Alexander Dumas
Die drei Musketiere
Alexander Dumas

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Eine Familienangelegenheit

Athos hatte den richtigen Ausdruck gefunden, man mußte aus dieser Angelegenheit von Buckingham eine Familienangelegenheit machen. Eine Familienangelegenheit unterlag nicht der Nachforschung des Kardinals; sie ging niemanden an; man konnte sich vor aller Welt mit einer Familienangelegenheit befassen. Das Frühstück bei Herrn von Tréville war mit der heitersten Freude gewürzt. D'Artagnan trug bereits seine Uniform; da er fast gleichen Wuchses mit Aramis war und da Aramis von dem Buchhändler für sein Gedicht, wie man sich erinnern wird, glänzend honoriert worden war, und alles doppelt besaß, so trat er d'Artagnan eine vollständige Equipierung ab. Nach dem Frühmahl war man übereingekommen, sich abends in Athos' Wohnung zu versammeln, und dort die Angelegenheit abzutun. D'Artagnan brachte den Tag damit zu, daß er seine Musketierkleidung im ganzen Lager zur Schau trug. Am Abend kamen die vier Freunde zur festgesetzten Stunde zusammen; es gab da noch zwei Dinge zu entscheiden: Was man dem Bruder der Mylady schreiben sollte! Was man jener geschickten Person in Tours berichten sollte! Athos meinte, es sei sehr schwierig einen unverfänglichen Brief über diese Dinge zu schreiben. »Ganz und gar nicht,« erwiderte d'Artagnan, dem daran gelegen war, die Sache durchzusetzen; »mir scheint sie ganz leicht. Bei Gott! es versteht sich von selbst, daß, wenn man an Lord Winter von schändlichen Dingen, von Niederträchtigkeiten . . .« »Leiser,« mahnte Athos. »Von Intrigen, Staatsgeheimnissen schreiben würde,« fuhr d'Artagnan, sich der Mahnung fügend, hinzu, »so versteht es sich von selbst, sage ich, daß man uns bei lebendigem Leibe rädern würde; aber bei Gott, vergesset nicht, daß wir ihm, wie Ihr selbst sagtet, in Familienangelegenheiten schreiben, daß wir uns bloß nur an ihn wenden, damit er Mylady bei ihrer Ankunft in London außer stande setzen würde, uns zu schaden. Ich will ihm einen Brief schreiben, etwa folgenden Inhalts.« »Nun sprecht,« sagte Aramis, und gab sich im voraus die Miene eines Kritikers. »Mein Herr und teurer Freund!« »Ach ja, teurer Freund – zu einem Engländer,« – fiel Athos ein, »das fängt gut an, d'Artagnan, schon wegen dieses einzigen Wortes würde man Euch nicht rädern, sondern vierteilen.« »Wohlan, so will ich ganz kurz sagen: Mein Herr!« »Ihr könnt ihn sogar Mylord nennen,« versetzte Athos, der viel auf Wohlstand hielt. »Mylord – erinnert Ihr Euch noch an das kleine Ziegengehege nahe dem Luxembourg?« »Gut, jetzt kommt die Reihe an den Luxembourg, man wird das für eine Anspielung auf die Königin-Mutter halten, das ist sinnreich,« sagte Athos. »Nun, so schreiben wir ganz einfach: Mylord, erinnert Ihr Euch an ein gewisses kleines Gehege, wo man Euch das Leben gerettet hat?« »Lieber d'Artagnan,« sagte Athos, »Ihr werdet immerhin ein schlechter Briefschreiber sein. Wo man Euch das Leben gerettet hat – pfui, das ist nicht würdevoll; einen anständigen Mann erinnert man nicht an solche Dienste; eine Wohltat vorrücken, heißt beleidigen.«

»Ach, mein Lieber,« antwortete d'Artagnan, »Ihr seid unerträglich, und wenn ich unter Eurer Zensur schreiben muß, so leiste ich darauf Verzicht.« »Daran tut Ihr wohl. Handhabt Büchse und Degen, lieber Freund, diese Übung versteht Ihr recht gut, aber überlaßt die Feder Herrn Aramis, das ist sein Geschäft.« »Ja, fürwahr,« sagte Porthos, »überlaßt die Feder Aramis, der Thesen in lateinischer Sprache komponiert.« »Nun wohlan,« erwiderte d'Artagnan, »so verfaßt Ihr diesen Brief, Aramis; aber beim Himmel, ich sage es Euch, gebt wohl acht, denn ich will Euch gleichfalls durchgeißeln.« »Das ist mir ganz recht,« entgegnete Aramis mit dem naiven Selbstvertrauen, das jeder Dichter hegt; »man sage mir nur die betreffenden Umstände. Ich hörte wohl so nebenher, diese Schwägerin sei eine schändliche Person, und habe sogar selbst den Beweis erhalten, als ich ihre Unterredung mit dem Kardinal belauschte . . .« »Leiser – Donnerwetter!« rief Athos. »Ich weiß jedoch die Einzelheiten nicht,« fuhr Aramis fort. »Ich gleichfalls nicht,« sprach Porthos. D'Artagnan und Athos blickten sich ein Weilchen stillschweigend an. Als sich endlich Athos, der noch blasser als gewöhnlich wurde, ein bißchen gefaßt hatte, gab er ein Zeichen der Einwilligung. D'Artagnan erkannte, daß er reden dürfe, und sagte: »So hört denn, was zu schreiben ist: Mylord! Eure Schwägerin ist eine Ruchlose, die Euch umbringen lassen wollte, um Euch zu beerben; allein sie durfte Euern Bruder nicht heiraten, da sie schon in Frankreich verehelicht war . . .« D'Artagnan hielt an, als suchte er den Ausdruck, und blickte wieder auf Athos. »Und von ihrem Gemahl fortgejagt wurde,« – ergänzte Athos. »Weil sie gebrandmarkt war,« fuhr d'Artagnan fort. »Bah, unmöglich,« rief Porthos, »sie wollte ihren Schwager umbringen lassen?« »Ja.« »Sie war verheiratet?« fragte Aramis. »Ja.« »Und ihr Gemahl bemerkte, daß sie eine Lilie auf ihrer Schulter hatte?« fragte Porthos. »Ja.« Athos hatte dieses dreimalige »Ja« mit stets dumpferer Betonung ausgesprochen. »Wer hat denn die Lilie gesehen?« fragte Aramis. »D'Artagnan und ich, oder vielmehr in chronologischer Ordnung: ich und d'Artagnan,« erwiderte Athos. »Und der Gemahl dieses schändlichen Geschöpfes lebt noch?« sagte Aramis. »Er lebt noch.« »Wißt Ihr das gewiß?« »Ich weiß es gewiß.«

Es trat ein kurzes Stillschweigen ein, währenddessen jeder seine eigentümlichen Eindrücke im Gemüt hatte. Athos brach das Stillschweigen zuerst und sagte: »Diesmal gab uns d'Artagnan ein vortreffliches Programm, das man vor allem schreiben muß.« »Teufel! Ihr habt recht, Athos,« rief Aramis; »der Entwurf ist schwierig. Der Herr Kanzler selbst käme in Verlegenheit, sollte er einen so wichtigen Brief abfassen, obwohl er ein Protokoll sehr gut aufnimmt. Aber gleichviel, seid still, ich schreibe.« Aramis ergriff eine Feder, sann einen Augenblick nach, schrieb mit zierlicher Frauenhandschrift acht bis zehn Zeilen, und las dann mit weicher Stimme, als hätte er ängstlich jedes Wort erwogen: »Mylord! Die Person, die Euch diese Zeilen schreibt, hatte einmal die Ehre, in dem kleinen Gehege der Gasse d'Enfer den Degen mit Euch zu kreuzen. Da Ihr seither wiederholt so gütig gewesen, Euch den Freund dieser Person zu nennen, so glaubt sie, Euch für diese Freundschaft mit einem guten Rate danken zu müssen. Ihr waret nahe daran, wiederholt das Opfer einer nahen Verwandten zu werden, die Ihr für Eure Erbin haltet, weil Ihr nicht wisset, daß sie schon in Frankreich verheiratet war, ehe sie in England eine Ehe schloß; doch könntet Ihr jetzt das drittemal der bedrohlichen Gefahr unterliegen. Eure Verwandte ist von La Rochelle nach England abgesegelt. Überwacht ihre Ankunft, denn sie führt Großes, Schreckliches im Sinne. Wollet Ihr durchaus wissen, was sie zu tun fähig ist, so leset ihre Vergangenheit auf ihrer linken Schulter.« – »Nun, das ist vortrefflich,« sprach Athos; »lieber Aramis, Ihr führet die Feder eines Ratssekretärs. Lord Winter wird sich wohl in acht nehmen, wenn anders der Rat zu ihm gelangt, und fiele er in die Hand Seiner Eminenz, so brächte uns das keine Gefahr. Da aber der Bediente, der die Bestellung hat, uns glauben machen könnte, er sei in London gewesen, während er nur in Châtellerault verweilte, so wollen wir ihm nur die Hälfte der Summe geben, und die andere Hälfte für die Antwort zusagen. Habt Ihr den Diamant?« fuhr Athos fort.

»Ich habe etwas Besseres,« antwortete d'Artagnan, »ich habe den Betrag dafür.« Er warf den Geldsack auf den Tisch. Beim Klange des Goldes erhob Aramis die Augen, Porthos zitterte, Athos blieb regungslos. »Wieviel enthält dieser Sack?« »Siebentausend Livres in Louisdor zu zwölf Franks. »Siebentausend Livres!« rief Athos, »dieser kleine elende Diamant kostet siebentausend Livres.« »Doch scheint es, Porthos, weil sie hier liegen; denn ich glaube nicht, daß unser Freund d'Artagnan etwas von den Seinigen beifügte.« »Doch, meine Herren, wir denken ja bei alledem gar nicht an die Königin; sorgen wir doch ein bißchen für die Gesundheit Ihres lieben Buckingham, wir sind ihm das wenigstens schuldig.« »Allerdings,« versetzte Athos, »aber das geht Aramis an.« »Nun.« sprach dieser, »was habe ich da zu tun?« »Das ist ganz einfach,« entgegnete Athos, »Ihr schreibt an die geschickte Person in Tours einen zweiten Brief.« Aramis ergriff abermals die Feder, sann ein bißchen nach, und schrieb dann die folgenden Zeilen, die er dem Urteil seiner Freunde unterzog. »Meine liebe Base . . .« »He,« rief Athos, »ist diese geschickte Person mit Euch verwandt?« »Eine Cousine,« antwortete Aramis. »Also Base.« Aramis fuhr fort. »Meine liebe Base! Seine Eminenz der Kardinal, den Gott zu Frankreichs Wohlfahrt und zum Verderben der Feinde des Landes erhalten wolle, steht im Begriff, den ketzerischen Aufrührern von La Rochelle den Garaus zu machen; wahrscheinlicherweise kann die Hilfe der englischen Flotte nicht in die Nähe des Platzes gelangen; fast möchte ich sagen, ich weiß gewiß, daß Herr von Buckingham durch ein großes Ereignis abgehalten wird, abzureisen. Seine Eminenz ist der großartigste Politiker der Vergangenheit, der Gegenwart und vermutlich auch der Zukunft. Er würde die Sonne auslöschen, wenn sie ihm lästig fiele. Liebe Base! Setzet davon Eure Schwester in Kenntnis. Ich träumte, dieser verdammte Engländer sei gestorben, doch weiß ich nicht mehr, ob durch Eisen oder Gift; nur soviel weiß ich gewiß, er starb und Ihr wisset, meine Träume lügen nie. Seid nun versichert, daß Ihr mich bald werdet zurückkehren sehen.« »Das ist herrlich,« rief Athos, »lieber Aramis, Ihr seid der König der Dichter. Nun hat man nur noch die Adresse auf den Brief zu setzen.« »Das ist sehr leicht,« sagte Aramis. Er faltete niedlich den Brief und schrieb dann: »An Mademoiselle Michon, Näherin in Tours.« Die drei Freunde blickten sich lachend an. Sie waren betört. »Jetzt seht Ihr wohl ein, meine Freunde,« sprach Aramis, »daß nur Bazin diesen Brief nach Tours bestellen kann. Meine Base kennt bloß Bazin und setzt nur in ihn Vertrauen. Bei jedem andern würde die Sache scheitern. Außerdem ist Bazin ehrsüchtig und gelehrt; er hat die Geschichte gelesen, meine Herren, er weiß, daß Sixtus V. Papst geworden, nachdem er vormals die Schweine gehütet hatte, und hofft selbst einmal etwas Tüchtiges zu werden. Begreift Ihr wohl? Ein Mensch mit solchen Hoffnungen läßt sich nicht fangen, und wenn er auch ergriffen wird, so erduldet er lieber den Märtyrertod, als er sprechen würde.« »Ganz wohl,« versetzte d'Artagnan, »ich will gern Bazin gelten lassen, wenn Ihr mir Planchet gelten lasset. Mylady trieb ihn einmal mit dem Stock aus dem Haus. Aber Planchet hat ein gutes Gedächtnis, und kann er auf irgend eine Rache bauen, so ließe er sich lieber lebendig rädern, als daß er Verzicht darauf leisten wollte. Sind die Angelegenheiten von Tours die Eurigen, Aramis, so sind jene von London die meinigen. Ich bitte somit, Planchet zu wählen, der ohnedies schon einmal mit in London war, und ganz verständlich spricht: London, Sir, if you please, und my master, Lord d'Artagnan. Seid unbekümmert, damit findet er seinen Weg dahin und wieder zurück.« »Für diesen Fall«, sagte Athos, »muß Planchet siebenhundert Livres für die Hinreise und siebenhundert für die Rückreise erhalten, sowie Bazin dreihundert für die Hinreise und wieder dreihundert für die Rückreise. Damit sinkt nun die Summe auf fünftausend Livres herab. Wir nehmen jeder tausend Livres, um sie nach Belieben zu verwenden, und bewahren uns noch einen Fonds von tausend Livres, den Aramis für ungewöhnliche Fälle oder gemeinschaftliche Bedürfnisse in Händen behält. Ist Euch das recht?«

Man berief Planchet und gab ihm die nötigen Weisungen. Er wurde von d'Artagnan unterrichtet, der mit ihm ernstlich von Reisen, dann von dem Geld und zuletzt von der Gefahr sprach. »Ich will den Brief in meinem Rocklatze tragen,« sagte Planchet, »und ihn verschlingen, wenn man ihn mir zu entreißen versucht.« »Dann kannst du aber deinen Auftrag nicht vollziehen,« versetzte d'Artagnan. »Geben Sie mir diesen Abend eine Abschrift, daß ich sie auswendig lerne.« D'Artagnan blickte auf seine Freunde, als wollte er sie fragen: »Nun, was habe ich Euch versprochen?« »Du hast acht Tage,« fuhr er fort, zu Planchet gewendet, »um zu Lord Winter zu gelangen, und wieder acht Tage, um hierher zurückzukehren, also im ganzen sechzehn Tage. Bist du am sechzehnten Tage nach deiner Abreise bis Abends nicht zurückgekehrt, so bekommst du kein Geld und wäre es acht Uhr fünf Minuten.« »Nun, gnädiger Herr,« versetzte Planchet, »so kaufen Sie mir eine Uhr.« In dem Moment, als Planchet am folgenden Morgen zu Pferde steigen wollte, berief ihn d'Artagnan, der für den Herzog von Buckingham eine gewisse Vorliebe empfand. »Höre mich, sobald du Lord Winter den Brief eingehändigt hast, und er ihn gelesen hat, so sage ihm ferner: ›Behüten Sie Seine Herrlichkeit den Lord Buckingham, denn man will ihn umbringen.‹ – Doch sieh, Planchet, das ist so ernst und so wichtig, daß ich es nicht einmal meinen Freunden anvertrauen wollte, ja nicht einmal für eine Kapitänsstelle zu Papier bringen möchte.« »Seien Sie ruhig, mein Herr,« entgegnete Planchet, »Sie sollen sehen, ob man auf mich bauen kann.« Er bestieg sein vortreffliches Pferd, das er zwanzig Meilen von da aufgeben mußte, um die Post zu nehmen, und sprengte hinweg, das Herz ein wenig beklommen durch das für ihn traurige Versprechen, das die Musketiere getan hatten, im Grunde aber doch heiter gestimmt.

Bazin ging erst am folgenden Morgen nach Tours ab und hatte acht Tage Zeit zur Besorgung seines Auftrags. Am Morgen des achten Tages trat Bazin aufgeräumt und lächelnd, wie gewöhnlich, in das Wirtshaus »Zum Parpaillot« ein, wo eben die vier Freunde beim Frühmal saßen, und sagte laut der Verabredung: »Herr Aramis, hier ist die Antwort Ihrer Base.« Die vier Freunde wechselten einen frohen Blick, die Hälfte des Geschäftes war abgetan, doch war es das kürzeste und leichteste. Aramis errötete unwillkürlich, als er den Brief nahm, der von plumper Handschrift und ohne Orthographie war. »Guter Gott!« rief er lachend, »ich muß wahrscheinlich noch verzweifeln, die arme Michon wird doch nie schreiben lernen, wie Herr von Voiture.« Inzwischen verging der Tag und der Abend kam noch langsamer, er kam aber doch endlich heran; die Trinkstuben füllten sich mit Zechern. Athos, der seinen Anteil an dem Diamant in die Tasche gesteckt hatte, kam vom »Parpaillot« nicht mehr weg. Übrigens fand er an Herrn von Busigny, der ihnen ein köstliches Mittagmahl bestellt hatte, einen würdigen Zechbruder. Sie spielten gewöhnlich mitsammen, bis es sieben Uhr schlug; man hörte die Patrouillen vorüberziehen, welche die Posten verdoppelten. Um halb acht Uhr schlug man zum Rückzug. »Wir sind verloren,« flüsterte d'Artagnan in Athos' Ohren. »Ihr wollet sagen, wir haben verloren,« entgegnete Athos gelassen, und warf zehn Louisdor auf den Tisch, die er aus seiner Tasche genommen hatte. »Auf, meine Herren,« rief er, »man trommelt den Rückzug, gehen wir zu Bett.« Athos ging vom »Parpaillot« hinweg und d'Artagnan folgte ihm, Aramis reichte Porthos den Arm und schritt hinter ihnen her. Aramis murmelte Verse, und Porthos zupfte sich von Zeit zu Zeit aus Verzweiflung einige Haare aus dem Schnurrbart. Auf einmal aber zeigte sich in der Dunkelheit ein Schatten, dessen Umrisse d'Artagnan bekannt waren, und eine Stimme rief: »Gnädiger Herr, ich bringe Ihnen Ihren Mantel, denn der heutige Abend ist kühl.« »Planchet!« schrie d'Artagnan, vor Freude berauscht. »Planchet!« riefen Porthos und Aramis. »Nun ja, Planchet,« sagte Athos, »was gibt es da zu verwundern? Er hat ja versprochen, um acht Uhr zurückzukommen, und eben schlägt es acht Uhr! Bravo, Planchet! Du bist ein Bursche, der Wort hält, und trittst du je aus deinem Dienste, so will ich dich aufnehmen.« »O, nein, niemals,« entgegnete Planchet, »ich werde Herrn d'Artagnan nie verlassen.«

In diesem Moment fühlte d'Artagnan, daß ihm Planchet ein Briefchen in die Hand schob. D'Artagnan empfand große Lust, Planchet zu umarmen; allein er fürchtete, dieser Beweis seiner Liebe gegen seinen Lakai auf offener Straße möchte einen Vorübergehenden befremden, und er hielt an sich. »Ich habe das Briefchen,« sprach er zu Athos und den andern Freunden. »Das ist gut,« versetzte Athos, »kehren wir heim, um es zu lesen.« Das Briefchen glühte in d'Artagnans Hand. Er wollte seine Schritte verdoppeln, doch Athos faßte ihn bei der Hand, und so mußte der junge Mann gleichen Schritt mit seinem Freunde gehen. Endlich gelangte man in das Zelt, und zündete eine Lampe an. Während Planchet bei der Tür stehenblieb, damit die vier Freunde nicht überrascht würden, erbrach d'Artagnan mit bebender Hand das Siegel und eröffnete den heißersehnten Brief: Er enthielt eine halbe Zeile in echt britischer Schrift, und mit lakonischer Kürze. Thank you; be easy; das heißt: »Ich danke Euch; seid ruhig.« Athos nahm den Brief aus d'Artagnans Händen, hielt ihn zur Lampe hin, brannte ihn an, und ließ ihn nicht aus den Augen, bis er in Asche verwandelt war. Dann rief er Planchet und sprach: »Jetzt, mein Lieber, kannst du siebenhundert Livres erlangen; doch wagtest du nicht viel mit einem Briefchen, wie das hier war.« »Ich habe nichtsdestoweniger alle möglichen Mittel ersonnen, um es zu bewahren,« versetzte Planchet. »Erzähle uns nun,« sagte d'Artagnan. »O, das dauert lang, mein Herr!« »Du hast recht, Planchet, außerdem hat man den Rückzug geschlagen, und man würde uns bemerken, wollten wir länger als die andern Licht brennen.« »Wohlan,« sprach d'Artagnan, »wir begeben uns zur Ruhe. Planchet, schlaf wohl.«


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