Gustav Freytag
Bilder aus der deutschen Vergangenheit
Gustav Freytag

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XVII
Der Dreißigjährige Krieg

Das Heer

Stärke der Heere. – Kosten. – Methode der Kriegführung. – Organisation der Heere: Fußvolk, Reiterei, Artillerie. – Die Schlacht. – Die Würden: Hauptmann, Fähnrich und Fahne, Unteroffizier. – Sold. – Kriegszucht. – Strafen. – Der Troß und seine Disziplin

Die Heere des Dreißigjährigen Krieges hatten im besten Fall die Stärke eines modernen Armeekorps. Tilly hielt 40 000 Mann für die höchste Truppenzahl, die sich ein Feldherr wünschen könne. Nur in einzelnen Fällen hat ein Heer diese Stärke erreicht, fast alle großen Schlachten wurden durch kleinere Massen entschieden. Zahlreich waren die Detachierungen, sehr groß der Abgang durch Gefechte, Krankheiten, Flucht. Und da kein geordnetes System der Ergänzungen bestand, schwankte der wirkliche Bestand der Armeen in höchst auffälliger Weise. Einmal zwar vereinigte Wallenstein eine größere Truppenmacht – den Angaben nach 100 000 Mann – unter seinem Oberbefehl, aber nicht in einem Heer, ja kaum in militärischem Zusammenhang; denn die zuchtlosen Banden, mit welchen er im Jahre 1629 die deutschen Territorien dem Kaiser unterwerfen wollte, lagen über halb Deutschland zerstreut. Eine solche Soldatenmasse erschien allen Parteien als greuliches Wagnis. Sie war in der Tat nicht zu bändigen. Seitdem hat kein Feldherr auch nur die Hälfte befehligt.Auch das große Heer der Kaiserlichen, welches sich vor der Schlacht bei Nördlingen 1634 vereinigte, war aus mehreren Armeen kombiniert, aus Wallensteinschem Erbe, einer italienischen Armee, spanischen Hilfsvölkern und Truppen Maximilians von Bayern, zusammen vielleicht 60 000 Mann. Es blieb nur kurze Zeit beisammen.

Denn noch galt es für bedenklich, mehr als höchstens 40 000 Mann in einer Schlacht zu leiten, auf einem Kriegstheater zu erhalten. Die Schlacht war ein Kampf kunstvoll rangierter Massen, die Aufstellung selbst erforderte viel Zeit, das Heer in Schlachtordnung wurde als eine bewegliche Festung betrachtet, deren Mittelpunkt, der Feldherr selbst, alles Detail beherrschen sollte. Sein Blick mußte das Terrain übersehen, sein Wille jede Aufstellung und jeden Angriff leiten. Adjutantur und Generalstabsdienst waren noch wenig ausgebildet. Die Heerhaufen in dichten Massen zusammenhalten, die Schlachtreihe durch Terrainhindernis schützen, nicht Roß, nicht Mann aus Auge und Führung lassen, gehörte zur Methode. So mußte auch auf dem Marsch das Heer fest zusammengehalten werden, in engen Quartieren, am liebsten in einem Lagerraum. Dazu kamen Schwierigkeiten der Verpflegung, die Landstraßen schlecht, oft grundlos, die Zufuhr gezwungen, fast immer elend geordnet. Und was in der Praxis entscheidend war, ein Heer von 40 000 Streitern bestand wohl aus 100 000 Menschen. Der ungeheure Troß und das wilde Raubsystem zehrten schnell die fruchtbarste Landschaft aus. So hätte die größte Feldherrnkunst kaum ein größeres Heer führen können.

Aber es war dafür gesorgt, daß man in solche Verlegenheit nicht kam. Weder der Kaiser noch ein Reichsfürst waren imstande, 40 000 Mann auch nur auf ein Vierteljahr aus ihren Einkünften zu unterhalten. Die regelmäßigen Einnahmen der Landesherren waren weit geringer als jetzt und die Unterhaltung der Heere weit kostspieliger. Die Intraden (Landeseinkünfte) bestanden zum großen Teil aus Naturallieferungen, die bei Kriegsgefahr unsicher und schwer zu veräußern waren. Die Finanzen der Kriegführenden waren schon beim Beginn des Krieges in der traurigsten Lage. Die böhmischen Stände wirtschafteten ohne Geld und Kredit, auch König Friedrich von der Pfalz vermochte mit den Subsidien der protestantischen Bundesgenossen nicht aufzuhelfen. Im Winter von 1619–1620 verhungerte, erfror und verlief die halbe böhmische Armee aus Mangel an Sold und Verpflegung, im September 1620 hatten die Truppen über vier und eine halbe Million Gulden Sold zu fordern, die Meuterei hörte nicht auf. Nicht viel besser stand es damals mit dem Kaiser, doch kamen ihm bald nachher spanische Subsidien. Und der Kurfürst von Sachsen, dessen Finanzen noch am besten geordnet waren, konnte schon im Dezember 1619, wo er erst 1500 Mann geworben hatte, den Sold nicht mehr regelmäßig zahlen. Was die Landstände an Kriegssteuern bewilligten, was die Wohlhabenden in sogenannten freiwilligen Gaben leisten mußten, reichte nirgends aus; Anleihen waren schon im ersten Jahr sehr schwer zu realisieren: sie wurden bei den Bankhäusern Süddeutschlands, auch in Hamburg versucht, selten mit Erfolg; Stadtgemeinden galten noch für zuverlässigere Schuldner als die größten Fürsten. Selbst mit Privatpersonen ward um die kleinsten Summen verhandelt. Sachsen hoffte 1621 auf 50–60 000 Gulden von den Fuggern, es versuchte bei den Kapitalisten 30 000, 70 000 Gulden aufzunehmen, vergebens, für ein Darlehn von 12 000 Gulden Münze mußte die kursächsische Regierung ebensoviel Kurant verschreiben, im Jahre 1620 fast 50% mehr, als sie erhalten. Nur Maximilian von Bayern und die Liga machten für den Krieg eine große Anleihe von 1 200 000 Gulden zu 12% bei der Kaufmannschaft in Genua, dafür mußten die Fugger Bürge werden, welche sich wieder für ihre Bürgschaft den Salzhandel von Augsburg versichern ließen. Gerade hundert Jahre vorher hatte dasselbe Bankhaus nicht unbedeutenden Anteil an der Kaiserwahl Karls V. gehabt, auch jetzt half es den Sieg der katholischen Partei sichern, denn der böhmische Krieg wurde noch mehr durch Geldmangel als durch die Schlacht am Weißen Berg entschieden.

Aber noch mißlicher war, daß die Unterhaltung eines Heeres damals fast zweimal soviel kostete als jetzt, selbst der billige Fußsoldat war noch einmal so teuer. So begann der Krieg mit allgemeiner Insolvenz der Regierungen. Auch dadurch wurde die Unterhaltung großer Armeen unmöglich.

Offenbar bestand ein verhängnisvolles Mißverhältnis zwischen der militärischen Kraft der Parteien und dem letzten Zweck jedes Krieges. Keiner der Kriegführenden vermochte die Gegner ganz niederzuwerfen. Zu klein und zu wenig dauerhaft waren die Heere, um die ausgedehnten Landstriche eines zahlreichen und kriegerischen Volkes in regulären strategischen Operationen zu bändigen. Während eine siegreiche Armee am Rhein oder um die Oder herrschte, lief ein neues Feindesheer an der Nord- oder Ostsee zusammen. Auch war das deutsche Kriegstheater nicht so beschaffen, daß dauerhafte Erfolge leicht zu erzielen waren. Fast jede Stadt war befestigt. Noch war das Belagerungsgeschütz schwerfällig und in seinen Leistungen unsicher, noch die Verteidigung fester Plätze verhältnismäßig stärker als der Angriff. So wurde der Krieg zum großen Teil ein Festungskampf; jede eingenommene Stadt schwächte das siegreiche Heer durch den Abgang der Besatzungstruppen. War eine Landschaft erobert, dann war der Sieger leicht nicht imstande, dem Besiegten in offener Feldschlacht zu widerstehen. Durch eine neue Anstrengung warf dieser den Sieger aus dem Felde, dann folgten neue Belagerungen und Eroberungen und wieder eine verhängnisvolle Zersplitterung der Kräfte.

Es war ein Krieg voll blutiger Schlachten, glorreicher Siege, aber auch eines unaufhörlichen Wechsels von Glück und Verlust. Groß ist die Zahl der finsteren Heldengestalten, welche aus dem Dunst von Blut und Brand ragen: der eherne Ernst von Mansfeld, der phantastische Braunschweiger, Bernhard von Weimar, und dagegen Maximilian von Bayern und die Generale der Liga: Tilly, Pappenheim und der tüchtige Mercy; die Führer der kaiserlichen Heere: der ruchlose Wallenstein, Altringer, die großen Franzosen Condé und Turenne, unter den Schweden Horn, Banér, Torstenson, Wrangel und über allen der mächtige Kriegsfürst Gustav Adolf. So starke Männerkräfte in der höchsten Spannung! Und doch wie langsam und schwerfällig werden politische Resultate gewonnen, wie schnell geht wieder verloren, was mit der größten Gewalt erworben schien! Wie oft wechseln die Parteien selbst die Zielpunkte, nach welchen sie stürmen, ja die Fahne, welcher sie Sieg wünschen! [...]

Es ist hier nicht die Aufgabe, die Feldherren und ihre Schlachten zu charakterisieren, wohl aber von den Zuständen des deutschen Volkes zu sprechen, von dem zerstörenden und leidenden Teil der Bevölkerung, dem Heer wie dem Bürger und Bauern.

Seit den Burgunderkriegen und den italienischen Kämpfen Maximilians und Karls V. hatte das bürgerliche Fußvolk die ritterliche Reiterei des Mittelalters in den Hintergrund gedrängt. Die Stärke der deutschen Heere bestand damals aus Landsknechten, freien Männern des Bürger- und Bauernstandes, unter ihnen nur einzelne Adlige. Sie waren in der großen Mehrzahl geworbene Söldner, welche sich freiwillig durch Vertrag auf Zeit an ihre Fahne banden. Sie betrieben den Krieg wie Handwerker, hart, emsig, dauerhaft, als zünftige Leute, die sich selbst richteten und die Ordnung, welche ihnen der Kaiser gesetzt hatte, mit umständlichem Zeremoniell und sinnigen Gebräuchen umgaben. Aber kurz war die Blütezeit ihrer Kraft. Sie fällt genau zusammen mit der großen Erhebung des deutschen Volkes auf den idealen Gebieten des Lebens. Ihr Verfall beginnt fast zu derselben Zeit, in welcher der Bauernkrieg den Aufschwung der unteren Volksschichten brach, in welcher die widerwärtigen Händel zwischen Lutheranern und Reformierten zu beweisen schienen, daß auch das neue Leben der Geister nicht alle Bedingungen eines siegreichen Fortschrittes enthalte. Er läßt sich datieren von ihrem Aufstand gegen den älteren Frundsberg, jener Stunde, wo sie ihrem Vater, dem greisen Landsknechthelden, das Herz brachen. Vieles wirkte zusammen, die neuen Fußsoldaten zu verderben, sie waren Lohnkrieger auf Zeit und gewöhnten sich bald, die Fahnen zu wechseln und nicht für eine Idee zu kämpfen, sondern für eigenen Vorteil und Beute. Sie waren nicht durch die Anwendung des Pulvers auf den Krieg ins Leben gerufen worden, aber sie vorzugsweise eigneten sich die neue Erfindung an. Und das Eindringen der Handfeuerwaffen in die Heere half allerdings zuerst dazu, die Schwäche ihres Gegners, der alten Ritterkavaliere, zu erweisen, aber dieselbe Feuerwaffe verringerte auch sehr bald ihre eigene Tüchtigkeit. Denn noch waren ihre schweren, langsam feuernden Rohre nicht geeignet, auf dem Schlachtfeld den Sieg zu gewinnen. Der letzte Erfolg hing noch von dem massenhaften Ansturm der scharfen Waffe und dem Einbrechen ihrer Gewalthaufen in den Feind ab; noch kämpften die behenderen Schützen unter dem Schirm der Spießträger, welche sich wieder mit eisernen Schutzwaffen bedeckt hatten, um die Gefahr der Kugel zu verringern. Der Landsknecht aber wollte lieber das Rohr als den schweren Harnisch und Spieß tragen; so kam es, daß die große Masse der Soldaten untüchtig zum entscheidenden Angriff wurde.

Damit vereinigten sich andere Übelstände. Noch gab es keine stehenden Heere; bei drohender Fehde wurden von großen und kleinen Territorialherren und Städten Truppen gesammelt, nach beigelegtem Kriege wieder entlassen. Die Fehden waren in der Regel kurz und lokal, selbst die ungarischen Kriege nur Sommerfeldzüge von wenigen Monaten. Die deutschen Landesherren, in unaufhörlicher Geldnot, suchten sich durch Verschlechterung der Münze – es wurde zur Auszahlung der Kriegsleute nicht selten besonders leichtes Geld geschlagen –, durch treulose Verkürzung der ausgemachten Löhnung zu helfen. Solche Ungebühr demoralisierte den Kriegsmann nicht weniger als die kurze Dienstzeit. So wurden die Landsknechte betrogene Betrüger, Abenteurer, Plünderer und Räuber.

Das Fußvolk trug beim Beginn des Krieges entweder das Feuerrohr oder die Pike, das Rohr zum Auflockern der feindlichen Massen, den Spieß zum Draufgehen und zur Entscheidung im Nahgefecht. Die Mannschaften der scharfen Waffe waren in der großen Mehrzahl Pikeniere, seltener Hellebardiere, zuweilen noch »Schlachtschwerter« als Hüter der Fahne und Rondarschiere mit Kurzspieß und Schild. Beim Beginn des Krieges galt der Pikenier für den schweren Infanteristen, er trug Helm, Brustharnisch, Armschienen, den Degen und eine 18 Fuß lange Pike mit eiserner Spitze, den Schaft am besten von Eschenholz. Die Gefreiten und Subalternoffiziere führten Hellebarden oder Partisanen. Es wurde aber immer schwerer, für diese alten Landsknechtswaffen das Volk in hinreichender Anzahl zusammenzubringen. – Von den Handfeuerwaffen hatten zwei die Herrschaft in den Heeren erlangt, die Gabelmuskete, bei den Kaiserlichen im Anfang des Krieges ein schweres unbehilfliches Gewehr von sechs Fuß Länge mit Luntenschloß und Kugeln, von denen zehn aufs Pfund gingen, und daneben das kürzere Hand- oder Schützenrohr, leichter und von geringerem Kaliber, welches im Anfang des Krieges auch beim Fußvolk zuweilen den veralteten Namen Arkebuse führt. Der Musketier trug außer einem Seitengewehr mit wenig gekrümmter Spitze über die Schulter ein breites Bandelier mit elf Zylinderkapseln, in denen die Ladung steckte, einen Luntenberger und am Riemen einen Gabelstock, Furket, unten mit metallener Spitze, oben mit zwei metallenen Hörnern, auf den er beim Schießen die Muskete legte. Sein Haupt bedeckte noch Helm oder Sturmhaube, bald warf er auch diese letzte Schutzwaffe weg. Der Arkebusier zu Fuß oder Handschütz führte nicht Gabel und Bandelier, er lud aus Kugeltasche und Pulverhorn. Pikeniere und Musketiere standen in demselben Fähnlein vereinigt, doch gab es schon lange vor dem großen Kriege Fähnlein, welche nur Feuerwaffen enthielten. Aus den Schützenfähnlein mit Handrohr, der leichtesten Infanterie, die man gern als Freikompanien von den Regimentern sonderte, entwickelten sich in der Mitte des Krieges – soviel uns bekannt, zuerst bei den Hessen – Jägerkompanien, darin wohl nur einzelne mit gezogenem Rohr. Die Grenadiere, welche Handgranaten werfen, werden hier und da in geringer Anzahl gebildet, z. B. 1634 von den Schweden im belagerten Regensburg.

Beim Beginn des Krieges war der Pikenier als schwerer Infanterist traditionell noch der angesehene Mann, noch wurde er in den Musterregistern als Doppelsöldner aufgeführt, im Lauf des Krieges erwies er sich als zu schwerfällig für große Märsche, unbehilflich beim Angriff, fast unnütz, seit der Kavallerie das Einhauen und die letzte Entscheidung auf dem Schlachtfeld zugefallen war; so sank er allmählich in Verachtung, und das hübsche Urteil des lustigen SpringinsfeldGrimmelshausen, »Seltzamer Springsinsfeld«, Kap. 13 [3. Absatz]. drückt genau die Ansicht über seine Brauchbarkeit aus. »Ein Musketier ist zwar eine wohlgeplagte arme Kreatur, aber er lebt in herrlicher Glückseligkeit gegen einen elenden Pikenier. Es ist verdrießlich daran zu denken, was die guten Tröpfe für Ungemach ausstehen müssen; keiner kann's glauben, der's nicht selbst erfährt, und ich meine, wer einen Pikenier niedermacht, den er verschonen könnte, der ermordet einen Unschuldigen und kann solchen Totschlag nimmermehr verantworten; denn obgleich diese armen Schiebochsen« – mit diesem spöttischen Namen wurden sie genannt – »kreiert sind, ihre Brigaden vor dem Einhauen der Reiter im freien Felde zu schützen, so tun sie doch für sich selbst niemand ein Leid, und dem geschieht ganz recht, der ja einem von ihnen in seinen langen Spieß rennt. In Summa, ich habe mein Lebtag viele scharfe Okkasionen gesehen, aber selten wahrgenommen, daß ein Pikenier jemand umgebracht hätte.« Demungeachtet erhielten sich die Pikeniere bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Die Musketiere aber, die große Masse des Fußvolkes, wurden durch Gustav Adolf behender gemacht; er schaffte im schwedischen Heer die Gabel ab – die Kaiserlichen behielten sie reglementmäßig bis lange nach dem Kriege –, erleichterte Gewehr und Kaliber zu Kugeln, von denen dreizehn aufs Pfund gingen, und führte statt des klappernden Bandeliers Papierpatronen und Tasche ein. Aber auch so waren die Musketiere, ohne Bajonett, langsam feuernd und nicht geübt, in geschlossener Reihe zu kämpfen, wenig geeignet, große Entscheidungen herbeizuführen.

Dagegen wuchs der Einfluß der Kavallerie. In ihr lagen bei Beginn des Krieges noch zwei entgegengesetzte Prinzipien im Streit. Die alte Rittertradition hatte Methode und Bewaffnung gemischt mit dem Landsknechtswesen, welches auch auf die Pferde gestiegen war. Noch galt die schwere Reiterei für eine aristokratische Truppe, noch führte der Edelmann sein Schlachtroß, die Ritterrüstung, die alte Ritterlanze und seinen Haufen Knechte, für welche er den Sold bezog, zu den Standarten der Kavallerieregimenter. Aber der Krieg machte auch diesen Resten alter Sitte allmählich ein Ende. Doch blieb der Ehrgeiz, als Freireiter mit eigener Ausrüstung und einem Knecht oder auch nur als »Einspänniger« einzutreten, und wer etwas auf sich hielt oder gute Beute gemacht hatte, drängte sich unter die Reiterstandarte. Bei den deutschen Heeren waren vier Gattungen der regulären Kavallerie, die Lanziers, bis auf die Reiterstiefeln in voller Rüstung (ohne Schild), mit Ritterlanze oder dem Rennspieß der Landsknechte, Degen, zwei schweren Sattelpistolen (den Fäustlingen), die Kürassiere mit gleicher Schutzrüstung, Pistolen und Degen; die Arkebusiere, später Karabiniers, halbgerüstet mit Sturmhaube, Halsring, schußfestem Brustharnisch, mit zwei Pistolen und einem Handrohr an schmalem Bandelier; endlich die Dragoner, berittene Pikeniere oder Musketiere, welche fast ebensowohl zu Pferd als zu Fuß fochten. Dazu kam irreguläre Kavallerie, Kroaten, Stradioten und die Husaren, welche fast hundert Jahre vorher, im Jahre 1546, in Deutschland Aufsehen gemacht hatten, als sie Herzog Moritz von Sachsen dem König Ferdinand aus Böhmen entlieh. Damals hatte ihr Aussehen nicht übel gefallen, sie hatten türkische Rüstung, Säbel und Tartsche getragen, waren aber als wilde Räuber im schlechtesten Geruch gewesen, Gustav Adolf brachte nur Kürassiere und Dragoner nach Deutschland, auch die Kürassiere leichter gerüstet als die kaiserlichen, aber ihnen weit überlegen an Energie des Angriffs. Während des ganzen Krieges war es Tendenz der Reiterei, ihre schwere Armatur zu erleichtern; je mehr die Heere zu Kriegsbanden herabsanken, desto zwingender wurde das Bedürfnis größerer Beweglichkeit.

Im 16. Jahrhundert war das schwere Geschütz an Kaliber, Rohrlänge und Namen sehr mannigfaltig gewesen, die scharfe Metz, die Kartaune, Notschlange, Nachtigall, Sängerin Falkaune, das Falkonett, die Feldschlange, das Scharfentin (Serpentin) usw. mit Kugeln von hundert Pfund bis ein Pfund herab, außerdem OrgelgeschützeDies Geschütz bestand aus einer Anzahl kurzer Röhren, welche, parallel in Reihen (Registern) verbunden, eine nahezu kubische Masse bildeten, deren dem Feind zugekehrte Seite etwa sechs bis zehn Reihen von ebensoviel Mündungen im Quadrat geordnet wies. Dies System von Röhren ruhte auf einer Lafette und feuerte nach den Registern. Jedes einzelne Rohr aber wurde mit drei, vier und mehr Kugeln geladen, welche einzeln in Zwischenräumen aus dem Lauf flogen. Sollte das Feuern aufhören, so konnte der Mechanismus gehemmt werden. Fronsperger (Kriegsordnung Buch V, Bl. 84 der Ausgabe von 1564) rühmt, daß so (nach einmaligem Laden) aus hundert Röhren des Geschützes tausend Schüsse geschehen könnten. – Ein Kartätschenschuß tat in den meisten Fällen bessern Dienst. Auch war die überkünstliche Maschine zu teuer und unbehilflich. [...], Mörser und Böller, Feuerbüchsen und Standbüchsen. Beim Beginn des Dreißigjährigen Krieges waren die Formen bereits vereinfacht, man goß ganze, halbe, Viertel- und Achtelkartaunen, mit 42-, 24-, 12- und 6pfündigen Kugeln, die ersten als Festungs- und Positionsgeschütze, die letzten als Feldgeschütze; daneben noch die unverhältnismäßig langen Schlangen und Falken. Zum Bogenwurf aber sogen. Kammerstücke, die Mörser, welche bald auch Haubitzen genannt wurden, und die kleineren Böller für Feuerkugeln, Stinktöpfe usw. Im Anfang des Krieges außerdem die Hagelstücke, welche gehacktes Eisen, Blei, Schrot, kleine Steine schossen. Endlich von geschmiedeten Feuerwaffen für lötige Kugeln die Doppel-, einfachen und halben Haken. Immer aber war an den Stücken für Vollkugeln die Rohrlänge des Geschützes zu groß, das Pulver schlecht, der Schuß unsicher. Gustav Adolf führte kurze und leichtere Geschütze ein; seine ledernen Kanonen, kupferne Zylinder mit dichtem Hanf- und Lederüberzug, durch eiserne Reifen zusammengehalten, erhielten sich zwar nicht; wahrscheinlich war ihre Dauerbarkeit zu gering; aber seine kurzen Vierpfünder, auch für Kartätschenschuß von bester Wirkung, von denen je zwei jedem Regiment beigegeben waren, überdauerten den Krieg. Dies Feldgeschütz feuerte nicht nur aus Position, sondern avancierte mit ziemlicher Beweglichkeit auch während des Gefechts. Unbehilflich aber blieben die Bogenwürfe und Hohlgeschosse; die letzteren, mit Stricken umsponnen, waren runden Kanonenschlägen ähnlicher als unsern Bomben und Granaten und blieben von unsicherer Wirkung, weil man den Zünder schlecht verfertigte und die Zeit des Springens nicht abzumessen verstand. Das alte Bedürfnis der Germanen, auch das Leblose gemütlich herzurichten, hatte schon in früherer Zeit den einzelnen Geschützen besondere Namen gegeben, der Brauch blieb, auch seit man Stücke desselben Kalibers in größerer Zahl goß; dann wurden die einzelnen Geschütze z. B. nach den Planeten, Monaten, Zeichen des Tierkreises benannt, auch wohl zusammen als lauttönendes Alphabet aufgefaßt, in diesem Fall mit einzelnen Buchstaben bezeichnet. Auch dem Kaliber, das trotz aller Vereinfachung noch zu verschieden war, erfand man immer neue Namen. So wird der hübsche Vergleich der Geschütze mit Raubvögeln fortgesetzt, die 36-Pfünder heißen Adler, 24-Pfünder Falken, 12-Pfünder Geier, 6-Pfünder Habichte, 3-Pfünder Sperber, die 60pfündigen Mörser aber Eulen. Die Fortschritte der Artillerie und ihr Einfluß auf die Kriegführung wurden nur dadurch beeinträchtigt, daß ausgelernte Geschützmeister in der letzten Hälfte des Krieges fehlten; der größte Teil der Geschützmannschaft waren kommandierte Infanteristen, der Verlust eines tüchtigen Artilleristen schwer zu ersetzen.

Das Zahlenverhältnis der einzelnen Waffen änderte sich durch den Krieg. Beim Beginn war das Verhältnis der Reiterei zum Fußvolk etwa wie eins zu fünf, bald wie eins zu drei, in der letzten Periode war die Reiterei zuweilen stärker als die Fußtruppen. Diese auffallende Tatsache ist zugleich ein Zeugnis für die Verschlechterung der Truppen und der Kriegführung. In den ausgesogenen Landschaften war die Erhaltung der Heere nur bei starker Reiterei möglich, welche weiter fouragieren und schneller das Terrain wechseln konnte. Und da sich zur Reiterei drängte, wer Selbstgefühl besaß oder Beute hoffte, so erhielt sich die Reiterei verhältnismäßig in besserem Zustand als das Fußvolk, welches zuletzt in dürftiger Nachlese verzehrte, was etwa die Reiter übriggelassen hatten. Allerdings wurde auch die Kavallerie schlechter, der Mangel an guten Kriegspferden war zuletzt noch empfindlicher als der an Menschen, und die Wucht schwerer Reiterei nicht zu erhalten, während sich in der Bandenwirtschaft der letzten Jahre der Dienst der Streifkorps und Parteigänger zu großer Vollkommenheit ausbildete. Demungeachtet tat auch in den Treffen die Reiterei zuletzt das Beste; denn ihr fiel wieder die Aufgabe zu, das Gefecht durch Draufgehen zur Entscheidung zu bringen. Die letzte Armee mit tüchtiger Infanterie und »holländischer Ordnung« war die der Bayern unter Mercy von 1643–1645.

Die Taktik der Armeen hatte sich seit hundert Jahren langsam umgeformt. Das alte Landsknechtheer war in drei großen quadratischen Haufen, Avantgarde, Gewalthaufen, Arrieregarde, zur Schlacht gezogen, unbekümmert um Landstraßen und Saatfelder; vor ihm liefen kommandierte Arbeiter, welche Gräben ausfüllen und Gebüsch niederschlagen mußten, um dem unförmlichen Haufen Bahn zu machen. Zur Schlacht selbst stellten sich die tiefen viereckigen Massen des Fußvolks nebeneinander, jeder Schlachthaufen bestand aus vielen Fähnlein, zuweilen aus mehreren Regimentern; die Reiterei stand in ähnlicher tiefer Aufstellung an den Flügeln. Regelmäßige Reserve fehlte, nur zuweilen ward einer der drei Haufen für die Entscheidung zurückgehalten; von auserwählter Mannschaft wurde ein »verlorener Haufen« gebildet für gefährlichen Dienst, zum Forcieren von Flußübergängen, der Besetzung eines entscheidenden Punktes, Umgehung des Feindes. Seit das Feuerrohr neben der Pike überhandgenommen, wurden die großen Schlachthaufen von Schützengliedern umgeben, Schützenflügel an sie angehängt, endlich besondere Schützenhaufen gebildet. Die Unbehilflichkeit dieser schweren Schlachtmassen führte schon in den niederländischen Kämpfen zu einem Zerlegen der Schlachtordnung in kleinere taktische Körper, welche in zwei oder drei Treffen standen. Aber nur langsam bildete sich die Treffenstellung und das System der Reserven aus. Noch war den kaiserlichen Heeren beim Beginn des Krieges vieles von der alten Methode geblieben. Immer noch wurden die Fähnlein der Infanterie zu tiefen Quadraten – den Bataillonen – zusammengefügt. Feste Stellungen suchen und die Schlacht in der Defensive aufnehmen, war gegenüber den wild anstürmenden Türken in ruhmlosen Feldzügen zu sehr Brauch geworden. Allerdings konnte die Zähigkeit und die Wucht der tiefen Massen gewaltig sein, aber sie litten auch furchtbar, wenn es dem Feind gelang, mit seinem Geschütz in ihnen zu arbeiten, und sehr unbehilflich waren alle ihre Bewegungen. Gustav Adolf nahm die taktischen Neuerungen der Niederländer in geistvoller Weise auf; er stellte zur Schlacht die Infanterie sechs Mann, die Kavallerie vielleicht nur drei Mann tief, zerlegte die großen Massen in kleine Abteilungen, welche in fester Verbindung miteinander die Einheit der »schwedischen Brigade« bildeten; er verstärkte die Kavallerie, indem er Schützenkompanien zwischen sie stellte, führte außer der Reserve- und Positionsartillerie leichte Regimentsgeschütze ein und gewöhnte seine Soldaten an schnelle offensive Bewegungen und rücksichtsloses Vorgehen. Seine Infanterie feuerte schneller als die kaiserliche, in der Schlacht bei Breitenfeld erschütterte zum erstenmal nahes Pelotonfeuer die alten Wallonenregimenter Tillys; für seine Kavallerie stellte er zuerst die Lehre auf, durch welche hundert Jahre später Friedrich der Große seine Reiterei zur ersten der Welt machte, sich nicht mit Feuern aufzuhalten und in schnellster Gangart über den Feind herzufallen.

Während der Schlacht erkannten die Soldaten einander am Feldgeschrei und an besonderen Abzeichen, die Offiziere an den Feldbinden. Bei Breitenfeld trugen z. B. die Tillyschen weiße Bänder um Hut und Helm, weiße Schnüre um den Arm, die Schweden grüne Zweige. Die kaiserliche Feldfarbe war Rot, Gustav Adolf verbot deshalb seinen Schweden Rot zu tragen; die Feldbinden der schwedischen Offiziere in der Schlacht bei Lützen waren grün, die kursächsischen Feldbinden während des Krieges schwarz und gelb, später, seit Erwerbung der polnischen Krone, rot und weiß.

Die Soldaten standen in Fähnlein oder Kompanien, der taktischen Einheit, und diese waren zu Regimentern, der administrativen Einheit, verbunden. Das deutsche Regiment Fußvolk sollte aus 3000 Mann in 10 Fähnlein zu 300 Mann bestehen, die Fähnlein erreichten selten die Normalstärke und verloren im Kriege mit reißender Schnelligkeit ihre Mannschaft. Regimenter von 1000 bis 300 Mann, Kompanien von 70, 50, 30 sind nicht selten. Vom Kavallerieregiment forderte man eine Stärke von 500–1000 Mann, die Kompaniezahl war verschieden, ihre wirkliche Kriegsstärke noch wandelbarerSquadron (quaternio) bezeichnet im Anfang des Dreißigjährigen Krieges noch den Schlachthaufen der Reiterei, welcher ursprünglich aus vier Kompanien zusammengesetzt war. Die Reiterkompanie wird oft Kornett genannt, wie der Fähnrich und seine Fahne. – Das häufige Prädikat »reformierter« Oberstleutnant, Hauptmann usw. bedeutet einen Offizier, welchem seine Mannschaft so geschwunden ist, daß die etwa übrigen Leute bei einer Neubildung der Truppenteile – Reformation – andern Fahnen untergesteckt werden mußten. Er ist im Dienst, aber ohne festes Kommando..

Titel und Amt der Offiziere hatten schon Ähnlichkeit mit der modernen deutschen Einrichtung. Oberst des Regiments hieß, wer das Regiment seinem Kriegsherrn geworben hatte, auch wenn er sonst Generalrang hatte; unter ihm stand der Oberstleutnant und Oberstwachtmeister. Wichtiger für den Zweck dieser Blätter sind die Offiziere der Fähnlein: der Hauptmann oder Rittmeister mit seinem Leutnant, der Fähnrich und der Feldweibel oder Wachtmeister, Unteroffiziere und Gefreite, zuletzt der Profos.

War der Hauptmann bei der Musterung seinem Fähnlein im Ring als Oberhaupt und Vater vorgestellt, so bat er freundlich die lieben Kriegsleute, ihm treu und gehorsam zu sein, zählte ihre Pflichten auf, versprach in jeder Not zu ihnen zu halten und Leib und Leben und alles, was er in seinen Kleidern trüge, bei ihnen zu lassen als redlicher Mann. Leider tat dem Hauptmann vor allem andern Treue in Geldsachen not, sowohl gegen den Oberst als gegen seine Leute: dem Musterherrn tüchtige Leute zu werben, nicht mehr Söldner anzurechnen als recht war, den Kriegsleuten aber den Sold völlig zu zahlen. Beides geschah häufig nicht; die Versuchung des Werbesystems war groß, und Gewissenhaftigkeit war in dem unsicheren Kriegsleben eine Tugend, welche leicht schwand; auch der Ehrliche geriet in gefährliche Klippen, wenn der Sold lange ausblieb oder unvollständig gezahlt wurde. Sonst sollte der Hauptmann ein ernster, wohlerfahrener Mann sein, billig und gütig im Gemüt, aber scharf in allen Rechtssachen. Die Woche hindurch sollte er nach altem Sprichwort sauer sehen und die Kriegsleute nicht eher anlachen als am Sonntag, wenn man im Feld predigte; dann saßen die Leute auf der Erde und standen auf, den Hut vor dem Hauptmann abzuziehen. Wer aber eine Sturmhaube trug, behielt sie auf. – Auf dem Marsch ritt der Hauptmann, vor dem Feinde aber sollte er zu Fuß eine Pike oder die Muskete seinem Fähnlein vortragenDer Leutnant führte eine Partisane, die Unteroffiziere Hellebarden..

Die Fahne des Fußvolks, das Heiligtum der Kompanie, hatte kaum die Stangenlänge der unseren, aber ihr Seidenstoff reichte wie ein großes Segel fast bis zum Ende der Stange; es war schwerer Stoff, nach damaligem Zeitgeschmack mit aufgemalten allegorischen Bildern und kurzen lateinischen Sentenzen schön verziert. Die »Kornette« der Reiterei, zuweilen ausgezackt, waren kleiner und wurden an der Stange befestigt wie unsere Fahnen. Nach der Fahnenfarbe wurden nicht selten die Regimenter benannt, z. B. bei den Kursachsen, wo der Fahnengrund immer zweifarbig war: das schwarz und gelbe, blau und weiße, rot und gelbe Regiment; dann hatte von den zehn Fahnen des Regiments jede besonderes Emblem und Motto und verschiedene Verbindung derselben Regimentsfarben: geflammt, gestreift, in Rauten; doch die Haupt- oder Leibfahne wies zuweilen die Regimentsfarben nur im Saum. Die Kornette der Reiterei hatten einfarbigen Grund, auch die Reiter bezeichnete man nach der Fahnenfarbe und nicht nach einer Uniform, die sie nur selten trugen, z. B. zwei oranienfarbene Kornett Kürassiere, fünf stahlgrüne Kornett Arkebusiere. Auch die Schweden unterschieden ihre Brigaden, welche in Deutschland häufig Regimenter genannt wurden, nach der Fahnenfarbe, so außer dem (gelben) Leibregiment: das grüne, blaue, weiße, rote. Oft wurden die Farben der Fahne und des Regiments nach den Wappenfarben des Obersten gewählt, zumal wenn er das Regiment geworben hatte. – Allmählich aber wurde in allen Armeen Brauch, das Regiment nach dem Namen des Obersten zu nennen.

Im Ring der geworbenen Kriegsleute wird das Fähnlein an die Stange gebracht und aufgerichtet, der Oberst übergibt dem Fähnrich die Fahne und bindet sie ihm ein »als eine Braut und leibliche Tochter, aus der rechten Hand in die linke Hand, wo Euch beide Arme abgeschossen oder gehauen werden, sollt ihr's in den Mund nehmen; ist keine Hilfe noch Rettung da, so verwickelt Euch drein, befehlt Euch Gott, um darin zu sterben und erstochen zu werden als ein ehrlicher Mann«. Solange die Fahne fliegt und ein Stück an der Stange ist, sollen die Kriegsleute dem Fähnrich in den Tod folgen, bis alles über einen Haufen an der Walstatt liegt. Die Fahne soll über keinem Bescholtenen oder Missetäter fliegen; ist gegen den Fahneneid gefrevelt, so darf der Fähnrich die Fahne einschlagen und dem Frevler Fahne und Wacht verbieten lassen; dann muß dieser beim Troß gehen unter Huren und Jungen, bis zum Ausgang der Sache. Der Fähnrich soll ohne Erlaubnis keine Nacht die Fahne verlassen; wenn er schläft, soll er sie bei seinem Lager haben, sich nie davon trennen; wird sie ihm durch Verrat oder schelmische Diener von der Stange gerissen, so soll der Fähnrich dem gemeinen Kriegsmann mit Leib und Leben verfallen nach ihrem Willen. Er soll ein großer, kräftiger, männlicher, tapferer und fröhlicher Gesell sein, der erste beim Sturm, sonst freundlich mit jedermann, Fürsprecher und Friedenstifter; Strafen verhängt er nicht, daß sich kein Haß an ihn hänge. Im freien Feld bei fliegenden Fahnen werden Bestallung und Kriegsartikel vorgelesen; der Reiter darf sich ohne Erlaubnis nur soweit vom Zug oder Lager entfernen als die Fahne gesehen werden kann; wer im Kampf von der Fahne flieht, soll dafür sterben, wer den Fliehenden niedersticht, ist straflos; wenn der Fahnenträger eine Festung oder Schanze verläßt, bevor er drei Stürme ohne Entsatz ausgehalten, verfällt er dem Kriegsgericht; das Regiment verliert die Fahne, wenn es aus Feigheit eine Festung vor der Zeit übergibt. Noch war's nicht lange her, daß das Spießrecht abgekommen war, das herbe Gericht der Landsknechte, wo vor dem Ring der Gemeinen der Profos den Missetäter verklagte und 40 erwählte Mann, Offiziere und Gemeine, das Urteil sprachen; auch damals schlugen beim Beginn des Gerichts die Fähnriche ihre Fahnen zusammen, steckten sie verkehrt, mit der eisernen Spitze, in die Erde und forderten ein Urteil, weil die Fahne nicht über einem Missetäter fliegen dürfe. Und war der Verbrecher zum Spießen oder als Schütze zum Arkebusieren verurteilt, dann bedankten sich die Fähnriche gegen den gemeinen Mann, schlugen die Fähnlein wieder auf und ließen sie fliegen gegen Aufgang der Sonne, trösteten den armen Sünder und versprachen, ihm auf halbem Wege entgegenzulaufen und ihn dadurch zu erledigen, daß sie ihn unter den Schutz der Fahne nahmen. Und wenn die Gasse gebildet war, traten sie an das Ende derselben mit dem Rücken gegen die Sonne, der Verbrecher aber mußte die Kriegsleute segnen und um schnellen Tod bitten, dann gab ihm der Profos mit seinem Stab drei Schläge auf die rechte Achsel und stieß ihn in die Gasse. Wer aber unehrlich war, der wurde ehrlich, wenn die Fahne dreimal über ihn geschwenkt war, so der Steckenknecht, wenn er sich ordentlich gehalten und entlassen werden sollte. Der Fähnrich erhält alle drei Jahre Geld auf ein neues Fähnlein oder ein neues Kleid (80–100 Gulden); dafür mußte der dem Fähnlein eine »Verehrung« geben, zwei Faß Bier oder Wein.


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