Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking
Briefe von Annette von Droste-Hülshoff und Levin Schücking
Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking

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Augsburg den 14ten Februar 1845.

Um Gotteswillen, was ist das, mein liebes Mütterchen, daß Sie gar nicht schreiben, – anfangs dachte ich, Sie unterließen es aus sündigem Hochmuth, denn ich habe Sie oft sagen gehört, wenn den Leuten ganz was Besonderes passirt wäre, so schrieben Sie ihnen anfangs nicht, damit Ihr Brief nicht im Trubel anderer Gedanken in Mißachtung und Vergessenheit fiele, jetzt wird mir's aber zu lang! Mein kleiner Junge ist fast schon dem Puck entwachsen und im Discuriren der große Kerl geworden und Sie haben mir noch nicht einmal dazu gratulirt! Und wissen obendrein noch nicht einmal, daß Sie Pathin sind: ja, denken Sie, als zweite Pathin habe ich, um neben dem Hauptpathen, dem Landjägermeister v. Gall, der die Prosa des Lebens bei dem Jungen vertreten muß, auch das poetische Element, das westphälische verwandte Blut nicht fehlen zu lassen – habe ich Sie keck in's Kirchenbuch schreiben lassen, Ihrer Erlaubniß sicher, und so sind Sie nun mit uns in geistige affinitas und Verwandtschaft gekommen!

Louise war recht vernünftig bei der Taufe, und obwohl es ihr freilich eine kleine Alteration machte, daß ihr Lothärchen nun ein »katholisch Bübchen« werden sollte, gab sie sich doch mit Geduld darin. Er heißt Carl Lothar Levin, der kleine Schlingel, befindet sich à merveille, wird alle Tage dicker und schöner und ist ein Prachtkerl; ißt aber auch alle Tage sechs Zwiebäcke und trinkt anderthalb Maß Milch dazu, obwohl er erst acht Wochen alt ist. Louise konnte ihn nicht stillen, weil er zu große Ansprache zu machen begann. O ich könnte Ihnen noch drei Seiten lang Geschichten von ihm erzählen, wenn ich wüßte, daß es andere Leute so interessirte wie den glücklichen Papa. Gott erhalte uns den Jungen!

Für den Pathen hat Doctor Kolb und für Sie die Doctorin Kolb ihn auf die Taufe gehalten, die im Hause ganz ohne weitere Feierlichkeit abgemacht worden ist.

Louise hat sich sehr erholt. Anfangs war sie sehr herunter; jetzt aber geht es ihr nach Wunsch, und ihr früheres Magenleiden hat sie verloren.

Gegen Ostern wird die Cotta'sche Buchhandlung die Sammlung meiner Gedichte herausgeben. Auch Dingelstedt's werden gedruckt. Da fällt mir ein, sagen Sie doch Ihrem Bruder, wenn er, wie viele Leute hier, auch noch an der Wirklichkeit der preußischen Verfassung zweifelt, daß wir hier an der Allgemeinen Zeitung so gut wie officiell wissen, daß der König zur Ertheilung derselben entschlossen ist. In Berlin glaubt man es auch noch nicht. Es wird Ihren Bruder interessiren, da es auch auf Westphalen von großen Folgen sein wird.

Nun beschwöre ich Sie aber, mir recht bald mit ein paar Zeilen zu sagen, was Ihnen ist, liebes Mütterchen, damit ich beruhigt darüber werde. Einen langen Brief, wenn Sie unwohl sind, verlange ich ja nicht – nur ein paar Zeilen! Louise fragt auch täglich: warum nur Annette nicht schreibt? – Das westphälische Clima hat Ihnen in diesem Winter gewiß wieder recht zugesetzt, nicht wahr? Der Winter ist aber auch so streng, hier ist's fürchterlich kalt, und eine ungeheure Masse Schnee gefallen. Mir geht es sonst gut, ich bin sehr thätig an einem großen dreibändigen Roman. Haben Sie meine Kritik über die Paalzow gelesen?

Welches Abkommen haben Sie nun mit Hüffer getroffen?

Ein großes Genie aus Westphalen ist hier: Beermann aus Osnabrück, ein wirklich bedeutendes Talent. Er hat einen Abend in einer Gesellschaft bei uns Proben seines Talents abgelegt und giebt morgen eine öffentliche Akademie. Ein Improvisator aus Westphalen, wer hätte das gedacht! –

Neulich las ich in der Leipziger Allgemeinen Zeitung, daß Frau Mertens in Rom Aufsehen mache durch ihre Kunstkennerschaft und ihre Ankäufe.

Ein Herr Dräxler-Manfred hat für ein hübsches Taschenbuch, das Rheinische, um Gedichte von mir und um Ihre Adresse gebeten, um Sie auch um einen Beitrag ersuchen zu können. Ich habe nun von den Gedichten, die Sie mir für den Musenalmanach geschenkt haben, ihm das herrliche »Mondesaufgang« gegeben. Sie bekommen dafür ein schönes Exemplar mit ausgezeichneten Stahlstichen, und so, denke ich, werden Sie nichts dawider haben, nicht wahr? Sonst sagen Sie mir's recht bald!

Von Prosper habe ich gute Nachrichten. Es ist mir eine wahre Freude, etwas zu opfern, um ihm ein Sort zu machen. Welchen Eindruck hat Prosper auf Sie gemacht?

Ihr treuer Levin.


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