Pehuenchen gehörenden Pferden, die aber scheu entflohen, sobald sie des Reitertrupps ansichtig wurden.

Nur einmal sahen sie Wild, und zwar ein kleines Rudel von Guanakos, die im Gras gesessen hatten, als der Zug heranstob, und jetzt plötzlich aufsprangen und das Weite suchten. Einige von den Indianern schienen nicht übel Lust zu haben, ihnen nachzusetzen, aber Don Enrique gönnte ihnen keine Zeit dazu. Weiter, weiter war sein einziger Gedanke, dem vorgesteckten Ziel entgegen, und nichts konnte ihn davon ablenken.

Es mochte etwa vier Uhr nachmittags sein, als sie zum erstenmal in Sicht des Limaï kamen. Meier war eine Zeitlang neben Cruzado geritten, und dieser hatte ihm den schon erkennbaren Uferrand gezeigt. Man mußte übrigens wirklich genau die Vegetation dieser Steppe kennen, um danach zu wissen, daß man sich dem Strom nähere, denn sonst verriet nichts, daß dicht vor ihnen ein breites und tiefes Flußbett liege. Reiwald ritt jetzt an Meiers Seite, um sich nach ihrem Weg zu erkundigen.

»Nun sagen Sie mir einmal, ob wir denn noch heute den Fluß erreichen, Don Carlos. Bis an den Horizont ist auch nicht die Spur von Hügel oder Baumwuchs zu erkennen, und neulich meinte doch Cruzado, wir kämen am zweiten Abend hin.«

»Da haben Sie ihn schon«, rief Meier, indem er vorausdeutete.

»Ihn? wen?«

»Den Limaï.«

»Den Fluß? aber wo? Ich sehe ja auf der Gotteswelt nichts als die weite glatte Ebene, so weit das Auge reicht.«

»Sehen Sie da vor uns den Streifen kleiner Büsche?«

»Dort an der Ravine?«

»Das ist der Limaï.«

»Das? Und davon hat der zichorienfarbige Halbwilde ein solches Aufheben gemacht, daß wir durchschwimmen müssen? Da spring' ich hinüber.«

»Na, denn man zu!« nickte Meier; »aber einen hübschen Anlauf werden Sie nehmen müssen, sonst kommen Sie am Ende nicht hinüber.«

»Über den Bach? Der kann ja keine zehn Schritt breit sein!«

»Abwarten!« sagte Meier; »hier in der verwünschten Pampas ist alles verkehrt, und das flickert und flackert so in der Luft, daß man nie recht weiß, was man eigentlich vor sich hat. Der Limaï ist ein nichtswürdiger breiter Strom, und mit dem Springen wird's da wohl nichts werden.«

»Wenn aber das wirklich der Limaï ist,« sagte Reiwald, »wo sind denn nachher die Indianer? Gleich am andern Ufer sollte Jenkitruss sein Lager haben, und man sieht ja dahinten bis in die blaue Möglichkeit hinein die blanke Steppe.«

»Ja,« meinte Meier, »nach denen hab' ich mich auch schon umgesehen, und der Henker weiß jetzt, ob sie den Fluß weiter auf- oder abwärts stecken. Wir werden jedenfalls Boten aussenden müssen, lagern die aber indessen die Nacht am Fluß –«

»Hm! – der Himmel gefällt mir gar nicht, der sieht wieder wie Regen aus«, meinte Reiwald.

»Wer kann's ändern?« lautete die Antwort, »wir müssen's eben nehmen, wie's kommt.«

In kurzer Zeit näherte sich auch der Trupp dem Ufer des Stromes; aber je näher sie kamen, desto weiter trennten sich auch die beiden jetzt schon erkennbaren Ufer voneinander, und bald zeigte sich der Limaï als ein allerdings sehr ansehnlicher und gar nicht so unbedeutender Strom, den jetzt zu furten außer aller Frage schien.

»Na, wie ist's mit dem Springen?« meinte Meier.

»Alle Wetter!« sagte Reiwald kleinlaut, »der sieht allerdings bös aus, und über den sollen wir hinüber?«

»Wenn wir den Kaziken finden wollen, gewiß, denn ich glaube nicht, daß er zu uns herüberkommt.«

»Und keine Spur von Menschen an der andern Seite! Was suchen denn nur die Indianer da am Ufer herum?«

»Wahrscheinlich haben sie nicht die genaue Stelle getroffen, wo der Fluß am seichtesten ist; aber lassen Sie die nur gehen, die finden sich schon zurecht. Zu so etwas sind sie vortrefflich, und mehr wert, als ein geheimer Staatsrat.«

Die Indianer suchten in der Tat eine Zeitlang umher, und ein paar von ihnen sprengten, der eine am Ufer hinauf, der andere hinab. Bald schienen sie aber die verlangten Zeichen gefunden zu haben, denn auf einen gellenden Schrei, welchen der nach links gesprengte ausstieß, wandte sich der Trupp der Übrigen augenblicklich nach der Richtung zu. – Jenkitruss lagerte also weiter nach dem Kufu-Leufu oder schwarzen Fluß zu, und dorthin lenkten die Reiter jetzt im vollen Galopp ein. Aber kaum eine Stunde verfolgten sie diese neue Richtung, als die vordersten wieder hielten und eifrig zusammen sprachen und nach vorn über den Strom hinüberdeuteten. Sie glaubten, wie Cruzado Meier sagte, Rauch zu erkennen, und der Doktor richtete jetzt ebenfalls sein Teleskop dorthin. Kaum hatte er es aber einen Moment still gehalten, als er ausrief: »Beim Himmel! da sind die Zelte – was die Halunken für Augen haben müssen. Selbst durch das Glas sehen sie noch wie Punkte aus.«

Die Indianer sammelten sich jetzt neugierig um den Deutschen, um zu erfahren, was er durch das Glas sähe; aber keiner von ihnen wollte es selber nehmen, ja, wo es der Doktor einem anbot, lenkte er scheu sein Tier zurück, als ob er fürchte, daß ihm etwas geschehen könne. Aber er mußte ihnen sagen, was er selber erkannte, und sie nickten beständig mit dem Kopf.

Es war ein großes langes Zelt in Sicht und viele, viele kleinere darum her; am Ufer weideten Pferde oder Rinder, das ließ sich nicht unterscheiden, denn die Entfernung zeigte sich noch zu groß, und rechts davon ab, aber eine Strecke entfernt, war es, als ob noch andere Zelte ständen.

Der eine Pehuenche, welcher der Führer des sie begleitenden Trupps zu sein schien, rief jetzt: »May, May!« – eine Bestätigung des eben Gehörten; »es sind die Zelte des Apo!« – und ohne weiter Don Enriques Rat zu hören, sprang er aus dem Sattel und befahl seinen Leuten, das Gepäck abzuwerfen. Der Chilene wollte dagegen protestieren, denn er hoffte, noch an diesem Abend das Lager zu erreichen, aber auch Cruzado schüttelte mit dem Kopf, denn sie durften keineswegs hoffen, noch heute über den Strom zu kommen. So rasch ging das nicht, wenn man sich dem Zelte des ersten Häuptlings nähere. Er folgte deshalb ebenfalls dem Beispiel der Übrigen, und seufzend mußte sich der alte Mann in das Unvermeidliche fügen.

Das Lager wurde wieder wie gestern aufgeschlagen. Der Wind bot ihnen aber heute eine bisher nicht gefundene Schwierigkeit, denn er fing mit Sonnenuntergang an dermaßen zu wehen, daß sie kaum ein Feuer anzünden konnten, und das auch in der Tat nicht eher zustande brachten, bis sie von Steinen, Sand und Erde einen ordentlichen Damm gebaut hatten, hinter welchem die Flamme ruhig brennen konnte.

Erst schien der Wind von Süden zu kommen, dann drehte er sich später mehr und mehr nach Osten herum, wo er in einen wahren Orkan ausbrach, bis er nach Norden zu etwas schwächer wurde und endlich in einem linden Westwind endete. So arg wütete er dabei, daß das Feuer endlich vollständig ausgelöscht werden mußte, weil er glühende Asche und Funken über die Schläfer jagte und ihre Kleider zu verbrennen drohte. Erst gegen Morgen ließ er nach, und hatte dann freilich den Himmel wieder vollkommen reingefegt.

Vom Lager der Indianer aus war aber jedenfalls ihre Anwesenheit schon in der letzten Nacht beobachtet worden; man mußte das Feuer, das ein paarmal hoch aufloderte, bemerkt haben, denn schon mit dämmerndem Tag hielten Reiter am andern Ufer.

Sie riefen etwas herüber, was vom diesseitigen Ufer beantwortet wurde – einzelne Schreie nur, die aber jedenfalls ihre Bedeutung haben mußten, denn die da drüben warfen nach einiger Zeit ihre Pferde wieder herum, worauf sie blitzschnell über die Pampas dahinflogen; zusehends wurden sie kleiner und kleiner, bis sie endlich in dem Duft verschwanden, der heute morgen auf der Steppe lag. Indessen wurde hier das Frühstück bereitet, aber auch damit keine Zeit versäumt, denn zugleich bepackte man die Pferde wieder. Wäre es nach dem alten Chilenen gegangen, so würde ihnen auch nicht einmal Ruhe verstattet sein, es zu verzehren, denn schon stand er, die Hand auf den Sattelknopf seines Tieres gelegt, und rief zum Aufsitzen. Cruzado aber wehrte ab.

»Geduld, Freund, Geduld; wir müssen noch lange an dieser Seite des Stromes liegen, bis uns Jenkitruss die Erlaubnis zum Übersetzen gibt. Er weiß jetzt, daß wir kommen, das genügt – bis er sich mit den dort anwesenden Häuptlingen beraten hat, wird es wenigstens Mittag – Ihr kennt die Pehuenchen noch nicht.«

Die Indianer nahmen sich selber Zeit, und als sie endlich wieder aufbrachen, geschah das nicht einmal in dem sonst stets gewöhnlichen Galopp, sondern in einem leichten Trab, immer dem Lauf des rasch fließenden Limaï folgend. Die Entfernung bis zu dem Lager des Häuptlings war auch wirklich gar nicht mehr so groß, denn kaum eine halbe Stunde im Sattel, und sie konnten Zelte, Menschen und Herden deutlich mit bloßem Auge erkennen.

Da drüben war es aber auch indessen lebendig geworden, denn mehr und mehr Menschen sammelten sich am Ufer, und bald schien die ganze Bevölkerung der Zeltstadt ausgeströmt zu sein, um die Nahenden zu betrachten. Die Pampas bot ja auch in der Tat so wenig Abwechslung, daß ein derartiger Besuch eine bedeutende Aufregung darin hervorrief, und besonders die Frauen, die unter den Fremden nur Händler vermuten konnten, laut darüber jubelten.

Wie aber nun eine Verbindung zwischen beiden Ufern herzustellen? Meier lachte gerade heraus, als ihn der Doktor fragte, ob nicht irgendwo eine Brücke hinüberführe – selbst ein Fährboot existierte nicht, und hier über den Strom zu schwimmen, der an dieser Stelle wenigstens hundertundzwanzig Schritt breit sein mußte, schien völlig unmöglich – jedenfalls mit der größten Gefahr verbunden. Cruzado löste diese Schwierigkeit aber weit rascher als sie gedacht, denn nach einem kurzen Wortwechsel mit den sie begleitenden Pehuenchen, die damit nicht ganz einverstanden schienen, lenkte er plötzlich sein Tier die Uferbank hinab, und ehe nur die Deutschen recht begriffen, was er beabsichtigte, schwamm das wackere Roß schon vom Ufer ab und kämpfte tüchtig gegen die nicht unbedeutende Strömung an.

Der Halbindianer aber, der vorher nur seine Satteltasche abgeworfen hatte, um es dem Tier etwas leichter zu machen, saß leicht und unerschrocken auf dessen Rücken und hielt den Blick fest voraus, auf das gegenüberliegende Ufer gerichtet. Jetzt hatte er etwa die Mitte des Stromes erreicht, und plötzlich hob sich der Braune aus dem Wasser: er hatte Grund und betrat hier eine Sandbank, die sich im Strom hinzog und bei niederem Wasserstand vielleicht zutage lag – sie war nicht breit, diente aber doch dazu, um das Pferd ein wenig ausschnaufen zu lassen, daß es Atem schöpfen konnte. Kaum eine Minute hielt übrigens der Reiter – mit wenigen Schritten war die Bank passiert, und drüben tauchte er wieder in die Flut ein, jetzt dem andern Ufer rasch sich nähernd. Und wieder fand das Pferd Grund, noch ein tüchtiges Stück in der Flut draußen – dort mußte Schlamm sein, denn es arbeitete langsam vorwärts; aber nur bis zum halben Leibe stand es noch im Wasser; und jetzt trat es hinauf auf trockenen Boden, und der Reiter sprang ab, klopfte seinen Hals und führte es langsam die Uferbank hinauf.

»Der Cruzado ist ein verfluchter Kerl«, sagte Reiwald still vor sich hin und ging dann daran, sein Pferd abzusatteln, denn er sah, wie die Indianer schon wieder beschäftigt waren, ein Feuer anzuzünden, also jedenfalls auf einen längeren Aufenthalt rechneten.

Cruzado, der Halbindianer, war übrigens in dem Platz, den er jetzt betrat, nicht fremd. Manche Jahreszeit hindurch hatte er mit den kaum wilderen Pehuenchen gejagt und verlebt, und Mankelav, der Bruder des Häuptlings Jenkitruss, schien ihm besonders gewogen, da er ihn schon damals, als er nach Chile zurückkehrte, nicht wollte ziehen lassen – gehörte er doch auch weniger zu den Weißen als zu ihnen. Der spanischen Sprache mächtige Leute brauchten die Indianer stets, da sie nicht allein mit den Chilenen, nein, auch mit den Argentinern in dem fernen Fort Carmen in gelegentlichem Verkehr standen und häufig sogar Botschaft von der argentinischen Regierung bekamen. Cruzado erkannte auch, als er die ziemlich steile Uferwand hinanstieg, mit großer Genugtuung seinen Freund schon unter den Personen, die ihn dort erwarteten.

»Aber, Cruzado!« rief ihm der junge Häuptling entgegen – »auch wieder in der Pampas? Vortrefflich, Freund, und sicher doch, um hier zu bleiben, denn sonst hättest du dir eine andere Jahreszeit gewählt.«

»Mankelav! Ich freue mich, dich zu sehen, Kazike,« sagte Cruzado, während der Häuptling ihn, nach der Sitte der Indianer, umarmte, »ich hatte kaum gehofft, dich zu finden.«

»Kazike ist mein Bruder – nicht ich,« lächelte der junge Mann, »ihm gib den Titel – ich bin dein Freund – und nun komm, unsere jungen Leute haben eben eine Stute geschlachtet und unsere Jäger heute morgen zwei Guanakos eingeliefert. Wir finden genug zu leben und auch warme Felle und ein Zelt für dich.«

»Aber ich komme nicht allein.«

»Wen bringst du mit dir? Händler von Chile? Sind die Leute toll, daß sie beim Beginn der Regenzeit über die Berge kommen? Sie werden verkaufen, was sie mitbringen, und dann verzehren, was sie eingetauscht haben, ehe sie wieder in ihre Heimat zurückkommen.«

»Es sind keine Händler.«

»Keine Händler?« rief der junge Häuptling erstaunt.

»Nein – es ist ein alter Mann von Chile, dem dein Bruder die jüngste Tochter auf einem Beutezug entführte, und er kommt hierher, um ihm ein reiches Lösegeld für sie zu bieten.«

»Jenkitruss – ja – ich weiß es,« sagte Mankelav nach einer Weile leise vor sich hin, »und ich wollte dir von Herzen wünschen, daß du dein Ziel erreichtest, aber – du hättest dafür zu keiner unglücklicheren Zeit eintreffen können.«

»Und weshalb?«

»Genug für jetzt – komm und iß und trink und trockne deine Kleider – dein Roß schwimmt gut – du bist rasch über den Strom gekommen.«

Cruzado war zu viel Indianer, um nicht zu wissen, daß er ein Gespräch nicht weiterführen konnte, wenn es der Häuptling einmal fallen ließ. Paciencia! Er hatte es dem alten Mann so oft zugerufen, er sprach es jetzt ebenfalls in sich hinein, und folgte nun so ruhig und unbekümmert der Einladung, als ob er einzig und allein zu dem Zweck hier über den Limaï geschwommen wäre, um den jungen Häuptling zu besuchen und ein paar Tage bei ihm zu verweilen.

Mankelav hatte sein eigenes Zelt, in welchem er mit seinen beiden jungen Frauen lebte. In den vorderen, durch Felle abgetrennten Teil desselben führte er jetzt seinen Gast: dort brannte ein Feuer, denn an Holz fehlte es ihnen in dieser Jahreszeit nicht, und während in einer andern Abteilung Speisen für den Freund zubereitet wurden, gab er ihm warme Kleider und trug die seinigen selber hinüber, damit sie getrocknet würden.

Cruzado hatte übrigens, wenn er auch weiter nichts mit herübernahm, doch genug Tabak vorn in die Brusttasche gesteckt, um ein paar Tage damit auszureichen und auch davon verteilen zu können. Er wußte, wie willkommen ein solches Geschenk stets auch selbst im Zelte des Kaziken war. Mankelavs Gesicht leuchtete auch vor Freude, als ihm der Dolmetscher ein großes Stück abschnitt und hinüberreichte, und er drehte sich augenblicklich eine Zigarre.

»Und wo ist Jenkitruss jetzt?« fragte Cruzado.

»Hast du sein Zelt nicht gesehen? Hier!«

»Und denkt er noch lange hier zu weilen, oder geht er hinüber zu den Apfelbäumen? Tchaluak ist jetzt mit seiner Horde dort.«

»Ich weiß es,« erwiderte Mankelav, und wieder verdüsterten sich seine Züge; »Jenkitruss hatte ihm schon einen Boten gesandt, der ihn herüberrufen sollte, aber er behauptet, er brächte seine Leute nicht fort, ehe sie nicht die schon bereitete Chicha getrunken hätten – ich glaube, er mag selber nicht früher gehen.«

Wieder schwiegen die beiden und bliesen den Rauch in langsamen Zügen durch die Nase.

»Tchaluak ist ein mächtiger Häuptling«, sagte Cruzado nach einer langen Pause, und Mankelavs Blick flog rasch und mißtrauisch zu ihm hinüber.

»Was willst du damit sagen?« fragte er endlich.

»Er hatte viele Verbindungen,« erwiderte vorsichtig der Halbindianer, »seine Boten kehren von Norden und Osten zurück.«

»Ha! Und hast du deren gesehen?«

»Er macht kein Geheimnis daraus.«

Mankelav schwieg; er lag ausgestreckt auf seinem Guanakofell, den Körper auf den linken Ellbogen gestützt, und rauchte schweigend fort. Eine junge, wunderhübsche Frau brachte das Essen in einer großen hölzernen Schüssel herein, stellte es schweigend neben das Feuer nieder und verschwand, wie sie gekommen – der Häuptling hatte keinen Blick für sie.

»Und er will es mir nicht glauben,« sagte er endlich – »Tag für Tag habe ich seine Ohren mit meinen Warnungen gefüllt; Tag für Tag ihn gebeten, mich hinüberzusenden mit meiner Schar – nein – alles vergeblich, und die Folgen werden über ihn hereinbrechen, ehe er selber ihr Kommen ahnt.«

»Und was trübt seinen Geist?«

»Ein Spukgebild – eine Verbrüderung der roten Stämme zur Vernichtung der Weißen – das Wiedergewinnen des von ihnen behaupteten Landes.«

»Aber er ist den Weißen freundlich gesinnt.«

»Er war es gegen einzelne, aber die letzten Vorfälle in Chile drüben, die Mißachtung, mit der man ihm begegnet, der Hohn selbst, mit dem man seinen Gesandten gebunden und gefangen gehalten, hat ihn zum Äußersten gereizt, und deshalb sagte ich dir vorher, dein weißer Freund hätte keinen unglücklicheren Zeitpunkt wählen können, um etwas zurückzufordern, das – zu seinem eigenen Unheil vielleicht – Eigentum des Kaziken geworden.«

»Sein Eigentum?«

»Die junge Weiße ist sein Weib«, sagte Mankelav düster.

»Und zu seinem eigenen Unheil?«

»Weil Haß und Unfriede dadurch in seine eigene Familie kam«, erwiderte der Indianer. – »Der Bruder seiner letzten jungen Frau ist einer der reichsten und angesehensten Pehuenchen – er hatte einen Streit mit Jenkitruss und verließ das Lager im Zorn, und erst vorgestern erhielten wir Botschaft, daß er nach Fort Carmen zu den Argentinern geritten sei.«

»Aber ihr lebt mit den Argentinern in Frieden?«

»Fluch über die Hunde!« rief der Indianer emporfahrend, »solange sie uns Tribut zahlen, mögen sie leben; aber wagen sie es wieder ein einziges Mal, den zu verweigern, so –« er biß die Zähne fest zusammen und starrte finster vor sich nieder.

»Der alte Chilene ist reich,« sagte Cruzado, der indes seinem eigenen Ideengange gefolgt war, »er wird alles bieten, was sein ist, um sein Kind wieder zu bekommen.«

»Bah! was kann er bieten,« sagte Mankelav verächtlich, »was wir nicht selber im Überfluß besitzen. Pferde? Die Pampas schwärmt von ihnen, und vierhundert Stuten jährlich müssen die Argentiner liefern; Silberzeug? Jenkitruss Pferd ist kaum imstande, das Silber zu tragen, das seinen Zaum und Sattel deckt. – Was wir an Kleidern brauchen, weben unsere Frauen – und Waffen? Was braucht ein Pehuenche, was er sich nicht selbst erbeuten könnte.«

»Aber kostbare Messer,« sagte Cruzado, »Indigo, eure Zeuge zu färben, bunte seidene Tücher, warme wollene Decken, Tabak, Schmuck für eure Frauen und Mädchen; es gibt eine Menge von Dingen, die sich nicht in den Pampas finden und doch für euch von Wert und Nutzen sind.«

»Und wenn du recht hättest,« sagte Mankelav, »so findest du doch jetzt meinen Bruder in keiner Stimmung zu einem Handel, und noch viel weniger zu einer Gefälligkeit gegen den Weißen gerade, der seinen Stolz gekränkt. Wie er mir selber sagte, ist das Mädchen die Tochter des Mannes, in dessen Haus der von ihm abgesandte Bote überfallen und gebunden wurde. Jenkitruss war aber auf gar keinen Beutezug und im Frieden über die Kordilleren geritten. Sie haben ihn selber dazu getrieben, und er hätte nachher viel reichere Beute machen und eine Menge von Frauen rauben können – aber er nahm nur die eine, um den Verräter zu strafen.«

»Ich glaube, es sind zwei Frauen damals entführt, wie mir Don Enriques Peon sagte.«

»Ja,« lächelte Mankelav, »Saman – du kennst ihn wohl noch von früher her – ein Panther, den er mit dem Lasso geworfen, sprang auf ihn und zerkratzte ihn bös –, hat sich noch eine junge Frau aus den Ansiedlungen mitgebracht – ich glaube, mit ihm würdest du einen Handel machen können – er wird sie dir billig überlassen.«

»Aber Don Enrique behauptet,« sagte Cruzado, »daß die Gefangennahme des Indianers gegen sein Wissen, ja, gegen seinen Willen, nur von den chilenischen Soldaten ausgeführt sei.«

»Die Weißen haben doppelte Zungen,« erwiderte verächtlich der Indianer, »wer soll es ihm glauben? Es geschah in seiner eigenen Wohnung, und nie wird er Jenkitruss überreden, daß er an dem allen unschuldig sei.«

»Und wird er ihn nur anhören wollen?«

Mankelav zuckte mit den Schultern.

»Wer kann vorher wissen, was er tut«, sagte er zweifelnd. »Ich glaube sogar kaum, daß er ihm die Erlaubnis gibt, den Fluß zu kreuzen, und wenn er das wirklich tut, wird er ihn nicht in seiner Nähe dulden.«

»Das Mädchen ist hier zwischen den Zelten?«

Mankelav schwieg und sah finster vor sich nieder, und Cruzado fühlte, daß er zu weit gegangen; rasch deshalb das Gespräch abbrechend, fuhr er fort: »Wir haben auch einige Deutsche bei uns; wunderliches Volk, das nur zwischen großen Häusern aufgewachsen ist und hier nicht das geringste mit sich anzufangen weiß – zwei von ihnen wenigstens – der dritte ist ein alter Freund von mir und schon lange im Lande.«

»Sind es Händler?«

»Nein; nur Leute, welche die Tour nur zu ihrem Vergnügen machen, um das Land zu sehen.«

»Im Regen?« sagte Mankelav, mit dem Kopf schüttelnd; »es ist wirklich wunderliches Volk, aber es sind die besten Weißen, die Alemanes, friedlich und zuverlässig, und Jenkitruss hat sie gern – ja, seine Pläne gehen sogar weiter, denn er hofft an ihnen Bundesgenossen zu finden. Du weißt, Cruzado, daß es parientes (Verwandte) von uns sind.«

»Ich habe davon gehört,« sagte Cruzado, »daß einmal in alten Zeiten ein Schiff von ihnen an der Küste im Osten gestrandet sein soll.«

»Und von daher stammen die Pehuenchen«, erwiderte, nicht ohne einigen Stolz, der Indianer. »Alemanes und Pehuenchen waren früher ein Stamm.«Ein Stamm der Araukaner, die Boroas, auf dem Südufer des Cauten hat helle Hautfarbe, blaue Augen und blonde Haare, die schon die Verwunderung der ersten spanischen Conquistadoren (1545) erregten. Die Tradition sagt, daß die Boroas die Nachkommen der Mannschaft eines lange vor der Besitzergreifung der Spanier an jener Küste gescheiterten holländischen Dreideckers seien. Der germanische Typus ist bei ihnen nicht zu verkennen.

»Und wird er den Deutschen erlauben, herüberzukommen?«

»Ich glaube, ja. Doch wir werden ja sehen. Du magst selber mit Jenkitruss sprechen und deine Botschaft ausrichten; kennt er dich doch noch von früher und weiß, daß wir befreundet sind. Aber was wollen Tchaluaks Krieger hier? Wenn sie als Boten des Kaziken kommen, weshalb kreuzten sie nicht den Strom. Sie lagern dort drüben.«

»Tchaluak gab sie uns zu unserer Begleitung mit.«

»Zu eurer Begleitung? Tchaluak?«

»Wir sprechen später darüber, Mankelav«, erwiderte Cruzado ernst. »Tchaluak ist falsch und hinterlistig; er hat böse Pläne; hütet euch vor ihm. Er sprach mehr im Trunk, als gut war.«

»Vor ihm hüten!« lachte Mankelav verächtlich; »wenn ich nur hinüber dürfte, dann könntest du ihn vor mir warnen.«

»Aber jetzt brütet er Unheil.«

»Wir wollen gehen,« sagte Mankelav, »Jenkitruss hat schon heute nacht von eurer Ankunft gehört und wird uns erwarten«, und von Cruzado gefolgt, schritt er langsam durch die Zelte dem Wohnplatz des ersten Kaziken zu, den nur er betreten durfte, ohne vorher die Erlaubnis erhalten zu haben.

Cruzado harrte indes auch ehrerbietig draußen vor der Tür, bis ihm gestattet werden würde, einzutreten; aber das dauerte lange und war, wie er glaubte, keine günstige Vorbedeutung für den Erfolg seiner Mission. Mehrmals selbst, wenn er sich auch ein ziemliches Stück davon entfernt hielt, war es ihm sogar, als ob er laute Stimmen in dem Zelte hörte – selbst Mankelav schien keinen Einfluß auf den Bruder auszuüben.

Mit untergeschlagenen Armen wanderte der Halbindianer da draußen geduldig auf und ab. Paciencia! – In der Sache ließ sich nichts überstürzen, und eine volle Stunde mochte er gewartet haben, als sich die Felle endlich wieder zurückschlugen und Mankelav dem Freunde winkte, einzutreten.

Es war ein prachtvolles Zelt oder eigentlich ein von Fellen hergerichtetes Haus, auf dessen Schwelle er jetzt stand, und nicht allein Dach und Wände bestanden aus dicht aneinander genähten Pelzen, daß auch kein Luftzug hindurchdringen konnte, nein, selbst der Boden war mit weichen Guanakohäuten in wahrhaft verschwenderischer Weise belegt, während die nächste Zwischenwand – lauter Trophäen, die Jenkitruss selber erlegt – von den Fellen des Kuguars gebildet wurde, denen man die Köpfe und Tatzen mit ihren Krallen noch gelassen hatte. Licht fiel von der gegen den Wind geschützten Seite herein, wo die Wände so angebracht waren, daß man sie vermittels dünner Schnüre öffnen und leicht und rasch wieder schließen konnte.

Jenkitruss stand in der Mitte des vordern Raumes vor seinem Lager, das ein prächtiges Tigerfell deckte. Er war eine hohe, edle Gestalt, mit offenen, ehrlichen Gesichtszügen, einer fast griechischen Nase, einem kleinen Mund und dunklen ausdrucksvollen Augen, denen aber der jetzt darin liegende Trotz doch auch wieder etwas Wildes gab.

Als Cruzado das Zelt betrat, haftete sein Blick erst lange und forschend, aber nicht unfreundlich auf ihm, und ihm dann die Hand entgegenstreckend, sagte er ruhig: »Sei gegrüßt, Cruzado! Es ist eine lange Zeit verflossen, seit die Hufe deines Pferdes der Pampas ihre Spuren eindrückten.«

»Aber immer zieht es mich doch auch wieder zu dem freien und fröhlichen Leben zurück, Kazike,« erwiderte der Halbindianer, indem er die dargebotene Hand nahm und herzlich schüttelte; »ich halte es nie lange in den Ansiedlungen aus.«

»Du bist willkommen,« nickte Jenkitruss ruhig, »wenn es mir auch leid tut, daß du diesmal einen so weiten Weg umsonst gemacht.«

»Umsonst, Kazike?«

»Du wirst hungrig sein –«

»Mankelav war so gütig, mir Speise und Trank im Überfluß zu geben.«

»Gut – er wird dir ein Zelt anweisen, in dem du bei uns wohnen kannst, denn über die Berge kannst du doch jetzt nicht wieder zurück.«

»Und meine Begleiter, Kazike?«

»Du hast einen langen Zug bei dir. Was wollen die Leute Tchaluaks am andern Ufer des Limaï? Ich habe sie nicht gerufen.«

»Auch ich bat nicht um ihre Begleitung und um ihren Schutz, Jenkitruss, denn ich wußte, daß ich hier unter Freunden weilte.«

»Und was wollen sie jetzt noch?«

»Warten, bis wir den Rückzug antreten.«

»Ich werde ihre Geduld auf die Probe stellen,« sagte der Häuptling finster, »du hast dir deinen Auftrag leicht gedacht, Freund.«

»Der Kazike Jenkitruss,« sagte Cruzado ruhig, »hat sich immer als ein edelmütiger Feind gezeigt – Tod versendend in der Schlacht, aber gnädig als Sieger.«

»Immer?« lachte Jenkitruss wild und trotzig auf; »auch damals, als wir das mit Palissaden umdämmte Fort der argentinischen Diebe mit unseren braven Pferden stürmten und nahmen? Kein Feind lebt, der davon erzählen könnte.«

»Es waren Männer, Jenkitruss, und Feinde.«

»Es ist gut,« sagte der Kazike, mit der Hand abwehrend, »du sollst das Weitere hören. – Was kümmern dich auch die Weißen – du bist einer der Unseren, und welches Gute haben sie schon dem Lande gebracht, als daß sie die Wälder niederhieben und die rechtmäßigen Eigentümer von ihren Jagdgründen vertrieben. Hier sind wir die Herren, und oft haben wir sie schon mit blutigen Köpfen heimgeschickt, wenn sie ihr toller Übermut bis zu uns in die Pampas trieb. Pilians Zorn auf sie! – Was haben wir mit ihnen zu tun, als sie zu vernichten, wo sie uns in den Weg treten.«

»Und sind die Pehuenchen alle des einen Sinnes?« fragte Cruzado, nach einem andern Punkt suchend, auf dem er fußen konnte.

»Was meinst du damit?« fragte der Kazike finster.

»Wenn sie alle gleich dächten wie du, Jenkitruss,« fuhr Cruzado fort, »nie im Leben hätten die Bleichgesichter Fuß auf diesem Boden fassen können, und selbst jetzt noch wäre es möglich, sie in das Meer hineinzujagen. – Was aber war jetzt die Ursache, daß die Araukaner von ihnen besiegt und ihr Land von weißen Horden durchzogen, ihre Hütten verbrannt, ihre Herden weggetrieben wurden? – Haß und Eifersucht der Kaziken untereinander, über den Bergen drüben und hier in den Pampas. War selbst dein Arm mächtig genug, sie alle um den Führer zu scharen?«

Jenkitruss hatte die Arme auf der Brust gekreuzt und blickte in finsterem Sinnen vor sich nieder. Cruzado hatte recht: viele der Kaziken waren ihm damals, als er den Araukanern mit seiner ganzen Macht zu Hilfe eilen wollte, entgegengetreten – Tchaluak vor allen anderen. Aber gewaltsam schüttelte er die Gedanken, die Mankelav so oft schon gleichfalls in ihm wachgerufen, ab. Er wollte nicht darüber grübeln, und doch erfüllten sie sein ganzes Herz. Er winkte mit der Hand, daß ihn Cruzado verlassen sollte, und dieser folgte auch augenblicklich dem Befehl.

Mankelav begleitete ihn. Seit der Halbindianer in das Zelt getreten war, hatte der junge Häuptling kein einziges Wort gesprochen. Als sie wieder das Freie erreicht hatten, sagte er: »Nun, hatte ich recht? Dein Chilene wird den Winter über eine böse Zeit in den Pampas verleben und unverrichteter Sache abziehen müssen; ich kenne meinen Bruder. Er ist gut und rechtlich, aber sein Sinn auch starr und eisern, und alle unsere Worte können seinen Entschluß nicht ändern, wohl aber ihn noch mehr in seinem Trotz bestärken.«

»Armer Don Enrique!« seufzte Cruzado vor sich hin; »und mit welcher Sehnsucht blickt er jetzt herüber nach den Zelten, hier, wo er sein Liebstes weiß. – Wie ist sein Herz von Hoffnung erfüllt, daß er das Kind bald wieder in seine Arme schließen wird. Ich mag ihm gar nicht wieder begegnen.«

»So sende einen Boten hinüber,« rief Mankelav, »und laß ihm sagen, daß der Häuptling seine Geschenke verweigert und seine Bitte nicht erfüllen will.«

»Das hat mir Jenkitruss noch nicht gesagt«, rief Cruzado hastig.

»Aber mir«, erwiderte Mankelav. »Er ist fest entschlossen, das Mädchen zu behalten.«

»Und dennoch muß ich selber hinüber. Der Chilene würde mich für einen Verräter halten, wenn ich mich scheute, ihm wieder unter die Augen zu treten. Und wie sollen die Leute dort drüben nachher den Winter verbringen, ohne Zelte, ohne Lebensmittel; denn Wild gibt es dort drüben wenig genug, und ich weiß nicht einmal, ob sie es zu jagen verstehen. Wenn er ihnen nur wenigstens gestattete, hier herüberzukommen.«

»Und liegt nicht der Fluß offen?« sagte Mankelav; hat dich jemand gehindert, als du herüberschwammst?«

»Aber wie sollen sie ihr Gepäck, all' die Geschenke, die sie mitgebracht, trocken herüberschaffen?«

»Komm!« sagte Mankelav, ohne die Frage für jetzt zu beantworten, »laß mich dir deinen eigenen Schlafplatz zeigen. Ich bringe dich in Allumapus Zelt, dort ist Raum genug, und du kennst ihn ja auch von früher her. Als ich noch Junggeselle war, wohntest du bei mir, aber die Zeiten haben sich jetzt geändert.«

Während sie der bezeichneten Stelle zuschritten, begegnete ihnen ein Weißer in der Straße, der aber, ohne zu grüßen, trotzig, wenn auch hinkend, vorüberschritt, und unwillkürlich folgte ihm Cruzado mit dem Blick.

»Du wunderst dich, einen Weißen hier zu finden?« lachte der junge Häuptling; »wir haben sogar deren zwei hier. – Dieser aber ist ein Argentiner, den die Unseren gefangen mit aus Chile herausgebracht haben.

»Einen Argentiner aus Chile?«

»Ja – und zwar einen alten Bekannten aus den Pampas noch dazu, der sich eine Weile zwischen uns herumgetrieben hatte und dann mit einem Trupp unserer besten Pferde verschwand. Seit der Zeit ließ er sich nicht mehr sehen, und wenn wir auch wußten, daß er sich über die Berge gewandt, konnten wir doch seine Spur nie wieder finden, bis ihn einer von Jenkitruss' Leuten oben auf dem Gebirge mit dem Lasso fing und übel zurichtete. Vierzehn Tage hat er sich nicht rühren können, jetzt scheint er sich wieder zu erholen.«

»Und was geschieht mit ihm?«

»Boten sind zu den Kaziken Tureopan und Palliacan, denen damals die Pferde gehörten, hinübergesandt. Wir erwarten sie jeden Tag zurück, dann mögen jene Häuptlinge über ihn bestimmen. Er ist ein Dieb und verdient, zu Tode geschleift zu werden.«

»Und wer ist der andere Weiße?«

»Ein Chilene, der als Escribano bei Jenkitruss lebt.«

»Als Schreiber?« rief Cruzado. »Hat Jenkitruss so viel zu schreiben?« Mankelav lachte verächtlich.

»Die einzige Feder, die wir führen, ist unsere Lanze,« sagte er; »aber die argentinische Regierung schickt jetzt Boten nach Boten, bald mit Geschenken, bald mit dem Tribut, und immer dasselbe Lied dabei, heute von dem, morgen von jenem ihrer weißen Kaziken, der gerade die Obergewalt hat, gesungen, daß wir ihnen in ihren Kriegen beistehen sollen –«

»Doch da sind wir«, brach er plötzlich ab. »Dies hier ist Allumapus Zelt, und bis er zurückkehrt, kannst du allein darin hausen oder – darüber verfügen«, setzte er mit einem freundlichen Blick hinzu.

»Und wo ist Allumapu?«

»Zu dem Kaziken Huitallan, um diesem Botschaft zu sagen. Nach den Nachrichten, die wir haben, muß er an einem der kleinen Seen in Südosten lagern.«

Die beiden Männer traten jetzt zusammen ein, und dadurch erhielt Cruzado die Berechtigung, dies Zelt, wenigstens bis zur Rückkehr des Besitzers, als das seinige zu betrachten. Verfügte Allumapu nachher weiter darüber, so mußten die Gäste natürlich den Wohnplatz wechseln.

Übrigens schien eine Änderung im Wetter bevorzustehen. Der Wind hatte sich allerdings in letzter Nacht nach Westen herumgedreht, von dort aber nur schwach und unstät geweht und setzte jetzt schon wieder nach Nordwesten über. In dieser Richtung lagerten auch über den Kordilleren düstere schwarze Wolkenmassen, und einzelne weiße Streifen, die von da nach Süden liefen, zeigten nur zu deutlich die neue Richtung des Windes, der unfehlbar Regen mit sich brachte.

Die Pehuenchen kümmerte dies freilich nicht; in ihren Fellzelten lagen sie geschützt genug; aber den Fremden am andern Ufer stand aufs neue eine böse Nacht bevor, und sie sollte in ungeahnter Schärfe über sie hereinbrechen.

Schon elf Uhr abends erhob sich ein tüchtiger Norder, und kaum eine halbe Stunde später fielen die ersten Tropfen. Aber dabei blieb es nicht; kaum zehn Minuten später peitschte eine förmliche Sturmflut auf den Boden nieder und dauerte bis gegen Morgen, wo sich der Wind legte und nur noch ein feiner rieselnder Regen fiel; aber der Wind war noch immer Nord-Nordwest, und die Pampas selber glich eher einem See als festem Land.

Auf den Wasserstand des Limaï hatte der Regen trotzdem erst geringen Einfluß ausgeübt, denn die Ufer waren zu schroff, und das Wasser aus den Bergen konnte noch nicht herunter sein; der Himmel hing aber voll schwarzer Wolken; es war außer Frage, daß es über Tag stärker zu regnen beginnen würde, und über Nacht mußte dann die aus den Bergen niederstürzende Flut auch diese Stelle erreichen und ein Passieren des Flusses für viele lange Tage – wenn nicht für Wochen – unmöglich machen.

 


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