Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking
Briefe von Annette von Droste-Hülshoff und Levin Schücking
Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking

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Meersburg den 8ten Januar 1844.

Dieser Brief, mein guter Levin, ist der Vorläufer eines größeren, den ich absenden werde, sobald ich auf diesen Antwort erhalten. Zuerst tausend, tausend Dank, mein gutes Kind, für die Liebe, mit der Sie Ihres Mütterchens gedacht und ihr eine Freude bereitet haben, eine recht große Freude, und das würde es immer bleiben, selbst wenn die Mineralien nicht so schön und die Autographen nicht so zahlreich und mir sonst so unmöglich zu erhalten gewesen wären. Vor Allen freut mich Zedlitz, auch Laube und Duller sehr, und für die Stolterfoth haben Sie längst ein persönliches Interesse in mir angeregt, was mir ihre Handschrift sehr werth macht. Und wo hat mein Junge den guten Steingeschmack hergenommen? Das hat ihm ein Anderer eingeblasen, er selbst ist viel zu dumm dazu. Die Verfeinerungen sind köstlich, und alle die Spathe ganz vollkommen in ihrer Art. Aber wie haben Sie sich von etwas trennen können, was so complet wie brauner Zucker aussieht? Es muß Ihnen zu Muthe gewesen sein, als sollten Sie das Portrait Ihrer Geliebten fortschenken. Unter uns: was war Ihre erste Bewegung, als Sie ihn, den Spath, in die Hand bekamen? So sollten Sie lithographirt und Ihren sämmtlichen Werken beigegeben werden, als schlagender Beweis der Kindlichkeit eines Poetenherzens. Während Ihr, liebes Volk, so freundlich an mich dachtet, habe ich indessen auch an Euch gedacht, d. h. für diesmal zumeist an Ihr Frauchen, der ich so gern ein Zeichen meiner herzlichen Zuneigung geben möchte. Wär ich nur in Rüschhaus, dann wär mir hunderterlei zur Hand, – Levins Mütterchen hat wohl schöne Sachen! – aber hier bin ich arm wie eine Kirchmaus. Da habe ich denn meine Feder der ersten besten Gans in den Flügel gesteckt, meine blauen Strümpfe ausgezogen und ganz ordinairweg ein Paar Pantoffeln gestickt, die auch fertig sind, und die ich schicken will – kleines Pferdchen, jetzt stell Deine langen Ohren auf! – die ich schicken will mit der gleichfalls fertigen Abschrift meiner sämmtlichen Gedichte, sobald ich sicher bin, daß selbiges Hotto weder ausschlägt noch durchgeht. Ausschlagen heißt hier greulich raisonniren, wogegen ich allerdings ziemlich verhärtet bin; aber Durchgehn ist schlimmer, dann wird in der Regel der Reuter abgeworfen, und grade die kleinen Pferdchen sind dann die schlimmsten mit Abgrasen, Vertrampeln &c. Ernstlich, Levin, ich erkenne Ihre Güte herzlich an, und sie ist mir Gottlob nichts Neues, bin auch jetzt selbst der Ansicht, daß es für alle Parteien am Besten sein möchte, wenn meine Unterhandlungen mit Cotta durch Sie gehen. Laßberg ist hierin mit mir einverstanden; er hat sich anfangs sehr freudig angeboten, und nun kömmts ihm wie ein Riesenwerk vor, – Sie kennen seine Umständlichkeit, – er liest schon seit acht Tagen an dem Manuscripte, und mir kömmts vor, als blieb sein Zeichen, eine fladdrige Carlsruher Zeitung, die fast mit dem Hefte fortfliegt, immer auf derselben Stelle; und doch sagt er: »Ich beeile mich bestens, aber nachher wollen wir das Ganze etwas umständlicher durchgehn.« Sie sehn, es wird mir gehn wie den Heiligen, die erst nach dem Tode zu Ansehn kommen; zudem wird ihm der Gedanke, Cotta'n Geldforderungen zu machen, jede Stunde beklemmender, – kurz, er paßt miserabel zu seinem Amte und wirds so gern niederlegen wie Sancho Pansa seine Statthalterschaft. Daß mir dann auch besser geholfen ist, versteht sich von selbst, und Ihnen, mein guter Levin, wollen wir suchen, die Sache möglichst vortheilhaft zu stellen, und ich möchte um Ihretwillen herzlich wünschen, daß Cotta recht große Lust zu dem Handel hätte, d. h. nicht nur zu diesem, sondern auch zu den westphälischen Gemälden, woran ich nun gleich fortarbeiten werde, und was mir sonst noch prädestinirt ist. Sie könnten dann immer für denjenigen gelten, durch den ich allein mobil zu machen wäre, und ich würde jederzeit – und will auch jetzt – auf Bedingungen eingehn, wie ich sie mir von keinem Andern würde gefallen lassen; d. h. so lange Ihr Schicksal von Cotta abhängt, sonst, gestehe ich Ihnen, bin ich um einen Verleger gar nicht verlegen, und war mir unter gegenwärtigen tristen Umständen der Meistbietende der liebste. Machen Sie ihm, Cotta, also gemäßigte Forderungen, und geht er nicht darauf ein, so sagen Sie ihm, aber erst hintennach, daß ich nicht der Art wäre, dergleichen unvernünftiger Weise übel zu nehmen – einen plausiblen Vorwand wird er ja schon stellen – und deshalb seinem Morgenblatt nach wie vor Beiträge schicken würde; kurz, erhalten Sie ihn möglichst bei guter Laune und sich in dem Ansehn einer höchst einflußreichen Person. Laßberg will jetzt, daß ich seinen »Liedersaal« – heißts nicht so? – verhochdeutschen soll, und zwar unter seinen Augen, wo er dann für die Richtigkeit und ich für die Harmonie zu stehen hätte; dies könnte dann Cotta auch bekommen, d. h. wenn ihn darnach gelüstet, sonst nimmts ein Anderer, oder ich lasse die ganze Arbeit, die mir doch nicht sonderlich ansteht, auf der langen Bank liegen. Sie sehn, Levin, ich möchte gern Alles für Sie thun, was ich kann; nun geben Sie mir dagegen aber auch ein Versprechen, und zwar ein ernstes, unverbrüchliches, Ihr Ehrenwort, wie Sie es einem Manne geben und halten würden, daß Sie an meinen Gedichten auch nicht eine Silbe willkürlich ändern wollen. Ich bin in diesem Punkte unendlich empfindlicher, als Sie es noch wissen, und würde grade jetzt, nachdem ich Sie so dringend gewarnt, höchstens mich äußerlich zu fassen suchen, aber es Ihnen nie vergeben und einer innern Erkältung nicht vorbeugen können. Habe ich bei Ihrem romantischen und malerischen Westfalen über Manches weggesehn, so traten dort Umstände ein, die besondere Berücksichtigung verlangten: wir waren uns noch um Vieles fremder; Sie, ein angehender Schriftsteller in unbequemen Verhältnissen, der seine ganze Hoffnung auf diese Arbeit setzte, hatten mich um die Balladen gebeten – von den prosaischen Notizen spreche ich nicht, das waren eben nur Notizen, zu beliebigem Gebrauch – und waren nun, sobald sie Ihnen mißfielen, in der verzweifelten Lage, aus Höflichkeit mit blutendem Herzen Ihr eignes Werk, nach Ihrer Ansicht, verderben zu müssen. Fühlen Sie nicht, daß, sobald ich dies einsah, meine Lage noch viel epinöser war als die Ihrige und ich meinen Schultern um keinen Preis eine solche Verantwortung aufladen durfte? Sie können also keine Parallele von damals zu jetzt ziehn, und wenn Sie es dennoch thun, so täuschen Sie sich auf eine für unser so liebes und fruchtbringendes Verhältniß höchst traurige Art. Haben Sie mir aber Ihr Ehrenwort gegeben, so stelle ich Ihnen Alles mit dem vollsten Vertrauen zu und will Ihnen dann die Sache möglichst erleichtern. Sie mögen mir nämlich, da ich sämmtliche corrigirte Brouillons bewahrt habe, nur Gedicht, Strophe und Zeile bezeichnen, wo Sie Veränderungen durchaus nöthig finden, – eine Arbeit, die sich beim Durchlesen auf einem zur Seite liegenden Blatte schnell und leicht macht, – und ich schicke Ihnen dann mit der nächsten Post wo möglich mehrere Lesarten zur Auswahl. Diese Correcturen dürfen aber nicht von Ihrer Hand gemacht werden, d. h. im Manuscript, was Cotta geschickt wird, sondern eine fremde muß es thun. Den Grund begreifen Sie: hat Hauff seinen Glauben an meine Charlatanerie so weit getrieben, Ihnen meine Judenbuche zuzuschreiben, so würde er hiernach keinen Augenblick zweifeln, daß Sie meine Gedichte erst durcharbeiten, eh sie sich dürfen sehn lassen, und einen so kränkenden und, wie Sie am Besten wissen, so durchaus ungerechten Argwohn werden Sie doch nicht auf Ihr Mütterchen bringen wollen. Es mag mir mitunter schaden, daß ich so starr meinen Weg gehe und nicht die kleinste Pfauenfeder in meinem Krähenpelz leide; aber dennoch wünschte ich, dies würde anerkannt. Es wäre mir deshalb lieb, Sie könnten Kolb, der ja doch so oft zu Ihnen kömmt, auf eine ungezwungene Weise meine eingeschickten Varianten zeigen; sonst bleibt es doch immer verdächtig, daß eine fremde Hand drüber her gewesen ist.

Nun sagen Sie mir noch, wie ich mich bei Cottas schönem Geschenke zu benehmen habe. Die Herrn Verleger sind zwar keine Freunde von überflüssigen Zuschriften, aber hierauf gehört doch wohl eine Antwort? Und schreibe ich in diesem Falle an den Herrn v. Cotta selbst oder an seine Buchhandlung? Wird der Brief den Gedichten fürs Morgenblatt – die ich Ihrer Auswahl überlasse – beigelegt oder, da die Redaction des Morgenblatts etwas Getrenntes ist, einzeln abgeschickt? Hierin, wie in Allem, was zum litterarischen Verkehr gehört, überlasse ich mich gänzlich Ihrer Leitung und mache durchaus keinen Anspruch auf Gedankenoriginalität.

Und nun, mein liebstes Kind, Adieu; dieser Brief kömmt je eher je besser zur Post. Tausend Liebes an Ihre bessere Hälfte, der ich in der nächsten Woche, id est sobald ich Ihre Antwort habe, mit der ganzen Sendung so herzlich schreiben werde, wie es mir zu Muthe ist, und sie es durch ihre Freundlichkeit um mich tausendmal verdient hat. Adieu.


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