Gustav Freytag
Bilder aus der deutschen Vergangenheit
Gustav Freytag

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Da wo die letzten Höhenzüge des Thüringer Waldes auf der fränkischen Seite zum Main hinabfallen, lag über dem Tal der Itz die Schauenburg auf einem Hügel, der weiten Ausblick in die Landschaft gewährte. Das feste Haus, schon um das Jahr 1000 erwähnt, stand seit dem 13. Jahrhundert im Besitz eines weitverzweigten Geschlechtes. Die Schauenburger waren Ministerialen des Reiches und stolze Lehnsleute des Bistums Bamberg; es erging ihnen, wie vielen aufstrebenden Familien, sie waren nahe daran, den Adel zu gewinnen, aber die stattlichen Güter wurden vielfach geteilt und entglitten ihren Händen, sie mußten die Oberlehnshoheit der Schauenburg dem Grafen von Henneberg verkaufen. Im 15. Jahrhundert war der Wohlstand des Geschlechtes sehr verringert, sie hatten die alte Stammburg verloren, saßen vielgeteilt auf mehreren Häusern des nördlichen Frankens, und ihre jüngern Söhne suchten Unterkunft an Höfen und Unterhalt vom Kriege und von der kleinen Reiterei. Unter den Söhnen dieses Geschlechtes hat einer, Wilibald, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts heraufkam, sein vielbewegtes Reiterleben in höheren Jahren durch einen Vertrauten niederschreiben lassen. Die Aufzeichnung gehört zu den lehrreichsten deutschen Biographien, welche in dieser ganzen Periode verfaßt wurden, sie gewährt genauern Einblick in das ritterliche Treiben der Deutschen, als das gute Büchlein Georgs von Ehingen und die Reisen des böhmischen Leo von Rozmital, jenes Verwandten des Königs Georg von Podiebrad. – Wilibald wurde als Knabe des Grafen Rudolf von Sulz in der Nähe des Kaiserhofes erzogen, als junger Mann von Kaiser Friedrich dem Herzog von Burgund empfohlen, machte bei diesem die Belagerung von Neuß und den ersten unglücklichen Feldzug gegen die Schweizer mit, kämpfte darauf als Diener des Kurprinzen Johann von Brandenburg in der Fehde gegen Johann von Sagan und König Matthias von Ungarn, lebte einige Jahre daheim vom Stegreif und wurde endlich Hauptmann des Herzogs Albrecht von Sachsen, der als kaiserlicher Feldhauptmann in Flandern und Burgund für König Maximilian stritt. Er half bei den Erfolgen und ertrug das Elend dieser Feldzüge, er unterwarf Friesland, stieg hoch im Vertrauen seines Herzogs und erhielt als bewährter Landsknechtführer auf Verwendung seines Gönners die Schauenburg zurück, welche von Henneberg an das Haus Sachsen gekommen war. Dorthin zog er sich nach dem Tode Herzog Albrechts mit seiner Kriegsbeute; er verwandte Geld, die verfallene Burg stattlich und kriegsfest wiederherzustellen und mit Jungfrau Walpurg Fuchs ein eheliches Hauswesen zu gründen. Es scheint ihm aber gegangen zu sein wie manchem seiner Zeitgenossen, der aus der großen Welt in die enge Heimat zurückkehrte, er konnte sich in den kleinen Händeln der Landschaft nicht wohl fühlen und fand unter den hochmütigen fränkischen Junkern keineswegs die Anerkennung, welche zu beanspruchen er sehr geneigt war. Das Leben auf der Burg seiner Vorfahren muß ihm bald verleidet worden sein, denn er trat wieder in österreichischen Dienst und diktierte als Stadthauptmann in dem Herzogtum Meran um das Jahr 1507 das Buch, welchem der folgende Bericht entnommen ist. Die Niederschrift ist in der Form sehr ungelenk, und Wilibald erscheint da, wo er von seinen eigenen Erfolgen berichtet, in Nebensachen nicht immer zuverlässig. Er ist kein reicher und kein besonders kräftiger Geist, aber ein rühriger Mann, der lehrreiche und ungewöhnliche Fahrten schildert, sein Bericht zur Zeit noch wenig benutzt. [...]

[...] Damals [seit 1479] fingen die Turniere wieder an, wie sie von alters gehalten worden; das erste war zu Würzburg, das andere zu Mainz. Dies war durch die Franken stattlich und wohl besucht und kamen viele entzweite Parteien dahin. Insonderheit war Herr Martin Zollner, ein Ritter, den verklagte Adam von Schauenburg vor den vier Landen, den Bayern, Schwaben, Franken und Rheinländern, und sagte, daß der Mutter seiner Hausfrau das Erbe und Gut ihrer Mutter durch Herrn Martin Zollner mit Gewalt genommen sei; wiewohl die Hausfrau des Herrn Martin seine, des Adam, Verwandte und leibliche Schwester seiner Schwiegermutter sei, so hätte Herr Martin doch nichtsdestoweniger die Erbschaft beider Frauen nach Absterben der Großmutter, die Herr Martin bei sich gehabt, mit Gewalt eingenommen, ihre Hintersassen zu Erbhuldigung gezwungen und die Inhaber des Hofes Haßfurt mit dem Siegel der toten Frau betrogen, so daß sie ihm die Schlüssel zu allem Silbergeschirr und der Barschaft übergeben und den Hof überantwortet hätten usw., woran noch größeres und mehreres angehängt war. Und da Herr Martin seine Antwort darauf gab, nahm sich Wilibald von Schauenburg seines genannten Vettern an und gerieten er und Herr Martin so zusammen, daß ihn Herr Martin Lügen strafte. Darauf sagte Wilibald, er wollte ihm die Lügen ins Maul stoßen, und die Antwort des andern war, er wollte ihn auch nicht schonen und wiederschlagen, und gab einer dem andern etlichermaßen böse Worte. Nun bedachte sich der getreue Wilibald, wie Herr Martin seinen Verwandten so Unrecht tue, er erwog auch die Rede, die jener öffentlich getan hatte, und besorgte, wenn er nicht mehr dazu täte, so würde er verächtlich werden. Auch wurde Herr Martin derzeit von allen für einen gefährlichen, übermütigen, unerschrockenen Mann gehalten, und darum war um so mehr acht auf ihn zu haben. Deshalb bewarb sich Wilibald bei etlichen Bayern und der Gesellschaft vom Esel um Hilfe, und alle sagten ihm zu. Herr Martin Zollner bewarb sich auch. Aber Wilibald dachte sorgfältig über die Sache nach, was und wie er es am füglichsten vornehmen könnte, er schlief des nachts wenig und sagte am Morgen seinen Gesellen, sie möchten Achtung auf ihn haben und sich nach ihm richten. Und als man in die Schranken gezogen war und an den Seilen hielt, rückte Wilibald von Schauenburg dem oftgedachten Herrn Martin an die Seite, und als die Seile zerhauen und durchbrochen waren, nahm Wilibalds Knecht, der ihm in den Schranken aufwartete, sein Pferd bei dem Zügel und brachte ihn sogleich zu Herrn Martin, den Wilibald alsbald mit dem Zaum band, ohne zu achten, daß jener auf ihn schlug. So hielt er ihn, bis seine Gesellen herbeikamen. Die rückten um ihn und schlugen ihn über die Maßen sehr. Indem kamen auch die Freunde des Herrn Martin und fragten, was die Ursache solches Schlagens wäre; da ward ihnen die Antwort, man habe jetzt keine Muße, es sollte ihnen aber auf dem Tanzhause heute gesagt werden. Da mußten Herrn Martins Freunde abziehen und die andern mit ihm gewähren lassen. Danach rissen sie ihn aus seinem Turniersattel bis an die Sporen, legten ihn seinem Roß auf den Rücken, schlugen ihn auf den Bauch so lange, bis er das Roß hergab, dann hoben sie ihn wieder auf und ließen ihm die Stengler die Gurte zerschneiden und ihn als einen Mann, der Turnierstrafe wert ist, in seinem Sattel auf die Schranken setzen. Nach dem Ende des Turniers ward Wilibald von Schauenburg auf dem Tanzhause darum zur Rede gesetzt und gab diese Antwort: Es sei kund, daß Herr Martin Zollner vor der Ritterschaft der vier Lande öffentlich verklagt und zur Rede gesetzt sei wegen Gewalt und Unrecht, das er der von Steinau, der Schwiegermutter des Adam von Schauenburg, getan; darum hätte er ihn zu schlagen Fug und Recht gehabt, und wenn er der frommen, ehrbaren Frau nach dem Turnier ihr Gut nicht wiedergäbe, so werde er ihm zu anderen Turnieren nachziehen, und wo er ihn beträte, werde er ihn wieder schlagen.

Da ließ sich Herr Martin wie ein Prahler mit schmachvollen Worten vernehmen, er wollte ihn auch wiederschlagen. So schieden sie voneinander. Als die Franken nach dem Turnierhof heimziehen wollten, sammelten sie sich mit dem Beschluß, so lange zusammenzubleiben, bis ihre Wege sich schieden, und wiewohl sie Versicherung und Geleit hatten, nahmen sie sich doch in acht und bestellten ihr Feld. Unterdes nahm Herr Martin seinen Spieß, rückte an Wilibald und rief: wenn hier ein stolzer Junker wäre, der ihn im Turnier geschlagen, der sollte doch zu ihm rücken und ihn im Felde auch schlagen. Da fragte ihn Wilibald, ob er ihn dadurch herausfordere. Herr Martin sprach, er höre, was er sage. Da zog der edle beherzte junge Mann ohne Furcht vor dem Eisenfresser auch heran, aber ihre Freundschaft rückte dazwischen und erinnerte sie beide an des Turniers Gerechtigkeit und gab ihnen zu erkennen, ein jeglicher, der Turniergeschichten mit der Tat und auf andere Weise als in dem Turnier räche oder dagegen handle, der und seine Nachkommen würden auf ewige Zeit des Turniers beraubt und nimmermehr zum Turnieren zugelassen. Und das ist wahr und vor Augen; denn es ist einmal ein Turnierhof zu Kassel gewesen, worin etliche Fürsten, Grafen und Herren hart geschlagen wurden, auch die Buchner von den höchsten Geschlechtern wurden wegen Raub auf der Landstraße gestraft. Das hatten sie mit der Tat gerochen und jenen, die mit ihnen im Turnier gehandelt, die Scheuern verbrannt. Und daß solches wahr, habe ich auf dem letztgehaltenen Turnierhof zu Würzburg gehört und gesehen. Denn obgleich einige von selbigen Geschlechtern aus der Gesellschaft der Buchner austraten und ins Land Franken zogen, so hat man ihnen doch, als sie zu turnieren begehrten, zwar zugegeben, daß ihre Eltern daselbst turniert hätten, aber weil sie in früherer Zeit Buchner und von jenen Geschlechtern gewesen, wurde ihnen die Teilung beim Turnier versagt.

Darum, wenn jemand denkt, daß ihm Unrecht geschehen, mag er sich darum im nächsten Turnier vor den vier Landen beklagen, und wenn das Unrecht augenscheinlich, wird ihm seine Strafe abgetan und dem andern aufgesetzt. So wurden sie voneinander geschieden, aber Herr Martin trieb danach mit seinem Spieß viel seltsame Paraden, sprengte neben dem Zug, worin Wilibald war, oft auf und nieder, schrie und juchzte. Da meinte der von Schauenburg, es wäre ihm eine Schmach, wenn er das so leide, er rückte also auch heraus mit seinem Spieß, und sie fuhren oft gegeneinander mit den Spießen an die Hälse. Das wollten die Edelsten und Verwandten nimmer leiden, und sie mußten wieder davon ablassen.

Darauf ward ein Turnierhof zu Heidelberg gehalten, da unterstand sich Herr Martin, den Wilibald wegen der Turnierstrafe zu verklagen, die er auf ihn gelegt, und drehte die Klage zu seinem Vorteil aufs ärgste. Aber der von Schauenburg war geharnischt und mit der Antwort zur Stelle und trug vor, wie und wo der Zollner der Frau Unrecht getan. Und da die Sache auch bekannt war und am Tage lag, so ward erkannt und dem Zollner die Turnierstrafe auch ferner aufgelegt, weil er einer Frau von Adel das ihrige gegen Recht und Billigkeit vorenthielt. Da er solches vermerkte, stieg er auf sein Pferd, ritt aus dem Tor und sagte, er wollte sich nicht mehr zur Pauke machen lassen, er werde seine Sache auf andere Weise mit Wilibald austragen und diesen, wo er ihn erreiche, erwürgen. Es wurde aber von beiden Teilen verhütet, daß sie nicht zusammenstießen, bis der vorgedachte Adam von Schauenburg zu seinen männlichen Jahren kam und Wilibald außer Landes war. Adam hing sich an Herrn Martin Zollner und bedrängte ihn so hart, daß er sich seines Weibes wegen in einen Vertrag nach Adams Gefallen fügen mußte; in diesen Vertrag wurden auch alle die eingeschlossen, welche in dieser Sache angefeindet oder tätig gewesen waren.

Damit ich aber den begonnenen Bericht von dem Turnierhof (zu Heidelberg) zu Ende bringe; es waren dort so viel Fürsten und Herren, auch Ritterschaft, daß der Platz zu eng wurde, und wurde das eine Turnier in zweie geschieden, daß der eine Teil vormittags und der andere Teil nachmittags turnieren mußte, und es hatte dabei Herr Georg von Rosenberg mit Herrn Konrad von Vorlingen zu tun, weshalb die von der Gesellschaft des Einhorns, in der Wilibald auch war, den von Vorlingen schlugen und auf die Schranken setzten. Was aber sonst in diesem Turnier gerichtet und verhandelt wurde, lasse ich unterwegs, weil es zu hören verdrießlich und nicht besonders nützlich zu vernehmen ist.

Aber ausführlich will ich berichten von einem Turnier, das zu Stockgarten gehalten worden ist, so ernstlich wie zu unsern Zeiten kein anderes. Denn es kamen gar viele von Fürsten, Herren und vom Adel dahin, und sonderlich Markgraf Friedrich von Brandenburg brachte mit sich 125 Helme, alle von trefflichen Grafen, Herren und Ritterschaft. Er verklagte Herrn Georg von Rosenberg vor den vier Landen, worauf Herr Georg seine Antwort tat. Nach Klage und Antwort wurde erkannt, daß der Graf Herrn Georg etliche Schläge im Turnier geben und tun sollte. Solches aber genügte dem Markgrafen nicht, sondern er vermeinte, da ihm das Strafrecht zuerkannt sei, so wolle er nach seinem Gefallen mit Herrn Georg handeln und ihn beim Turnier auf die Schranken setzen. Da ward weiter von den vier Landen geredet, wenn der Markgraf die Strafe nicht bei ihrem Erkenntnis belassen wolle, so dürfe sich Herr Georg derselben mit seiner Freundschaft erwehren, wenn er es vermöchte. Darauf bewarb sich Herr Georg von Rosenberg bei der Gesellschaft des Einhorn, in welcher er auch war, mahnte sie an ihre Verschreibung und bat, man möge ihn darum und über das Erkenntnis der vier Länder hinaus nicht vergewaltigen lassen. Das sagten sie ihm nach Vermögen zu.

Nun hatten die von der jetzt gedachten Gesellschaft 35 Helme, sie warfen unter sich zwei zu Hauptleuten auf, nämlich den großen Georg von Schauenburg zu der Lauterburg, der auch ein Vaterbruder Wilibalds war, und Diez von Tüngen. Da man nun zu allen Seiten in die Schranken kam und gegeneinander an den Seilen hielt, brach der Markgraf mit den Seinen, sobald die Seile gehauen waren, aber die vom Einhorn rückten in eine Ecke an die Schranken, so daß weder auf einer Seite noch im Rücken jemand in sie brechen oder kommen konnte. Der Markgraf versuchte es mit den Seinen gar hart, konnte aber ihre Spitze, die durch ihre Hauptleute richtig und gut gemacht war, nicht brechen, und war ein solches Gedränge, daß die Rosse wie die Schweine gurrten und ein solcher Dampf von Leuten und Rossen aufging, daß die Frauen und Jungfrauen an den Fenstern das Turnier kaum sehen konnten.

Nun war Wilibald zu Herrn Georg von Rosenberg auf die rechte Seite und Diez Marschalk auf die linke Seite beordert, sie wurden mit ihren Hengsten überrücks ausgedrängt, so daß ihre Rosse auf ihnen lagen. Dazu fiel der gemeldete Herr Georg auch mit seinem Roß auf sie. Durch glücklichen Zufall kam das Roß des Herrn Georg wieder unter ihm auf, aber die beiden, Schauenburg und Marschalk, lagen unter den Rossen, daß ihnen von den andern die Gitter an den Turnierhelmen und sie selbst allenthalben so hart getreten wurden, daß sie beinahe an ihrem Leben verzweifeln wollten. Da der Markgraf nichts ausrichtete, rückte er an eine Ecke, seine Ordnung anders zu machen. Indem gaben die Einhörner ihren liegenden Gesellen Raum, daß sie durch die Stengler wieder aufgebracht wurden. Und als ihre Hauptleute sahen, daß der Markgraf wieder mit drei Haufen daherzog, in der Meinung, daß der eine von vorn, der andere von der offenen Seite und der dritte von hinten durchzubrechen versuchen sollte, machten diese ihre Ordnung auch anders, das zu verhindern. Die Hauptleute überdachten wohl, der Markgraf wäre derzeit ein junger Fürst, er würde sich zuvörderst vor den Frauen und Jungfrauen sehen lassen; wenn er also gedrungen käme, wollte man ihn einlassen und hinter ihm schließen. Der Anschlag geriet, denn er drang als ein ehrbegieriger Fürst vor dem Haufen daher, der auf die Seite treffen sollte, ihm ward gewichen und er eingelassen, aber zur Stunde die Ordnung wieder hinter ihm zugemacht. Seine Grafen, Herren und Ritterschaft drangen ihm hart nach, sie wurden laut von den Gegnern angeschrien, gemach zu reiten, was sie ihrem Herrn denn antun, ob sie ihn niederdrängen wollten. Das ward verachtet und das Eindringen stärker und härter versucht, so lange, bis der Markgraf niedergedrängt war; da lag er, und es ging ihm wie es vordem den andern gegangen war. Da die Seinen merkten, daß ihr Herr gefallen und ihre Arbeit umsonst war, rückten sie wieder auf eine Ecke.

Unterdes gaben die vom Einhorn Raum und ließen die Stengler zu dem Markgrafen, ihn aufzuheben. Das vermochten sie aber nicht. Sie mußten das Roß absatteln und zogen dasselbe also aus dem Haufen heraus. Da stieg der Markgraf auf die Schranken und vermeinte so hinter einem von den Stenglern aus den Einhörnern herauszukommen. Da schrie ihn Utz von Kinsberg an, was er täte; der gemeine Mann würde dafür halten, er wäre geschlagen und auf die Schranken gesetzt; wenn es ihm gefiele, sollte er hinter ihm aufsitzen, er wollte ihn zu seinen Gesellen bringen. Der Markgraf bedachte sich, daß ihm ein Spott wäre, hinter einem seiner Gegner zu sitzen, und bat, man möchte ihm seinen Vetter den von Zollern in die Schar zulassen, hinter dem wolle er hinwegreiten. Das geschah, und die vom Einhorn meinten, es würde ferner keine Not haben und sie nicht weiter angefochten werden. Da aber der Markgraf hinwegkam, setzte er sich wieder auf sein Turnierroß, und die Seinen machten den Anschlag, sie wollten, als ob das Turnier ein Ende hätte, zu den Schwertern greifen, dann würden auch die vom Einhorn ihre Ordnung trennen, und dann wollten sie Herrn Georg nach ihrem Gefallen erst recht schlagen.

Die Einhörner wurden aber durch ihre guten Freunde gewarnt, und wiewohl ihre Knechte gerannt kamen und die Schwerter brachten, blieben sie doch in ihrer Ordnung halten und befahlen den Knechten, nicht eher wiederzukommen, als bis sie die Trompeten hörten. Die Markgräflichen aber versuchten sich wieder auf das härteste gegen sie. Da nun der Markgraf hörte, daß ihrer Ordnung nichts abzubrechen wäre, schickte er den Grafen Eberhard von Württemberg und Herrn Wilhelm von Rechberg zu Herrn Georg von Rosenberg und ließ ihm sagen, Markgraf Albrecht, sein Herr und Vater, hätte ihn ausgeschickt, daß er ihn schlagen sollte. Er ließe ihn bitten, daß er ihm drei und mehr Schläge verstattete, er wollte ihm bei fürstlicher Ehre und Glauben zusagen, daß ihm nichts weiteres angetan werden sollte; denn ohne das dürfte er nicht in seines Vaters Haus zurückkommen. Herr Georg von Rosenberg antwortete, der Markgraf hätte ihn in seiner Klage ehrenwidriger Tat geziehen, wenn er sich jetzt schlagen ließe, würde man annehmen, daß er sich einer Schuld bewußt sei. Das könne ihm niemand raten, auch sei er selbst der Meinung, das keineswegs zu leiden; wenn der Markgraf aber so große Lust habe, ihn zu schlagen oder ihm so mächtig daran gelegen sei, so möchte er doch an einen bestimmten Platz reiten, dort wolle er zu ihm kommen, da solle er ihn nach allem seinem Vermögen schlagen; dasselbe wolle er, Georg, auch wieder tun und das Spiel so lange mit dem Markgrafen treiben, als diesem gelüste. Das wollte der Markgraf nicht annehmen. Indem wurde aufgeblasen zum Nachturnier und zu den Schwertern gegriffen, und blieb Herr Georg von Rosenberg von Markgraf Friedrich ungeschlagen. Am andern Tag hatten die Frauen vom schwäbischen Adel, die bei dem Turnierhof waren, ein herrlich köstlich Bankett zugerichtet, wozu sie die ganze Gesellschaft des Einhorns luden, diese mit Werken und Gebärden hoch ehrten. Und wie gewöhnlich die schwäbischen Frauen mit schönen, subtilen Worten redereich sind, so rühmten sie die Einhörner hoch und sagten, daß sie sich stolzlich, ritterlich, männlich und prächtig gehalten hätten, sie wollten das auch nachher zu langem Gedächtnis ihren Kindern zu verstehen geben, und begehrten darauf eines jeglichen Namen und Geschlecht zu wissen. Aber der alte Markgraf wollte danach seinen Sohn darum, weil er seinen Befehl und Geschäft nicht ausgeführt hatte, weder sehen noch hören, es wurde auch den von der Gesellschaft des Einhorns nicht wohl aufgenommen, sondern sie wurden sauer angesehen. Doch verlor sich die feindliche Stimmung nach und nach, was jeder hatte, das behielt er.

Während nun Wilibald von Schauenburg keinem Herrn diente und für sich selbst oder seine eigene Freundschaft nichts zu tun hatte, war derzeit die kleine Reiterei im Land gemein, wie denn solcher Zank im Lande Franken selten ruht, so daß einige Freiherrn und vom Adel miteinander zu schaffen hatten, einander Burgen abgewannen, Dörfer ausraubten und brannten, Vieh nahmen und solche Hantierung trieben. In diesen Geschäften diente er gern seinen guten Gesellen, die ihm schrieben, bewarb sich darum und führte Pferde, womit er sich etwas verdiente und einen großen Ruf und Geltung bei Fürsten und Ritterschaft machte.

Nun ist wohl wahr, was Ovidius schreibt, und bewährt sich auch oft, daß jede Frau von Ehre besondere Liebe und Lust, auch Wohlgefallen zu männlichen, unerschrockenen, kecken, ernsthaften Männern trägt, weil sie gedenkt, daß dieselben eher und tapferer für die Frauen wagen und tun als hausbackene und weibische Männer. Dies förderte auch den von Schauenburg, daß sich ihm eine edle tugendhafte Frau in Liebe verband. Der versprach er in der Abrede über ihre Liebschaft sich nach ihrem Gefallen und Willen zu halten und um ihretwillen jede Sache bis in den Tod zu wagen. Dagegen ließ sie sich wieder hören: wenn er seinem Versprechen nachkäme, wollte auch sie nicht von ihm lassen, ihm von ihrem Gut nach ihrem Vermögen mitteilen, soweit es einer edlen, frommen und tugendhaften Frau zustände und mit Ehre, Zucht und Ziemlichkeit geschehen könnte, und sie wollte, wie er bat, keinem Geschwätz eines unnützen Kläffers Glauben schenken. Und sie befahl ihm, auch in ihrem Dienst ritterlich und ansehnlich zu leben, dazu wollte sie es ihm an nichts fehlen lassen. Er richtete sich nach ihrem Gefallen, suchte und veranstaltete Rennhöfe, die damals häufig waren, rannte und stach in köstlicher Waffenkleidung, mit seidener Decke und was dazu gehört, meist alles in guter Seide, mit köstlichem Schmuck seines Hutes und mit guten güldenen Ketten um die Arme und anderen Kleinodien, die dazu ziemten; er hatte auch allerwegen vier oder sechs laufende Knechte, die in seidenen Kleidern seiner Farbe ihm auf der Bahn dienten, war zu solchem Spiel mit guter Zehrung versehen, stets wohlberitten und nach ihrem Wunsch mit seinen Knechten und Pferden im Sommer und Winter ansehnlich und wohlgerüstet, so daß viele Leute, die seine Nahrung und Einkommen wußten, eine große Verwunderung trugen und etliche, wie der Welt Lauf ist, sehr munkelten. Und wiewohl dieser Handel niemand genau kund wurde, so wurde er doch aus Vermutung vielfach gegen ihre Verwandten verschwätzt; deshalb kam ihm oft Warnung zu, er möchte sich aus der Gegend entfernen, er würde sonst um den Hals kommen und ihm ein ungewöhnlicher greulicher Tod zuteil werden. Nun aber ging ihm sein Versprechen und die Liebe zur Frau mehr zu Herzen als die Furcht des Todes. Er hatte stets bei oder mehr als zwanzig Meilen zu der Frau zu reisen, weshalb man nicht auflauern und sein Kommen oder Scheiden merken mochte. Denn er kam nicht in einerlei Gestalt, ritt zuzeiten wie ein Kaufmann, dann wie ein deutscher Herr, lief zuweilen als Barfüßermönch oder einem Aussätzigen gleich, wie denn die Liebe zu geliebten Menschen allezeit neuen Fund und Anschlag eingibt. Und wenn sich dann fügte, daß er an den Ort kam, wo er zu der Frau sollte, mußte er über ein Wasser kommen und danach noch Felsen und Mauer an siebzehn Klaftern hoch hinaufsteigen. Dazu ließ ihm die Frau über die Mauer aus einem Fenster eine starke Schnur hinab, daran unten ein großer Kolben Wachs hing, damit er sie in der Finsternis desto eher finden möchte. An die Schnur band er sein Steigezeug, das dazu eingerichtet war; dies also zog die liebhabende Frau hinauf, heftete und schlug den Haken des Steigezeuges ein, daß ihr Freund hinaufsteigen konnte. Und wie die Liebe stets mit bitterer Sorge, Angst und Mühe gemengt ist und die Freude, die aus ihr kommt, mit Trauer, so begab es sich einst, daß sie einmal lange nicht beieinander gewesen waren, und als er zu ihr kam, wie früher oft geschehen, hatten sie beide so große Freude, daß sie das Steigezeug, das an dem Fenster hing, vergaß. Aber da dies nicht beschwert war, wehte es der Wind hin und her, der Haken hing heraus und das Zeug fiel über den Fels ins Wasser, worüber sie beide übermäßig sehr erschraken. Wie aber die Zeit kam, daß er nicht länger bleiben konnte, da hatte die Frau zwei Stück Leinwand und zwei Paar Handschuh zuwege gebracht; die Leinwand machte er aneinander, band das eine Ende an eine Bettstange, legte die quer unter das Fenster und ließ das andere über das Fenster hinuntergehen. Die Frau und er gesegneten einander mit den hübschesten Worten, die sie zuwege bringen mochten. Jeder werte Mann, der von Frauenliebe zu seiner Zeit ergriffen war und ehrliche Buhlschaft getrieben hat, kann wohl annehmen, welcher Art und wie bitter der Abschied gewesen ist. Danach zog er die Handschuh an, gab sich für das Wagnis in die Gnade Gottes, um über die Mauer und den Felsen hinabzukommen. Die Frau legte sich in ihrer Treue auf die Bettstange, diese zu halten, daß sie nicht überschlug und ihren Allerliebsten zu Fall brachte, sie vergaß, daß ihr die Hände unter den Stecken kamen, worauf die Leinwand gemacht war, das drückte sie so hart, daß sie in den Schrei ausbrach: ›Hilf, Maria, Gottes Mutter, du brichst mir die Hände!‹ Da erschrak der gute Gesell über die Maßen sehr, und das Glück fügte, daß er mit den Füßen einen Nagel fand, der in einem Riegel oder Band am Hause stak, weil er noch nicht herab bis zu der Mauer war. Darauf stand er und erhielt sich, bis die Frau ledig war und ihm das alsbald leise zu erkennen gab. Mit der Hand ließ er sich zu Tal, aber die Leinwand schnitt ihm durch die Handschuhe so sehr in die Hände, daß er solches keineswegs länger ertragen konnte, er fing also die Leinwand in beide Arme und drückte sie an sich, so gut er konnte. Er fiel gar in große Schrecken und Sorgen, denn er wußte nicht, wie tief noch hinab war zu Tal, aber er traf aus Glück und ungefähr auf einen Misthaufen, den die Stallknechte aus den Ställen geworfen. So machte er sich rasch auf und kam auf eine Meile Wegs weit hinweg in ein Holz, er ging vom Wege ab und tat wie der Wolf, der in einem Dorf geraubt, sah sich oft um, ob ihm niemand folgte, ward aber niemand gewahr.

Nun hatte ihm die Frau etwas in einem Bausch vernäht auf den Rücken gehängt; da er nicht wußte, was darin sein mochte, kam ihm der Fürwitz, das zu besehen. Er trennte es auf und fand hübsche Arbeiten von guten Hemden darin, goldene Hauben, Perlenschnüre und eine gute goldene Kette mit einem goldenen Kreuz, worein fünf köstliche Diamanten gefügt waren. Darüber freute er sich viel mehr, weil er Gunst und Liebe der Frau deutlich daraus merkte, als um des Kleinods oder Gutes willen, und kam darauf mit Freuden heim.

Kurz danach begab es sich, daß eine große Hochzeit gehalten wurde, wohin viel Fürsten, Fürstinnen, Grafen, Herren, Ritterschaft, viele höfische Frauen und Jungfrauen kamen. Auch Wilibalds Frau und höchste Freundin waren daselbst. Dieweil nun nichts auf Erden einem jungen Mann mehr Freude und Mut machen kann als ein reines, zartes, tugendhaftes Weibsbild, gedachte er ein seltsames und abenteuerliches Ritterspiel zu beginnen und besprach sich mit Herrn Eberhard von Brandenstein, der in seiner Jugend auch ein Liebhaber der fraulichen Geselligkeit und ein unerschrockener Mann war, über ein Rennen in der Art, daß jeder in seiner Tartsche einen Spiegel haben sollte und auf dem Haupt keinen Rennhut, sondern aufgewaschenes und geschmücktes Haar und ein hübsches Kränzlein, und wer von ihnen am nächsten zu dem Spiegel in der Tartsche träfe, sollte ein Kleinod gewinnen, das zehn Gulden wert war. Sie kamen also in ihrem Schmuck auf die Bahn, und war mein Wilibald gut und reitermäßig herausgeputzt. Sie rüsteten sich zum Treffen, da ließen Herzog Ernst und Herzog Albrecht, beide Fürsten von Sachsen und Gebrüder, ihnen durch Herrn Haubold von Schleinitz, den obersten Marschalk, und durch Herrn Heinrich von Einsiedel sagen, wollten sie rennen, so müßten sie sich mit ihren Hüten und was sonst zum Rennen gehört, wie andere Ritterschaft verwahren. Sie gaben die Antwort, wenn der Fürsten Wille nicht anders wäre, so wollten sie noch ein- oder zweimal umreiten und danach abziehen. Sie hatten sich aber wohl vorher bedacht, daß man ihnen solches Rennen nicht gern zugeben würde und deshalb besprochen; sie sprengten also plötzlich während dem Umritt gegeneinander, und Herr Eberhard von Brandenstein traf eine Ecke des Brettleins, worein das Spiegelglas gesetzt war, aber Wilibald das Spiegelglas auf Herrn Eberhards Tartsche. Darüber entstand ein Streit zwischen ihnen, Wilibald meinte, Herr Eberhard wäre des Kleinodes verlustig, und Herr Eberhard sagte, die Bedingung wäre gewesen, wer dem Spiegel zunächst träfe, er hätte das Brett getroffen, das zu dem Glase gehörte, und es gäbe keinen richtigen Spiegel, der nicht gefaßt wäre, darum hätten sie beide den Spiegel gerührt, es wäre aber nicht ausbedungen gewesen, wer am besten seine Mitte oder einen andern Fleck treffen würde. Auf ihr beider Begehren wurde ein Ritterrecht niedergesetzt zu entscheiden, aber mit Wilibald so viel verhandelt, daß er die Sache in Güte fallen ließ.

Danach begab sich's, daß Haubold von Schleinitz seine Tochter Herrn Götz von Ende zulegte. Das ward wieder eine große Hochzeit. Da vereinten sich der Bräutigam und Wilibald und rannten miteinander hinter Kissen, die sie anstatt der Tartschen vor sich hingen, sie ließen aber gutes, starkes Stahlblech in die Kissen und Bettleinwand verbergen. Sie hatten auf ihren Hüten gestreifte Leinwand und hinten auf den Pferden Bettleinwand. Beide trafen richtig die Kissen, ihre Harnischmeister rissen die Speerlöcher in den Kissen weiter, so daß der Wind die ausgestobenen Federn so weit trug als die Bahn war und die Leute bestäubte. Das gab ein Gelächter und war den Frauen und Jungfrauen lustig anzusehen.

Darum hab' ich solches hergesetzt, daß jeder junge Edelmann nimmer ruhe, bis sein Herz und Gemüt einer werten Frau oder Jungfrau in Züchten und Ehren zugesellt werde, denn sie erlöst ihn von den unehrlichen Händeln und daß er sich nicht verliegt, und treibt ihn in ferne Lande, dort Ehr' und Preis zu suchen, und hindert ihn, bei seinen Bauern in den Wohnhäusern zu bleiben und von blauen Enten zu schwatzen.


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