Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking
Briefe von Annette von Droste-Hülshoff und Levin Schücking
Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking

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Rüschhaus den 5ten März 1845.

Sie denken wohl nicht, mein guter Levin, daß Ihr Brief erst gestern in meine Hände gekommen ist. Der Dräxler Manfred hat ihn erst am 24sten vorigen Monats abgeschickt, und hier hat er auch einige Tage brach gelegen, weil ich Gesundheits- oder vielmehr Krankheitshalber bis gestern in Hülshoff war. Ich habe eine lange recht schwere Zeit verlebt, krank, sehr betrübt und gänzlich unfähig zum Schreiben, was mir auf der Stelle Erbrechen zu Wege brachte. Wie oft habe ich an Euch Lieben gedacht und mich abgesorgt um Louise und das Kindchen, von denen mir auch Niemand etwas sagen konnte. Ihr Brief an Hutterus gab mir die erste und einzige indirecte Beruhigung, da doch wohl Alles gut stehn mußte, wenn Sie an die Herausgabe Ihrer Gedichte denken konnten. Gott segne Mutter und Kind und lasse was Gutes wachsen aus dem kleinen dicken Fresser! Levin, schreiben Sie mir doch, wie der Junge jetzt aussieht. Ich muß den Schlingel sehen, wenn ich nach Meersburg komme, auf die eine oder andre Weise, – Sie zu uns oder ich zu Ihnen. Mein Pathenjunge! Sobald ich soweit zu Verstande komme, will ich ein schönes großes Gedicht auf den Jungen machen, der wird mal besungen werden! Papa, Mama und Pathin gegen einander an. Ich will ihm auch ein Pathenstück schenken, etwa einen hübschen silbernen Becher oder dergleichen; aber dazu muß er erst etwas größer sein, daß er wenigstens die Hände ausstrecken und darnach zappeln kann, sonst macht es mir nur halbes Vergnügen. Ich wollte, der Junge gliche mir ein klein wenig mit; aber da wird wohl nichts aus werden, er möchte denn auf seine Großmutter kommen. Schreiben Sie mir nur fleißig von ihm, es wird mir nie zuviel.

Hier ist Alles wohl, nur ich habe viel Trübsal gehabt: schon vom Dampfboot einen Husten mitgebracht, meine liebe alte Amme sehr kümmerlich gefunden; nach einigen Wochen brach die Brustwassersucht völlig bei ihr aus, und seitdem habe ich ein Leben gehabt, wie ich es keinem Türken gönnen möchte, – Tag und Nacht das Jammern gehört, und das Elend vor Augen. Mama wollte mich umquartieren, aber die Köchin, die neben der Alten schlief, hatte einen gar zu festen Schlaf und konnte es auch der Alten nicht recht machen; so setzte ich es durch, unten zu bleiben. Es ist überstanden, aber es war eine harte Zeit, vom Ende Octobers bis zum 23sten Februar, wo wir meine gute Alte begraben haben. Mama brachte mich gleich nach Hülshoff, denn ich war die ganze Zeit über krank gewesen und die letzten Wochen bettlägerig – schreiben konnte ich schon seit dem November nicht mehr –; dort habe ich mich in acht Tagen unglaublich erholt und bin kaum noch krank zu nennen, nur sehr schwach, – ein sichrer Beweis, daß Alles rein nervös war.

Von Meersburg haben wir ganz gute Nachrichten; der alte Laßberg hält sich wie ein Held gegen den kalten Winter und hustet nicht mal so viel wie sonst. – Hier ist die alte Frau v. Aachen gestorben, steinalt, ich glaube in den Neunzigern. Die Anzeige in der Zeitung sprach viel von dem großen Kummer der Ihrigen und der allgemeinen Verehrung, die sie mit ins Grab genommen; das Papier ist geduldig! – Der arme Junkmann ist wirklich rein um sein Thereschen; es ist nichts mehr zu hoffen, denn sie liebt ihn nicht mehr. Seine jahrelang unausgesetzte Verstimmung, Bitterkeit und wirklich nicht zu ertragende Susceptibilität – wenigstens in Beziehung auf sie – haben endlich ihre Liebe todt gemacht oder ihr wenigstens die Überzeugung gegeben, daß sie eine höchst unglückliche Frau mit ihm sein würde. Ich habe es ihm lange vorausgesagt; hätte er sich ruhig verhalten, er hätte sie so sicher gekriegt, wie zweimal zwei vier sind. Anfangs hat er sehr über Unrecht geschrien: »Schlüter habe ihn mißbraucht, seine theure Zeit an sich gerissen zu Übungen in Sprachen &c.« (Wieder verschiedene Lesarten: Schlüter glaubt gleichfalls seine Zeit geopfert und Junkmann quasi unentgeltlich Privatstunden gegeben zu haben.) Jetzt ist Junkmann in Bonn, wo er für ein Jahr ein königliches Stipendium genießt und dann promoviren will. Er soll ganz heitre Briefe schreiben; ich habe noch keinen von ihm, weil ich seinen letzten desperaten – gleich nach der Entscheidung – schon nicht mehr beantworten konnte; jetzt aber will ich ihm schreiben, denn ich merke, es geht wieder, mir ist noch gar nicht übel. Junkmann bleibt immerhin mit seiner Treue, Reinheit, Gewissenszartheit und tiefen Religiösität ein nicht genug zu schätzender Charakter, und wer weiß, vielleicht wird er jetzt noch hintennach fröhlich und gesund, da seine ärgste Selbstqual keine Nahrung mehr findet. Gott gebe es! – Daß Schnittger verheurathet ist, werden Sie wissen. Eine wissenschaftlich gebildete, vermögende Frau, so originell wie er selber; 's ist eine langjährige Liebe oder doch Verbindung gewesen; sie haben sich schon einige Brautjahre durch gezankt und zanken sich jetzt in die Ehe hinein. »Ach Gott, hätte ich Dich so gekannt, ich hätte Dich mein Lebtage nicht genommen!« ( NB. hautement, vor allen Leuten). Eine Hauptgeschichte, die sie sehr ernsthaft und kläglich vorträgt: »wie sie, eine halbe Stunde vor der Copulation, Schnittgern habe ganz fürchterlich auf dem Gange schreien und toben hören, und ihn gefunden im Schlafrock, beide Hände in den Haaren, weil ihm die Bräutigamshosen gestohlen worden, und wie er da so widerspänstig gewesen und sich nirgends nach einem Surrogate habe umhören wollen &c.« Dennoch gilt die Ehe nicht für unglücklich; Beide sollen sich keine zwei Stunden entbehren können, und ihre besten Freunde sind nicht bekümmert, sondern wollen sich todt lachen. – Bei Schlüters ist Alles beim Alten, – immer gleich wohlwollend, mildthätig und ehrenwerth, nur hat die Lombard – die alle französischen Theologen nach einander übersetzt – den steif gelehrt frommen Ton dort sehr gesteigert, – wenigstens giebt sie ihn an und hält ihn fest, wenn sie dort ist, d. h. täglich; und zudem leidet die frühere Harmlosigkeit des guten Schlüterchens jetzt sehr unter Autor-Ärger und Sorgen, denn er ist überaus ehrgeizig, und von seinen vielen gelehrten oder frommen Brochuren, bald Übersetzungen, bald propre crû, hat noch keine besonders Glück gemacht. NB. Die endlosen Sonette »Welt und Glaube« sind auch von ihm; er läugnets zwar, aber ich und viele Andre wissen es aus ganz sichrer Quelle, nämlich von Demjenigen, dem er sie dictirt hat; nur einige wenige darunter sollen von der Lombard sein. Man hat mir gesagt, Sie seien um eine Recension angegangen worden, aber vergebens; Sie haben sich doch nicht allzuhart ausgedrückt? Obwohl die Sonette zum Sterben langweilig sind. Dennoch habe ich ihnen, ihrer Tendenz und theilweisen Derbheit halber, bei einer gewissen Klasse einigen Erfolg prophezeit, und es trifft auch schon ein. Die »wohlfeile katholische Bibliothek«, ein Ihnen wahrscheinlich unbekanntes, aber viel gelesenes, endloses Werk, das im Ganzen nicht ohne Geschmack wählt, hat in ihrem letzterschienenen Bändchen drei der Sonette abgedruckt und bedauert »Raumes halber nicht Mehreres aufnehmen zu können, aus einem so schätzbaren Buche voll der tiefsten, nicht genug zu beherzigenden Wahrheiten &c.«; das freut mich doch! – Wollen Sie auch von der Bornstedt hören? Es ist doch immer eine alte Bekannte. Sie ist nicht mehr in Magdeburg, – mitsammt der Tante fortgezogen, ich meine nach Leipzig oder Dresden, – und schreibt der Madame Glaß: »Alle möchten doch fleißig für sie beten; sie sei in größter Gefahr, wieder protestantisch zu werden, da ein höchst liebenswürdiger, steinreicher Vetter sich um ihre Liebe bewerbe und offenbar nur durch ihre Religion genirt werde.« Schlüters waren sehr bekümmert über diese große Versuchung, aber die Lombard sagte ganz trocken: »Lassen Sie sich nicht bange machen, der Vetter denkt nicht daran!« und Doctor Gräver: »So gewiß nicht, wie ich eine Nase vorm Kopfe habe; aber es kann ihr doch gehn, wie dem Hunde mit dem Stück Fleisch: sie wird protestantisch, und der Vetter empfiehlt sich«; und so kann es auch leicht kommen, wenn er ihr nicht etwa noch zur rechten Zeit von seiner Braut erzählt. Meinetwegen! – Die Tabouillot ist jetzt in besserer Lage; ihre Eltern sind nach Münster gezogen, sie wohnt bei ihnen und genießt überhaupt viele persönliche Theilnahme. Aber von ihrer Prosa habe ich neulich die erste Probe gelesen, eine Erzählung im Unterhaltungsblatt des Merkurs; – o weh, o weh! Sie hat mich so oft um Beiträge zu ihrem westphälischen Jahrbuche angehn lassen, daß ich endlich ein paar Gedichte versprochen habe; Gott weiß, wie ich sie noch aus dem Ärmel schütteln werde, denn zu Kopfanstrengungen bin ich noch viel zu schwach, und doch drängt die Zeit. – NB. Der Dräxler-Manfred mag das Gedicht nur gern behalten; aber es wäre mir hart, wenn ich seinen allerdings sehr höflichen Brief beantworten müßte, jetzt, wo mich das Schreiben noch so angreift. Lieber Levin, Sie schreiben gewiß oft nach Darmstadt, könnten Sie das nicht für mich ausrichten? Und auch, daß ich – worum Dräxler-Manfred mich ersucht hat – zu den künftigen Jahrgängen beitragen wolle. Bitte, thun Sie es, lieb Kind, es würde mir so sauer werden. – Aber wer ist denn der Doctor Boas, der mir vor etwa vierzehn Tagen einen langen Brief, datirt »Landsberg an der Warthe«, schreibt, des Inhalts: »daß er im Verein mit dänischen, schwedischen und niederländischen Dichtern ein Werk – vielleicht ein Jahrbuch? – betitelt »Die Stammverwandten«, herausgeben wolle, wozu Sie, lieber Levin, ihm eben jene Gedichte, von denen jetzt Dräxler-Manfred eins bekömmt, zugesagt hätten &c.«? Wahr muß es wohl sein, obwohl Sie seiner mit keiner Silbe erwähnen; wie wüßte er sonst von den Gedichten in Ihren Händen? Lieb Kind, Sie wissen in dieser Hinsicht am Besten, was mir gut und nütze ist; wenn es Ihnen recht ist, ists mir auch recht. Nur Eins möchte ich gern: der Boas spricht selbst nur von einem Plane, – somit, da die Teilnehmer so zerstreut wohnen und Boas gewiß nicht mit Allen in näherer Verbindung steht, eine weitaussehende Geschichte, die sich vielleicht erst nach Jahren realisirt. Bis dahin wäre es doch immer möglich, daß die erste Auflage meiner Gedichte vergriffen wäre, wo ich dann gern geringere ausmerzen und durch bessere aus den späteren ersetzen möchte; und dann würde ich diese, wenigstens einige derselben, z. B. »Halt fest« und »Der Nachtwandler«, ungern vermissen, wenn der Boas vielleicht noch immer über seinem Plane brütete und vielleicht sein und mein Leben lang am Brüten bliebe. Dem möchte ich nun gern vorbeugen; läßt sich nichts darüber festsetzen? Hierbei fällt mir Hüffer ein; hören Sie, wie es mir mit dem gegangen ist. Er antwortete sehr höflich, daß er keineswegs den Ladenpreis verlange, sondern sich als meinen Commissionair ansehe und neben Druck- und sonstigen Kosten nur gewisse Procente – ich weiß nicht mehr wie viel – nehmen werde. Die Bücher kamen an, – es waren statt 300 nur 172, – dabei die Rechnung, und diese machte, trotz der minutiösesten Berechnung, nur 63 Thaler; im Laden kostete das Buch 25 Silbergroschen. Die Auflage war 500* Exemplare stark. Hüffer hat also 328 Exemplare verkauft und dafür 272 Thaler eingenommen; so war er doch längst wieder zu seiner Auslage oder vielmehr hatte schon entschiedenen Profit gehabt, was mir sehr tröstlich ist. Denn die 63 Thaler waren bei Weitem nicht die Druckkosten für die 172 Exemplare; das krümelte sich so zusammen, seine Abzüge für den sämmtlichen Verkauf, Porto – die ganze Pastete lag in Leipzig – &c. Werner hat ihn auf der Stelle bezahlt, und nun, bitte, wenn Sie mich lieb haben, reden Sie gegen Niemanden darüber; die Sache ist und bleibt mir schimpflich, und hier in Münster weiß, glaube ich, Niemand darum.

* Eben fällt mir ein, daß ich dem Hüffer eine Auflage von 500 Exemplaren erlaubt habe, jedoch nicht sicher weiß, ob er sie gedruckt hat, meine dies aber doch gewiß. In der Berechnung hat es wohl gestanden, die habe ich aber nicht zur Hand.

Nun sagen Sie mir doch auch, wie es dem Cotta mit dem Verkaufe meiner Gedichte geht. Hier in Münster werden sie, gegen meine Erwartung, sehr stark gelesen; ob gekauft, ist eine andere Frage, und ich weiß darüber nichts zu sagen. Es ist leider münsterische Manier, sogar bei den reichsten Leuten, sich auf das Leihen zu verlassen und, selbst wenn sie sehr begierig auf ein Buch sind, ganz naiv zu sagen: »Ich habe mich schon Jahre lang um das Buch bemüht und kann es noch immer nicht bekommen«, während es in allen Läden am Fenster steht. Auch jetzt haben mir ein paar sehr vornehme und reiche Damen geklagt, daß ihre Exemplare von all dem Ausleihen schon ganz zerlumpt wären, und meinten mir noch ein Compliment damit zu machen, während mir doch Cotta's wegen ein Stich durchs Herz ging. Doch höre ich auch ab und zu, daß Jemand sie gekauft oder geschenkt bekommen hat. – NB. Ich erhielt vor etwa sechs Wochen einen zuerst an die Cottaische Buchhandlung gekommenen und dann von Ihnen richtig adressirten Brief aus Paris; der hat Sie gewiß neugierig gemacht. Er war von einem gewissen Theodor Klein, einem poetischen Dilettanten, wie mir scheint, – denn er spricht von seinen »Geschäften entübrigten Stunden der Muße, in denen er sich mit Poesie beschäftigt«, – dem »im Gewühle der Weltstadt, wo er seit Jahren zu leben gezwungen ist«, meine Gedichte zu Händen gekommen sind und ihn zu einliegenden Strophen begeistert haben, in denen er mir den unverwelklichen Lorbeer aufs Haupt setzt. Das Gedicht war mittelmäßig, d. h. so, wie man es vor fünfzehn Jahren würde allerliebst gefunden haben, der Brief etwas schwülstig, aber doch rührend durch sein offenbar vom Herzen kommendes Gefühl und eine große Nüchternheit. Er hatte seine Adresse fast unleserlich klein und verstohlen beigefügt; ein paar freundlich anerkennende Zeilen würden ihn gewiß ungeheuer gefreut haben, und da es mir nach einigen Ausdrücken schien, er müsse ein Westphal sein, war es mir fast leid, daß ich ihm diesen unschuldigen Spaß doch nicht machen konnte. Hätte ich nur irgend etwas über ihn gewußt, so hätte ich es vielleicht gethan.

Hier im Merkur erschien mit einem Male auch eine Recension meiner Gedichte, so ungemein partheiisch, daß ich mich schämte und meinte, nur Schlüterchen könne so blind sein; sie war aber von einem Schlesier, einem gewissen Kynast, der seit vier Wochen als Assessor nach Münster gekommen und gleich für mich ins Geschirr gegangen war. Ich habe ihn nachher einmal gesehn und gesprochen, – einen seltsamen, heftigen Menschen, der vor Aufgeregtheit zitterte wie Espenlaub. Sie schrieben mir früher, Kühne werde noch eine Recension in die Allgemeine rücken; hat er es ausgeschlagen, oder ist sie so unvorteilhaft, daß Cotta sie nicht hat einrücken wollen? Wenn das Letztere ist, so sagen Sie es mir doch; ich sehe gern klar und kann es ganz wohl tragen. Ich fürchte mich jetzt – in litterarischer Hinsicht – vor nichts als vor unrichtigen und thörichten Ansichten in Betreff meiner Erfolge; das hat mir zuviel Beschämung bei Hüffer eingetragen.

Lieber Levin, hier in Rüschhaus kömmt es mir jetzt ganz öde vor; ich kann mich noch nicht daran gewöhnen, daß meine Alte fort ist. Ich wohne nun oben im Hause, auf dem kleinen Zimmer, vis-à-vis von Ihrem Quartier dort; in meinem Zimmer unten ist die gute Alte auf dem schwarzen Kanapee gestorben, und ihre Leiche hat da gestanden; so ist es jetzt gescheuert und verschlossen, und ich soll fürs Erste nicht wieder hinein. Ich wollte, ich wäre vier Wochen weiter; jetzt liegt es mir noch sehr im Sinne.

Von Adele weiß ich nur, daß sie in Rom bei der Mertens ist; ich habe leider – durch eigne Schuld, denn ich hatte ihren letzten vor anderthalb Jahren erhaltenen Brief nicht beantwortet – ihre Adresse nicht, weiß sie auch nirgends zu bekommen und hörte doch so gern mal wieder von ihr. Diese Nachricht habe ich durch meine Cousine in Bonn. Wie schnell doch in diesen umtreibenden Zeiten Alles auseinanderstäubt! Adele hat zehn Jahre in Bonn gewohnt, ist erst seit vier bis fünf Jahren fort, und schon giebts dort Keinen ihres früheren Kreises mehr, bei dem ich nachfragen könnte. Auch die Mertens hat ihre Haushaltung auseinandergehn lassen und ihr Haus zum Verkauf ausgesetzt, ebenso ihr Gut Plittersdorf, ihr früheres bijou und Herzblatt, wo ich sie so manchen Tag habe selbst im Garten arbeiten sehn; wahrscheinlich denkt sie ganz in Italien zu bleiben.

Sie fragen, wie mir Prosper gefällt? Das will ich Ihnen sagen: er gefällt mir gut, wird mir aber nach zehn Jahren viel besser gefallen. Er ist jetzt in der Zeit, wo die Knaben gern über ihr Alter hinauswollen, – sieht aus wie zwölfjährig und möchte gern keck und schöngeisterisch thun wie ein Zwanziger; das macht sich etwas seltsam. Übrigens darf er nur wachsen und Farbe bekommen, um recht hübsch zu sein, sieht klug und entschlossen aus, und ich glaube, es steckt viel in dem Jungen. Sie können denken, daß es mich freute und sehr bewegte, ihn zu sehn; leider kam er erst Nachmittags und mußte bald wieder fort. Schreiben Sie mir doch immer, was Sie von ihm hören.

Ihre Recension über die Paalzow ist mir noch nicht zu Augen gekommen; aber auf Ihre Gedichte bin ich äußerst begierig, ich kenne eigentlich erst höchstens ein Dutzend derselben. Und wie heißt denn der dicke Roman? Wie weit sind Sie? Weß Inhalts? Wer verlegt ihn? Sie müssen nicht so kurzab sein; schickt sich das für einen kleinen Jungen seinem Mütterchen gegenüber? Aber jetzt denkt der kleine Junge an nichts als an den allerkleinsten Jungen! Adieu, lieb Kind, tausend Liebes an Louisen. Mama läßt Euch Beide herzlich grüßen; sie ist Gottlob sehr wohl, ihr Herzklopfen viel geringer als in Meersburg. Nochmals Adieu, und nehmen Sie beim Antworten meinen Brief zur Hand. Gott segne Euch alle Drei. Antworten Sie bald.

Ihr treues Mütterchen.

Sagen Sie mir doch, wer mein Antheil am Taufgelde ausgelegt hat und wie viel es macht; vergessen Sie aber doch nicht.


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