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Kotzebues Opern-Almanach.

Wahrhafte Freude empfand ich, als ich, unter den neuesten Novitäten, den Opern-Almanach des Hrn. von Kotzebue erblickte: denn ich dachte gleich an meinen Freund, den Musikdirektor und berühmten Komponisten Y., der unlängst über den gänzlichen Mangel guter Operntexte, und über den Eigensinn der Dichter, die sich nicht im mindesten den Forderungen der Musiker bequemen wollten, bitter geklagt hatte. Der Entschluß des Dichters der überall beliebten und tausendmal durchgespielten und durchgesungenen Fanchon, Operntexte, gleich, zu allgemeinem Nutz und Frommen, bandweise, und noch dazu im bequemsten Taschenformat zu liefern, schien mir ein wahrhafter, heitrer Sonnenblick zu sein, der leuchtend in die Seele bedrängter, um Gedichte verlegener Komponisten fallen müsse. Augenblicklich schickte ich den Almanach, ohne ihn vorher selbst zu lesen, meinem Freunde. Daß aber Musiker zuweilen ganz sonderbare Leute sind, und daß mit ihnen durchaus nichts Vernünftiges anzufangen ist, geht recht deutlich aus folgendem Briefe meines Freundes Y. hervor, dem er den Almanach wieder beigelegt hatte, unerachtet ich ihm damit ein angenehmes Geschenk zu machen gesonnen. Ich teile den Brief der musikalischen Welt mit, damit sie sich davon überzeuge, wie bloß die sonderbaren, phantastischen Ideen der Komponisten, die nur nicht allemal so deutlich in Worte gefaßt werden, wie es von meinem Freunde geschehen, daran schuld sind, wenn vortreffliche Dichter, wie Hr. v. K., endlich im gerechten Zorn ganz ihre Hand von ihnen abziehen. Sehr schlimm ist es, daß gerade die wahrhaft großen Meister der Tonkunst von jenen Ideen am häufigsten heimgesucht werden, und daß sie daher gewisse, ganz allerliebste Operntexte gar nicht komponieren mögen, unerachtet ihr Ruhm sich erst dadurch recht begründen würde; weshalb denn manches liebe, niedliche Gedicht rettungslos untergeht, indem die Arme, die hier und da mitleidige Seelen nach ihnen ausstrecken, nicht kräftig genug sind, es emporzuhalten.

*

Schreiben des Musikdirektors und Komponisten Y.

In der Anlage erhalten Sie, teuerster Freund, den Kotzebueschen Opern-Almanach zurück – mit vielem Dank, würde ich hinzusetzen, wenn dies mir nicht meine angeborne Freimütigkeit verböte! – Ach, teuerster Freund, werden Sie ja nicht ungehalten, daß ich nun vielleicht wieder einmal mit Ihnen gar nicht einig sein und mir den Vorwurf zuziehen werde, gewissen Ideen, die in meinem Innern fortleben, ja sich wie mein Inneres selbst gestalten, durchaus nicht entsagen zu können, und dadurch mir selbst zu schaden! – Doch weiß ich ja wohl, daß Sie gar oft nicht ungern meine innere Herzensmeinung vernahmen: ja, daß Sie mir selbst, wie man zu sagen pflegt, auf die Sprünge halfen, alles, was ich in mir dachte und empfand, recht deutlich in Worte zu fassen, so daß es mir oft war, als widersprächen Sie mir eben nur deshalb. Und so will ich denn auch jetzt getrost das tun, was ich nicht lassen kann, nämlich recht umständlich alles sagen, was ich über die sogenannten Opern des Hrn. v. K. denke. –

Aufrichtig gestanden, hatte ich schon ein kleines Vorurteil gegen die Operndichtungen des Hrn. v. K., noch ehe ich das Büchelchen aufschlug. Daß das nun gar nicht recht ist, gestehe ich selbst ein; indessen waren zwei Dinge schuld daran, die mir unwillkürlich einfielen, als ich von Opern des Hrn. v. K. hörte. Fürs erste dachte ich an Fanchon – Sie kennen meine Meinung über dieses Stück: ich mag den alten Streit nicht erneuern, und nur bemerken, daß es mir noch immer recht einleuchtet, wie nächst der, in der Tat lieblichen Musik, wohl nur die besondere Periode, in der das Stück auf die Bühne kam, den Beifall herbeiführte, den jetzt, da eine bessere, kräftigere Zeit aufgegangen, eine solche Komposition von süßlicher Empfindelei, französischer Sittenlosigkeit, (sonst guter Ton genannt,) und faden Späßen, nimmermehr erhalten haben würde. Dann erinnerte ich mich an die Vorrede zu einem Singspiel, das Gespenst, später Deodata genannt, die mir noch mehr mißfiel, als das ganze Stück, dessen Musik ich übrigens nie gehört und gesehen habe, welches mir leid tut, da sie sich hoch über den, aus verschiedenen Schauspielen und Tragödien zusammengeflickten Text erheben soll. In dieser Vorrede sagt nämlich Hr. v. K., daß er sich bemüht habe, das Unnatürliche des Singens auf dem Theater zu verbannen, und den Gesang allemal auf diese oder jene Weise gehörig zu motivieren; wodurch es denn nun wohl ganz klar wird, daß Hr. v. K. von dem eigentlichen Wesen der Oper gar keine Ahnung hat. – Unter dem Natürlichen oder Unnatürlichen auf dem Theater kann doch wohl keiner, und auch nicht Hr. v. K., etwas anderes verstehen, als (unter ersterm) jene innere, poetische Wahrheit, die den Zuschauer unwiderstehlich ergreift – kurz, recht eigentlich jene Illusion bewirkt, nach der die Dichter streben. Die poetische Wahrheit wird ja aber nicht von der äußern, zufällig hinzutretenden Form erzeugt; sie strömt vielmehr aus dem innersten Wesen der Dichtung, und dieses Wesen bildet sich selbst die Form, wie es in das Leben tritt, und in seiner eigensten Eigentümlichkeit die Menschen, wie Bekanntes anspricht, so daß sie an das Wunderbarste glauben. So kommt es ja auch, daß ein wunderbares, romantisches Schauspiel, über dessen Rede die Metrik ihren Zauber verbreitet, ja selbst die Oper, in der die Sprache eines höheren Reichs, Musik, waltet, oft, in jenem richtigen Sinne des Worts, viel natürlicher ist, als ein Stück, worin von gemeinen Dingen auf gemeine Weise gehandelt wird. – Mir fällt hierbei noch allerlei ein; ich möchte z. B. behaupten, daß gerade der Gesang die recht natürliche Sprache sei: indessen merke ich wohl, daß Sie, mein teuerster Freund, manchen schönen Grund dafür, als ein leeres Phantasma, verwerfen würden. Ich lenke daher zu rechter Zeit ein und versichere, daß ich jenes Vorurteil gegen den Hrn. v. K. glücklich überwand. Ich dachte, es sei doch wohl möglich, daß dem Hrn. v. K. das Wesen der Musik hell aufgegangen sei und in seinem Innern die Begeisterung erzeugt habe, die ihn zum Dichten der Opern entzündet. Bei seiner besonderen Gewandtheit, das Dramatische zu fügen, bei der Leichtigkeit seiner Diktion, kurz, bei dem theatralischen Talent, das ihm oft ein gewisses Übergewicht gegeben, hoffte ich auf wahrhaft Gutes, und fing getrost an, die Prinzessin von Cacambo, eine komische Oper in zwei Akten, zu lesen. Aber je weiter ich las, desto mehr bemächtigte sich meiner eine so ganz besondere Stimmung, die ich Ihnen kaum deutlich beschreiben kann. Es war eine gewisse Abgespanntheit, ja, ich möchte sagen, eine gewisse innere Traurigkeit, die sich aus dem vielen Spaß, der in der Oper enthalten, erzeugte; vorzüglich war es mir aber merkwürdig, daß alle musikalische Ideen mich ordentlich flohen – statt ich sonst, bei dem Lesen manches Gedichts, das Sie, teuerster Freund, noch dazu herzlich schlecht fanden, von Musik überströmt wurde. Freilich merkte ich nun wieder bald, daß der Ekel, den ich, wie nach dem Genuß einer saft- und kraftlosen Speise, empfand, wohl nichts weniger, als dem Gedicht, sondern bloß dem Konflikt, in den es mit meiner Subjektivität geraten mußte, zuzuschreiben sei. Bei der Prinzessin Dudel, die so übermenschlich schön ist, daß jeder, der sie sieht, zwar nicht in phantastischen Wahnsinn, aber in gemeine Narrheit verfällt, mußte ich nämlich an meine herrliche Turandot denken: und da war es mir freilich, als hätte ein Affe sich mit dem Putz der Geliebten geschmückt. Jene wahrhafte Oper (die Prinzessin Turandot) habe ich, wie Sie vielleicht schon wissen, längst komponiert, wiewohl noch keine Note geschrieben ist, und die Verse auch noch nicht einmal zugeschnitten sind.

Auf diese Weise glaube ich nun meinen, ganz eignen Widerwillen gegen die erste im Almanach enthaltene Oper hinlänglich erklärt; und nachdem ich auf allerlei Weise mein Inneres, sozusagen, wieder rein ausgestimmt hatte, daß keine Dissonanz mehr sonderlich fühlbar, schritt ich zu der zweiten Oper, Pervonte oder die Wünsche. Aber kaum war ich … Doch was soll ich Sie, teuerster Freund, mit dem umständlichen Erzählen jedes Moments meiner, beim Lesen immer mehr und mehr zunehmenden Verstimmung ermüden? Kurz gesagt: ich hoffte immer und immer, es solle nun mit der nächsten Oper besser gehen, aber statt dessen stieg jene Abgespanntheit, jene psychische Trägheit, und, als treibe ein innen verschlossener, antimusikalischer Dämon seinen neckhaften Spuk, floh alle Musik von mir; ich kann behaupten, daß mein Innres niemals so musikleer war, als bei dem Lesen der Opern des Hrn. v. K. Die recht deutlich aufgefaßte Idee, daß der antimusikalische Dämon in der Tat aus den Dichtungen herausspuken müsse, überzeugte mich, daß, rücksichtlich jener Verstimmung, wohl meine Subjektivität nicht in Anschlag kommen könne, und ich glaube nun beinahe ganz genau sagen zu können, woran es liegen mag, daß die sogenannten Opern in dem Almanach nicht sowohl keine Opern sind, als vielmehr jedem Bedingnis der wahren Oper ordentlich widerstreben.

Vor einiger Zeit war in der musikalischen Zeitung unter der Aufschrift: Der Dichter und der Komponist, ein Gespräch zwischen zwei Freunden abgedruckt, worin der, dem die Rolle des Komponisten zugeteilt war, das Wesen der Oper so ins Licht stellte, wie es wohl von jedem wahrhaften Musiker erkannt worden ist. Ich bitte Sie, teuerster Freund, diesen Aufsatz zu lesen, aus dem ich, um hier ganz im Geleise bleiben zu können, als Resultat alles darin über jede Gattung der Oper Gesagten, anführe, daß nur aus wahrhaft poetischem Stoff sich die wahre Oper erzeugt, daß aber ferner, kann dieser sich auch auf verschiedene Weise formen und ins Leben treten, doch die Romantik das eigentlichste Gebiet der Oper ist. In der romantischen Oper kommt es nun freilich darauf an, die wunderbaren Erscheinungen des Geisterreichs so mit der Kraft der poetischen Wahrheit ins Leben zu führen, daß wir willig daran glauben, und sich, indem die Einwirkung höherer Naturen sichtbarlich geschieht, vor unsern Augen ein romantisches Sein erschließt, in dem auch die Sprache höher potenziert, oder vielmehr jenem fernen Reiche entnommen, d. h. Musik, Gesang ist, ja wo selbst Handlung und Situation, in mächtigen Klängen und Tönen schwebend, uns gewaltiger ergreift und hinreißt. Auf diese Art entspringt nun, wie es eben das unerläßliche Bedingnis der wahren Oper ist, die Musik unmittelbar und notwendig aus der Dichtung selbst. – Fasse ich nun diese, gewiß richtige Ansicht der romantischen Oper, sowie das, was späterhin über die komische Oper, insbesondere wo das Abenteuerliche, Phantastische in das gewöhnliche Leben schreitet, und aus dem Widerspruch sich der wahre Scherz erzeugt, gesagt wird, recht im Gemüte auf: so wird es mir ganz deutlich, was die Opern des Hrn. v. K. gleich von Grund aus verdirbt. Ich bemerke nämlich in dem ursprünglichen Stoff teils die gänzliche Abwesenheit aller Poesie, teils, wie z. B. im Pervonte, ein sichtliches, oder vielmehr fühlbares Bemühen, jede Anregung irgend einer poetischen Idee zu vernichten. Was kann z. B. aller Poesie mehr entgegenstreben, als die ganze Idee der ersten Oper, deren Stoff ich Ihnen, teuerster Freund, schon oben andeutete, und die noch dazu mit dem nüchternen Scherz schließt, daß der Prinz sogleich seine Vernunft wieder erhält, als er, auf den Rat des weisen Hurlibuk, mit der Prinzessin Dudel am Altar ehelich verbunden worden, wobei der Chor die sinnreichen Worte singt:

Triumph! der Wahnsinn ist verschwunden,
Die ruhige Liebe hat Platz gefunden!

Nochmals denke ich an die Turandot; unwillkürlich dringt sich mir der Vergleich beider Stücke auf, der den grellen Abstich der herrlichsten Poesie und der mattesten Prosa augenscheinlich zeigt. Denken Sie nur an den, im Wahnsinn der Liebe erglühten Kalaf – an die erschütternden Situationen, die sich daraus von selbst erzeugen usw. – Im Pervonte hat Hr. v. K., wunderlicherweise, in dem Helden des Stücks einen solchen widerlichen Bauerbengel (Pervonte, ein Bauerbengel, so steht es im Personenregister,) aufgestellt, daß der Reiz des Ganzen mit seinen Anklängen aus der Feenwelt dadurch vernichtet wird. Aus diesem Stoffe war wohl eine romantische Oper zu bilden, aber freilich nicht auf die Weise, wie es Hr. v. K. anfing. – Die Alpenhütte, eine Oper in einem Akt, ist in der sentimentalen Manier gehalten, und der Spaß wird nur von einem groben Eseltreiber hineingetragen. Das Geschäft der Lebensrettung ist hier förmlich in ein System gebracht, und wird vererbt, so wie auch gegen den armen Marchese, Villanova, der von Altieri, seinem Schwiegersohn, aus dem Schnee gezogen, ordentliches, sentimentales Belagerungsgeschütz aufgefahren wird. Nachdem er nämlich in die Hütte gebracht worden, wo sein Schwiegersohn, vormals Hauptmann, jetzt Menschenretter von Profession, mit der Tochter, die er aus dem Hause des Vaters entführte, wohnt, bestürmt ihn diese, um ihn zu versöhnen, erst mit einem Bilde, dann mit einem Trank, den sie nach sonst im väterlichen Hause üblicher Weise bereitet, dann mit einem Liede, und zuletzt mit einem Fußfall, den sie mit ihrem Mann gemeinschaftlich ausführt, wobei der junge Maler, Federico, der Altieris Tochter heiraten, und im Dienst als Menschenretter dem Schwiegervater folgen will, wünscht, vor der Staffeley zu sitzen, unerachtet ihm der Pinsel aus der Hand fallen würde. – In der komischen Oper, Hans Max Giesbrecht von der Humpenburg, oder die neue Ritterzeit, hat ein ehrlicher Landjunker der jetzigen Zeit die närrische Idee, wenigstens auf seinem Schlosse die alte Ritterzeit wiederherzustellen, weshalb er denn auch seine Tochter einem modernen Rittmeister durchaus nicht zur Frau geben will; dieser verkleidet sich aber in einen Ritter der alten deutschen Zeit, säuft ungemein, ist dabei entsetzlich grob, und vertreibt dem Alten die Narrheit dadurch, daß er ihn beim Lanzenstechen so in den Sand rennt, daß alle Rippen knacken, worauf er denn ohne weiteres dem Ritterwesen entsagt, und in die Verbindung seiner Tochter mit dem mannhaften Rittmeister willigt. – Dem Käfig, einer komischen Oper in einem Akt, liegt die sinnreiche Idee zum Grunde, daß der Hr. von Wehrwolf einen ungeheueren Käfig machen läßt, um den Liebhaber seiner Mündel, die er selbst heiraten will, hineinzusperren, von diesem aber selbst hineingelockt und eingesperrt wird, worauf er denn in die Ehe willigt.

Hier haben Sie, teuerster Freund, eine kurze Übersicht des verschiedenen Stoffes sämtlicher Opern, dessen Behandlung nun auch wohl nicht dazu geeignet ist, die innere Mattigkeit zu verbergen. Nur aus der Tiefe wahrhaft poetischer Ideen geht der wahre Scherz hervor; auf seichtem Grunde schwimmt nur der leere, possenhafte Spaß. In der Tat kommt in den Opern des Hrn. v. K. so überviel von diesem Spaße vor, daß ich ihm auch einen großen Teil des innern Widerwillens schuld gebe, der sich meiner beim Lesen immer mehr und mehr bemächtigte. Sie erlassen mir wohl, Proben von der Sorte des Spaßes zu geben, wie sie Hr. v. K. zu wählen beliebt hat; Sie lesen ja doch wohl das Büchelchen wenigstens flüchtig durch, und da finden Sie auf jeder Seite den Beweis, daß Hr. v. K., wie der Nestor im Prinzen Zerbino, wirklich von ganz besonderer Munterkeit gewesen ist. Aufmerksam will ich Sie nur machen auf die Szene des Mufti in der ersten Oper, auf den robusten Wahnsinn der Prinzessin Vastola, die um sich schlägt, Perücken von den Köpfen reißt usw., auf den Eseltreiber Birbante, auf die Szenen des als Ritter verkleideten Dornsee, auf den Magister, der zum Narren kreirt wird, und auf den Schluß des Käfigs. – Sonderbar nimmt es sich aus, daß im Pervonte die Fee von wernerschen Sonetten, eine Hofdame aber von Naturphilosophen spricht. – Was nun endlich die szenische Einrichtung betrifft, so ist es mir ganz klar, daß sämtliche sogenannte Opern eigentlich Lustspiele waren, die Hr. v. K. dadurch zu Opern umzuformen glaubte, daß er in die langen, plauderhaften Auftritte hier und da ein Gesangstück einschob. Die Oper wird ja doch nur eben durch die Musik zur Oper, und hieraus folgt wohl von selbst, daß die ganze, szenische Anlage und Einrichtung, die effektuierende Entwicklung des musikalischen Stoffs, aus dem die Oper sich erzeugt, beabsichtigen und befördern muß. Arien, Chöre, Duetten etc. ohne Rücksicht auf die ineinander greifende Folge des Ganzen, bloß nach der Art, wie sie sich nun eben aus dem Auftritte ergeben, durcheinanderwerfen, heißt geradezu, es dem Komponisten unmöglich machen, musikalisch zu wirken, sollte auch alles Einzelne, was er komponiert hat, vortrefflich sein. In dieser Hinsicht können nun Singspiele für den Komponisten nicht so leicht undankbarer und ungefügiger sein, als eben die des Hrn. v. K. Außerdem, daß die lange, geschwätzige Prosa, die allemal den Effekt der Gesangstücke tötet, sich überall, wie Blei, anhängt, und, sollte irgendwo doch der Musiker die Fittiche regen, den Aufflug hemmt, ist auch die innere Struktur der Gesangstücke, bei allem äußern Anschein von Leichtigkeit und Gefügigkeit, doch hölzern, und, mit wenigen Ausnahmen, wenigstens für den Komponisten, der nicht einzelne Worte, sondern Ganzes, in sich Zusammenhaltendes komponiert, unbrauchbar. Kurz, bester Freund, alles, Idee des Ganzen, Plan, mechanische Struktur – alles, alles zeigt ganz deutlich, daß Hr. v. K. auch nicht die entfernteste Ahnung von dem eigentlichen Wesen der wahrhaften Oper hat, und daher wohl besser täte, uns bedürftige Komponisten nicht so bitter zu täuschen, wie es mit mir geschehen. Ich dachte Wunder – und dann! – Niemals ist mir noch Ähnliches widerfahren, daß mir beim Lesen irgend für die Musik bestimmter Dichtungen so elend zu mute geworden, daß so alle Musik, wie von einem bösen Geiste verscheucht, von mir gewichen. Rechnen Sie es dieser üblen Wirkung des Almanachs zu, daß ich so ehrlich und gerade heraus meine Meinung gesagt. Mir, als Komponisten, stand wohl ein kompetentes Urteil über Lust- und Schauspiele zu, die als Opern sich ankündigten.

Hochachtungsvoll etc.

N. S. Ach mein teuerster Freund! Alles, was ich gegen die Opern des Hrn. v. K. eingewandt, nehme ich hiermit feierlichst zurück, weil ich die eigentliche, tiefere Tendenz des Ganzen schändlich übersehen habe! Meine Unart, die Vorreden entweder gar nicht, oder zuletzt zu lesen, ist schuld daran. Schon wollte ich den Almanach zum Absenden an Sie einpacken, als ich noch erst die Vorrede durchsah. – Da steht es nun, daß Hr. v. K. jährlich so viele Briefe von bekannten und unbekannten Tonkünstlern erhalte, die ihn ersuchten, Opern zum Behuf der Komposition zu liefern, daß es ihm unmöglich sei, alle ihre Wünsche zu erfüllen. Deshalb habe er nun gleich ein Bändchen Opern drucken lassen, damit ein jeder nach seinem Belieben wählen möge. – Wie sprang mir gleich, als ich diese Worte las, die eigentliche, tiefere Absicht des Almanachs ins Auge! Non omnia possumus omnes! Hr. v. K. fühlt recht gut, daß, so gewandt er sonst im Lustspiel- und Schauspielschreiben sein mag, es ihm doch rein unmöglich ist, eine Oper zu dichten: wie unangenehm müssen ihm daher die Aufforderungen jener Tonkünstler, die von dem falschen Prinzip, daß das Talent des Schauspieldichters auch die Oper umfasse, gewesen sein! Um nun endlich das ewige Quälen los zu werden, griff Hr. v. K. in seinen Vorrat von Lustspielen, suchte vier, und zwar die schlechtesten, damit das Opfer nicht zu teuer würde, aus, machte in der Geschwindigkeit kleine Gesangstückchen dazu, und schickte sie unter dem Titel Opern in die Welt. – »Seht, so dichte ich Opern!« – sagte er damit sämtlichen Komponisten durch die entschlossene Tat. Diese wissen nun recht eigentlich, woran sie sind, und Hr. v. K. wird wohl mit keinen Briefen bekannter und unbekannter Tonkünstler weiter belästigt werden. – Von dieser Ansicht ausgegangen, ist der Almanach nicht genug zu rühmen, und wenn Hr. v. K. ferner sagt, daß man die Forderungen an das Büchlein nicht so hoch spannen möge: so heißt das die Bescheidenheit zu weit treiben, da er seinen Zweck mit Feinheit und Energie verfolgt, kein Mittel, ihn zu erlangen, gescheut, und so, nach der einmal deutlich aufgestellten Tendenz, die aufs Höchste gespannten Forderungen vollkommen befriedigt hat.

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