Friedrich Gerstäcker
Unter den Pehuenchen
Friedrich Gerstäcker

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5. Kapitel

Wir müssen für kurze Zeit zu den Indianern zurückkehren, die, von Jenkitruss geführt, die Hazienda des alten Don Enrique an jenem Morgen überfielen. Der dem Boten nachgesandte Indianer Saman war nämlich seinem Auftrag vollkommen gerecht geworden und, sein Pferd unfern der Ansiedlung in einem Dickicht von Apfelbäumen zurücklassend, so vorsichtig durch den in der weiteren Anlage etwas verwilderten Garten geschlichen, daß er noch vor dem an der Pforte harrenden Allumapu den inneren Raum erreichte. Dort lag er auf der Lauer, bis die Offiziere hinter dem Flüchtigen hersprangen und ihm das Pferd erschossen, und wäre beinahe hier ebenfalls entdeckt worden, denn durch das nämliche Gebüsch brachen die Verfolger, in dem er selber versteckt lag. In der gleich darauffolgenden Verwirrung gelang es ihm aber desto leichter, sich unbemerkt zurückzuziehen, und was sein Tier laufen konnte, jagte er den Bergen zu, wo er durch seine Botschaft das Lager in Aufruhr brachte.

Im Nu war der Plan entworfen, und wie ihn die wilde Horde ausführte, haben wir gesehen. Dem Pehuenchenhäuptling lag aber weniger daran, reiche Beute zu machen, als die Weißen für ihre Treulosigkeit zu züchtigen, und dann natürlich von Pferden und Vieh mitzutreiben, was er in der Geschwindigkeit erlangen konnte. Hatten sie ihm doch ebenfalls seine eigenen Pferde geraubt, und er übte da bloß Wiedervergeltung.

Aber unblutig gehen solche Überfälle nie ab. Was liegt auch den wilden Stämmen an dem Leben eines fremden Menschen, wo sie das eigene fast täglich in die Schanze schlagen! Lanze und Bolas liegen ihnen nur locker in der Hand, und Wurf und Stoß sind fast immer tödlich. So, während Jenkitruss selber mit einem Teil seiner Leute keck in die Hazienda brach, um seinen Abgesandten zu befreien und die dort im Quartier liegenden Soldaten zu beschäftigen, konnten die übrigen deren Pferde und das ihnen außerdem in die Hand laufende Vieh zusammen- und forttreiben. Frauenraub, der nicht selten das Ziel ihrer Überfälle ist, lag diesmal eigentlich nicht in ihrem Plan, denn durch den Wald hindurch durften sie sich nicht zu sehr beladen und mußten die Hände freibehalten. Das junge bildschöne Mädchen aber reizte den Häuptling: zu verlockend lief sie ihm in den Wurf, und hatte der falsche Weiße denn nicht auch eine solche Züchtigung verdient?

Wie ein wildes Wetter waren sie eingebrochen, wüteten in dem engen Raum mit Brand, Mord und Raub und verschwanden ebenso rasch, wie sie gekommen, um draußen die erschreckten und eingeschüchterten Tiere zusammen und hinein in den Wald zu jagen. Darin waren sie auch Meister und die eigenen Pferde selbst so darauf eingelernt, daß sie fast gar keiner Lenkung mehr bedurften. Wo ein Stück ausbrechen wollte, flogen sie schon selber seitwärts, und wußten so geschickt im Dickicht ihre Bahn zu wählen, daß sie selten oder nie den Reiter dabei gefährdeten.

Draußen vor der Hazienda, über eine offene Wiese, floh noch eine einzelne weibliche Gestalt, der Schrecken und Angst die Besinnung geraubt zu haben schien. Mit fliegendem Haar wollte sie der Hauptwohnung zuflüchten, als einer der Pehuenchen – es war der Spion Saman – sein Pferd wandte und sie mit wenigen Sätzen einholte.

»Misericordia!« schrie die Unglückliche; aber lachend bog sich der wilde Bursche nieder, und während das Pferd an ihr vorbeisprang, faßte er sie um die Taille und wollte sie hinauf in den Sattel heben. Das wäre ihm aber fast schlimm bekommen, denn die Señora erfreute sich eines schwereren Gewichts, als er ihr, von den wehenden Kleidern und dem Mondlicht getäuscht, zugetraut. Er war auch nicht imstande, sie gleich hinaufzubringen, und während das Pferd weiterflog, schleifte er sie, unter dem Zetergekreisch der Unglücklichen, neben sich her. Da kam ihm ein Kamerad zu Hilfe – wie ein Schatten flog der an seine Seite, und im vollen Galopp griff er, neben ihm hinsprengend, das Kleid der Gefangenen, die er jetzt auf seiner Seite ebenfalls emporhob und mit einem Ruck hinüber in die Arme des glücklichen Besitzers warf. – Und fort ging die Hetze dabei in wilder Flucht dem schützenden Dickicht zu.

Aber nicht ganz erfolglos waren all die auf die Räuber abgefeuerten Schüsse gewesen. Im Hofe selber fiel allerdings keiner von ihnen; wenn auch schwer getroffen, hielten sie sich im Sattel; draußen jedoch, als sie erst die Verfolger hinter sich hatten, fingen zwei der Pehuenchen an zu taumeln, und erst stürzte der eine, dann der andere zur Erde nieder. Der erste, durch die Lunge geschossen, war gleich tot; der andere hatte die Kugel in den Unterleib bekommen und lebte noch; die Wilden lassen aber keinen der ihrigen, tot oder verwundet, in Feindeshänden zurück, solange sie die Möglichkeit vor sich sehen, sie wegzuschaffen. Der Verwundete wurde deshalb rasch wieder auf sein Pferd gehoben und von zweien, die nebenher ritten, unterstützt; den Toten band man ohne weitere Umstände auf sein eigenes Tier und trieb dieses mit der übrigen Truppe voran; aber der arme Verwundete konnte das nicht lange aushalten, die Wunde fing an zu brennen, und er schrie vor Schmerz bei der Bewegung.

Der eine der Kameraden nahm ihn jetzt vor sich auf den Sattel, der andere hielt sich mit seinem Pferd neben ihm, so folgten sie den Freunden und konnten recht gut mit diesen Schritt halten, da ihnen das Vieh noch viel zu schaffen machte. Aber es war zu viel für Menschennatur, mit zerrissenen Eingeweiden einen Ritt über unebenen Boden auszuhalten. Der Unglückliche klagte nicht mehr, aber er ließ den Kopf hängen; die Glieder wurden ihm schwer, ein heftiges Zittern flog über seinen Körper, dann lag er still.

»Er ist tot!« flüsterte der, der ihn hielt – »bringe das Pferd heran!«

Es wurde weiter kein Wort gewechselt; die beiden blieben mit dem Leichnam ein paar Minuten zurück, dann trieben sie das vor dem Blut scheuende Tier mit gellendem Aufschrei hinter den Freunden her, und auf den Sattel gebunden, Kopf und Arme an der einen, die Beine an der andern Seite herunterhängend, hing der Tote. Er durfte nicht zurückgelassen werden.

Auch wurden sie durch die engen Waldpfade der Kila bedeutend aufgehalten, und an jenem Dickicht entgingen sie nur ihren viel zu nah herangekommenen Feinden dadurch, daß sie den Wald in Brand steckten und die verfolgenden Chilenen stundenlang aufhielten. Wäre der strömende Regen nicht gerade in der Zeit gefallen, so würden sie sogar durch ihre List hinlänglich Zeit behalten haben, die Otra Banda in aller Ruhe zu erreichen. Der Gewitterschauer vereitelte aber zum Teil wenigstens ihren Plan: die Chilenen konnten den Kilabruch früher wieder passieren, als sie gerechnet hatten, und die Flucht mußte desto rascher fortgesetzt werden.

Irene war, als sie der Häuptling in seinem eisernen Griff auf sein Pferd hob, ohnmächtig geworden, und willen- und machtlos lag sie in seinen Armen. Aber die leichte Bürde fühlte er gar nicht, und nicht weniger rasch flog sein wackeres Tier mit ihm dahin und schien überall zu sein, um den Trupp in Ordnung zu erhalten und die gewonnene Beute aus dem Bereich der Feinde zu bringen. Als die Unglückliche wieder zu sich kam, waren sie schon weit im Walde drin, und vergebens blieben jetzt ihre Bitten, blieb ihr Flehen, sie ihrem Vater zurückzugeben. Der Pehuenche verstand ihre Sprache gar nicht, und hätte er sie verstanden, würde er über die Torheit einer solchen Zumutung gelacht haben. Er wieder herausgeben, was er einmal in Händen hielt? – ja, wenn man es ihm mit Gewalt entreißen konnte, sonst wahrlich dachte seine Seele nicht daran.

Erst die vollständig eingebrochene Nacht setzte ihrem wilden Ritt ein Ziel, und Irene flog, wie sie der Häuptling kaum vom Pferde auf den Boden niedergelassen, mit zitternder Hast auf ihre Mitgefangene zu und schlang ihre Arme krampfhaft um ihren Nacken.

»Armes, armes Kind,« sagte die Chilenin, »daß auch du dieser Horde in die Hände gefallen bist.«

»Ach, laß uns fliehen,« flüsterte ihr Irene zu – »lieber im Wald verirrt – verhungert, als länger mit den schrecklichen Menschen.«

»Verzage nicht, Kind,« sagte die ältere Gefährtin – »vielleicht gelingt es uns, zu entfliehen – hoffe nur – es kann noch alles gut gehen, und dein Vater bietet gewiß alles auf, uns zu befreien.«

»Mein armer, armer Vater!«

»Ruhig, Herz – ruhig – das ist der Häuptling, der dich auf seinem Pferde hatte. – Er kommt – laß ihn nichts merken und halte dich nur immer zu mir. Wenn alle schlafen, schleichen wir uns fort, und sind wir erst einmal im Wald drinnen, sollen sie uns schon nicht wiederfinden.«

Es war in der Tat Jenkitruss, der seine Anordnungen für die Nacht traf, aber so dunkel war es geworden, daß sich das Terrain kaum noch erkennen ließ, und Feuer wurden jetzt an mehreren Stellen angezündet, die ihr rotflackerndes Licht umherwarfen. Jenkitruss schien aber die Frauen nicht weiter belästigen zu wollen und Saman die Sorge um sie übertragen zu haben. Nur den Platz, wo sie schlafen sollten, hatte er bestimmt, und zwar unter einer Felsenwand, wo das überspringende Gestein ihnen Schutz gegen den Nachttau gewährte. Saman entzündete dort ein Feuer und warf seine Satteldecken auf den Boden, dann ließ er die Frauen allein, und diese sahen bald, daß sie allerdings dort hinter einem Busch versteckt lagen, aber auch rings umher von den übrigen Feuern der Wilden in einem Halbkreis so eingeschlossen waren, daß an ein Entrinnen kaum zu denken war. Die Wilden hatten freilich jetzt genug mit ihren Tieren zu tun; einzelnen nur schien das Kochgeschäft übertragen zu sein, und ein junges Pferd war rasch geschlachtet und abgestreift, worauf bald an den verschiedenen Feuern die saftigen Stücke brodelten.

Auch die Frauen wurden nicht vergessen, und zwar war es diesmal Allumapu, der ihnen – mit den Sitten der Weißen etwas mehr bekannt als seine wilden Gefährten – auf einem breiten Blatt ein paar saftige Fleischstücke brachte und eine heruntergebrochene Steinplatte zu einem Tisch für sie herrichtete.

Irene erkannte ihn wieder – es war der Gefangene.

»Oh, um der heiligen Jungfrau willen, Señor,« bat sie, »was hat man mit uns vor? Führt uns nicht so weit in die Berge, mein Vater wird jedes Lösegeld für mich zahlen, das ihr verlangt – oh, bringt mich zu ihm zurück!«

»Die Weißen find falsch,« sagte der junge Wilde finster, »sie würden dich behalten und den Boten töten.«

»Oh, glaube das nicht,« rief Irene, »mein Vater ist gut und brav – er war böse darüber, daß man Euch gefangen nahm.«

»Die Weißen find falsch,« wiederholte Allumapu, »ihre Zunge lügt und sie hassen den roten Mann. Die junge Fremde aber ist gut; sie wird das Weib eines tapfern Häuptlings werden.«

»Großer, allmächtiger Gott!« rief Irene schaudernd und verbarg ihr Antlitz in den Händen, Allumapu aber wandte sich ab und schritt schweigend zu seinen Gefährten zurück. Was klagte das törichte Mädchen auch! Hatte sie nicht der Kazike zu seiner Frau gewählt?

Die ganze Nacht wachte Irene – wachte in der immer vergeblichen Hoffnung, ihre Wärter täuschen zu können; sooft aber auch ihre Unglücksgefährtin, die dunkle Decke um sich geschlagen, vom Feuer wegkroch, um irgendeine Lücke zu finden, die sie zu ihrer Flucht hätten benutzen können, es war immer umsonst. Sechs, sieben dunkle Gestalten schritten schweigend, ihre Lanzen in der Hand, zwischen den in heller Glut unterhaltenen Feuern hin und her – noch einen Schritt hinaus, und sie wäre entdeckt worden, und sollte sie den Zorn der trotzigen Wilden reizen? Sie wagte es nicht.

So verging die Nacht; der Morgen dämmerte, und mit dem ersten Schein desselben wurden die Pferde zusammengetrieben und gesattelt, und kaum zehn Minuten später setzte sich der ganze Trupp wieder in Bewegung.

Auch Irene bekam diesen Morgen ein Pferd, das Jenkitruss selber an kurzer Leine führte. Aber selbst ohne diese Vorsicht wäre sie nicht imstande gewesen zu entfliehen, denn sie hatte kein schnellfüßiges Reittier, sondern eins der breitrückigen Packpferde erhalten, die wohl sicher gehen, aber sich auch weit langsamer von der Stelle bewegen.Die Pehuenchen-Pferde werden gewöhnlich als breithufig, schwer und kurz geschildert, aber es sind das nur die Packpferde der Indianer, eine ganz besondere Rasse, die sie nie reiten und nur dazu benutzen, ihre Zelte und Zeltstangen wie sonstiges Gepäck zu tragen. Ihre eigenen Reitpferde sind weit schlanker und hochbeiniger, wenn auch von breiter Brust, aber ganz tüchtige Renner, und nicht selten imstande, einen flüchtigen Kasuar auf freier Pampas einzuholen. Ihr Begleiter würde sie im Nu mit seinem feurigen Rappen eingeholt haben.

So setzte sich der Zug in Galopp, bis nachsprengende Kundschafter berichteten, die Verfolger seien ihnen auf den Fersen und müßten sie jedenfalls noch an diesem Tage überholen. Jenkitruss wußte, wie er dem begegnen konnte, und mit dem Terrain genau vertraut, unterbrach er ihre Flucht nicht, bis sie das Kiladickicht hinter sich hatten. Dort gab er seine Befehle, mit denen diesmal Allumapu beauftragt wurde, und während die Schar vorwärtseilte, steckten die Zurückbleibenden das Rohr in Brand.

Wir wissen, wie lange es die Verfolger aufhielt, aber doch nicht lange genug, um ihnen ganz zu entgehen, und jetzt war der Hohlweg der Pehuenchen letzte Hoffnung.

Allerdings wäre es möglich gewesen, denselben oben zu besetzen und durch eingeworfene Felsstücke ein Passieren der »Klamm« auf längere Zeit zu verhindern. Rasch aber würden die Chilenen die Höhe ebenfalls erklommen und die Indianer mit ihren Feuerwaffen von dort vertrieben, ja diese auch möglicherweise abgeschnitten und entweder gefangen oder getötet haben, da nach Osten zu kein Pfad von dort hinabführte. Dem Häuptling lag aber nichts daran, seine Leute einer unnötigen Gefahr auszusetzen, wo er seinen Zweck so vollkommen schon erreicht hatte. Jetzt galt es nur, die Feinde noch für kurze Zeit aufzuhalten, und das hoffte er auch auf andere Weise zu ermöglichen.

Als sie die Schlucht erreichten, brachten seine Spione schon die Nachricht, daß die Chilenen in scharfem Galopp angesprengt kämen und in kurzer Zeit in Sicht kommen müßten, und so eng war dabei der Paß, daß an einigen Stellen nur ein einzelner Reiter hindurch konnte; aber es half nichts, es mußte versucht werden, und mit voller Ruhe gab der Häuptling seine Befehle.

Zuerst passierten die beiden Pferde mit den darauf gebundenen Toten; diese durften dem Feind nicht in die Hände fallen; dann kamen die erbeuteten Tiere, aus deren Mitte aber Jenkitruss selber mit seinem Lasso einen Schimmel fing und bei sich behielt. Sie wurden langsam in den Engpaß getrieben, um sich nicht zu drängen und den Weg zu den schmalen Stellen nicht zu verstopfen – sie alle wären in dem Fall verloren gewesen. – Jetzt kamen die Krieger – Mann für Mann – dann erst die beiden Frauen, und schon zeigten sich die Feinde auf der nahen Höhe und sprengten mit wildem Jubelruf zu Tal.

Der Häuptling hatte dem noch neben ihm haltenden Allumapu den Lasso zugeworfen und ihm einige Worte gesagt. Der Indianer verschwand mit dem Tier hinter die Felsen, und Jenkitruss allein blieb noch zurück und beobachtete schweigend und aufmerksam das Nahen der Feinde, bis wirkliche Gefahr in seinem längeren Zögern lag. Erst jetzt wandte er langsam sein Pferd – anscheinend in voller Ruhe; kaum aber deckten ihn die Felsen vor dem Blick des Feindes, als er seinem Rappen auch die Sporen einsetzte und rasch hinter dem vorangeeilten Allumapu fortsprengte. Der Abend brach an; eben neigte sich die Sonne hinter den bewaldeten Höhenzügen im Westen, und in dem Hohlweg selber lagerte sich schon jene bleigraue Färbung, die der eigentlichen Nacht vorhergeht und die ganze kurze Dämmerung bildet. Nichtsdestoweniger hatten die Chilenen, als sie den Eingang des Passes erreichten, noch immer eine ziemliche Weile Tageslicht und vermuteten nun nichts anderes, als die Indianer in dem Hohlweg selber hinter Stämmen vielleicht postiert zu finden, um sich an so geschützter Stelle zu verteidigen und den Verfolgern den Durchgang unmöglich zu machen. Zu ihrem Erstaunen fanden sie aber in der ziemlich breiten Mündung der Schlucht, in die ein glatter und ebener Kiesweg hineinzuführen schien, kein lebendes Wesen, und scheu und mißtrauisch zügelten sie ihre Tiere ein, denn es war kaum anderes denkbar, als daß ihnen hier ein Hinterhalt gelegt, irgendeine indianische Teufelei ersonnen sei, um sie hineinzulocken und zu verderben.

Pedro selber zeigte nicht die mindeste Lust, dort voranzureiten und die Sache zu untersuchen.

»Der Henker traue den Burschen,« knurrte er in den Bart, »denn was sie an Schlechtigkeiten aussinnen können, tun sie mit Wonne. Schickt lieber eure Soldaten mit den Flinten hinein. Wenn die ein paar Schüsse abfeuern, machen sich die roten Schufte aus dem Staube, denn das können sie am allerwenigsten vertragen.«

Adano erwiderte kein Wort, sondern vom Pferd springend schnallte er seinen Karabiner los und betrat selber und allein den Paß. Zwei seiner Offiziere folgten ihm aber augenblicklich, und die drei schritten jetzt zu Fuß eine längere Strecke in die Felsspalte hinein, die anfangs etwa sechzehn Fuß breit sein mochte, sich aber mehr und mehr verengte, bis die drei Männer kaum noch Platz nebeneinander hatten. Nichts Verdächtiges war jedoch zu sehen, und der von den Rindern und Pferden zerstampfte Boden zeigte überall nur die gerade hindurchführenden Spuren; es war augenscheinlich, daß die Wilden nur gesucht hatten, das offene Terrain an der andern Seite so rasch als irgendmöglich zu erreichen. Was wollten auch sie mit ihren Waffen hier in dem enggeschlossenen Raum ausrichten. Bolas wie Lasso konnten sie nicht werfen, da diese, um sich schleudern zu lassen, vorher um den Kopf geschwungen werden müssen, und überall würden sie hier damit an die Felswand getroffen haben. Was aber hätte die, wenn auch sehr lange und elastische Rohrlanze gegen die Feuerwaffe ausrichten können? Es wäre ein ganz verzweifelter Versuch gewesen, und Hauptmann Adano, um nicht noch länger unnütze Zeit zu versäumen, beschloß, den Wilden rasch und entschieden zu folgen. Nur dadurch konnten sie hoffen, ihnen doch noch vielleicht den Weg nach den Bergen abzuschneiden.

Ohne Zögern eilten die drei Offiziere deshalb zu dem Eingang der Schlucht zurück, bestiegen ihre Pferde und gaben das Zeichen zum Vorrücken; Hauptmann Adano aber, den Säbel in der Scheide, den Zügel in der Linken haltend und eine gespannte Pistole in der rechten Hand, führte den Zug jetzt in einem scharfen Trab in den Paß hinein.

Im Anfang ging das auch recht gut; der Boden blieb noch durch eingeschwemmten Kies glatt, bald aber verengte sich die Schlucht, in der es außerdem immer düsterer und abendlicher wurde – und noch immer ließ sich kein Ende derselben absehen. Aber der wackere Chilene ritt unerschrocken weiter, denn der ganzen Natur dieses Engpasses nach konnte er unmöglich lang sein. Es war auch augenscheinlich, daß eine furchtbare vulkanische Kraft hier den massiven Felsen auseinandergebrochen haben mußte, denn deutlich ließen sich im Bruch selber, an beiden Seiten die Stellen erkennen, die einstmals ineinandergefügt gewesen und noch jetzt wieder zusammengepaßt hätten, wenn man imstande gewesen wäre, sie in ihre alte Lage zurückzubringen.

Die Reiter, von denen jetzt einer dicht hinter dem andern folgte, trieben ihre Tiere zu schärferem Trab an, als sie plötzlich eine Stelle erreichten, die genau so aussah, als ob da die Passage vollständig geschlossen sei. Ein ziemlich starker Felsblock war nämlich von oben hereingestürzt und füllte fast die ganze Passage aus, und so eng wurde dicht vorher die Spalte, daß es höchst schwierig gewesen wäre, an dieser Stelle mit einem Pferd umzuwenden. Verschlossen aber war der Weg keinesfalls, sonst hätten die Indianer nicht passieren können, und Hauptmann Adano zögerte deshalb auch beim Anblick dieses scheinbaren Hindernisses keinen Augenblick, sondern setzte seinem Tiere nur die Sporen fester ein, war sich aber darin bewußt, daß das hier der einzige passende Platz für einen Hinterhalt sein würde, wenn die Wilden überhaupt beabsichtigten, noch irgendwo standzuhalten.

Es dämmerte immer stärker, aber noch war Tageslicht genug, um den Platz genau zu untersuchen, und gerade über dem eingestürzten Stein glaubte er auch erkennen zu können, daß dort die Felsen weiter auseinander gingen. Jedenfalls war dort das Ende der Schlucht, und sie betraten von da an wieder freien und jetzt auch waldlosen Boden, wo sie ihre Tiere tüchtig ausgreifen lassen konnten – aber der Stein! – Er hatte sein Pferd angezügelt, das hier doch nur im Schritt vorwärts konnte, und trieb es langsam an; aber das Tier schien keine Lust zu haben – und es mochte nicht recht vorwärts. Es warf auch dabei den Kopf auf und nieder und schnaubte ein paarmal laut und heftig. Der Reiter nahm indessen wenig Notiz davon, fühlte er sich doch selber nicht recht behaglich, und nach seinem Pistol sehend, ob ihm das Zündhütchen nicht etwa herabgefallen, drückte er die Sporen fester ein und drängte nach vorn.

Das Pferd gehorchte, aber mit vorgeschobenem Kopf, als ob es irgend etwas Fremdes wittere. Um den Stein herum mußte es einen Bogen machen, da gerade an dieser Stelle die Spalte auch nach links hinüberführte. Der Hauptmann hielt es fest im Zügel und das Pistol erhoben in der Rechten. Ehe ihn ein Feind mit seiner Waffe erreichen konnte, hätte er Zeit genug gehabt, sein Feuerrohr auf ihn abzudrücken. Da plötzlich scheute das Pferd, knickte beinahe in die Knie ein und drängte hastig zurück auf die ihm dicht folgenden Tiere. Adano bohrte ihm die Sporen fester ein, und es machte wohl, von dem Schmerz getrieben, einen Satz nach vorn, aber eben so rasch wich es aufs neue zurück, und schnaubte und bäumte und war dem Stein nicht näherzubringen.

Hauptmann Adano versuchte es noch einmal mit Sporn und Zügel, aber sein sonst so gehorsames Pferd war nicht von der Stelle zu bringen.

Durch die Reihen der Chilenen lief indes das leise Murmeln, daß sie sich einem Hinterhalt näherten, und scheue Blicke warfen besonders die Guasos nach der Höhe hinauf; fühlten sie sich doch gar nicht sicher davor, daß ihnen die Wilden eine Anzahl von Steinen und Felsblöcken heruntersenden konnten, die in der engen Schlucht und ohne die Möglichkeit, ihnen auszuweichen, allerdings von furchtbarer Wirkung gewesen wären. Aber nichts Derartiges geschah; kein lebendes Wesen zeigte sich dort oben, als ein einzelner Kondor, der über die Höhe strich und neugierig den nackten Kopf nach unten drehte, um zu sehen, was sich da rege und bewege, und ebenso totenstill lag die Schlucht selber. Aber trotzdem weigerte sich das Pferd auf das entschiedenste, vorzugehen, und war weder durch Sporn noch Zügelhieb dazu zu bewegen, ja wurde immer scheuer und ängstlicher und drängte und bäumte auf die anderen, jetzt ebenfalls unruhig werdenden Pferde zurück.

»Caramba,« murmelte der Hauptmann, »was steckt dahinter? Gewiß irgendeine von ihren Teufeleien!« Und aus dem Sattel springend, nahm er auch noch die andere Pistole in die Hand und schritt entschlossen der Stelle zu, an die sein Pferd nicht vermocht werden konnte hinanzugehen. Er erwartete in der Tat nichts Geringeres, als ein paar von den Indianern dahinter postiert zu finden, die allerdings mit ihren Lanzen jedes Pferd leicht verhindern konnten, den Platz zu passieren, aber den Feuerwaffen doch nie im Leben standgehalten hätten. Wie er aber um den Felsen herumtrat, sah er sich etwas Weißes entgegenschimmern, welches sein weiteres Fortschreiten vollkommen hemmte, und erkannte auf den nächsten Blick auch schon ein totes weißes Pferd, das hier, mitten in der engsten Stelle der Passage eingeklemmt lag.

Noch immer mußte er glauben, daß vielleicht noch mehr dahinter verborgen sei, als nur das tote Pferd; als er aber vorsichtig, die gespannte Pistole hochgehoben in der Hand und den Finger am Drücker, darüber hinstieg, fand er die von dort ab wieder gerade auslaufende Felsspalte nicht allein vollkommen frei, sondern konnte auch in geringer Entfernung das Ende derselben erkennen. Ein Blick auf das Pferd genügte auch, um ihn zu überzeugen, daß es hier nicht zufällig gestürzt und verendet, sondern absichtlich von den Wilden getötet sei, um jedes weitere Vorrücken, für den Moment wenigstens, unmöglich zu machen.

Und das schien ihnen gründlich gelungen, denn der Hauptmann, nachdem er den Platz genügend untersucht und zu seinen Leuten zurückgekehrt war, beriet vergebens mit ihnen, was jetzt zu tun sei, um die vor dem Blutgeruch des getöteten Kameraden scheuenden Tiere vorbeizubringen. Hatten die Wilden dem armen Schimmel doch sogar den Hals durchschnitten, und nicht drei von all den Pferden wären zu vermögen gewesen, über den Kadaver hinwegzusteigen – ja vielleicht nicht eins. Außerdem hatten die Pehuenchen den Platz so schlau gewählt, daß man noch gar kein Mittel sah, das geschlachtete Tier zu entfernen. Nach der andern Seite konnten sie es nicht bringen, denn es mußte an einen Lasso gehangen und geschleift werden, und nach dieser bildete der eingestürzte Felsen einen solch schiefen Winkel, daß es ebenfalls mit den größten Schwierigkeiten verbunden blieb. Außerdem hätten sie, wenn sie gleich ans Werk gingen, eine Blutspur durch den ganzen Paß gezogen, vor dem die Tiere vielleicht ebenso scheuen konnten.

Und die Nacht brach herein, während sie, fast im Bereich des schlauen Feindes, nur durch den in ihre Bahn geworfenen Kadaver, müßig und tatenlos liegen bleiben mußten. Adano biß die Zähne in wildem Grimm zusammen, aber die Gewalt half nichts – geduldig mußten sie sich dem Unvermeidlichen fügen und jetzt nur wenigstens alles tun, um am nächsten Morgen nicht in ihren weiteren Verfolgungen gehindert zu sein.

Und wie schwierig war selbst der Rückzug aus dem Engpaß, da sich an einigen Stellen die Pferde nicht einmal umwenden konnten und zurückgedrängt werden mußten, um freie Bahn zu bekommen. Umsichtig ordnete indessen der Hauptmann alles an, um das Hindernis noch vor Tag zu entfernen und doch so wenig Spuren als möglich zu hinterlassen. Acht von seinen Leuten mußten zu dem Zweck absitzen und einen Lasso um den toten Schimmel befestigen, dem dann noch ein zweiter zugefügt wurde, und zwei von den stärksten Pferden blieben, nachdem man sie umgewandt, zurück, um den Kadaver wenigstens um die Biegung des Felsens herumzubringen, ehe er völlig steif und unlenkbar wurde. Die Lassos wurden ihnen dann an den Gurtring befestigt, den jeder Südamerikaner an seinem Reitzeug führt, und während die Soldaten hinten schoben und den schweren Körper zu lüften suchten, gelang es ihnen endlich nach fast einstündiger Arbeit, das tote Pferd bis vor den Felsen zu bringen, wo es jetzt liegen sollte, bis es völlig erkaltet war und beim Schleifen über den Kies kein Blut mehr verlor.

Indessen richteten die übrigen draußen ein Lager her, und nur Pedro, der Kundschafter, verließ dasselbe, um womöglich den Felsen zu ersteigen und von da ab das Terrain zu überschauen, ob er vielleicht irgendwo die Feuer der Pehuenchen in der Nacht erkennen und dadurch die Entfernung bestimmen könne, in welcher sie sich befanden. Aber er machte den beschwerlichen Marsch ohne den geringsten Erfolg; nirgends in dem dunklen Grunde, der dort oben weit vor ihm lag, ließ sich der geringste Feuerschein erkennen. Wohl aber bemerkte er, daß dieser Engpaß, von dem er bis dahin noch selber nichts gewußt, fast auf dem höchsten Hügel der Kordillere lag, und daß nur noch eine Art Hochebene sie von den östlichen Hängen derselben zu trennen schien. Nach Osten zu lag keine einzige höhere Kuppe mehr, und wäre es Tag gewesen, so hätte er von hier aus die Hunderte von Leguas breite Pampas vollständig überblicken müssen.

Das also war der eigentliche Paß, durch welchen die Wilden noch immer, trotz der weiter südlich angelegten Forts, ins Land brachen – und wie leicht hätte er sich verteidigen lassen, hätte man ihn nur früher gekannt. Aber das war noch nicht zu spät, und der Argentiner lächelte höhnisch vor sich hin, wenn er daran dachte, wie er die verhaßten Wilden, sobald sie einen neuen Einbruch nach der Westseite versuchten, hier überraschen und vernichten könne.

Mit diesen Gedanken stieg Pedro wieder in das Tal zurück, wo er die Soldaten eben beschäftigt fand, den armen Schimmel aus der Schlucht heraus und ins Freie zu ziehen; dort konnte man ihn dann, eine Strecke vom Lagerplatz entfernt, ruhig den Aasgeiern überlassen.

Adano beschloß aber, diesmal den Tag nicht abzuwarten, ehe er die Verfolgung wieder aufnahm. Seine Tiere hatten sich heute in der Kilaschlucht an den saftigen Schilfblättern ordentlich satt fressen können, und je eher sie hinaus auf die Ebene kamen, desto besser – leuchtete doch auch der Mond durch den Paß –, und ließen sich drüben die Fährten wirklich nicht deutlich erkennen, nun gut, so konnte man dort noch immer Tageslicht abwarten. Vorsichtig hatte er vorher schon alle Blutspuren an jener Stelle soviel als möglich wenigstens vertilgen und dicken Kies und Sand über die Stelle schütten lassen. Trotzdem aber weigerten sich die Pferde noch immer, den Platz zu passieren, und bäumten wieder und schnaubten wie vorher – die Dunkelheit mochte vielleicht dazu beitragen; denn dort hinein reichte das Mondlicht nicht und warf nur einen matten Dämmerschein in die tiefe Klamm, während der Geruch des Blutes jedenfalls noch zu frisch war.

Doch auch dagegen wußte der Chilene Rat. Er leerte einen Teil seines Pulverhorns auf der Stelle aus, und wie sich die Tiere wieder beruhigt hatten, entzündete er denselben mit seiner Zigarette. Das half. Sobald sich nur der Pulverdampf ein klein wenig gehoben hatte, trieb er sein eigenes Tier mit Sporn und Zügelpeitsche vorwärts; anfangs scheute es doch ein wenig, aber der ihm unangenehme Geruch des Blutes war verwischt, und zwar schnaubend und mit den Vorderfüßen wie ängstlich den Grund untersuchend, gehorchte es doch und passierte glücklich den fatalen Platz. Eins war nun vorangegangen, und die übrigen folgten leicht, so daß sie jetzt, in kaum einer halben Stunde, die sich beim Auslauf wieder erweiternde Mündung des Engpasses glücklich erreichten und hier ein breites Plateau betraten, das, einem ausgetrockneten See nicht unähnlich, inmitten einer niedern Hügelkette lag.

Bäume wuchsen hier eigentlich nicht mehr, nur niederes, verkrüppeltes Holz und Strauchwerk, Myrten und an einzelnen Stellen dürftiges Kilarohr, ebenso kleine bunte Alpenblumen in Menge, und durch das Gebüsch führten Reit- und Wildpfade nach jeder Seite hin. Aber nirgends ließ sich mehr eine Spur der Pehuenchen entdecken; kein Feuerschein irgendwo verriet die Richtung, die sie genommen, und erst mit dem anbrechenden Tag konnte man den deutlich genug hinterlassenen Fährten folgen, die jetzt genau östlich durch die Hochebene führten.

Dorthin sprengten die Reiter jetzt mit dem Bewußtsein, kein Terrainhindernis mehr vor sich zu haben und ihren Feinden, sobald sie nur noch einmal in Sicht kommen konnten, an Zahl wie Leichtigkeit der Bewegung überlegen zu sein. Die Ebene dehnte sich aber weit breiter aus, als sie anfangs gedacht, denn je höher man in diesen Bergen steigt, desto größer und überraschender ist die Täuschung in den verschiedenen Entfernungen. Wieder ballten sich dabei, und diesmal im Süden, drohende Wolkenmassen eines aufsteigenden Gewitters zusammen; der Wind heulte über den Plan und jagte Staub und Asche aus dem gar nicht mehr so fernen Vulkan herüber, daß es sich wie eine graue Decke auf ihre Ponchos legte. Aber sie zügelten deshalb ihre Tiere nicht ein. Fort jagte der wilde Trupp – nicht geordnet, sondern nur wie sich jeder die beste Bahn in dem Gestrüpp suchen konnte – und zehn Uhr morgens mochte es etwa sein, als sie endlich in ein enges Seitental einlenkten, das ihnen, wie sie hofften, einen besseren Überblick über das Land gewähren würde.

Das tat es auch in Wirklichkeit – kaum waren sie ihm zwei- oder dreihundert Schritt gefolgt, als sie sämtlich überrascht ihre Pferde einzügelten, denn hier verschwanden die letzten Büsche; weit öffnete sich das Land, und vor ihnen lag, von einem wunderlichen, unheimlichen Licht beleuchtet, die weite öde Pampas, lagen die kahlen Osthänge der Kordilleren, die sich in breiten Schluchten und Abstürzen gegen die baumlose, sonngebrannte Ebene hinabdehnten.

Im ersten Moment dachte auch keiner von allen an den Feind, den sie bis jetzt verfolgt hatten, denn zu überwältigend war der Anblick, der sich ihnen hier bot, und kam zu überraschend schnell. – Das also war die Otra Banda, die noch keiner von ihnen, Pedro ausgenommen, je gesehen, das war der Tummelplatz der wilden Pehuenchenhorden, das der Herd all jener Kriege und Überfälle, die Tod und Verderben nicht allein an die Ufer des Stillen Meeres, nein, auch hinüber bis an den Atlantischen Ozean getragen hatten und Chilenen wie Argentiner zugleich bedrohten.

Es war freilich auch ein weites Feld für eine solche Tätigkeit, und wer hätte jenen wilden Horden in diese Flächen folgen sollen, die ihre Heimat bildeten und sich wie ein Ozean nach allen Richtungen in unabsehbare Ferne ausdehnten. Dort hinein flüchteten sie, wenn von einer Übermacht bedroht; dort drinnen sammelten sie sich wieder, um einen neuen Raubzug zu beraten, sobald die Gefahr geschwunden. Und wie die verschiedenen Stämme stets halb verfeindet untereinander lebten und einzelne Fehden nichts Seltenes unter ihnen schienen, so waren sie doch rasch vereint, wenn es galt, einen gemeinsamen Feind zu bekriegen. Ihre Boten zogen dann in rasender Schnelle von allen Seiten die wilden Hilfstruppen herbei, die wohl zurückgeschlagen, aber nie besiegt werden konnten.

Tief unten, und scheinbar dicht unter den Bergen, die hier lange nicht so steil abliefen als an den Westhängen, schlängelte sich ein Fluß oder Wasser durch die Ebene; deutlich ließ es sich an dem saftigen Grün erkennen, das seine Nähe hervorgerufen, wenn auch nur hier und da der blinkende Wasserspiegel sichtbar wurde; dort standen auch einzelne Baumgruppen, und da – der Hauptmann nahm rasch sein Teleskop hervor und öffnete es – was für Punkte konnten das sein, die sich dort über die Fläche zogen? – Zelte, beim Himmel! – die braunen beweglichen Wohnungen der Pehuenchen in großer Zahl, denn vierzig, fünfzig konnte er von da oben deutlich erkennen, wenn auch die Entfernung noch zu beträchtlich war, um die einzelnen Feinde dazwischen zu unterscheiden. Oder hatten sich dort vielleicht gar die aus ihrer Heimat vertriebenen Araukaner versammelt, und warteten nur ihre Zeit ab, um über die Berge zurückzubrechen und Vergeltung für die in ihrer Heimat verübten Verheerungen zu üben?

Aber wo waren die Räuber, denen sie bis jetzt gefolgt? – Die eingefurchten Hänge konnten sie allerdings recht gut verbergen, denn wenn sie nicht gerade auf einen der Kämme hielten, wären sie von dort oben nicht sichtbar gewesen. – Aber hier hatten sie die Tiere hinabgetrieben, deutlich ließen sich die Spuren im weichen Boden erkennen, und dort drüben – Pedro hatte zuerst einen dunklen, sich bewegenden Punkt an einem der linken Hänge entdeckt und machte den Hauptmann darauf aufmerksam.

Es waren in der Tat Indianer, die aus einer Senkung des Bodens heraus über den Kamm hin in eine andere hineinstiegen und dann nicht wieder zum Vorschein kamen; aber es konnten nicht die Flüchtigen sein, denn ihre Richtung lag von Norden nach Süden auf sie selber zu; rechts unten stieg gleichzeitig eine dicke qualmende Rauchsäule empor, die nicht von einem versteckten Lagerfeuer herrühren konnte, sondern augenscheinlich ein Zeichen sein mußte, das anderen in Sicht befindlichen Wilden galt. – Und dort nach rechts bewegten sich auch einzelne dunkle Gestalten, dort oben auf der einen schroffen Kuppe hielt ein Reiter, und der dunkle Poncho wehte in dem sich jetzt immer stärker erhebenden Wind, und weiter unten wurden andere sichtbar, die aber ebenfalls nicht vor ihnen flohen, sondern den Hang zu ersteigen suchten, auf dem sie sich befanden.

»Caracho!« brummte Pedro zwischen den Zähnen durch, indem er dicht an Adanos Seite hinanritt – »hütet Euch, Señor, die Schurken dort drüben fliehen nicht mehr vor uns, sondern suchen uns im Gegenteil den Rückweg abzuschneiden. Wir sind hier auf der Otra Banda, und der Teufel weiß, wie viele von den roten Halunken hier in den Schluchten versteckt liegen.«

»Aber wir können das arme Mädchen doch nicht in den Händen dieser Wilden lassen?« rief der Hauptmann heftig aus. »Alle die Schufte halten nicht stand, sobald wir ihnen direkt auf den Leib rücken. Sie fürchten die Feuerwaffe mehr als ihren Pilian.«

»Aber nicht hier auf ihrem Grund und Boden,« entgegnete der Kundschafter; »glaubt mir, ich habe Angriffe von ihnen auf argentinisches Militär gesehen, die Euch die Haare zu Berge getrieben hätten. Und was wollen wir zuletzt mit unseren abgehetzten Pferden machen, wenn sie uns den Rückzug verlegen, und mit ihren gesammelten Schwärmen über uns hereinbrechen?«

»Wer aber weiß denn, ob der Trupp, dem wir gefolgt sind, in der geringsten Verbindung mit jenen steht?«

»Seht Ihr da drüben den Rauch?« rief Pedro, rasch nach rechts hinüberdeutend. »Bei Gott! sie beantworten das Zeichen, und dort links drüben regt sichs ebenfalls wieder. Auf Eure Verantwortung, Kapitän, aber ich habe Euch gewarnt und bin nur mit Euch herübergeritten, um der Spur der Diebe zu folgen, nicht um mir aus besonderem Vergnügen den Hals abschneiden zu lassen. Wollt Ihr noch weiter vor, Señor, so wünsche ich Euch gute Verrichtung und eine glückliche Heimkehr, ich aber reite, so rasch mich mein armer Brauner zu tragen vermag, durch die verwünschte Schlucht zurück in sicheres Land, denn unsere Arbeit ist hier erfüllt.«

Damit wandte er in der Tat sein Tier, warf noch einen mißtrauischen Blick nach rechts und links hinüber, wo die jetzt deutlich aufsteigenden Rauchsäulen allerdings ein Verständnis zwischen den verschiedenen Trupps nicht verkennen ließen, und führte sein Pferd dann langsam den schmalen Pfad wieder hinauf, den sie erst vor kurzer Zeit heruntergekommen waren.

Adano scheute sich, seinem Beispiel zu folgen; es drängte ihn vorwärts, und er mochte nicht nach Chile zurückkehren und melden, er sei vor dem Feinde geflohen, ohne daß ihn der nur angegriffen hätte. Wohl aber verhehlte er sich auch nicht die Gefahr, der sie alle ausgesetzt waren, wenn ihn die Indianer hier mit Übermacht angreifen und ihm den Rückweg in die Schlucht abschneiden sollten. Ruhig beobachtete er indessen die verschiedenen in Sicht befindlichen Horden, aber zu seiner Beruhigung konnte das nicht beitragen, daß jetzt noch an drei anderen Stellen ebenfalls Feuer entzündet wurden, die ihn und die Seinen in einem vollkommenen Halbkreis umgaben. Die Horde links war dabei völlig verschwunden – von da aus, wo sie sich befanden, wenigstens nicht sichtbar, konnte deshalb aber immer einer der Mulden aufwärts folgen, während die rechts – wenn auch noch in beträchtlicher Entfernung – offen den Kamm hielt und augenscheinlich die Höhe zu erreichen suchte.

Adano durfte sich nicht mehr verhehlen, daß sie in eine kritische Lage kämen, wenn sie an dieser Stelle, mit den Gebirgswegen völlig unbekannt und nur auf den einen, so leicht unpassierbar zu machenden Hohlweg angewiesen, von den Indianern überfallen wurden. Die Guasos enthoben ihn aber bald jedes Zweifels, denn ihnen war ebensowenig entgangen, daß eine zusammenwirkende Bewegung unter den verschiedenen Horden stattfinde, und sie fühlten nicht die geringste Neigung, den bis zum Äußersten gereizten und aus ihrem Gebiet vertriebenen Araukanern hier in die Hände zu fallen. Sie bedauerten auch Irenes Schicksal und hatten getan, was in ihren Kräften stand, um sie den Wilden wieder zu entreißen. – Weiteres konnte niemand von ihnen verlangen, und ziemlich unumwunden erklärten sie dem Führer der Patrouille, daß der Argentiner vollkommen recht gehabt, wenn er darauf drang, den Rückweg anzutreten, und daß sie seinem Beispiel folgen würden, ehe es zu spät sei.

Adano versuchte – ihnen vielleicht im Herzen beistimmend – dennoch sein Möglichstes, sie wenigstens so lange zurückzuhalten, bis ihnen eine wirkliche Gefahr drohe; sie meinten aber trocken, »dann sei es zu spät, und sie wären nicht gesonnen, das abzuwarten«. Außerdem zog sich wieder ein wildes Wetter zusammen, und wenn es auch den indianischen Waffen keinen Schaden tat, würde es doch ihre Gewehre durchnässen, daß sie nicht einmal Feuer geben konnten; auf ihre Zündhütchen durften sie sich überhaupt nicht verlassen. Kurz und gut, sie erklärten die Unmöglichkeit, den Pehuenchen die genommene Beute für jetzt wieder abzujagen. Später sei es vielleicht möglich, aber für den Augenblick wollten sie wenigstens bis zu dem Engpaß zurückreiten, damit ihnen der nicht verlegt werde, und ohne weiteres wandten sie ihre Tiere und folgten den Fährten des ihnen vorangegangenen Kundschafters.

Pedro stieg mit seinem Pferde den Hang empor und hielt dort kurze Zeit, um sowohl sein Tier verschnaufen zu lassen, wie auch einen Überblick über die vor ihm liegende Ebene zu gewinnen. Still und öde lag aber der Platz wie vorher, nur daß die niederen Gebüsche ihre Wipfel schon dem nahenden Sturm neigten, während ein kleiner grauer Falke mit raschem, ängstlichem Flügelschlag vor dem Wind dem schützenden Berghang zustrebte und einen gedeckten Platz vor dem anbrechenden Wetter zu erreichen suchte.

Das kam auch dunkel und gewaltig über die Höhe dahergezogen; die Wolken hingen so tief, daß sie die nur etwas höherliegenden Kuppen schon in ihre grauen, wehenden Schleier hüllten. Einzelne große Tropfen fielen, als plötzlich ein greller, zuckender Blitz zischend herniederschoß und kaum zwei Sekunden später ein so schmetternder Donnerschlag hinterdrein prasselte, daß das Pferd zusammenfuhr und ängstlich zu schnauben und zu scheuen begann.

»Hoho, Brauner,« lachte der Reiter, indem er den Zügel fester aufgriff, »hast wohl noch nie etwas Derartiges erlebt, daß du erschrickst wie ein Rekrut beim ersten Flintenschuß? Vorwärts, mein Alter, wenn wir die Felsen da drüben erreichen, finden wir Schutz; hier heißt's noch ein wenig dem Wetter die Stirn geboten« – und den Poncho über die Kniee ziehend, denn ein wahrer Wolkenbruch entlud sich über die Hochebene, setzte er dem Tier die Sporen ein und sprengte, was es laufen konnte, den Plan entlang bis zu einer kleinen Erhöhung in der Ebene, von wo er einen Überblick über das Becken erhielt. Dort zügelte er es ein, wandte den Blick zurück und nickte dann lächelnd vor sich hin. Da kamen sie richtig, die Kameraden, die sich noch eine Zeitlang gegen das Unvermeidliche gesträubt; schon hatten sie die Ebene erreicht und folgten ihm. Waren ihnen die Wilden so rasch auf die Hacken gekommen? Aber hier auf dem offenen Plan, dem Sturm vollkommen bloßgegeben, wollte er sie nicht erwarten; drin in dem Hohlweg fand er wenigstens Schutz gegen das ärgste Wetter, und sein Tier wieder herumlenkend, gab er ihm aufs neue die Sporen.

Wohl hatte er den Blick auch über die anderen Teile der Ebene geworfen, aber nur flüchtig und gedankenlos. Was war auch da weiter zu sehen, als der Wassersturz, der auf die immergrünen Büsche niederschlug. – Vor ihm lag der Eingang in die Felsenschlucht oder Spalte, kaum noch wenige hundert Schritt entfernt und eben wie durch einen trüben Schleier sichtbar, und sobald er die erreichte, war er so ziemlich geborgen, denn der Wind, der sich in der kurzen Zeit um den halben Kompaß gedreht kam jetzt genau von Norden, und die Spalte lief von West nach Ost, ließ also den schräg niederpeitschenden Regen nicht einmal bis unten hinein.

Hei, wie das pfiff! Die kalten Tropfen schlugen ihm in die Ohren hinein, und er zog seinen alten Filzhut an der Seite so tief als möglich herunter, um sich dagegen zu schützen. Auch das Pferd schüttelte mit dem Kopf und schnaubte und prustete, und schien selber mit aller Macht vorwärtszustreben, um die Felsenwand zu erreichen.

Rechts von dem Reiter, den Sturm nicht achtend, die langen schwarzen und nassen Haare vom Winde gepeitscht, flogen drei braune Gestalten auf schäumenden Rossen dahin – links regte und bewegte es sich in den Büschen – der Argentiner bemerkte es nicht. Wieder zuckte ein Blitz über die Ebene, und fast unmittelbar folgte ein Schlag, als ob ein Sechzigpfünder in nächster Nähe abgefeuert würde.

Dort lag der Eingang zu dem Felsentor, nicht fünfzig Schritt mehr entfernt; zwischen den Regen mischte sich der Hagel, und klappernd rasselten die gefrorenen Ballen auf den Kies nieder.

»Caracho!« fluchte der Argentiner, indem er den Kopf ein- und die Krempe seines Hutes vollends herunterzog – »jetzt wirds Ernst. Das haben sie von ihrem Warten, und wohl bekomm ihnen die Ladung, bis sie die Schlucht erreichen.«

Der Braune flog über den letzten offenen Platz, der ihn noch von dem Felsentor trennte. Er hatte es auch satt bekommen, denn gerade hier, wo sich der Orkan wahrscheinlich an den schroffen Felsen stieß, heulte er mit doppelter Schärfe, und trieb Hagel und Regen mit aller Gewalt gegen Roß und Reiter an.– Noch ein paar Sätze, und er hatte es erreicht, und Pedro, den Hut tief in die Augen gezogen, warf nur einen flüchtigen Blick nach dem Weg, um sein Tier nicht durch den Zügel zu beirren. Da suchte er es plötzlich erschreckt zurückzureißen – aber zu spät. – Es war im vollen Sprung, als es – während ihm der Reiter den Kopf durch den Zügel in die Höhe zog – mit dem Hals gegen einen quer vor die Mündung des Engpasses gespannten Lasso anflog und durch das elastische Tau gehoben und zurückgeworfen wurde, so daß es auf die Hinterbeine kam und sich überschlug.

Pedro war im Nu aus den Steigbügeln und sprang seitwärts ab, um nicht unter das Pferd zu kommen, aber der weite Poncho hinderte ihn in seinen Bewegungen. Der sich darin fangende Wind schlug die nassen Falten um ihn her, so daß er mit dem einen Fuß hineintrat und hinstürzte. Wohl raffte er sich rasch wieder empor und warf den breitrandigen Hut vom Kopf; in demselben Moment fühlte er aber auch den scharfen Ruck eines Lassos um seinen linken Arm und den Leib. Seine rechte Hand war frei und griff nach dem Messer – wie ein Schatten flog auf schnaubendem Roß ein halbnackter Wilder an ihm vorüber, und von dem angespannten Ledertau wurde er mit unwiderstehlicher Gewalt zu Boden gerissen. Das Messer bekam er trotzdem frei, aber seine Füße fanden keinen Anhaltspunkt mehr, stemmen wollte er sich – vergebens.

Über den rauhen Plan hin zerrte ihn die Gewalt des unzerreißbaren Seils – das Messer blieb in einem Busch hängen – sein Gesicht wurde von den Sträuchern blutig gepeitscht, sein Kopf traf an einen Stein, und sein bewußtloses, widerstandsloses Opfer schleifte der Wilde hinter sich drein in das Dickicht.

Andere Indianer hatten indessen das Pferd gefangen, und von allen Seiten galoppierten lärmende, lachende Pehuenchen, den Sturm und Regen nicht achtend, vorbei und jauchzten über den gelungenen Fang. – Aber nicht lange: einer ihrer Späher kam plötzlich angesprengt und meldete die Rückkehr der Feinde, die sich, von allen Seiten bedroht, hatten rasch entschließen müssen, aus Verfolgern Flüchtige zu werden; – aber um ihnen standzuhalten und den Weg durch die Schlucht abzuschneiden oder zu verhindern, dazu war der kleine Trupp da oben zu schwach. Er konnte kaum zwanzig Krieger zählen und hatte sich nur hier postiert, um einzelne abzufangen oder auch vielleicht den Feind, wenn irgendmöglich, so lange aufzuhalten, bis die schon durch Zeichen herbeigezogenen Schwärme den Kampfplatz erreichten. Dann freilich waren die Weißen verloren, und kein einziger von ihnen hätte vielleicht den Chilenen da drunten Nachricht über den verunglückten Zug bringen können.

Die roten Burschen schienen in der Tat unschlüssig, ob sie nicht wenigstens den Versuch machen sollten, die Höhe zu erklettern und Steine von dort in die Schlucht hinabzulassen – aber die Zeit war zu kurz. In gestreckter Karriere kamen die Chilenen an, und dann trennt sich der Pehuenche auch nur sehr schwer von seinem Tier. Im Sattel bewegt er sich rasch und leicht wie ein Vogel in der Luft, zu Fuß ist er unbeholfen und schwerfällig, und das Schlimmste: er fühlte sich unsicher und verlassen. Deshalb wollten sie den ansprengenden Feind auch lieber im Sattel erwarten, und das Unwetter leistete ihnen dabei ja jeden Vorschub, den sie nur wünschen konnten.

Und jetzt kamen die Reiter heran: die Guasos voran, die Ulanen den Rückzug deckend, Adano der letzte von allen, denn dicht auf den Fersen folgte ihnen ein wilder Schwarm von braunen Gestalten, die, wie aus dem Boden gewachsen, von allen Seiten auf sie hereingebrochen waren. Blitze zuckten dazwischen, noch immer prasselte der Donner seine schmetternden Schläge in den Aufruhr der Elemente, und der Regen fiel in Strömen.

Während Pedro aber auf seinem Hetzritt, wenn er auch den Blick nach links und rechts hinüberschweifen ließ, keinen Feind erkennen konnte, so lag es dagegen nicht in dem Plan der Pehuenchen, dem flüchtigen Reitertrupp das Bewußtsein irgendeiner Sicherheit zu lassen. Bald von der, bald von jener Seite schallte deshalb ein gellender Schrei, der bald da, bald dort beantwortet wurde und die Feinde dadurch in steter Angst und Aufregung hielt. Selbst die Pferde fingen an, die Unsicherheit zu teilen und wurden scheu und störrisch. Mit dem Sturm um die Wette jagten sie die buschbewachsene Ebene entlang, und selbst einzelne der Ulanen hatten sich schon unter die vorderen Reiter gemischt, wo sie sich, den Rücken gedeckt, gegen die Überzahl der Wilden stellen und verteidigen konnten.

Jetzt hatten sie den Eingang erreicht, und während zwei oder drei der Furchtsamsten in voller Flucht gegen den Lasso anprallten und zurückgeworfen wurden, scheuten wieder andere Pferde davor und bäumten auf. Zu gleicher Zeit aber brachen auch die bis dahin versteckt gebliebenen Indianer mit wildem Geheul hervor und schleuderten ihre Bolas zwischen die stampfenden Tiere, die Verwirrung dadurch nur noch vergrößernd. Einzelne wollten auch schon in ungeregelter Flucht ihr Heil nach links oder rechts in den Wald hinein suchen, und dann wären alle verloren gewesen, als noch einer der Ulanen zur rechten Zeit seinen Säbel aus der Scheide riß und den Lasso durchhieb. Dadurch wurde die Bahn frei, und Adanos Ruf sammelte rasch seine Leute, die jetzt – während die Guasos in den Engpaß einritten und auch keine Zeit versäumten, hindurchzukommen – Front gegen die Wilden machten und ihre Karabiner auf sie abdrückten.

Hier zeigte es sich aber, wie sehr sie – bei einem Kampf im offenen Feld – gegen die Indianer im Nachteil gewesen wären, denn durch den Regenguß angefeuchtet, versagten fast alle Gewehre. Nur drei oder vier gingen glücklich los, richteten aber schwerlich Schaden unter den Feinden an. Aber selbst der Knall erschreckte diese, während er die Chilenen ermutigte, und mit dem Gefühl der Sicherheit, das ihnen die Erreichung der Schlucht gewährte, sahen sie sich doch wenigstens imstande, nicht allein den Rückzug der Ihrigen zu decken, sondern auch den Feind selber von sich fernzuhalten.

Die, welche ihre Gewehre abgeschossen hatten, mußten im Schutz der Felsen wieder laden, die andern setzten frische Zündhütchen auf, und während der Hauptmann einen Teil seiner Leute langsam abschwenken und den Guasos folgen ließ, hielt er selber noch mit einem kleinen Teil an der Mündung des Passes, um die Indianer durch einzelne und jetzt besser gezielte Schüsse zurückzutreiben.

Die Pehuenchen dachten aber gar nicht daran, den mit Feuergewehren bewaffneten Feinden in den engen Felsspalt zu folgen. Nur ihre Grenzen hatten sie verteidigen, nur den weißen Feind zurückscheuchen wollen in seine Schranken und ihre Beute sichern, und als sie das erreicht, beunruhigten sie ihn wohl noch ein wenig und zeigten sich bald hier, bald da, aber sie hielten sich wohlweislich aus dem Bereich der gefürchteten Gewehre und verfolgten ihn nicht einmal mehr, als sich auch die letzten in den Paß zurückgezogen hatten. Mochten sie jetzt unbelästigt in ihr Land zurückkehren.

 


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