Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking
Briefe von Annette von Droste-Hülshoff und Levin Schücking
Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking

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Ellingen den 29sten August 1842.

Ich habe so lange nichts von Ihnen vernommen, daß ich ganz unruhig deshalb bin. Doch hoffe ich, es ist die zwischen Ihren letzten Brief und jetzt fallende Reise Schuld daran, mein liebes Fräulein, sonst könnte ich nicht denken, daß Sie mich so lange vergessen haben.. Daß Sie nach Westphalen abgereist sind, und zwar am 10ten dieses Monats, habe ich aus einem gnädigen Handschreiben von Laßberg gesehen, welches vorgestern bei mir einlief, begleitend sein neuestes Opus: »Der Oettinger«, in welchem mich die Vorrede wegen ihrer classischen Gemütlichkeit ungemein gefreut hat. Es ist außerordentlich viel kindlich Liebenswürdiges in dem alten Herrn, so scharf er auch sonst sein kann, wie ich neulich erfahren habe, wo er böse war, daß ich den Brief von Hug nicht gleich zurückgeschickt, und wo nur mein ArmmalheurEin durch einen Sturz vom Pferde herbeigeführter Armbruch. mich gerettet hat vor ewiger Ungnade.

Wie es mir geht? Gut und auch nicht. Ich bin oft melancholisch und sehr traurig, so allein zu sein »zwischen den Ungläubigen«, aber dann auch wieder heiter und körperlich sehr wohl. Werde ich von Ihnen dasselbe hören? Ich habe so oft an Sie gedacht und an Ihre abscheulichen Gesichtsschmerzen! Wenn Sie die Reise nur nicht wieder so angegriffen hat, daß die Wirkung des guten Meersburger Climas erschüttert ist, da Sie dieselbe noch für den ganzen langen Winter nöthig haben!

Ich habe unterdeß zwei kleine Schächtelchen, eine mit Münzen, die andre mit Salzen, für Sie zusammengespart. Dagegen sind meine Mondseer Mineralien noch nicht angekommen; jene hoffe ich Ihnen sehr bald durch einen nach Hamburg reisenden Stallmeister senden zu können.

Für die Dombausteine habe ich meinen ganzen Roman hergegeben. Leider erscheint das Taschenbuch erst gegen Neujahr. Freiligraths Immermanns-Album ist noch immer nicht da! Sehr begierig bin ich, was Sie mir in Ihrem nächsten Briefe von Ihren Gedichten schreiben. Ihren litterarischen Bekannten B. Meyer habe ich wiederholt in der Augsburger Allgemeinen von Zürich aus verfolgt gefunden; dort hat er als Schauspieler agirt und scheint durchgegangen wie Courion Moris, schäbigen Andenkens, aus Pforzheim.

Ich muß sehr mit diesem Briefe eilen, denn ich spare die Zeit dazu meinen Stunden ab. Deshalb will ich rasch einige Bitten, die ich an Sie habe, mein liebes gnädiges Fräulein, vorausschicken, um zu sehen, was dann an Zeit übrig bleibt.

Auf der Hohenhausenschen Auction hab' ich die Bücher gekauft; dieselben liegen, wie mir Frau v. HohenhausenElise v. Hohenhausen, geb. 1789, Tochter des Generals v. Ochs, Gattin des Regierungsrats Frh. v. Hohenhausen. Als Dichterin und Schriftstellerin ihren Zeitgenossen wohl bekannt, bethätigte sie sich außerdem auch als Übersetzerin. schreibt, bei ihrer Tochter in Münster, und ich soll auch an diese den Betrag dafür einsenden. Nun habe ich neulich respondendo nach Münster geschrieben, und da ich nicht gern so bald einen zweiten Brief nachfolgen lassen mag, bitte ich Sie, den anliegenden Betrag von sechs Thalern ihr zukommen lassen zu wollen. Von den Büchern ist eins Manuscript. Damit möchte ich Laßberg eine Freude machen, und deshalb geht mein Ansuchen dahin: ob Sie von Münster aus ihm dasselbe (eine Wiedertäufergeschichte – ist was dran?) bald zukommen lassen zu wollen die Gnade haben? Die übrigen Bücher erbitte ich mir nebst einem Exemplar des Bornstedtschen Ludgers,L. v Bornstedt, »Der h. Ludgerus, erster Bischof von Münster, und die Bekehrungsgeschichte der Friesen und Westfalen.« Münster, 1842. und ferner:

Ich werde wegen meines Westphalens gedrängt und habe gar kein Material. Wenn Sie einmal Rüdiger sprächen, daß er vielleicht manche Quelle für die Abtheilungen: Industrielle Verhältnisse, Statistisches, Verdienste und Fehler der jetzigen Regierung, mir angeben, oder für mich erhalten könnte. Der alte Hüffer hat auch gewiß Manches, was er Rüdiger gern mittheilte. Junkmann würde mir Materialien wegen der Eisenbahnen geben können; Wirksamkeit der Landstände und Gesetzgebung sind Punkte, die ich auch berühren möchte, wenn ich die Quellen hätte. Ich möchte in dieser Beziehung wohl Ihren Onkel August um Materialien bitten, – was meinen Sie dazu? Bitte, erkundigen Sie sich einmal, und wenn Einer oder der Andre etwas Taugliches hat, so würde es mich sehr glücklich machen, wenn es mit den in Münster liegenden Büchern von irgend einer mitleidigen Seele eingepackt und mir baldmöglich direct hierher geschickt würde.

Wie geht's Adelen? Grüßen Sie recht herzlich, wenn Sie schreiben. Ich bin zwei Tage in München gewesen.

Wenn wir nur nicht nach Mondsee brauchen, diesen Winter! Der Fürst kann's kaum mehr abwarten, in seine Löwengrube zurückzukommen. Doch hat er hoffentlich die Rücksicht, seine Kinder hier zu lassen. Es muß im Winter schrecklich dort sein!

Mit tausend Wünschen für Ihr Wohl und tausend Grüßen bin ich in großer Spannung auf Ihren nächsten Brief von allen die Welt durchstreifenden Dichterstrolchen wer am zuverlässigsten und treuesten ist

Ihr
Levin Schücking.

Es ist hier kein Fleck im Hause gemüthlich. Diesem Brief werden Sie's ansehen; er ist ein Philister, den man als Calculator bei einem Eisenbahnbüreau anstellen sollte.

Lassen Sie mich bald von Ihren Gedichten hören; haben wir nur das Manuscript erst, der Verleger ist Nebensache.

Herzliche Grüße an Alle, besonders an die beiden Junkmann, dem Wilhelm laß ich danken für einen Brief, den ich in Mondsee bekam, und der mich sehr gefreut hat; er soll mich nicht vergessen – dann vor Allen an Schlüters.

Meine gehorsamste Empfehlung an Ihre Frau Mutter.


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