Friedrich Gerstäcker
Unter den Pehuenchen
Friedrich Gerstäcker

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14. Kapitel

Endlich – endlich brach der Morgen an, und mit dem ersten Grauen desselben ließ der Regen nach. Tief aus dem Tale herauf stiegen aber die Nebel in weißen Schwaden höher und höher, bis sie fast zu der Stelle reichten, auf welcher die Reisenden sich befanden, und als es hell wurde, bot sich ihnen wirklich ein wunderbarer Anblick.

Das Land zu ihren Füßen war vollständig verschwunden, und wie ein weites Meer von gleichsam milchigen Wellen, die ineinander schoben und drängten und, soweit das Auge reichte, keinen anderen Gegenstand erkennen ließen, breitete es sich unter ihnen aus. Prachtvoll wurde aber das Schauspiel, als etwas später die Sonne aus den zerrissenen Wolkenschleiern über die Masse emporstieg und einen rosenroten Schimmer darüber ausgoß. Zu jeder andern Zeit wären die Deutschen auch entzückt gewesen – heute warfen sie kaum einen Blick darauf, so beschäftigte sie einzig und allein ihr eigenes Elend. Da trat Meier zu ihnen.

»Na!« rief er aus, »das war ein Glück, daß wir gestern wenigstens noch bis hierher gekommen sind, denn nach dem Guß hätten wir den Witchi-Leufu im Leben nicht mehr passieren können und säßen jetzt vielleicht eingekeilt zwischen einer Biegung und einem steilen Felsen an der andern Seite. Wer jetzt nicht hüben ist, kommt auch diesen Winter nicht mehr herüber.«

»Ich wollte,« knurrte der Doktor, »daß Ihr Witchi-Leufu und Ihre Otra Banda und Ihr ganzes Patagonien der Teufel holte, sobald er Lust hätte. – Daß ich Esel mich zu einer solchen ›Vergnügungstour‹ bereden ließ – es ist rein lächerlich.«

»Alle Wetter,« rief Meier mit der unschuldigsten Miene von der Welt, »Sie sind wohl die Nacht über naß geworden?«

»Nein,« sagte Reiwald, »nur feucht – ich habe etwa vier Zoll Wasser in den Stiefeln.«

»Bah, das bißchen Regen,« sagte Meier gleichgültig, »und einmal in den Pampas unten, ist's auch nicht so arg. – Der Wind geht dort allerdings manchmal, als ob er einen vom Pferd hinunterblasen möchte, aber regnen tuts dort nicht soviel wie an der anderen Seite. An der Mayhue-Lagune schwimmen sie jetzt.«

»Und wir hier wohl nicht?« klagte Reiwald, »sehen Sie, wie wir zugerichtet sind.«

»Alle Wetter! ja,« sagte der gutmütige Meier, »das müssen wir abändern; ziehen Sie einmal Ihr Zeug aus und ringen es aus, nachher trocknet es rasch auf dem Leibe, und dort drüben haben sie auch richtig ein Feuer angemacht, da wollen wir denn noch eins gleich daneben machen, daß Sie nur erst einmal wieder warm werden; – und warten Sie – ich habe noch eine Flasche Schnaps bei mir, die ich dem Kaziken ausgeführt – ich ließ mir mein Horn immer füllen und goß es dann heimlich hinein, der wärmt.« – Er sprang auch rasch zu seinem Lagerplatz und brachte das Versprochene, und selbst Reiwald, der früher so auf den Branntwein geschimpft, glaubte heute morgen, daß er lange nichts getrunken, was ihm so gut geschmeckt habe und so vortrefflich bekommen würde.

Die übrigen Mitglieder der Gesellschaft hatten indessen von dem allerdings furchtbaren Nachtregen verhältnismäßig sehr wenig gelitten, weil sie sich besser dagegen zu schützen verstanden. Während sich die mit den Bergen unbekannten Deutschen gerade in eine Vertiefung hineinlegten, wo das ganze niederströmende Wasser über sie hereinbrechen mußte, hatten sich die anderen umsichtigerweise solche Stellen ausgesucht, wo sie wenigstens trockenen Untergrund behielten. Dabei verstanden sie ihre Decken so auszuspannen, daß der Regen davon ablaufen konnte, und wenn sie auch bei einer solchen Sturzflut nicht geradezu unberührt blieben, so wurden sie doch lange nicht so arg durchnäßt.

Eine besondere Wohltat war es freilich, daß der Regen heute morgen nachgelassen, denn Reiwald wie der Doktor hätten sonst einen elenden Ritt gehabt. Vollkommen trocken wurden sie freilich nicht, aber bis das Frühstück bereitet war, fühlten sie sich doch schon wieder etwas menschlich.

Indessen hatte Cruzado, der heute morgen pfiff und lachte und sich vortrefflich zu befinden schien, wieder begonnen, die Lasttiere beizutreiben und zu packen. Er ging dabei mit außerordentlicher Vorsicht zu Werke und ordnete die Decken unter den Packsätteln immer selber, damit ja keins der Tiere wundgedrückt und dann auch bald unbrauchbar zu weiterem Dienst würde, und langsam trieben die Indianer die Pferde jetzt den allmählig abfallenden Hang hinunter und, wie es aussah, gerade in das milchweiße Meer hinein, das noch immer zu ihren Füßen ausgebreitet lag. Aber der Wind arbeitete schon darin und drängte und dehnte in der zähen Masse, bis er sich da und dort eine Öffnung riß und das Geschiebe auseinander preßte. Auch die vorbrechende Sonne mochte jetzt das ihrige dazu beitragen, den Nebel aufzuzehren; schon ließen sich an einzelnen Stellen dunkle Flecke erkennen, in denen graue Stellen der Pampas sichtbar wurden – breiter und breiter dehnten sich diese aus – nur noch wie ein dünner, fast durchsichtiger Nebel lag es auf der Ebene, und jetzt plötzlich riß auch dieser und die ganze endlose Steppe lag wieder vor ihren Augen, und zwar jetzt scheinbar so nahe, daß sie sogar die einzelnen Teile derselben erkennen konnten.

Die Reisenden waren nämlich noch im Nebel an dem Hang hinabgestiegen, hatten ein Tal gekreuzt und einen andern, niedern Höhenzug erstiegen, der ihnen von dort aus einen freien Überblick über das unten liegende Land gewährte, da sie über die einzelnen noch dazwischen liegenden Hügel hinwegsehen konnten. Dort links erkannten sie nun einen großen Wasserspiegel, jedenfalls eine jener Lagunen oder einen jener Seen, die überall am Fuße jener Gebirge liegen und in denen sich die von diesen niederströmenden Wasser sammeln. Buschwerk oder Bäume wuchsen darum her, und auch dort zerstreut, im niedern Land, wie sich leicht aus dem dunkleren Grün derselben schließen ließ. Schwarze Punkte waren sogar dazwischen hingestreut, und der Doktor, der sein Tier einzügelte und sein Fernrohr darauf richtete, glaubte eine Anzahl Häuser zu unterscheiden, die auf der grünen Matte, unmittelbar am See lagen; die Entfernung war aber doch noch zu groß, und als er Meier seine Beobachtung mitteilte, lachte dieser und meinte, verwünscht wenig Häuser würden sie dort unten finden. Er nahm aber doch das Glas und sah selbst hindurch; erst flüchtig, dann aufmerksamer, und da sein Pferd nicht ruhig genug stand, um irgend etwas durch ein Teleskop ordentlich und genau erkennen zu können, lenkte er es seitab, sprang aus dem Sattel und sah lange Zeit in die Ebene hinab. Aber gleich nachdem er nur einen einzigen Blick hindurchgeworfen, rief er schon Cruzado an seine Seite, und dieser hielt jetzt neben ihm und schien geduldig zu erwarten, was sein Gefährte da bemerkte.

»Seht Ihr die dunklen Punkte an der Lagune da unten auf dieser Seite?«

»Das sind Apfelbäume«, sagte der Halbindianer.

»Zelte sind's – dreißig oder vierzig wenigstens,« erwiderte aber rasch der Deutsche – »Zelte die Hülle und Fülle, und alle lassen sich noch nicht einmal erkennen. Da muß ein ganzer Stamm jetzt lagern.«

»Tomando,« nickte Cruzado, »wohl möglich, aber desto besser – desto sicherer kommen wir über die Lagune.«

»Und finden nachher niemanden am Limaï – wie sollen wir nach dem Regen – und da hinten kommt's eben wieder aufs neue schwarz herauf – über den angeschwollenen Strom setzen?«

Cruzado zuckte die Achseln.

»Quien sabe,« sagte er lächelnd – »aber, Amigo, was schadet das? Aus Chile können sie nicht mehr zu uns heraus, und wären auch klug genug, sich nicht soweit herüber zu wagen, und ob wir ein paar Wochen oder Monate an dieser Seite vom Limaï lagern oder an der andern, bleibt sich das nicht gleich?«

»Und welcher Häuptling mag dort unten liegen?« fragte Meier wieder. Cruzado wurde aber ungeduldig.

»Quien sabe,« wiederholte er noch einmal, »macht fort, Compañero – die Packtiere sind schon ein ganzes Stück voraus« – und seinem Tier die Sporen einsetzend, trabte er den Hang schräg hinab.

Was Meier aber vorher über das Wetter gesagt, sollte nur zu bald eintreffen. Noch waren sie keine halbe Stunde weiter geritten, als der Wind mit verdoppelter Schärfe zu wehen anfing und, wie die Nacht über, gerade von Norden her. Mächtige schwarze Wolkenmassen jagte er dabei vor sich her, und es dauerte nur kurze Zeit, bis die ersten Tropfen eine Wiederholung des gestrigen Bades verkündeten. Der Himmel drohte heute auch nicht lange; kaum hatte es begonnen, als es in einem soliden Guß niederrasselte, aber was half's? Die Reiter zogen sich nur den Hut tief über das linke Ohr hinab, daß ihnen der Regen nicht hineinpeitschte, und ließen die Pferde eben gewähren, die mit gesenktem Kopf ihrer Bahn ruhig folgten. Anzuhalten würde ihnen nichts geholfen haben, denn es gab keinen Platz, wo sie hätten untertreten können.

Don Enrique, der von Cruzado gehört, daß sich gegenwärtig an der Lagune ein indianisches Lager befinde, was allerdings nur sehr selten der Fall ist, drängte freilich vorwärts und hätte es gern heut abend noch erreicht, aber das war nicht möglich und die Entfernung zu groß dazu. Die Dunkelheit überraschte sie früher, als sie es geglaubt, und sie mußten wieder haltmachen, um ihr Lager aufzuschlagen.

Allerdings zeigte sich das Terrain hier ein wenig günstiger als oben am Bergeshang. An dem Bach, dem sie gefolgt, wuchsen niedere Weiden, und noch etwas weiter unten begannen sogar schon die Apfelbäume, die voller Früchte hingen und auch hier und da dichte Kronen zeigten, unter denen man doch wenigstens etwas geschützt gegen das Unwetter war. Aber der Regen setzte dafür nicht einen Augenblick aus, und nicht einmal die Möglichkeit zeigte sich, an diesem Abend ein Feuer anzuzünden, um nur heißes Wasser zu einem Becher Tee zu bereiten.

Es war eine traurige und böse Nacht, welche die Wanderer hier in der öden Steppe oder doch an deren Grenze verbrachten, und wie verschieden von dem lustigen Lagerleben, das sie sich dort gedacht; aber solche Nächte kommen eben draußen im Freien vor und müssen ertragen werden; da hilft kein Murren und Jammern, und das Beste ist und bleibt, ihnen ruhig und trotzig die Stirn zu bieten. Es geht alles vorüber.

Auch diese Nacht schwand – gegen zwei Uhr morgens hörte es mit Regnen auf; der Wind hatte sich schon um Mitternacht nach Westen gedreht und zog sich mehr und mehr nach Süden hinüber, nahm aber dabei auch freilich an Heftigkeit zu, und als er etwa um fünf Uhr, also kurz vor Sonnenaufgang, aus Süd-Süd-West blies, war es beinahe, als ob er über eine Schneefläche daher wehte, so kalt und eisig strich er durch das Tal.

Jetzt wiederholte sich die Szene vom vorigen Morgen, aber eine größere Tätigkeit belebte auch die Leute, denn jeder wußte, daß sie heute morgen schon mit den gefürchteten Pehuenchen zusammentreffen würden, und niemand konnte voraussagen, wie ihr Empfang sein würde: hing doch alles von der Laune des gerade anwesenden Häuptlings oder Kaziken ab. Daß aber der Zweck ihrer Reise erreicht würde? – Keiner von all denen, die mit dem ganzen Wesen und Treiben jener wilden, unabhängigen Stämme bekannt waren, glaubte es – ja schon die Forderung konnte böses Blut machen, und waren die Eingeborenen wirklich feindlich gesinnt, wie hätte ihr kleiner schwacher Trupp – dem selbst der Rückzug nach Chile durch den Regen abgeschnitten worden, ihnen je Trotz bieten oder sich nur widersetzen können?

Das alles sollte sich vielleicht schon in den nächsten Stunden entscheiden, und sonderbar, daß selbst der alte Chilene heute nicht mehr so rastlos wie bisher zum Aufbruch drängte und seiner Begleitung vollständig Zeit ließ, Sattelzeug und ihre Decken und Mäntel zu trocknen, und überhaupt alle Vorbereitungen zu treffen, um den Herren dieses weiten Distrikts zu begegnen.

Er sah entsetzlich bleich heute aus, der alte Mann, und nur die Augen hatten einen eigentümlichen, fast wilden Glanz. So früh als einer der anderen war er auch von seinem Lager und arbeitete selber mit. Er hing sein Zelt zum Trocknen auf, in das der Wind lustig hineinwehte, er öffnete selber die Provisionssäcke und gab das Nötige – aber reichlich – zum heutigen Frühstück heraus. Auch seine Pistolen sah er nach, die er in den Holstern trug, schoß sie ab und lud sie frisch.

Dadurch wurden die beiden Deutschen aber auch an ihre eigenen Gewehre erinnert, und, guter Gott, wie sahen diese aus! Beide waren von einer roten Rostkruste überzogen und die Ladungen natürlich zu einem feuchten Brei geworden, der nie die Kugel aus dem Rohr gesandt hätte. Der Doktor erbot sich deshalb, jetzt das Trocknen der Decken und Kleidungsstücke zu übernehmen, wenn Reiwald die Waffen in Ordnung bringen wollte, und dazu verstand sich dieser am leichtesten, denn er brauchte sich dabei nicht viel zu bewegen.

Die Indianer besorgten indes wieder das Einfangen und Packen der Lasttiere, das Frühstück wurde verzehrt, und eine halbe Stunde später setzte sich der Zug aufs neue in Bewegung.

Bald hatten die Reisenden die Mündung des Tales erreicht, wenigstens die Stelle, von wo sich der letzte niedere Hang direkt gegen die Pampas hinabzog, und dicht zu ihren Füßen lag die breite und spiegelglatte Rontue-Lagune, die sich nach Osten zu in einen schmalen Arm zusammenzog und dann wieder zu dem kleineren See Huetchun ausbreitete. Die Wasserfläche dehnte sich aber weit nach Osten hinüber, und an den nördlichen Ufern derselben ließen sich jetzt deutlich, schon mit bloßen Augen, die dunklen Fellzelte der Indianer erkennen, die dort zwischen den Apfelbäumen ihr Lager aufgeschlagen hatten. An dem schmalen Arm, welcher die beiden größeren Lagunen mit einander verband, stand aber auch eine wirklich feste und ziemlich geräumige Hütte, die der Doktor mit seinem Glas deutlich von den Zelten unterscheiden konnte. Meier, dem er das sagte, nickte und meinte, die gehöre dem Fährmann, oder dieser wohne wenigstens darin. Dort würden auch die Fässer aufbewahrt für ihre Chicha, und die Presse stände dort, um den Apfelwein auszuquetschen. Jedenfalls wären die Indianer drinnen an der Arbeit, denn da draußen herum ließen sich viele Pferde auf der Weide erkennen.

Die kleine Kavalkade war indessen, der ziemlich steilen Senkung folgend, rasch zu Tal gestiegen. Die Wasserfläche der Rontue-Lagune hatten sie jetzt an der rechten Seite und folgten dem kiesigen Ufer derselben. Hier zog sich auch ein deutlich erkennbarer Weg hin, da der Boden weiter in der Pampas wahrscheinlich weich und schwer war.

Kaum mochten sie aber eine halbe Stunde etwa der Lagune gefolgt sein, als links zwischen den Bäumen ein Reiter sichtbar wurde – ein Indianer auf nacktem Pferd, ohne Sattel, ja selbst ohne Zaum, das Tier nur eben mit Schenkel und Armen regierend. Wie ein Schatten glitt er zwischen den Bäumen hin, und Cruzado, der ihn zuerst gesehen, winkte ihm mit der Hand und rief ihm ein paar Worte in seiner eigenen Sprache zu – aber er verschwand, wie er gekommen und schien keine Lust zu haben, sich mit den Fremden einzulassen.

Wieder und wieder wurden, je weiter sie ritten, einzelne Indianer sichtbar; aber es war augenscheinlich, daß sie nur die Fremden umschwärmten, um sich über ihre Zahl zu vergewissern und sicher zu sein, daß nicht noch weitere Trupps oder Züge folgten; zu ihnen heran ritt keiner, und nur einmal dachten sie schon einen Abgesandten des Kaziken zu treffen, denn ein einzelner Indianer, seinen Poncho umgehangen, die lange Lanze in der Hand, das Haar in dem Wind um seine Schläfe flatternd, hielt plötzlich, etwa zwei- oder dreihundert Schritt voraus, still und regungslos in dem Pfad, dem sie folgten. War es aber wirklich seine Absicht gewesen, sie dort zu erwarten, so änderte er sie vorher. Noch mochten sie etwa hundert Schritt von ihm entfernt sein, als er plötzlich sein Pferd herumwarf und, ihm die Hacken einsetzend, mitten zwischen die Apfelwaldung hineinsprengte.

Der alte Don Enrique hatte scheu die wilden Gestalten beobachtet, deren unheimliches Erscheinen und Verschwinden ihm gar keine Bürgschaft für ihre freundliche Gesinnung schien. Cruzado, der jetzt an seiner Seite dahinritt, beruhigte ihn aber bald darüber. Diese einzelnen waren nur ausgesandt, um dem Kaziken Kunde zu bringen – sie durften sich selbst nicht mit den Fremden einlassen, wenn sie auch gewollt hätten, da die erste Anrede dem Oberhaupt gebührte, und der Stamm fühlte sich wahrscheinlich hier, wo sie erst den Lagunenarm kreuzen mußten, um auf die andere Seite zu kommen und die freie Pampas vor sich zu haben, nicht so ganz sicher, da man die genaue Stärke des nahenden Trupps noch nicht kannte. Sobald sie erfuhren – und das war jetzt schon geschehen – daß sie es mit einer kleinen, friedlichen Karawane zu tun hatten, würden sie sicher nichts Feindliches gegen sie unternehmen. Bis jetzt war wenigstens noch nie einer der von Chile herüberkommenden Händler belästigt oder gar beraubt worden. Der Häuptling Jenkitruss hielt auf strenge Gerechtigkeit, und selbst den Weißen hier und da doch gestohlene Dinge oder Pferde waren ihnen jedesmal, sobald nur die Anzeige gemacht worden, wieder zurückgeliefert.

Die Reisenden hatten in der Tat nichts für ihre Sicherheit zu besorgen, denn die meisten Indianer, die sie bemerkten, waren vollständig unbewaffnet, und nur wenige hatten in der Eile, und vielleicht aus alter Gewohnheit, ihre Lanzen ergriffen. Jetzt kamen aber auch immer mehr von ihnen heran. Der alte Chilene ritt mit seinem Begleiter eben zwischen die ersten Zelte hinein, als sie den Platz von den Wilden umschwärmt sahen, und wohl hatten auch diese Ursache, über den Besuch verwundert zu sein, denn zu dieser Jahreszeit, und selbst während die Herbstregen in den Kordilleren begannen, war wohl noch niemand über die Berge gekommen, da sie jedenfalls auf einen fünf- bis sechsmonatigen Aufenthalt in den Pampas gefaßt sein mußten. Was führte die Weißen jetzt hier herüber, und stand es in Verbindung mit den übrigen Streifzügen, die gerade drüben – wie sie recht gut wußten, gehalten wurden? Cruzado ließ ihnen aber nicht Zeit, sich zu besinnen oder sie gar auszufragen. Seinen Arm gegen sie schwenkend, rief er ihnen das grüßende: »Mari! Mari!« entgegen, und »Mari! Mari!« rief es bald von allen Seiten – »Mari! Mari! woher? wohin?«

»Welcher Kazike liegt hier mit seinem Stamme?« fuhr aber Cruzado fort, ohne eine der an ihn selber gerichteten Fragen zu beantworten.

»Tchaluak!« lautete die Antwort.

»Und wo ist Jenkitruss?«

»Wer weiß es?« lachte einer der Leute; »heute über der Kordillere drüben, morgen fegt er die Pampas am Kusu-Leufu.«

»Wo ist das Zelt des Kaziken?« fragte Cruzado wieder, der wohl wußte, daß er auf eine solche Frage keine wahre Antwort von diesem Volk erwarten durfte – wirklich angenommen, sie hätten den Aufenthalt ihres ersten Kaziken gewußt. Vor allen Dingen mußten sie den Häuptling dieser Horde aufsuchen, und wie sie sich mit dem stellten, darauf kam es an, ob sie genügende Auskunft und die Erlaubnis zum Weitermarsch erhielten.

Eine direkte Antwort auf diese Frage bekamen sie allerdings nicht, aber einer der Indianer, ein wild aussehender Bursche, mit einem frischen Fleischriß über das ganze Gesicht, der aussah, als ob er mit einem Messer geschnitten oder gehackt wäre, warf sein Pferd herum und sprengte, seine Lanze hochgehoben, vor Cruzado her, mitten zwischen die Zelte hinein und jedenfalls der Wohnung des Kaziken zu. Cruzado folgte ihm auch augenblicklich, und im gestreckten Galopp, von der ganzen übrigen Horde gefolgt, jagten die Männer mitten in das Zeltlager hinein. Die Packtiere mit ihren Treibern mochten sehen, wie sie nachkamen. Den Weg fanden sie übrigens, denn die mit von Chile herübergekommenen Indianer hatten schon Bekanntschaft mit den Pehuenchen gemacht oder auch vielleicht einzelne alte Freunde unter ihnen angetroffen. Sie unterhielten sich wenigstens lebhaft mit ihnen, und die Pehuenchen halfen ihnen sogar, indem sie an beiden Seiten des Zuges ritten, die Tiere in Ordnung zu halten, die jetzt weder mehr nach rechts noch links abbiegen konnten.

Auch mit den beiden Deutschen wollten die Indianer eine Unterhaltung anknüpfen, das ging aber freilich nicht; trotzdem nickten sie ihnen freundlich zu, und beide hörten mehrmals das Wort Alemanes. – Die mitgekommenen Eingeborenen mußten ihnen jedenfalls gesagt haben, woher sie kämen, und sie schienen sich darüber zu freuen.

Vor ihnen lag jetzt das größte bisher getroffene Zelt. Es war wenigstens zehn Fuß hoch, mit Querstangen hergestellt und mit dunklen Fellen belegt, Felle von Guanako, jener Lamaart, die eine so seidenweiche Wolle hat, und die, zu solchem Zweck benutzt, den Regen und besonders die in den Pampas oft wehenden Stürme vollkommen abhalten. Das Zelt selber mochte etwa vierundzwanzig Fuß lang und zehn Fuß breit sein. Der Eingang war aber an dem schmalen Teil und ebenfalls mit Fellen dicht verhangen.

Inzwischen hatten auch die Packtiere den offenen Platz erreicht, der vor des Häuptlings Zelt freigelassen war, aber niemand machte Miene, sie abzupacken, obgleich es sich wohl von selbst verstand, daß sie hier übernachten würden. Man trieb sie zusammen und befestigte ihre Zügel aneinander – weiter nichts, und Don Enrique hielt, ebenfalls noch im Sattel, vor der Tür des Kaziken, während Cruzado als Dolmetscher mit dem Indianer, der sie hierher gebracht, das Innere des Heiligtums betreten hatte, um dort vor allen Dingen genauen Bericht über den Charakter und den Zweck des Besuchs abzustatten.

Cruzado hütete sich aber, die Neugier des Indianers in jeder Hinsicht zu befriedigen, denn er wollte, daß der Kazike den Chilenen selber sprechen solle. Er berichtete also: er wisse nur, daß ihm eine Tochter in Chile geraubt sei und er herübergekommen wäre, um den Apo oder Oberhäuptling aufzusuchen und ihm ein Lösegeld dafür anzubieten. Es verstand sich jedoch von selbst, wie er hinzusetzte, daß der weiße Señor auch reiche Geschenke für die Kaziken mitgebracht habe, die ihn freundlich unterstützen würden, seinen Zweck zu erreichen.

Die Unterhaltung da drinnen dauerte entsetzlich lange Zeit. Der Kazike hatte schon durch seine Kundschafter die Anzahl der eingetroffenen Personen erfahren und suchte vor allem zu wissen, wer sie seien und was sie herübergeführt, ob nämlich keine Händler dabei wären, und alle nur die Begleitung des alten Mannes bildeten. Außerdem schien es ihm nicht recht zu sein, daß sich der Fremde an Jenkitruss selber wenden wolle; warum nicht an ihn? War er nicht auch ein Häuptling? – Und was für ein Mädchen hatte man – und wann erbeutet, und wo? Cruzado wußte es nicht; der alte Mann war mit dem Schiff nach Valdivia gekommen und schien sehr unglücklich über das verlorene Kind, würde auch gewiß sehr viel zahlen, um es wiederzubekommen, denn er müsse sehr reich sein.

Tchaluak nickte düster vor sich hin. Daß die Weißen zahlen mußten, wenn sie ein Beutestück wieder haben wollten, verstand sich von selbst, der Dolmetscher brauchte ihm das nicht erst zu sagen.

»Und alles andere,« fuhr Cruzado ehrerbietig fort, »kannst du von dem alten Herrn selber genau erfahren, wenn du ihn soweit ehren willst, ihn anzuhören.«

Tchaluak schwieg noch immer. Der Stamm war gerade im Begriff gewesen, ein Chichagelage zu beginnen, und in demselben Augenblick das erste Faß angezapft worden, als die nahenden Fremden entdeckt und gemeldet wurden. Das schien keine gelegene Zeit für den Empfang eines Besuchs; aber die Aussicht auf reiche Geschenke überwog doch auch wieder die andern Bedenklichkeiten. Eine Weile zögerte der Häuptling noch mit der Antwort, dann winkte er mit der Hand und sagte:

»Gut, so laß ihn eintreten, aber ihn allein, die anderen mögen warten.«

»Und dürfen wir den Tieren das Gepäck abnehmen lassen?«

»Nein, erst will ich mit deinem Mann mit den weißen Haaren sprechen; vielleicht nachher.«

Der Befehl war so bestimmt gegeben, daß eine Widerrede ganz aus der Frage blieb, und Cruzado, der seine Leute genau kannte, zog sich mit einer ehrfurchtsvollen Verbeugung zurück, um den Auftrag auszurichten.

Mit klopfendem Herzen stieg Don Enrique aus dem Sattel, und sein Dolmetscher flüsterte ihm, als er ihm dabei half, nur rasch zu:

»Seid freundlich mit dem Burschen da drinnen; es ist einer der kleinsten, aber auch einer der wildesten und böswilligsten Kaziken der ganzen Pampas und lebt sogar in Unfrieden mit Jenkitruss, da er behauptet, aus edlerem Blute zu stammen, und daß er vor ihm das Recht habe, der Apo oder Kriegshäuptling des ganzen Landes zu sein.«

»Und sein Name?«

»Tchaluak. Ihr nennt ihn nur Kazike und laßt ihn das Wort häufig hören. Das Übrige werde ich schon besorgen.« Und damit wollte er den alten Herrn in das Zelt führen, als der Doktor ihn anrief: »Oh, Señor, wo sollen wir unsere Pferde unterbringen?«

Cruzado antwortete ihm nicht, winkte aber Meier herbei und sagte: »Don Carlos, Ihr sorgt mir dafür, daß niemand von seinem Pferde steigt. Alle bleiben hier halten, auch die Packtiere, bis Tchaluak den Befehl gibt – achtet darauf!«

Don Enrique, während Cruzado das Fell zurückzog, das den Eingang verhing, betrat jetzt das Zelt, dessen ganzen inneren Raum er aber nicht übersehen konnte, da es, fast wie bei den einzelnen Abteilungen in einem Marstall, in Gehege geteilt war. Oben konnte man allerdings die ganze Länge übersehen, aber die unteren Teile waren abgeschlossen, so daß der vordere, gewissermaßen als Empfangszimmer, ein eigenes kleines Gemach für sich bildete. Eine Anzahl von Guanakofellen lag hier auf dem Boden und diente zum Sitzen wie vielleicht auch zur Schlafstelle, denn ein weiteres Bett besaßen die Indianer doch nicht und verlangten und brauchten auch nicht mehr.

Hier lag mehr als er saß, nach rückwärts übergebeugt, den ruhenden Körper auf den linken Ellbogen gestützt, der Kazike Tchaluak, der, für den Augenblick wenigstens, das Geschick der Fremden in seiner Hand hielt und über sie gebieten konnte, wie er wollte – wer hätte ihn deshalb zur Rechenschaft gezogen?

Der Indianer wußte das auch, die Stirn war kraus gefaltet, die kleinen, noch halb zugekniffenen Augen hafteten forschend auf dem Greis, und ein trotziges, verächtliches Lächeln spielte um seine Lippen, als er die niedergebeugte Gestalt desselben mit den Blicken überflog.

Cruzado flüsterte seinem Begleiter leise und rasch zu: »Bietet ihm etwas Tabak an, das wird ihn freundlich stimmen.«

»Was sagtest du da?« fuhr aber der Häuptling rasch und heftig auf, indem er sich jetzt auf seine Faust stützte, »was hattest du in meiner Gegenwart zu flüstern?«

»Kazike,« erwiderte Cruzado ruhig, »ich sagte dem Manne nichts weiter, als daß er sich jetzt in der Gegenwart des mächtigsten und tapfersten Häuptlings der weiten Pampas befinde. Ich habe nicht gelogen.«

Ein Lächeln milderte die strengen Züge, und der Wilde nickte langsam mit dem Kopf: war es doch nichts anderes, als was er in öffentlichen Versammlungen schon oft und oft von sich selber gesagt hatte.

»Frag ihn, woher er kommt«, sagte er ruhiger.

»Aus dem Norden des araukanischen Gebietes,« erwiderte Cruzado nach kurzer Rücksprache, »aus einer Stadt der Weißen, Concepcion genannt. Er ist ein ruhiger Landmann, der nie seinen indianischen Nachbarn einen Schaden zugefügt, sondern sie immer freundlich behandelt hat.«

»Und weshalb kommt er jetzt zu mir?«

»Erlaube, großer Kazike,« erwiderte Cruzado, der indes bemerkt hatte, daß Don Enrique seinen Rat befolgt und unter dem Poncho etwas Tabak herausgenommen hatte – »dir vorher, ehe du uns dein Ohr leihst, Tabak zum Rauchen anzubieten, von dem wir dir ein Geschenk mitgebracht. Den Händlern ist der Weg über die Berge abgeschnitten, und wir haben das Beste für dich ausgesucht, was wir in den Ansiedlungen finden konnten.«

Tchaluak nickte vergnügt vor sich hin – einem solchen Anerbieten widersteht ein Indianer nicht leicht, und der Chilene legte ihm selber ein großes Stück Rolltabak und leichtes, schon zugeschnittenes Papier auf die Decke.

»Malu!« rief der Häuptling, den Kopf etwas zurückwendend: »Ktal!« und wenige Sekunden später schob sich das Fell zurück, welches die Hinterwand bildete, und ein kleiner, vollständig nackter Bursche von vielleicht sechs Jahren glitt scheu und furchtsam, einen an der Spitze glühenden Ast in der Hand haltend, in das Gemach und drückte sich an der Fellwand hin dem Häuptling zu, dem er das Feuer entgegenhielt. Tchaluak war aber noch beschäftigt, seine Zigarre zu drehen, und als er das, worin er eine ziemliche Geschicklichkeit zeigte, beendet, zündete er sie an und blies den Rauch wohlgefällig durch die Nase. Dann gab er das Feuer zurück, und der Kleine, der indessen nicht gewagt hatte, eine Bewegung zu machen, und nur die Fremden neugierig anstarrte, verschwand ebenso, wie er gekommen.

Während der ganzen Zeit wurde kein Wort gesprochen, aber Cruzado entging nicht, daß der Häuptling doch etwas weniger finster aussah, und keinesfalls hatten sie sich mit der kleinen List geschadet. Günstig standen ihre Sachen aber noch immer nicht, denn wer konnte in den Zügen eines Indianers lesen, was in ihm vorging und wie er im nächsten Augenblick handeln würde.

»Jetzt rede,« sprach der Indianer endlich, »und sage dem Weißen, daß er sich dort auf die Felle setzen soll – er ist willkommen.«

Der alte Mann folgte der Einladung und gab auf Cruzados Aufforderung diesem eine kurze, gedrängte Erzählung des Geschehenen, auch beschrieb er ihm den Paß, durch welchen die Indianer mit ihrer Beute geflüchtet. Tchaluak, obgleich er kein Wort von der spanischen Sprache verstand, beobachtete ihn scharf dabei, schüttelte aber verächtlich mit dem Kopf, als ihm Cruzado die Mitteilung machte und sagte: »Bah! Was gehen uns hier eure Kämpfe mit den Moluchen an. Schlagt euch oder vertragt euch, wir haben nichts damit zu schaffen. Die Araukaner sind Hunde! Als Tchaluak ihren Beistand anrief in seiner gerechten Sache, zuckten sie die Achseln und wollten keine Lanze heben, kein Pferd satteln. – Wir haben keine Gemeinschaft mit ihnen, und wenn sie über die Berge in unser Gebiet geflüchtet sind, so sei versichert, daß sie sich dort nur so lange halten, bis unsere jungen Leute sie entdecken. Tchaluak haßt sie und würde ihnen ihre Beute abjagen, aber ihre Pferde sind flüchtig, und er hat bis jetzt nur den Rücken der Feinde zu sehen bekommen.«

»Aber kein Araukaner hat mein Kind geraubt!« rief hastig und zitternd der alte Mann – »es war ja der eigene Kazike dieser Steppen, Jenkitruss selber.«

»Was sagt er von Jenkitruss?« fragte Tchaluak, der den Namen auffing.

»Nicht die Araukaner waren es, die den Überfall gemacht, großer Kazike, sondern Jenkitruss ist, wie der alte Mann sagt, mit einem Trupp der Seinen über die Berge gekommen und hat seine Tochter geraubt.«

»Jenkitruss?« rief Tchaluak, von seinem Sitz emporfahrend. – »Ja, ich weiß, er war über den Bergen drüben; er liebt die Moluchen, und wären wir seinem Rat gefolgt, so hätten wir unsere jungen Krieger hingeschlachtet, um jenen feigen Pferdedieben gegen die Bleichgesichter beizustehen; aber ich wußte nicht, daß er auch dort Beute gemacht hat, nicht ein Wort erwähnte er davon im Rate oder bot den Kaziken eine Teilung an. Nur ein junges weißes Mädchen sah ich in seinem Zelt – fast noch ein Kind – wie ein scheues Füllen glitt sie durch die Hütte. – War sie das?«

»Oh mein Kind! oh mein Kind!« rief Don Enrique, als ihm Cruzado die Worte übersetzte, während sich seine Augen mit Tränen füllten – »Gott sei gepriesen, daß sie wenigstens noch lebt – oh, sie konnten ja auch diese Blume nicht geknickt, nicht gebrochen haben – es sind ja doch Menschen mit einem Herz in der Brust!«

Tchaluaks Augen funkelten von einem unheimlichen Feuer, als er die Bestätigung seiner Frage schon aus den Bewegungen des alten Mannes erriet. Vor sich hinbrütend, sank er auf die Felle zurück und schien Cruzados Übersetzung gar nicht zu hören oder wenigstens nicht weiter zu beachten. Einmal war es, als ob er wieder reden wollte, aber er wandte den Kopf halb scheu zur Seite; fürchtete er von jemandem, der sich hinter den Fellen befand, behorcht zu werden? Eine ganze Weile schwieg er auch, und da er keine Frage stellte, hütete sich Cruzado wohl, sein Nachdenken zu stören – vielleicht war es ihnen günstig. Endlich richtete er sich empor; wie er so vor ihnen stand, war es eine nicht eben große, aber kräftig sehnige Gestalt, und der nackte Arm, der unter dem emporgeworfenen Poncho hervorschaute, sah aus, als ob er einen Stier hätte damit zu Boden schlagen können. Das Haar hing ihm lang und wirr um das hellbraune, trotzig starre Angesicht, und er trat auf wie ein Mann, der wußte, daß andere gehorchen mußten, wo er befahl. Er sah den alten Chilenen noch einmal fest an, dann sagte er, aber weit freundlicher, als er sich bis jetzt gezeigt:

»Es ist gut, wir sprechen noch darüber – Malu!« rief er dann wieder, und im Nu schnellte der kleine Bursche hervor; »führe die Fremden in Huaygoscuns Zelt, dort ladet eure Tiere ab, nachher werd ich den bleichen Mann wieder rufen lassen, daß er mir seine Gaben bringe.«

Cruzado neigte sich nur, und Don Enriques Arm ergreifend, den er mit sich hinausführte, erzählte er ihm unterwegs, was der Häuptling gesagt, und daß sie diese Nacht in einem seiner Zelte verbringen würden.

»Aber, Amigo!« rief der alte Mann, »in welcher Richtung haust Jenkitruss? – Es ist noch früh am Tage und wir können eine weite Strecke zurücklegen.«

»Paciencia, Señor,« beschwichtigte ihn kopfschüttelnd der Dolmetscher, »wir haben jetzt, bei den Pehuenchen angekommen, keinen freien Willen mehr und müssen hier bleiben, bis er uns selber fortschickt.«

»Aber was kann er von uns wollen?«

»Quien sabe,« erwiderte der Gelbbraune wieder, »wer weiß je, was diese Burschen wollen, denn sie sprechen nie ein Wort zu viel, und Tchaluak ist einer der Schlimmsten und Verschlossensten von ihnen. Aber veremos – wir werden ja sehen, denn herauskommen muß er schon damit, und jetzt packt nur einige von Euren Herrlichkeiten aus, daß wir ihn bei guter Laune erhalten. Seid auch freigebig – bei diesem Kaziken ist es am besten angewandt, und für Jenkitruss behaltet Ihr doch noch genug übrig. Ihr habt hinreichend Waren bei Euch, um einen ganzen Stamm aufzukaufen, wieviel mehr denn, um das Lösegeld für ein Kind zu zahlen.«

 


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