Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking
Briefe von Annette von Droste-Hülshoff und Levin Schücking
Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking

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Unkel am Rhein,
Sonnabend, den 12ten September 1840.

Liebes Fräulein!

Der alte deutsche Stromgott mit dem grünen Haar, dem rebenumkränzten, läßt das deutsche Fräulein, die blondlockige Schwanhilde in der Ferne grüßen – es ist doch ein prächtiges, altes, wenn nicht bemoostes, doch betangtes Haupt, der Rhein, an dessen Ufern mit ihrer sonnig heitren, reinen Luft, mit dem Glast des Abendrotes auf ihren Felsenmassen mir unendlich leicht und heiter zu Muthe geworden ist. Während Freiligrath der Post entgegenspaziert, schreibe ich Ihnen nun zum ersten Male aus der weiten Welt heraus, und bin dabei so eigentümlich froh, daß ich Ihnen einmal förmlich schreiben kann, so was man schreiben nennt – denn von Münster aus gab es immer nur Billets, wenn auch noch so lang, jetzt aber schreib ich Ihnen zum erstenmal, wie meinem Täntchen, das mir böse wird, wenn der leichtsinnige Neffe nichts von sich hören läßt.

Ich kam erst Montag Morgen von Münster weg, Abends in Wesel an, Dienstag mit dem Dampfschiff weiter, die Nacht durch, bis ich Mittwoch Morgen in Cöln anlangte. Hier wurde mir im Laden bei Dumont ein merkwürdiges Kerlchen mit einem wunderlichen Gesichtchen als Dr . . . vorgestellt, und ich hatte dann in den nächsten fünf Minuten das Vergnügen zu vernehmen, wie seine Gedichte bei Cotta erschienen sein, aber horribile dictu! dreißig Druckfehler hätten. Ich ermangelte nicht, meine dialectische Begabtheit bis aufs äußerste anzustrengen, um ihn zu trösten. Es liegt immer eine eigentümliche Art von Satisfaction darin, wenn junge Autoren über Druckfehler und Nachdruck klagen! Das Kerlchen scheint sonst eine gutmüthige Haut zu sein. In Cöln hatte ich den Ärger, meine »Poetischen Frauen«, ein Aufsatz, der Ihnen gefallen wird und deshalb mir Spaß macht – weil ich hier doch sicher bin, daß Sie nicht sagen, es läge etwas Verletzendes für Sie darin, – verworren und durch die Nachlässigkeit eines Redacteurs des Jahrbuchs verstümmelt abgedruckt zu sehen; doch war ich nach einiger Zeit getröstet genug, um mir mit dieser Schnelligkeit des Trostes, der Eitelkeit (wegen solchen Mangels an Schriftstellereitelkeit), einige Befriedigung verschaffen zu können. – Um wahr zu sein – ich habe auch diese Eitelkeit nicht gehabt, aber ich habe das so hingeschrieben, weil es eine hübsche psychologische Bemerkung war.

Abends fuhr ich nach Unkel, wo ich um zwölf in der Nacht ankam. Die Löwenburg war im Schlummer, und ein Spektakel, daß ganz Unkel erwachte, mit aufgebrochenen Fensterläden u. s. w., konnte sie nicht wecken. Da erschien eine lange, hagere und vermummte Gestalt hinter mir, ein wahrer Busemann, der sich anheischig machte, mich einzuquartiren; ich folgte ihm zu einem düstren Gebäude, mit vergitterten Fensterlöchern und einer niedren Spitzbogenthür, durch die ich in einen düstren Raum trat, wo mir plötzlich die Überzeugung als einziges Licht aufging, daß ich mich in der Schaarwache, in einer malhonesta custodia als nächtlicher Ruhestörer befände, was mich laut lachen ließ ob des unerhörten Abenteuers, das ich nun doch daheim erzählen könnte. Aber ach, die Zeit der Aventiuren ist vorbei! Es war eine ganz gemeine Herberge, wahrhaftig eine ganz gemeine. –

Freiligrath freute sich sehr, mich wiederzusehen und ich auch, als ich am andren Morgen sein Quartier betrat; es ist ein allerliebstes Häuschen, das er allein bewohnt, mit einem rebenbeschatteten poetischen Gartensalon, worin ich jetzt sitze und in mein Heimathland diese Grüße an mein heimatlichstes Herz entsende. O schreiben Sie mir einmal, liebes Fräulein – ich harre mit Schmerzen auf einige Zeilen von Ihnen, von wegen der Schweiz! –

Der Westphälische Frieden ist geschlossen – ich schreibe den Text, Freiligrath gedenkt einige Gedichte dazu zu liefern, und weil ich ihm erzählt habe, daß Sie so viele Stoffe wüßten, hofft er von Ihnen durch mich einige zu erfahren. Ich habe mich so darüber gefreut, daß Freiligrath so solide geworden ist. Wodurch, erzähle ich Ihnen mündlich; es sind sogar alle Aussichten vorhanden, daß er fleißig wird. Er reist über acht Tage nach Stuttgart; ich möchte in seiner Villa dann noch einige Tage bleiben und arbeiten. Es wird Einem so wohl hier; ich war mit meiner Gesundheit sehr herunter in Münster, so denke ich vor dem fünfundzwanzigsten nicht wieder zu kommen, wenn ich nicht Contre-Ordre von Ihnen bekomme. Ich wollte, Sie wären auch hier in diesem wunderschönen Herbst – können Sie Ihre Mutter nicht bis Bonn hinauf begleiten?

Ich freue mich auf die »Dichter, Verleger und Blaustrümpfe!« Denken Sie auch ein bischen an mein Westphalen, und lassen sich allenfalls von der Botenfrau von einem Münsterschen Buchhändler zur Ansicht Dingelstedts »Malerisches und romantisches Weserthal« oder Simrocks »Maler. und romant. Rhein« holen, nicht, um es so machen zu können, sondern um zu sehen, wie es nicht werden muß.

Ich lege einen Anfang einer Kritik, die Freiligrath einmal angefangen über Ihre Gedichte zu schreiben, bei; ich wollte, daß Sie einmal den prächtigen, lieben Poeten sähen. Er hat hier eine Popularität ohne Grenzen. Responde, precor, solum quod deficit adhuc ad omnis curae defectum est ut mihi dicas quomodo sim.

tuus Lebuinus.


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