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1. Der Überfall

Die Sonne verschwand eben hinter den wildzerrissenen Höhenzügen der »Blue Mountains« in New South Wales und gab dem sonst so monotonen australischen Urwald eine ganz eigentümliche, malerische Färbung und Schattierung. Rund umher wahrte freilich der Wald seinen grauen Charakter, der den endlosen Gumbäumen ein so trauriges, totes Aussehen gibt, und wurde nur an wenigen Stellen durch einen frischen, grünen kleinen Wattel mit seinen goldgelben, duftenden Blüten unterbrochen. Schon die zweite Bergschicht zeigte aber in den Dünsten des rasch blaß werdenden Lichtes einen fast dunkelgrünen Mittelgrund, während noch weiter dahinter die entfernteren Gebirgsrücken ein nicht ganz so dunkles Blau annahmen, das bei dem allerletzten in ein lichtes, fast verschwimmendes Himmelblau überging.

Das Firmament war durch leichte Wolkenschleier bedeckt, und im Westen übergoß rosiger Schein die Nebelstreifen, als vier Männer den hier höchsten Gebirgszug, den sogenannten Razorback, erreichten und wenige Sekunden dort oben hielten.

Ihr Anzug wäre im Inneren Australiens kaum aufgefallen, denn Reisende im Busch legten keinen großen Wert auf gute Kleidung. Bundlemen und Stockkeeper Bundlemen werden die im Land umherwandernden und Beschäftigung suchenden Arbeiter genannt. Stockkeeper sind die angestellten Aufseher der Viehstation, etwa vergleichbar mit unseren Verwaltern, nur müssen sie keinen Ackerbau überwachen. tragen eine so verwilderte und mitgenommene Außenseite, daß sie jedem Maler für eine Gruppe Banditen oder Wegelagerer Modell stehen konnten.

Bundlemen und Stockkeeper führen aber nur ausnahmsweise Waffen. Dagegen hatten sich diese vier Burschen trotz ihres Bergmarsches richtig damit beladen. Und um sich noch verdächtiger zu machen, betraten sie den über den Razorback laufenden Fahrweg erst oben auf der Wasserscheide und mitten aus dem Busch kommend. Es hätte kaum eines Blickes in ihre Galgengesichter bedurft, um der kleinen, sehr schweigsamen Gesellschaft nichts Gutes zuzutrauen. Nur einer von ihnen schien nicht ganz dazu zu passen.

Er trug aber auch keine andere Kleidung als die übrigen, nämlich Jacke und Hose aus sogenanntem englischen Leder, einen kalifornischen Hut und große Buschschuhe. Aber sein Hemd war sauber, sein ganzes Äußeres sah besser und sorgfältiger behandelt aus. In anderer Gesellschaft hätte er gut für einen der Stationseigentümer gehalten werden können, die bei ihrem wilden Buschleben auch keine besondere Sorgfalt auf ihre Kleidung legen können. Außerdem schien er noch jung zu sein, er konnte kaum mehr als achtundzwanzig oder dreißig Jahre alt sein. Der leicht gekrauste, hellbraune Bart, das lockige Haar und die leicht geröteten, vollen Wangen hätten seinem Gesicht etwas Freundliches gegeben, wäre das nicht durch den scheuen Blick gestört worden, den der junge Mann um sich warf, als sie den Weg erreichten.

Aber es war niemand auf der Straße zu sehen, die man von hier aus nach allen Richtungen überblicken konnte. Der Wald lag totenstill, nur in weiter Ferne strich ein Schwarm kreischender Kakadus seinem Nachtstandort zu. Drei oder vier der elsternartigen Vögel, die der Australier »lachende Esel« nennt, stießen lautlos von ihrem Baum ab, als ihnen die Menschen zu nahe kamen, und flogen über die nächsten Wipfel in das weite, gähnende Tal hinein.

Der älteste der kleinen Gruppe war unverkennbar ein Ire, ein »Sohn der grünen Insel«. Er hatte auffallend starke Pockennarben und den oft bei Irländern vorhandenen drolligen Zug um die dünnen Lippen. Als sie aus dem Busch traten, bückte er sich, untersuchte die Spuren und sagte dann:

»Wir kommen rechtzeitig. Sie ist noch nicht vorüber.«

»Dazu hätten wir deine Weisheit nicht gebraucht, Jim«, lachte sein anderer Gefährte. »Nach der Zeit, wo sie von Golbourne abfährt, kann sie noch nicht hier sein und kommt auch vor der nächsten Stunde nicht. 's wäre aber besser, wir gingen an die Arbeit. Wenn nur der Trompeter erst da wäre! Er wollte doch um diese Zeit hier sein. Zehn zu eins, der Holzkopf hat sich verlaufen!«

»Wir haben noch viel Zeit, Bob«, sagte jetzt der junge Mann ruhig. »Die ganze Arbeit erledigen wir in fünf Minuten, und außerdem ist es noch etwas zu hell. Wenn uns jetzt Reiter in die Quere kämen, könnten sie uns den ganzen Spaß verderben.«

»Pah«, sagte der Angesprochene verächtlich. »Ein einzelner Reiter würde uns schon keine Gefahr bringen. Aber meinetwegen, lange haben wir nicht zu tun, und außerdem ist ja der Trompeter noch nicht einmal da. Wenn er's nur nicht dumm angefangen hat!«

»Keine Angst.« Der junge Mann lachte. »Der bringt eine Spitzhacke mit, und wenn er sie einem der Schäfer unter dem Kopfkissen wegstehlen müßte. Es sei denn...«

Ein eigentümlicher, glockenähnlicher Laut schallt in diesem Augenblick durch den Wald. Es war ein Ton, wie ihn der kleine, nur am Wasser lebende Glockenvogel von sich gibt, der dadurch nicht selten den halb verschmachteten Wanderer auf die Nähe des rettenden Labsals aufmerksam macht.

»Da kommt der Trompeter«, sagte Jim, der nur die Wiederholung des Tones erwartet hatte. »Jetzt wissen wir gleich, woran wir sind.« Er legte die Hände an den Mund und ahmte täuschend echt den Schrei des schwarzen Kakadus nach. Gleich darauf hörten sie schwere Schritte und das Brechen der Büsche. Dann kletterte der erwartete Kamerad den Hang herauf.

Er war genau so wie die anderen gekleidet. Außerdem trug er aber ein großes Messer mit einem Holzgriff an der Seite und eine lange Muskete auf der Schulter und in der Hand außerdem noch eine Spitzhacke. Mit einem gotteslästerlichen Fluch warf er sie jetzt auf die Erde und schwor, er wolle verdammt sein, wenn er in seinem ganzen Leben wieder ein so schweres Werkzeug sieben Meilen und zuletzt noch den Razorback hinauf schleppen würde. Trompeter hieß er übrigens nur bei seinen Kameraden, weil er früher einmal als Trompeter in einem Regiment gedient hatte und noch immer gern davon erzählte. – Aber jetzt war keine Zeit mehr zu versäumen, der Himmel hatte schon die der Nacht vorangehende bleigraue Färbung angenommen. Höchstens noch eine Viertelstunde blieb ihnen Tageslicht. Da ihr Plan schon genau verabredet war, konnten sie ihn auch sofort ausführen.

Noch einmal horchte der kleine Trupp in den Wald hinein, in die Richtung, von der die Postkutsche erwartet wurde. Als sie immer noch nichts davon hören konnten, stiegen sie jetzt schweigend und rasch den Berg nach Osten hinunter, bis sie einen Platz erreichten, wo die größte Steile überwunden war. Bis hierher ließ es sich nämlich voraussetzen, daß die Passagiere zu Fuß gehen und ihren Hals nicht im Wagen auf der steilen, rauhen Strecke riskieren würden. Von hier an aber lief der Weg wieder leicht abfallend schräg ins Tal, und der Kutscher würde von hier an seine Pferde bestimmt kräftig ausgreifen lassen.

Trotzdem folgten sie noch etwa zweihundert Schritt dem Weg, um ganz sicherzugehen, und hier endlich brach Bill das Schweigen.

»Das ist der Platz, Mates; hier wird die Gesellschaft keinen Schaden erleiden, wenn wir den alten Kasten umkippen, und bequemer können wir's ihnen auf keinen Fall machen. Jim, nimm du lieber die Spitzhacke, denn du kannst mit dem Ding am besten umgehen, und nachher lösen wir dich ab.«

»Eine verfluchte Idee.« Der Angesprochene lachte vor sich hin. Er legte ohne weiteres seine Waffen neben den Weg in den Busch und griff das Werkzeug auf. »Wir sind doch komische Wegverbesserer, und ich weiß nicht, ob uns die Regierung Ihrer Majestät dafür besonders dankbar ist!«

»Die Regierung Ihrer Majestät soll verdammt sein«, brummte sein zuletzt gekommener Kamerad. »Was die für uns getan hat, soll ihr der Teufel lohnen. Wenn ich es einmal quitt machen könnte, würde es ›mir zur Ehre gereichen‹, wie der alte Friedensrichter in Osborne immer sagte.«

»Etwas tiefer in den Weg hinein müßten wir doch gehen«, sagte jetzt Bill, der junge Mann, der auf das Gespräch nicht geachtet, sondern nur den Beginn der Arbeit beobachtet hatte. »Die Pferde weichen sonst doch noch rechtzeitig aus, und wir haben den ganzen Spaß umsonst gehabt.«

»Der Weg ist so verdammt hart«, brummte Jim, »die Spitze fährt ja kaum einen halben Zoll in den Boden!«

»Das wird besser, wenn wir nur etwas tiefer kommen«, tröstete ihn Bill. »So, bis dahin, das wird's vollkommen tun. Das eine Rad muß hier die Rinne fassen.«

Jim arbeitete mit der Hacke ruhig weiter, während alle anderen ebenfalls ihre Waffen abgelegt und sogar ihre Jacken ausgezogen hatten. Sie schafften jetzt die losgehauene Erde mit den Händen fort, weil sie keine Schaufeln hatten. Über die Absicht ihrer Arbeit konnte auch nicht länger Zweifel herrschen, denn Jim hieb ganz direkt das eine Fahrgleis der von Bathurst nach Sydney fahrenden Chaussee auf. Sie war zwar hervorragend angelegt, aber sehr schlecht unterhalten. Jedenfalls mußte die von Golbourne kommende Postkutsche an dieser Stelle rettungslos umgeworfen werden. Der Abhang fiel hier auch genug ab, um ein rasches Anhalten völlig unmöglich zu machen.

Endlich war die Arbeit beendet und das Loch für tief genug erachtet, um den Zweck vollkommen zu erreichen. Die Nacht war auch vollständig hereingebrochen. Nur kurze Zeit herrschte noch jenes dämmrige Zwitterlicht, bis auch der letzte Schein im Westen verblichen war und die Sterne ihren matten Strahl durch die zerstreuten Wolken wieder auf die Erde sandten.

Die vier Männer hatten jetzt weiter nichts zu tun, als abzuwarten. Ein kleines Stück vom Weg ab, von wo aus sie jedoch alles übersehen konnten, lagerten sie im Busch unter einem der alten Gumbäume. Gemeinsam tranken sie aus einer großen Flasche Rum, die Bill mitgebracht hatte und den Kameraden großzügig überließ – er selbst trank nur sehr wenig von dem starken Getränk.

Die Unterhaltung war dabei freilich sehr einsilbig, denn alle horchten immer wieder in die Nacht hinaus, ob sie nicht das jetzt längst erwartete Fuhrwerk hören konnten. Es dauerte aber wohl noch eine volle Stunde, bis Jim plötzlich in die Höhe fuhr und mit leiser, vorsichtig gedämpfter Stimme sagte:

»Sie kommen!«

Niemand antwortete ihm – alle lauschten schweigend wohl eine Minute lang. Jim hatte aber recht gehabt. Ein dumpfes Knarren und Poltern ließ sich hören, das freilich noch sehr undeutlich zu ihnen herüberdrang. Jetzt konnten sie Stimmen unterscheiden. Einer der Näherkommenden pfiff das Lied »The last rose of summer« – näher und näher kamen die Leute –, jetzt war plötzlich alles wieder totenstill.

»Sie steigen ein«, flüsterte Bill. »Der Wagen hält.«

Jim nickte nur, denn jetzt war nicht mehr viel Zeit zu verlieren. Als sie sicher waren, daß die Postkutsche herankam, hatte Bill eine kleine Blendlaterne angezündet und unter seiner Jacke versteckt. Die vier unheimlichen Gestalten griffen ihre Waffen und nahmen die schon vereinbarten Posten ein. Sie wußten ja ziemlich genau, wo der Wagen umschlagen mußte, sowie nur das linke Vorderrad in die gegrabene Falle geriet.

Jetzt rollte das Fuhrwerk rasch herbei. Der Kutscher, der hier die schwierigste Passage überwunden hatte und jeden Fußbreit Weges genau kannte, hieb auf die Pferde ein, um sie zu schärferem Trab anzutreiben. Er wollte doch wenigstens eine Dreiviertelstunde seiner Zeit nachholen. Die Passagiere, die an der letzten steilen Bergkuppe abgestiegen waren und den Razorback zu Fuß überschritten hatten, brauchten noch einige Zeit, bis sie sich wieder auf ihren Sitzen zurechtrücken konnten. Jetzt erschien der dunkle Schatten des offenen Fuhrwerks auf der matt beleuchteten Straße – näher kam es – immer näher – schon erreichten die Pferde den Platz, auf dem Jim die losgeschlagene Erde sorgfältig weggezogen und in den Busch hinübergeworfen hatte.

»Woh! Wohah!« schrie da der Kutscher plötzlich und versuchte, die Tiere nach rechts hinüberzureißen. Sein scharfes Auge hatte selbst bei der ungewissen Beleuchtung entdeckt, daß dort im Weg nicht alles in Ordnung war, wenn er auch nicht erkennen konnte, ob der Schatten da vor ihm ein Loch oder ein hingeworfener Baumstamm war. Aber es war zu spät. Die Pferde waren an die rauhen Buschpfade zwar gewöhnt, wo sie alle Augenblicke rechts oder links ausweichen mußten, und gehorchten sofort, aber das Vorderrad hatte schon das Loch erreicht, der schwere Wagen rollte, und gleichzeitig mit dem Ruf des erschreckten Kutschers sanken beide linke Räder tief bis über die Achsen ein. Die Royal Mail, wie der offene Postkarren etwas übertrieben getauft war, schlug unter dem Geschrei der Passagiere nach der linken Seite um.

Der Kutscher selbst wurde weit vom Bock weggeschleudert, traf wahrscheinlich mit dem Kopf an einen Stein und blieb bewußtlos liegen. Die Pferde, die sich in dem zur Seite gerissenen Geschirr verwickelten, stampften und schlugen und bäumten sich auf, bis sich die beiden vorderen Tiere losarbeiteten und dann in voller Flucht die Straße hinabtobten.

Einer der Räuber wollte vorspringen und sie zurückscheuchen, aber es war nicht mehr möglich. Die Tiere waren durch das Schreien und Toben der Passagiere und den Unfall selbst so scheu gemacht, daß sie sich nicht mehr halten ließen. Sekunden später verhallte der donnernde Hufschlag auf der Straße in weiter Ferne.

Bill und seine Gefährten hatten auch jetzt keine Zeit, sich weiter um sie zu kümmern, denn der Moment nahm ihre ganze Tätigkeit in Anspruch. Der junge Mann wurde besonders von Jim und dem Trompeter unterstützt, die beide keineswegs Neulinge in dem »Geschäft« waren.

Beide waren mit einer gespannten Pistole in der Hand, die Gewehre auf der Schulter, zwischen die am Boden liegenden Passagiere gesprungen. Ehe die sich aufraffen oder nur recht begreifen konnten, was eigentlich geschehen war, sahen sie ein paar dunkle, drohende Gestalten und hörten Jims tiefe, leidenschaftslose Stimme, als er laut und deutlich sagte:

»Bleibt ruhig liegen, meine Herzchen. Dem ersten, der Miene macht, aufzustehen, ja, der nur den Kopf vom Boden hebt, schicke eine Kugel durch den Kopf, weiter nichts. Wer mich dann nicht verstanden hat, soll sich hinterher nicht beklagen.«

Nur ein Stöhnen antwortete ihm. Wenn die Passagiere nicht schon selbst einen ähnlichen Überfall erlebt hatten, waren sie doch in Bathurst und unterwegs mit Erzählungen von »Bushrangern« und ihren Überfällen gefüttert und ständig gewarnt worden, sich um Gottes willen in einem solchen Falle nicht zu widersetzen. So blieben sie, teilweise vom Sturz, teilweise von der neuen Überraschung, wie gelähmt am Boden liegen. Niemand machte den Versuch, Widerstand zu leisten.

Jim beobachtete sie ein paar Sekunden schweigend, und dann zufrieden nickend, fuhr er fort:

»So ist es recht, meine Herzblättchen! Sind lauter brave Burschen, wie ich sehe. Würde euch aber auch nicht viel helfen, wenn ihr unartig sein wollt, denn wir sind hier sechzehn Mann, alle bis an die Zähne bewaffnet, und genau in der Laune, auch auszuführen, was wir so nett begonnen haben. Also, Bill, fang an, damit wir mit den Herren bald fertig sind. Es könnte ihnen sonst zu langweilig werden.«

Bill war sehr geschickt und sollte das Ausplündern vornehmen. Deshalb hatte er sich eine Art Maske über das Gesicht gezogen, die aus schwarzer Gaze mit Löchern für die Augen bestand. Sie reichte aber aus, um seine Züge zu verbergen. Er mußte auch genau wissen, wo sich das meiste Geld befand. Er sprang zu dem umgestürzten Karren, öffnete mit ein paar Schlägen der schweren Spitzhacke das Schloß des Kastens, in dem die Briefbeutel waren, und hatte bald gefunden, was er suchte: ein nicht sehr großes, aber sehr schweres Paket, in Leder eingeschnürt, das er mit den Briefbeuteln herausnahm und etwas in den Wald hineintrug. Dann kehrte er rasch zurück, und jetzt begann die Untersuchung der Passagiere selbst. Sie mußten herausgeben, was sie an Geld und Wertsachen bei sich trugen.

Das geschah in der gewöhnlichen Weise. Jeder wurde einzeln vorgenommen, mußte sich halb aufrichten und die Arme ausgestreckt von sich halten. Während der Trompeter das gespannte Gewehr dem Bedrohten direkt in das Gesicht hielt, durchsuchte Bill rasch die Taschen des Opfers und seinen Körper nach einem verborgenen Geldgurt oder versteckten Schmuckstückchen. In Einzelfällen zog er den Unglücklichen auch die Stiefel aus, um sich zu überzeugen, daß nichts in ihnen oder den Strümpfen versteckt war.

Das Ganze ging aber verhältnismäßig rasch vor sich. Nur ein junger Mann war noch übrig, der jetzt ebenfalls an die Reihe kam. Er war sehr gut gekleidet und gab bereitwillig her, was er hatte: eine Uhr, ein gut gefülltes Taschenbuch und das Geld, das er lose in der Westentasche trug. Bill hatte ihm aber in das Gesicht geleuchtet, befühlte ihn dann am ganzen Körper und entdeckte auf seinem Rücken noch ein kleines, sorgfältig eingenähtes Paket.

Der Reisende seufzte tief, als er sein Geheimnis verraten sah, aber er leistete keinen Widerstand, der ja auch unter diesen Umständen vollkommen nutzlos gewesen wäre. Bill machte ebenfalls rasche Arbeit, indem er ein kleines Messer herausnahm und den Teil der Jacke, der den verborgenen Schatz hielt, einfach herausschnitt.

Dabei hatte sich der Räuber aber etwas bücken müssen, und gerade als er das erbeutete Paket in seine eigene Tasche schob, fiel ihm die Maske vom Gesicht. Unwillkürlich ließ in diesem Augenblick der junge Fremde den Strahl des Lichts voll auf das Gesicht des Räubers fallen, und erschrocken, aber mit nur halblauter Stimme rief er aus:

»Bill, um Gottes willen, bist du das?«

Bill biß die Zähne fest zusammen, brachte seine heruntergefallene Maske wieder in Ordnung und sagte dann mit völlig ruhiger Stimme:

»Es tut mir leid um dich, daß du mich erkannt hast, Kamerad.« Gleichzeitig nahm er seine Pistole aus dem Gürtel, und im nächsten Moment dröhnte der Schuß durch den Wald. Der unglückliche Passagier brach lautlos an der Stelle, an der er kniete, zusammen.

»Alle Teufel, das macht Lärm!« rief Jim überrascht aus.

»Wir sind fertig«, sagte Bill, der die Laterne aufgriff und die abgeschossene Pistole wieder in seinen Gürtel zurückschob. »Hier, Bob, trag das, ich bringe allein nicht alles fort. Habt ihr von euren eigenen Sachen nichts zurückgelassen?«

»Die Spitzhacke liegt noch beim Wagen.«

»Die können sie als Andenken mitnehmen«, knurrte der Trompeter. »Verdammt, wenn ich die alte Hacke auch nur noch einen Schritt weit schleppe.«

»Gut! Also fort! Guten Abend, meine Herren. Sie können jetzt Ihre Reise ungestört fortsetzen.« Mit diesen Worten waren die Räuber im Wald verschwunden, noch ehe die Überfallenen es wagten, den Kopf zu heben. Die geplünderte Reisegesellschaft blieb sich selbst überlassen.


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