Gustav Freytag
Bilder aus der deutschen Vergangenheit
Gustav Freytag

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V
Das Rittertum

Im dreizehnten Jahrhundert

Das Rittertum als persönliche Ehre der gepanzerten Reiter; Edle, Dienstmannen. Die Ritter als Dienende. Das Kind und seine höfische Zucht. Ritterschlag und Recht ihn zu erteilen. Vorrechte des Ritters. – Seine Rüstung. Turnierwaffen. – Die Waffenübungen: die Tjost, das Forestieren, Tafelrunde und Artushöfe, der Buhurt, der Turney und Schilderung, Zahl der Kämpfer, Bedeutung der Spiele. – Die Trägen, das unpraktische der Ritterspiele. Verwilderung der Ritter. – Die Gefangennahme Ulrichs von Liechtenstein durch seinen eigenen Lehnsmann, nach dem »Frauendienst«. – Änderungen in der Bewaffnung und Verfall im nächsten Jahrhundert. – Die Rittermäßigen. – Das Rittertum nach dem »Ritterspiegel»des Johannes Rothe um 1400

Die Ritterwürde war seit den Kreuzzügen Ehre des Reiters geworden, welcher zur Kriegsfolge verpflichtet war, weil ihn sein Herr mit einem Lehngut begabt hatte, oder weil er auf dem Herrenhof in Dienst stand. Es war eine persönliche Ehre, welche jedem einzelnen erteilt werden mußte; sie gab ihm das Recht, in der Schlacht neben seinem Herrn in gleicher Rüstung zu kämpfen, und sie machte ihn für Lager, Waffenspiel und Hofgeselligkeit zum gleichberechtigten Kameraden aller Edlen, nicht nur seines Volkes, sondern der gesamten Christenheit.

Der deutsche Adel bestand von den Sachsenkaisern bis nach 1400 – abgesehen von den geistlichen Reichsfürsten – nur aus den Familien der Fürsten, Grafen und Freien, welche Reichslehen besessen hatten. Er war in einer Anzahl Familien erblich geworden, und oft wird das vornehme Geschlecht der Fürsten, Grafen und Freien den übrigen Ständen gegenübergestellt. Nur sie sind nach Recht die Edlen und werden als hochgeboren gerühmt, sie sind die Hofbesitzer, in deren Saal und Stall Hofbrauch gelernt wird. Aber auch sie gewinnen die Ritterwürde.

Ihnen gegenüber stehen von 1200–1400 die Ritter und ihre Familien als nichtadlige, auch sie mit sehr verschiedenen politischen Rechten und Ansprüchen. Denn sie sind nicht einmal sämtlich freie Leute. Zwar der größere Teil derselben stammt entweder aus freiem Bauerngeschlecht oder doch von Freigelassenen. Aber die Dienstmannen oder Ministerialen, welche Haus- und Hofdiener eines Edlen sind, entweder neu ausgewählt oder von ihren Vätern her, sind Hörige; sie können von ihrem Herrn mit dem Grund und Boden, den sie besitzen, verkauft, vertauscht, verschenkt werden, zuweilen sogar sie allein ohne den Grund; sie dürfen außerhalb der Dienstgenossenschaft ihres Herrn nur mit seiner Erlaubnis heiraten, dürfen nicht im Gericht Urteil finden gegen freigeborene Leute usw. Doch solche Überreste alter Unfreiheit verhindern nicht, daß sie in allem Rittertum den freien Rittern, ja den Edlen gleichstehen. Und merkwürdig, gerade diese Dienstmannen, welche durch Hofgunst in der Hörigkeit heraufgekommen sind, bilden bereits um 1200 eine bevorzugte und anspruchsvolle Klasse der Ritter. [...] Es war natürlich, daß diese emporstrebende Klasse höriger Ritter viel beneidet wurde, man klagte über ihren Hochmut und wußte wohl, daß mancher von ihnen mit dem Hirten das Vieh gehütet hatte. Aber sie gingen im Range überall der Masse gewöhnlicher Ritter vor, und die Reihenfolge der Ehren ist stets: Fürsten, Markgrafen, Grafen, Freie, Dienstmannen, Ritter, edle Knechte.

Die Ritter aber bildeten die ungeheure Mehrzahl des Standes, sie ritten in dem Gefolge der Edlen und Dienstmannen und spielten im 13. Jahrhundert als Chor mit. Ein tüchtiger Mann unter ihnen konnte in seiner Landschaft ebenfalls Ansehen gewinnen als geschickter Speerbrecher, dauerhafter Kriegsmann oder Landplacker. Im ganzen war noch lange nach 1200 ihre Teilnahme an den ritterlichen Spielen zwar eifrig, aber bescheiden. Bei dem zahlreichen Rittersport, welchen der Liechtensteiner veranlaßt, sind die Edlen und Dienstmannen seiner Landschaft im Einzelkampf immer die Haupthelden; denn Turnierschmuck, Rosse und Waffen kosteten vieles Geld, Einkünfte und Glücksgüter waren den Rittern oft karg zugemessen, sie waren begünstigt, wenn sie ein festes Haus zu Lehen hatten, oft saßen mehrere derselben in demselben Bau, oder sie dienten im Haushalt eines Reicheren; gern nahmen die Ritter von ihrem Herrn Schwert und Gewand, bildeten im Turnier seine Schar und hatten wohl auch die Turnierbeute mit ihm zu teilen. Auch solche fehlten nicht, welche besitzlos und abenteuernd durch das Land zogen und einen Herrn suchten, dem sie um Kost und Gewand dienen wollten; oder sie bettelten gar als »elende (fremde), arme, nothafte Ritterschaft« bei Vornehmen um eine Beisteuer.

Dennoch waren die Ritter um 1200 bereits in Wahrheit die Tyrannen der Landschaft, stolz und mißgünstig blickten sie auf die reichen Bauernhöfe, sie waren die Kriegs- und Spielkameraden aller Herren des Landes, unentbehrliche Helfer bei jeder Fehde, oft wirklich durch Bildung und Lebensklugheit über die Masse des Volkes gehoben. Sie hatten das Recht, der Fürstin des Landes ihren Ritterdienst zu weihen, im Turnier Könige vom Roß zu stechen und ihnen Pferd und Rüstung zu pfänden. Sie saßen in allen Landschaften, einzelne Gegenden des altsächsischen Bodens ausgenommen, so zahlreich und trotz aller Fehden so eng miteinander verbunden, daß ihr Gebaren sehr oft das Geschick der Landschaft bestimmte. Auf ihre Menge und das Zahlenverhältnis zu den Edlen kann man aus eigenen Angaben schließen. Als Kaiser Friedrich Rotbart im Jahre 1184 zu Mainz seinen Sohn Heinrich mit dem Ritterschwert begabte, waren 70 große Fürsten und an 70 000 Edle, Ritter und rittermäßige Knechte versammelt. Im Jahre 1222 waren bei der Hochzeit, welche Leopold von Österreich seiner Tochter ausrichtete, 5000 Ritter im Gefolge der Edlen und Dienstmannen zusammengeströmt. Zwei Jahre darauf ritten bei einem Sühneversuch zu Freisach in Österreich außer Fürsten und Markgrafen noch 6 Grafen, 8 Freie, 24 Dienstmannen mit ihrer Sippe und 600 Ritter herzu. Die Adligen und Dienstmannen werden von dem Berichterstatter sämtlich mit Namen aufgezählt, von den Rittern nur die Ziffern genannt. Für die gute Kameradschaft lohnte die Demokratie der Ritter dem Adel dadurch, daß sie sich eifrig nach seinem Bild formte. Bei den Frauen ihrer Herren um Minne zu werben, sich beim Becher höfisch zu verhalten, war ihr Stolz, gern legten sie ihrem Schildamt das Prädikat edel bei. Sie waren im Grunde Dienende. Auch wer nicht ein Höriger war und nicht in seiner Familie durch das Hofrecht des Herrn beengt wurde, blieb abhängig von Gunst und Milde des Lehnsherrn. Der Lehnsmann mochte sich einmal trotzig gegen seine Herrn auflehnen, im ganzen gedieh ihm nicht Unabhängigkeit des Sinnes und nicht das Behagen in seinem Hause. Der Hof des Edlen oder Fürsten wurde der Ort, von dem er die meisten guten Erfolge erwartete, dort drängten und stießen sich rücksichtslos die Schildtragenden um einen gnädigen Blick und eine huldvolle Gabe. Der so hochfahrend war nach unten, wurde unter einem mächtigen Gebieter leicht ein schwacher Höfling; das wird bald eine Klage der Sittenprediger. Sogar bei den Ritterspielen ist die ideale Gleichberechtigung in Wirklichkeit nicht immer vorhanden, und es geschah wohl nicht erst im 16. Jahrhundert, daß sich der Hofmeister eines Fürsten freiwillig vom Pferde warf, wenn er seinen gnädigen Herrn abgestochen hatte.

Dieses Ringen nach der Höhe und Werben um Hofgunst wurde charakteristisch für diese ganze Periode deutscher Geschichte, ja darüber hinaus. Wie der Bauer zum Ritter werden wollte, so der Ritter zum Adligen; Unzufriedenheit mit der einhegenden Schranke, ein rastloses Drängen in höher berechtigte Genossenschaft wurde seit der Hohenstaufenzeit dem ganzen Abendland eigentümlich. Wohl lag etwas Großes in der achtungsvollen Gemeinschaft, welche den Herrn mit seinem Mann, den Edlen mit dem reisigen Lehnsträger verband. Vielen wurde der Ritterstolz, durch solche Bundesbrüderschaft genährt, ein Quell sittlicher Empfindungen, der ihnen das wilde und räuberische Leben vor völliger Verwüstung bewahrte; mit besonderer Freude heben die ritterlichen Sänger diese Poesie ihres Standes hervor. Auch für die Befreiung der Menschenkraft aus der Stagnation ererbter Zustände wurde das Aufstreben der Ritter eine wichtige Hilfe. Es war unzweifelhaft ein Kulturfortschritt, aber er wurde teuer erkauft durch die Nichtachtung, welcher die ländliche Produktion verfiel, und durch kunstvolle Ausbildung der Standesprivilegien und Vorurteile.

Wer von seinen Eltern für Ritterschaft bestimmt war, der wurde gern als Knabe auf den Hof eines Edlen gebracht, um die Zucht zu lernen, welche den höfischen Mann von dem bäurischen unterschied. Hier tat er als Kind Pagendienst, bildete einen Teil des Gefolges, wartete dem Herrn oder der Frau auf bei Tisch und in der Kammer, und stand an großen Höfen mit seinen Altersgenossen unter einem Hüter, dem er bei der Annahme wohl ein Geschenk gab.

Uralter Brauch war den deutschen wie anderen indogermanischen Völkern, daß sich nach freier Wahl zwei Kinder oder Gesellen aneinander banden, sie besiegelten die Bundesbrüderschaft durch Gelöbnis und geweihten Trank. Solch innige Verbindung zweier Männer begegnet einige Male in der deutschen Heldensage, Spuren davon haben sich im Volk bis zur Neuzeit erhalten. Es mag mit dieser Sitte zusammenhängen, daß im Hofhalt häufig je zwei der Dienenden gesellt wurden, sie aßen aus einer Schüssel, erhielten zusammen ihren Trunk und schliefen oft auf demselben Bett.

Die Zucht, welche der Knabe erlernte, war zunächst gesittetes Verhalten in Rede und Haltung, vor allem bei Essen und Trinken. Zahlreiche Lehren, welche zum größten Teil aus frühem Mittelalter stammen, wurden in Verse gefügt und auswendig gelernt. Die »Tischzuchten« z. B. befahlen: man soll hübsch die Nägel beschneiden – was auch deshalb wünschenswert war, weil man vor dem 15. Jahrhundert keine Gabeln gebrauchte und den Fingern bei Tisch dreiste Eingriffe nicht wehren konnte; – man soll vor dem Essen sagen: »Segne es Jesus Christ«, soll am Tisch nicht den Gürtel vom Bauch schnallen, nicht das Brot beim Schneiden an die Brust stemmen, nicht mit dem Finger in Senf, Salz und in die Schüssel stoßen, sondern die Speisen, die man aus der Schüssel holt, mit einem Löffel oder einer Brotkruste anfassen, die man vorher mit der Hand und nicht mit dem Munde zugespitzt hat; wer die Speisen mit Brot angreift, soll die Krumen behüten, wenn er mit einem anderen ißt, daß sie nicht in die Schüssel fallen. Niemand soll aus der Schüssel trinken, nicht abbeißen und wieder in die Schüssel legen, nicht zwei sollen einen Löffel gebrauchen, beim Schneiden soll man nicht die Finger auf die Klinge legen, man soll nicht trinken und sprechen, bevor man die Speisen hinabgeschluckt hat, nicht schmatzen und rülpsen, sich nicht in das Tischtuch schneuzen, nicht über den Tisch legen, nicht krumm sitzen und sich nicht auf die Ellbogen stützen. Andere Dinge als Speisen soll man während des Essens nicht mit der bloßen Hand anfassen, sondern dafür das Gewand über die Hand decken. Vor dem Trinken soll man den Mund wischen, nicht in den Trunk blasen, während dem Trunk nicht über den Becher sehen. Man soll nur zwischen den Trachten trinken, man soll nicht essen, während der Geselle trinkt, man soll beim Essen gegen seinen »Gemäßen« billig sein und ihm nicht seinen Anteil wegessen, endlich die Zähne nicht mit dem Messer stochern.

War das Kind im Edeldienst herangewachsen, so wurde es Knecht eines ritterlichen Herrn; nicht immer an demselben Hofe, wo der Glanz und Müßiggang vornehmen Dienstes verweichlichte, sondern bei einem festen und erprobten Lehrmeister. Jetzt ward der Knappe im Reiterhandwerk unterwiesen; dazu gehörte außer den alten Turnübungen: Steinstoß, Wurf, Sprung, vor allem Gebrauch der Waffen, dann die vornehme Jagd mit Falken und mit Winden, höfischer Tanz und ritterlicher Dienst bei Frauen durch Liederdichtung und Gesang. Der junge Knecht nahm teil an den Fahrten seines Herrn und wartete ihm auf bei Spiel, Fehde und Krieg. Es scheint, daß der Jüngling als Knecht einen Beinamen erhielt, mit dem er von seinen Gesellen gerufen wurde; wenigstens sind in den höfischen Kreisen charakterisierende Beinamen sehr häufig, welche aus Laune, Spott, Haß beigelegt werden, zuweilen als Pseudonyme den wirklichen Namen ihres Besitzers verstecken. Der junge Knecht turnierte eifrig mit seinen Gefährten, die Ritterschaft zu lernen, um besondere Knechtspreise. [...]

Hatte sich der Knecht in Ritterschaft wacker geübt, stammte er von einem Vater, welcher selbst den Ritterschlag erhalten hatte, oder war er seinem Herrn besonders wert geworden, so erhielt er feierlich die Ritterwürde. Von dem Brauch, der sich allmählich dabei ausbildete, war der älteste das Umgürten mit dem Ritterschwert durch den Herrn, seit den Kreuzzügen unter kirchlicher Weihe der Waffen und Ablegung eines Gelübdes, wodurch der Ritter sich verpflichtete, treu gegen das Reich zu sein, Frauen zu ehren, Gotteshäuser, Witwen und Waisen zu schirmen. Diese Zeremonie der Schwertleite war bei Vornehmen, den geistlichen Orden und in späterer Zeit feierlicher.

Um 1200 durfte das Ritterschwert erteilen, wer selbst Ritter war und das Recht hatte, Lehnsgüter zu verleihen, also wer ein adliger Herr war. Da aber die Ritter das reisige Gefolge jedes ansehnlichen Gutsbesitzers bildeten, so nahm sich auch der Dienstmann die Freiheit, den Ritterschild an sein Gefolge auszuteilen. Es wurde damit in wilder Zeit überhaupt nicht genau genommen, die Würde ward schon im 13. Jahrhundert an Bauernsöhne um Geld gegeben, oder weil der Herr sich einmal mit großem Gefolge am Fürstenhofe zeigen wollte. Für ehrenvoll galt es, von dem höchsten Fürsten des Landes das Ritterschwert zu erhalten, auch ihm war rühmlich, an großem Hoffest vielen höfischen Knechten die Ehre zu erteilen. Bei jener österreichischen Vermählung im Jahre 1222 erhielten 225 Knappen die Würde. Noch rühmlicher war die Erteilung vor einer Schlacht, die neuen Ritter kämpften dann in der ersten Schlachtreihe. So wird berichtet, daß Rudolf von Habsburg vor der Schlacht auf dem Marchfeld 1273 unter andern auch hundert Züricher Bürgersöhnen das Ritterschwert gab und die Züricher für seine besten Kämpfer erklärte.

Schon um 1200 bestand der Stolz auf ritterliche Herkunft. Das nächste Recht zum Schildamt sollte haben, wer aus dem »Geschlecht der Tjoste« stammte, und der Satz, welcher überall galt, daß der Sohn dem Beruf des Vaters zu folgen habe, wurde von Ritterbürtigen mit Eifer geltend gemacht. Aber trotz allem Klagen und Zürnen wollte es nicht gelingen, das Eindringen neuer Leute abzuhalten. Damals wurde allerdings nur der aufstrebende Bauer angefeindet. Denn der Stadtbürger des 13. Jahrhunderts, der von seinen Eltern her als freier Mann bekannt war oder dessen Vorfahren als Burgmannen unter dem Stadtherrn gesessen hatten, sorgte selbst dafür, daß er vom Ritterschild nicht ausgeschlossen wurde. Auch er stand in einem Gegensatz zum Lehnsmann im Dorf, aber er war in vielen Landschaften der Reichere, bald auch der Gebildetere; er vertrat als Mitregierer seiner Stadt große politische Interessen, beeinflußte die Waffenmacht seiner Bürgerschaft und konnte den Fürsten sehr gefährlich und sehr nützlich sein. Er war stolz auf sein Ritterschild und seine Armstärke beim Speerbrechen wie der Dorfritter. Aber wenn er sich auch für den besseren Mann hielt, schon unter den Hohenstaufen war für seine Geltung unbequem, daß er oft Kaufmannschaft trieb und sein Geld in bürgerlicher Nahrung mehrte. Denn der alte Kriegerstolz der Germanen bestand unverändert fort, daß dem waffentüchtigen Mann Kriegstat mehr zieme als friedliche Arbeit. Und wo unter den Hohenstaufen die Würden der Männer aufgezählt sind, steht der reiche Kaufmann stets hinter dem Ritter.

Wer in den Ritterorden aufgenommen ist, wird Herr und Ihr genannt, der Knecht aber Gesell und du. Er hat das Recht, ein Wappen auf dem Holzschild zu tragen und sich von dem Knecht aufwarten zu lassen. Es war nicht unnatürlich, daß um diese äußeren Vorrechte des Ritterstandes gerade solche tödlichen Streit erregten, welche sich davon erhielten, dem Bauer die Rinder zu stehlen; schon um 1290 ist es gefährlich, solchen Raufbold du zu nennen oder ein Schildzeichen zu führen, welches dem seinen gleich ist. Das Vorrecht, Schmuck und kostbares Gewand des Adligen zu tragen, zumal Gold an Schild, Spange und Sporen, scheint der Ritter später gewonnen zu haben als wertvolleres. Denn noch um 1400 war heraldische Überlieferung, daß Gold im Schild edler sei als Silber. Jedenfalls wurde der Goldschmuck bald sogar von den ritterbürtigen Knappen beansprucht. Zwar dem jungen Knecht gezieme wie dem Kaufmann Silber, aber dem Knecht von dreißig Jahren solle man vergoldeten Schmuck nicht wehren.

Und es ist bezeichnend für die allmähliche Umwandlung des Rittertums in einen erblichen Stand, daß bereits die ritterbürtigen Knechte als ein eigener Stand hinter den Rittern aufgezählt und durch den Namen »edle Knechte« von anderen Aufwartenden unterschieden werden. Und bereits nach 1200 ist für ritterlichen Grundbesitz und Geltung in der höfischen Genossenschaft die Ritterwürde nicht unbedingt notwendig.

Die Rüstung des schwerbewaffneten Reisigen sucht seit Friedrich Rotbart den Leib besser zu schützen und dem Ritter den Durchbruch der feindlichen Haufen zu erleichtern. Die fünf Systeme der Schutzrüstung: Lederkoller mit Metallplatten, aufgenähte Eisenschuppen, Kettenpanzer, bewegliche Eisenringe und gerundete Schienen, sind sämtlich bereits in der letzten Römerzeit vorhanden, sie haben sich nebeneinander erhalten und werden bis in das 17. Jahrhundert hinab der Reihe nach von Mode und Bedürfnis aufgenommen. Nach langen Zwischenräumen kommen einmal wieder uralte Formen in neuer Umbildung auf.

Um 1200 war die Schutzrüstung noch verhältnismäßig einfach. Der Harnisch, d. h. die Rüstung des Leibes, bestand aus dem Halsberg (Leibdecker), einem Kettenpanzerrock mit Ärmeln, Handschuhen und einer Kapuze, welche zurückgeschlagen werden konnte und, übergezogen, nur das Gesicht freiließ. Über dies Kettenhemd, das bis an die Knie reichte und abwärts von den Hüften durch Geren, keilförmige Einsätze, erweitert war, wurde bei ernstem Kampf zuweilen die Brünne, der ältere Brustpanzer, gelegt. Aber im 13. Jahrhundert kam die Brünne außer Gebrauch, nicht immer legte man eine Eisenplatte über den Halsberg, erst im 14. schnallte man den Schienenharnisch regelmäßig über das Kettenhemd. Die Füße waren durch anliegende Panzerstrümpfe, die Eisenhosen, geschützt, welche bis über die Schenkel hinaufreichten. – Der Helm war im 10. Jahrhundert häufig eine runde Stahlkappe gewesen, hatte im 11. durch einen vorragenden Eisenstreif die Nase gedeckt und im 12. oft konische Form gehabt. Gerade in der Zeit des höfischen Minnedienstes ward er in Deutschland häßlicher als je zuvor und hernach plump, dick, am Scheitel häufig abgeplattet, einem umgestürzten Topf ähnlich. Er deckte auf den Schultern sitzend das ganze Haupt, ließ nur kleine Sehöffnungen, die Fenster, und wurde über der Panzerkappe mit seidenen Schnüren festgebunden. Neben ihm dauerte der Eisenhut, eine Stahlkappe mit breiter Krempe. – Der Ritterschild, im 10. Jahrhundert oft rund, im 12. dreieckig, sehr lang und zur Aufnahme des Körpers eingebuchtet, wird kleiner, bleibt aber dreieckig und von Holz. Das zweischneidige Ritterschwert ist länger geworden, der lange Speer hat einen Schaft von Eschenholz, in den Gedichten auch von spanischem Rohr, mit kurzer Eisenspitze, am Griffende gewöhnlich mit einer Scheibe. Über die Rüstung wirft der Ritter seinen langen Waffenrock von leichtem Zeug, darüber noch das Kursit als Staatskleid; die Sporen werden angeschnallt, sie sind dem Ritter noch nicht von Gold, nur an Adligen werden einigemal goldene Sporen erwähnt. Das Roß ist noch gar nicht mit Eisenplatten bedeckt. Der Sattel hat einen tiefen Bock, der dem Rücken des Reiters sichern Widerhalt gibt, auf der rechten Seite des Sattels ist eine eiserne Gabel zum Auflegen des Speers angebracht, der Reiter steckt den Speer noch nicht in das starke Gerüst mit Kerbeisen, welches in späterer Zeit hinter seiner Hüfte ragt. Der Zaum ist eine einfache Trense.

Es war ein zweifelhafter Fortschritt, daß die Turnierwaffen größeren Schmuck und allmählich andere Form erhielten als die des Krieges. Bald nach 1200 beginnt man das Zimier, den Helmschmuck, auf den Scheitel des Helms zu setzen; er besteht zunächst als Schmuck der Vornehmen aus einem Kranz von Federn, Blumen, Goldblättern, einem hohen Busch Pfauenfedern, einem ausgebreiteten Fächer, bunt gemalt, mit Pfauenfedern und Tuchstreifen geschmückt. Allmählich werden phantastische Formen aufgesetzt, Figuren von Menschen und Tieren, Hörner, Wappenzeichen, zuweilen seltsame Inventionen, in ansehnlicher Höhe von Holz und Stoff verfertigt, bunt übermalt. Zum Schutz gegen die Sonne hatte man zur Sachsenzeit einen Strohhut über die Eisenkappe gesetzt, in den Kreuzzügen ein Tuch herabhängen lassen, erst am Ende des 13. Jahrhunderts wird dies Tuch, bunt verziert und ausgezackt, als Helmdecke ein Teil des Wappenschmucks.

Die Außenseite des hölzernen Schildes, nicht selten mit Pelzwerk überzogen, zeigt das Wappen des Besitzers, das auf Leinwand gemalt ist. Eigene Wappenzeichen scheinen ursprünglich ein Vorrecht der edlen Lehnsherren gewesen zu sein, und die Lehnsleute, und vollends die Dienstmannen, nur das Zeichen ihrer Herren geführt zu haben, zuweilen mit einem unterscheidenden Merkmal; um 1200 tragen auch manche einfache Ritter ihr besonderes Wappenbild, aber die Bilder und Farben werden frei behandelt, und die Nachkommen ändern sorglos daran. Grün ist in dieser Zeit noch als Schildfarbe gebräuchlich, auch im folgenden Jahrhundert werden zwei Metalle übereinandergesetzt. – Das Roß wird mit einer langen Decke geschmückt, welche vom Hals bis über den Schweif fast bis zum Boden reicht. Waffenrock und Pferdedecke haben häufig dieselbe Farbe, der bunte und kostbare Stoff ist durch eingesetzte Bilder und Embleme verziert. Die Turnierlanze muß an der kurzen Spitze ein Quereisen gehabt haben, wodurch das tiefe Eindringen verhindert wurde, noch nicht die spätere Krone; denn es wird von dem Eindringen des Stichs durch die Helmfenster und das Panzerhemd berichtet, aber die Augen des Kämpfers sind geschützt und die Wunden können nicht tief gewesen sein. Der Speer wird farbig bemalt, wohl auch mit Blumen und Flitterschmuck dicht umwunden, mit einem Wimpel verziert. Der geschlossene Helm, der bemalte Schild, das Ritterschwert, der Gürtel, der Waffenrock sind die unterscheidenden Zeichen des Ritters, der Knappe reitet in offener Helmkappe ohne Schild und Waffenrock. – Größte Bedeutung erhielten dem Ritter seit Ende des 12. Jahrhunderts die Waffenübungen, welche ein Vorrecht seines Standes geworden waren. Sie wurden in der Hauptsache zuverlässig schon während der Wanderzeit eingerichtet, seit den Kreuzzügen mit den Spielgesetzen, welche die Romanen allmählich erdacht hatten, zu einem System von Regeln verbunden, an deren Beobachtung der höfische, d. h. gebildete Mann erkannt ward, deren Verletzung für unehrenhaft galt.

Von diesen Übungen war die häufigste, Grundlage der übrigen, die Tjost, der Speerstich zweier gerüsteter Ritter gegeneinander. Zweck dieses Kampfes war, den Gegner im scharfen Anritt mit dem Speer so zu treffen, daß entweder der Gegner vom Pferde geworfen wurde oder der Speer in die Rüstung des Ritters drang und von dem Stoß zersplitterte. Zu solchem Kampf wurde ein Raum abgegrenzt, wenn die Örtlichkeit das erlaubte; beide Gegner nahmen eine Anlauf, den »Puneiß«, wobei das Roß mit gesteigerter Schnelligkeit so zu leiten war, daß es die größte Kraft im Moment des Stoßes gab. Man ritt dabei nicht »Stapfes oder Drabs« – im Schritt oder Trab –, es gehörte Kunst dazu, zu rechter Zeit aus Galopp in Karriere oder, wie man damals sagte, aus dem »Walap in die Rabbine« zu treiben. Der Anlauf war »kurz« oder »lang«, der lange erforderte größere Sicherheit in Führung des Rosses und Speers, aber er war natürlich wirksamer; es ist charakteristisch, daß der lange Anlauf um 1200 für trefflicher galt, nach 1400 wegen der schweren Rüstung für unbequem. Es war Spielregel, bei diesem Rennen den »Hurt«, das Zusammenprallen der Reiter und der Rosse, zu vermeiden, und der Reiter mußte verstehen, nach dem Stich mit einer Volte rechts abzubiegen, wenn er nicht die bösliche Absicht hatte, den Gegner zu überrennen; was am leichtesten geschah, wenn er schräg auf ihn hielt. Die »rechte Tjost« aber war, daß man in gerader Linie Front gegen Front aufeinanderstieß, in diesem Fall traf der Speer die Schildseite des anderen; war der Anlauf von beiden Seiten gleich kräftig und der Stich ohne Fehlen, so kamen trotz der Volte die Kämpfer einander häufig so nah, daß Schild an Schild stieß und die Knie geklemmt wurden. Der Stoß wurde wirksamer, aber schwieriger, je höher er gerichtet war; den oberen Rand des Schildes treffen, wo er sich mit dem Helm berührte oder den Helm selbst, galt für den besten Stoß; das ungepanzerte Roß zu treffen, war große Ungeschicklichkeit. Wer dem Gegner besondere Artigkeit erweisen wollte, hob beim Rennen seinen Speer aus der Auflage und schlug ihn unter den Arm. Solchen Stich ohne Auflage begegnete der andere dadurch, daß er das gleiche tat oder mit größerem Selbstgefühl, wenn er seinen Speer auf dem Schenkel hoch hielt und gar nicht gegenstach. Es scheint, daß im Anfang des 13. Jahrhunderts die Länge und Schwere des Speers nicht vorgeschrieben war, denn es werden unmäßig große Speere erwähnt. Wer zum Spielkampf sich bereit erklärte, band den Helm auf dem Haupte fest und senkte den Speer, wer den Helm abband, schied aus dem Spiel.

Dieser Einzelkampf war die häufigste Ritterfreude, zu ihm wurde durch Boten und Briefe von Kampflustigen aufgefordert, er fehlte bei keinem Hoffest. Als im Jahre 1224 Leopold von Österreich hadernde Parteien zu jenem Sühnetag nach Freisach eingeladen hatte, benutzten zwei junge Liechtensteiner die Gelegenheit, zu Ehren edler Frauen Ritterschaft zu prüfen und forderten zur Tjost in der Nähe der Stadt heraus. Da ritt alles auf das Feld, um zu stechen und vergaß tagelang die Verhandlungen, bis die Bischöfe sich bitter beklagten und der Herzog zuletzt nicht anders zu helfen wußte, als daß er selbst ein großes Turnier ansagte, wo die Versammelten einander in Masse zerstechen konnten.

Die höfischen Dichter erklären gern, daß die leidenschaftliche Freude an der Tjost durch Ehrgefühl und Frauendienst aufgeregt sei; in Wahrheit spielen aber auch hier die Preise und Wetten eine große Rolle. Ulrich von Liechtenstein lockt 1227 dadurch, daß er jedem Gegner, der seiner nicht fehlen werde, einen goldenen Fingerring verheißt, dem aber, der ihn aus dem Sattel heben könne, alle Rosse, die er mit sich führt. Und ebenso setzt in der merkwürdigen – erdachten – Schilderung eines Turniers zu Nantes, in welchem Richard Löwenherz als Vorkämpfer der Ritter von germanischem Blut die Franzosen gründlich besiegt, ein Edler zu einer Tjost ein Roß und hundert Mark Silber aus und verliert diesen Preis.

Das Speerstechen war in den altheimischen Volksspielen geübt worden, wenn bei Beginn des Frühjahrs Sommer und Winter verkleidet miteinander kämpften, der Maigraf aus der Waldlichtung mit seinem reisigen Gefolge in das Dorf einritt. Über das 13. Jahrhundert hinaus blieb der Mai und Pfingsten die lustige Festzeit der ritterlichen Kämpfer; auch der Brauch erhielt sich, daß die herausfordernde Partei in der Lichtung eines Gehölzes, durch das Laub verborgen, sich rüstete und plötzlich in buntem Schmuck aus dem grünen Vorhang in die Ebene hinausritt. Das junge Waldesgrün wurde als poetisches Lager und Versteck des Auftauchenden respektiert. Auch wer Abenteuer, Verkleidung, Überraschung beabsichtigte, als Fremder in einen Rennverein einreiten wollte, wählte das Laubversteck; er sandte einen Knappen heraus, welcher ihn artig mit den Worten anmeldete: »mein Herr begehret Ritterschaft an euch«; kam die Antwort: »sie wird ihm gewährt, wie er sie auch begehrt«, so tauchte der Ritter selbst, in seinem schönsten Waffenkleid, mit gebundenem Helm hervor, nach gefälliger Annahme sämtlicher Beteiligten durchaus unkenntlich; er zerstach seine Speere und deutete durch Rückzug in das Gehölz an, daß er wieder verschwinde. Deshalb nannte man in der Rittersprache von dem romanisierten Worte »Forest«, Hain, alles Verkleiden oder Veranstalten eines ritterlichen Abenteuers beim Rennspiel »forestieren«, auch wenn es nicht mehr vom Waldesdickicht ausging.

Es lag nahe, in diesen Verkleidungen Heldengestalten der Sage und der Rittergedichte nachzubilden. Zumal wenn sich ganze Gesellschaften für ritterliches Spiel zusammentaten, erschienen die Helden Karls des Großen, die Mannen Siegfrieds und Dietrichs von Bern und die Gralritter in phantastischem Schmuck. Von vielen Maskenscherzen und Erfindungen der Rennbahn, durch welche man der Tjost höhern Reiz zu geben suchte, hat einer in unseren Ostseestädten Erinnerungen hinterlassen, welche bis zur Gegenwart dauern, die Tafelrunde des Königs Artus. Ein Zelt, Pavillon, Turm wurden inmitten des Stechplatzes aufgerichtet, die Helden des Artushofes kämpften gegen geladene Gäste oder nahmen bewährte Ritter in ihre Gesellschaft auf, zuletzt schmausten die Genossen an rundem Tisch, froh der Verkleidung und des poetischen Schimmers, in dem sie einander sahen. In Österreich richtete Ulrich von Liechtenstein 1240 dies Spiel ein, in der Mitte des Kampfplatzes das Zelt der Tafelrunde, von vier Bannern umsteckt, im weiten Ring herum eine schöne seidene Schnur gelb und blau geflochten, durch zweihundert Speerfähnlein gehalten. Der Ring hatte zwei Tore, durch welche die Angreifer einzogen, gegen sie wurde das Zelt von den Artusrittern verteidigt. Und im Jahre 1285 führten die Magdeburger diese Invention noch schöner aus. Dort standen damals den Pfingstspielen die Söhne der reichen Bürger vor, welche die Genossenschaft der Konstabler bildeten. Sie hatten mehrere ritterliche Spielweisen, darunter den »Roland«, den »Schildeichenbaum« und die »Tafelrunde«; in jenem Jahr baten sie einen gelehrten Genossen, Bruno von Sconenbecke, er möge ihnen ein freudiges Spiel bedenken, da machte er das Gralspiel und dichtete höfische Briefe dazu. Diese wurden nach Goslar, Hildesheim, Braunschweig, Quedlinburg, Halberstadt und anderen Städten gesandt, und die Kaufleute, welche Ritterschaft üben wollten, wurden nach Magdeburg geladen, man habe eine schöne Frau, mit Namen Frau Fee, die werde der Preis sein für den Sieger. Alle Jünglinge der Städte rührten sich; die von Goslar kamen mit verdeckten Rossen, die von Braunschweig alle in grünen Röcken und grünen Wappendecken, jede Stadt hatte ihre besonderen Wappen und Farben. Die Anziehenden wollten nicht eintreten, wenn man sie nicht mit einer Tjost empfange. So wurden sie von zwei Konstablern bestanden. Auf der Marsch aber war der Gral bereitet, viele Zelte und Pavillons aufgeschlagen und ein Baum aufgepflanzt, daran hingen die Schilde der Konstabler, die in dem Gral waren. Am andern Tag hörten die Gäste Messe und aßen, dann zogen sie aus, den Gral zu beschauen, und es war gesetzt, wenn einer von ihnen einen Schild rührte, so trat der Besitzer desselben heraus und bestand den Rührenden. Zuletzt verdiente ein alter Kaufmann von Goslar die Frau Fee; er nahm sie mit sich, verheiratete sie und gab ihr so viel als Ausstattung, daß sie ihrem wilden Leben entsagen konnte.

Dieselbe Idee wurde in preußische Städte und nach Stralsund verpflanzt, dort entstanden unter den rittermäßigen Familien im 14. Jahrhundert Artusbrüderschaften und Artushöfe, stehende Genossenschaften mit eigenen Klubhäusern. Die englischen und französischen Kreuzfahrer fanden dort Erinnerungen an heimischen Ritterbrauch und gastliche Aufnahme.

Ein Haufenspiel zu Roß war der Buhurt, wahrscheinlich die älteste der ritterlichen Übungen. Die Reitenden teilten sich in Parteien und zogen sich in schnellem Lauf durcheinander. Hier war die Reitkunst und im Vorbeifliegen der Zusammenstoß der Schilde und das geräuschvolle Brechen leichter Speere an entgegengehaltenen Schilden die Hauptsache; er wurde deshalb wohl auch mit Stäben geritten. Das behende Wenden im engen Raum und das laute Dröhnen von Schild und Speer war ihm charakteristisch, dabei klang gewaltig der Ruf: Hurta, hurta (drauf)! Der Buhurt war Ausdruck kriegerischer Freude, Begrüßung eines geehrten Gastes auch in den Stadtgassen und im geschlossenen Hof, er erhielt sich aber nicht über die erste Hälfte des Jahrhunderts, später werden beim Empfang ritterlicher Gäste nur einige Tjoste geritten.

Das größte Ritterfest war der Turney, ein Massenkampf in abgestecktem Raum, die Teilnehmer immer in zwei Parteien geteilt, diese wieder in verschiedene Haufen, welche einander unterstützten. Aufgabe der Haufen war, die Schar der Gegner zu durchreiten und die einzelnen daraus zu entwaffnen und gefangenzunehmen. Die Turniere wurden um 1200 nicht nur bei großen Hoffesten angestellt, auch von den Rittern einer Landschaft, es waren Spielkämpfe, welche das Rittertum in seinem höchsten Glanz zeigten. In der Stadt, welche dem Turnierplatz nahe lag – und man hatte Ursache, volkreiche Städte mit kunstfertigem Handwerk zu wählen –, war in den Wochen vor dem Turnier geräuschvolles Treiben, Schmiede, Lederarbeiter, Gewandschneider, Goldschläger, Maler, Federschmücker waren in angestrengter Tätigkeit, die Herbergen füllten sich, auch Privathäuser nahmen Einquartierung. Wer der Einladung zum Turnier folgte, zog stattlich ein und wandte leicht mehr Geld und Kredit auf sich und sein Gefolge, als ihm nützlich war; denn die Edlen und Dienstmannen kamen mit großem Gefolge von Rittern, Knechten und Rossen, zuweilen auch mit Frauen. In den letzten Tagen vor dem Fest wogte es auf den Straßen und um die Herbergen, die Ritter, welche des Abends einander besuchten, ließen sich große Wachslichter vortragen, dann war die Stadt, deren Dunkel durch keine Straßenlaternen unterbrochen wurde, hell erleuchtet. Unterdes hatte, wer das Turnier ausgeschrieben, die Aufgabe, die Parteiführer zu bestimmen; wurde er Führer einer Partei, so trug wenigstens die Schar, mit welcher er einritt, seinen Schild, und war er nicht der Landesherr selbst, so hatte er vornehme und erprobte Ritter um diese Gunst zu bitten. Es galt für eine Ehre, viele vornehme Herren unter seinem Schild in das Turnier zu führen. Draußen aber auf der staublosen Grasebene wurden weite Schranken abgesteckt, Zelte und Buden errichtet, und um diese Gerüste sammelten sich wie Zugvögel Schwärme des fahrenden Volkes: Spielleute, Narren, Gaukler, die rechtlosen Kinder der Landstraße mit ihren Weibern, sie, die unentbehrlichen Lustigmacher bei jedem Feste des Mittelalters. Am Morgen des großen Tages hörten die Kämpfenden zuerst die Messe, dann wurde die Anmeldung der Namen und Wappen bewirkt und die Teilung in Scharen. Diese Vorbereitung war in späterer Zeit ein ernstes Geschäft, die Wappenschau wurde zu einer Prüfung der ritterlichen Turnierrechte, wem das Turnierrecht beanstandet wurde, der kam nicht in die Teilung; um 1200 scheint eine Prüfung des Ritterrechts nicht stattgefunden zu haben, die Prüfung der Wappen besteht aber bereits unter Rudolf von Habsburg. – Die Groier oder Krier (Turnierrufer) schrien durch die Straßen: »Wappnet euch, gute Ritter, wappnet euch, tragt stolzen Mut und ziehet freudig aufs Feld, erweiset eure Ritterkraft und dienet schönen Frauen.« Die Haufen sammelten sich und zogen unter den Bannern ihrer Führer aus, die Posauner bliesen eine Reisenote, in froher Erwartung erhoben sich Rosse und Männer. Vor den Zugängen der Schranken ordneten sich die Scharen, unter lauter Kriegsmusik ritten sie ein. Bevor der Turney anhob, ritten die Führer zuweilen erst allein in einer Tjost gegeneinander, in diesem Fall war es Kurtoisie, dem Vorbeireitenden nur im Einzelkampf entgegenzutreten und ihn nicht zu drängen oder abzuschneiden. Das Turnier begann, indem die angreifende Schar einer Partei in starkem Anritt (Puneiß) mit Lanzenstich auf die gegenüberstehende traf, welche den Chok durch Gegenstoß zu parieren hatte. Taten die Angreifer ihre Pflicht, so drängten sie, nachdem ihre erste Reihe die Speere gebrochen, im Ansturm geschlossen durch die Schar der Gegner. Nach dem Durchritt aber mußten sie vor den Schranken schwenken und, die Gegner umreitend, ihre erste Position wiedergewinnen. Und diese Schwenkung war der gefährliche Augenblick, wo die getroffene Schar der Gegner, wenn sie durch den Ansturm nicht völlig in Unordnung gebracht war, Gelegenheit erhielt, einen Teil der Angreifer abzuschneiden und gefangenzunehmen. Hatten die Angreifer den Umritt vollendet, so wurden sie ihrerseits von dem zweiten Haufen der Gegner angerannt, womöglich durchbrochen, und ihnen blieb überlassen, einzelne von dieser Schar der Gegner bei deren Tournee abzufassen. Darauf trat wieder als Ablösung und Hilfe die nächste Schar ihrer Partei in das Spiel und so fort, bis alle Scharen in den Kampf geritten waren.

Den weiteren gesetzlichen Verlauf dieser Quadrillen vermögen wir nicht mehr zu erkennen. Die Scharen wogen auf der weiten Ebene hin und her, bald sind Tjoste einzelner, also freier Raum und Anlauf möglich, Einspringen der Knappen und Herauszerren der Gefangenen, bald drängen sich die Genossen zum Durchbruch oder zur Verteidigung eng aneinander. – In diesem ersten Teil des Turniers führten die Kämpfer nur den Speer, kein Schwert und keinerlei andere Waffe, der einzelne war, sobald er den Speer verstochen hatte, wehrlos und der Gefangennahme ausgesetzt, er mußte sich schleunig in den Haufen der Freunde zurückziehen, wenn ihm der Knappe nicht einen neuen Speer durch das Getümmel in die Hand legen konnte; es war also Aufgabe der Freunde, den Schutzlosen vor der Gefangennahme zu bewahren. Offenbar war das Endziel des Turniers, die Scharen der Gegner durch Abfangen einzelner so zu schwächen, daß sie den Widerstand aufgeben mußten; es scheint aber, daß der Kampf nicht bis zu völliger Erschöpfung und Gefangennahme der schwächeren Partei durchgeführt wurde.

Der Speerkampf des Turniers forderte von Roß und Kämpfer noch einige andere Eigenschaften als die regelrechte Tjost. Denn Auslage des Speers, Deckung des Reiters und Führung des Rosses – oder, wie man damals sagte, die Stiche – waren verschieden, je nachdem man in angreifender Schar einen Chok mit langem Anrennen machte (Stich zem puneiz), oder ob man den Gegner von der Seite anfiel (Stich ze triviers, à travers), ob man stillhaltend oder mit kurzem Vorritt den Gegenstoß gegen die Angreifer tat (Stich z'entmouten, von antmouti Gegenstoß; muoti ist das altdeutsche Wort für das spätere tjost), oder ob beide Teile mit Anlauf, Front gegen Front, aufeinander kamen (der gute Stich ze rehter tjost), endlich ob man einen Gegner verfolgte (Stich zer volge).

Dem einzelnen wurde während dieses Kampfes, der viele Stunden dauerte, die Möglichkeit gegeben, sich aus den Schranken zurückzuziehen, das Pferd zu wechseln und sich zu erfrischen. Dafür hatte jeder ansehnliche Mann seinen besonderen Platz außerhalb der Schranken, am liebsten unter einem schattigen und aus der Ferne sichtbaren Baum.


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