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39.

Dort ragt ihr ja mit moosgekrönten Spitzen,
Ihr alten Mauern, einst so fest und stolz,
Und aus der hochgewölbten Pforten Ritzen
Sproßt, sie erweiternd, Laub- und Nadelholz.

Fr. Kind.

Auf Amalgundis machten die Beschwerden und Gefahren, welche sich auf der kleinen Reise boten, alle unangenehmen Eindrücke, die natürlicherweise in ihrem Gefolge waren, aber sie hatten auch zugleich für sie einen eigenen Reiz. Sie fühlte sich zerstreut, sie fühlte sich abgezogen von den trüben Betrachtungen, denen sie sich bisher hingegeben hatte. Wenn auch Milde und Sanftmuth zu den Grundzügen ihres Charakters gehörten, so besaß sie auch in entscheidenden Fällen einen Muth, den man der oft blöden Jungfrau nicht zugetrauet hätte. Wir haben bereits gesehen, daß in jener Unterredung mit Friedmann, wo ihr Selbstbewußtsein verletzt, wo ein von ihr hochgeehrter Mann, wie es ihr schien, beleidigt worden war, sich ihr Stolz und ihre Würde mit überraschender Kraft erhoben. Dieses war nicht bloß eine Regung des Augenblicks, sondern der tief im Innern still ruhende Muth trat hervorgerufen in's Leben, so wie er denn jetzt auch, durch die von Außen drohende Gefahr, stark und thätig erhalten wurde. Ein großes Vertrauen auf Friedmanns Klugheit und Tapferkeit, das jene empfindliche Kränkung nicht hatte vernichten können, trug dazu bei, sie sicher und furchtlos zu machen.

Indessen ließ der junge Ritter, nachdem Alles still geworden war und er sich unverfolgt glauben konnte, den Zug langsamer vorrücken. Menschen und Thiere empfanden die Folgen der Beschwerlichkeiten, welche sie den Tag über und bis zu so später nächtlicher Stunde erlitten. Die Leibdienerin stieß schwere Seufzer aus und jammerte laut nach dem gewohnten Ruhelager.

Man betrat jetzt eine düstere Eichenwaldung, in welche nur spärliche Mondstrahlen fielen. Friedmann aber kannte diese Gegenden so genau, daß er nicht irren konnte. Eine Besorgniß anderer Art beunruhigte ihn. Es hatte ihm mehreremale, schon als sie am Saume des Waldes hinzogen, geschienen, als höre er ein Rauschen in dem Gesträuche zur Seite und menschliche Fußtritte. Wenn er dann aber genauer gehorcht, so war alles still gewesen. Er theilte diese Bemerkung den beiden Reisigen mit, die bei ihm waren. Diese aber wollten nichts gehört haben. Er überredete sich nun auch, daß er durch eine Täuschung verleitet worden sei und führte die ihm anvertraute Dame mit ihren Begleitern immer tiefer in den düstern Eichenforst.

Man hatte auf diese Weise den Weg ungefähr eine halbe Stunde fortgesetzt, als sich der Wald mit einemmale lichtete und man sich auf einem freien Raume sah, der vom Mondscheine beglänzt zwischen der aus dunkeln, himmelhohen Eichen bestehenden Umgebung, freundlich zu einem Aufenthalte einzuladen schien.

»Ganz recht!« sprach der junge Ritter bei sich. »Hier ist das Himmelrech und dort in jenem Winkel muß die alte Burg stehen.«

Er erkannte nun auch die Umrisse des zertrümmerten Römerbaues. Damals waren noch viele Mauern und Thürmchen dieser Ruine vorhanden, von der jetzt nur einzelne, sparsam zerstreute Spuren zu finden sind. Sie konnte recht wohl dazu dienen, Sicherheit gegen einen feindlichen Ueberfall zu gewähren. Auch hoffte der Ritter von Sonnenberg ein Gemach zu finden, das noch in einem hinlänglich guten Zustande sei, um zu einem Aufenthalte für Amalgundis und ihre Leibmagd eingerichtet werden zu können.

An dem verwitterten Eingange stieg er vom Pferde und begab sich erst allein in das Gebäude, um dessen Inneres zu untersuchen. Eulen und Fledermäuse, in ihrer Einsamkeit gestört, flatterten aus allen Winkeln auf. Durch die Fensteröffnungen und über die Mauern schien der Mond in den Hofraum und ließ den Ritter eine Thüre finden, die zu einer in das obere Stockwerk leitenden Treppe führte. Er erinnerte sich von frühern Jagdfahrten, daß oben ein Zimmer befindlich sei, welches zu einem nothdürftigen Aufenthalte dienen konnte. Er selbst hatte dort schon mehremale Unterkunft und Schutz bei widrigem Wetter gefunden. Er eilte die Treppe hinauf. Das Gemach war noch in demselben Zustande, wie damals. Teppiche führten die Diener mit sich, Polster befanden sich in der Sänfte; leicht also war für das Fräulein ein ziemlich bequemes Lager zu bereiten. Die Leibdienerin mußte sich freilich mit Stroh und einem Reitermantel behelfen.

Amalgundis folgte, ohne ein Wort zu erwiedern, seiner höflichen aber kalten Einladung, diesen Ort zu besehen, ob er ihr zu einem Ruheplatze bis zum Anbruche des Morgens genüge. Sie betrat schweigend das Gemach und ließ sich ebenso auf einer an der Wand befindlichen Steinbank nieder. Diese stumme Einwilligung veranlaßte den Ritter, sogleich das Nöthige heraufschaffen zu lassen. Dann beurlaubte er sich mit ernster Haltung und ließ Amalgundis in Gesellschaft der Leibdienerin, die mit dem Ganzen wenig zufrieden schien, zurück. Er ging hinab und untersuchte noch einmal mit der größten Aufmerksamkeit jeden Winkel der Ruine, allein er konnte nichts Verdächtiges entdecken. Die Pferde wurden in den innern Hofraum gestellt: die zwei Bewaffneten, welche Friedmann bei sich behalten hatte, blieben am Eingange zurück mit der Weisung, beim geringsten verdächtigen Geräusche dem Ritter ein Zeichen zu geben. Er selbst setzte sich auf der untersten Stufe der zu Amalgundis Gemach führenden Treppe nieder und sah mit träumerischem Sinnen auf die gebrochenen Mauern, in deren Vertiefungen und Erhöhungen das Mondlicht seltsam spielte. Allerlei Bilder der Vergangenheit ließ seine Phantasie auf dem mondbeglänzten Hintergrunde erscheinen, frohe und traurige, glückliche und unglückliche. Immer aber mußte er erkennen, daß die Liebe zu Amalgundis einmal so tief in sein Leben gewurzelt habe, daß sie nur mit diesem, allein durch keinen noch so ernsten Vorsatz vertilgt werden könne.

An seiner Seite ruhte der vierzehnjährige Page des Fräuleins. Er war eingeschlafen. Die kindische Kraft konnte dem ermüdenden Einfluß der langen Tagereise nicht mehr widerstehen. Friedmann betrachtete ihn mit einem Blicke inniger Theilnahme. Dieser ruhige Schlummer eines unbefangenen Kindes erfüllte ihn mit einer Wehmuth, als habe er selbst nun für immer den Verlust eines theuern Gutes zu betrauern.

In seinem Nachdenken ward er durch ein leises Pfeifen gestört, mit dem ihm die Wache am Eingange von irgend einem besondern Ereignisse in Kenntniß setzte. Er flog ins Thor; in diesem Augenblicke langte auch Stephan, dessen Annäherung jenes Zeichen veranlaßt hatte, bei den Burgtrümmern an. Er und seine Begleiter zogen auf Friedmanns Gebot still in den Hof und stellten hier ihre Pferde zu den übrigen.

»Edler Herr!« sagte der treue Diener: »Ich habe Euern Befehl ausgeführt, so gut ich vermocht. Diejenigen, die mich verfolgt, habe ich weitab gelockt und von ihnen haben wir wohl nichts zu fürchten. Aber ihrer schienen nur wenige und die bei weitem größere Hälfte muß zurückgeblieben oder eines andern Weges gezogen sein. Ich argwöhne sehr das Letzte und fürchte, sie sind Euch auf der Spur. Als ich im Thalgrunde heraufritt und der Mond eben sein Licht auf den Waldsaum an der Höhe warf, dünkte es mich, als sähe ich schwarze Schatten dorther streifen, den Weg nach dem Himmelrech zu. Ich kann mich getäuscht haben, denn die Entfernung war ziemlich groß. Aber Vorsicht ist besser denn Leichtsinn: mein' ich!«

»Ich glaube nicht, daß sie uns hier vermuthen und hier aufsuchen werden!« versetzte der Ritter nach einigem Nachdenken. »Der Platz ist entlegen und von den abergläubischen Thoren, wie die Erzbischöflichen meist sind, sogar gefürchtet. Der Weg nach Schloß Scharfenstein zieht sich am Walde herunter. Wahrscheinlich gehören sie zur Besatzung der Burg und kehren jetzt dahin zurück.«

Nachdem er dem Diener und seinen Gefährten befohlen hatte, sich der Wache am Eingange beizugesellen, nahm er wieder seine Stelle neben dem schlummernden Pagen ein, jene phantastischen Bilder, die ihn früher beschäftigt hatten, erschienen wieder und er ließ sie wohlgefällig im wachen Traume an sich vorübergehen.

Eine halbe Stunde mochte wohl, seit Stephans Rückkehr, auf diese Weise friedlich und still vergangen sein, als der Ritter plötzlich durch ein lautes Angstgeschrei, das von oben herab aus dem Gemache der Frauen ertönte, in die höchste Bestürzung versetzt wurde. Mit zwei gewaltigen Sprüngen flog er die Treppe hinauf. Ein einziger Blick in das Gemach reichte hin, ihn die Gefahr erkennen zu lassen, in der Amalgundis und ihre Begleiterin schwebten. Zitternd und hülferufend standen beide in der Mitte des Zimmers. Sie schienen beide vom Schreck gelähmt, so daß sie keine Kraft zur Flucht in sich fanden. Eben waren zwei dunkle Mannsgestalten im Begriff, sich durch die hochgewölbten Bogenfenster in das Innere des Gemachs zu schwingen.

Friedmann war keinen Augenblick im Zweifel, daß es Feinde seien. Mit einem einzigen gewaltigen Faustschlage traf er den nächsten von ihnen so heftig, daß er laut heulend in die Tiefe zurückstürzte. Indessen aber hatte der andere festen Fuß im Gemache gewonnen und drang mit gezogenem Schwerte auf den jungen Ritter, der noch nicht Zeit gehabt hatte, sich zu bewaffnen, ein. Friedmann würde ein Opfer dieses ehrlosen Beginnens geworden sein, wenn nicht der junge Page, der ihm auf dem Fuße nachgefolgt war, mit seinem leichten Degen den ersten Streich, der seiner Brust galt, abgewehrt hätte. Hierdurch fand der Ritter Zeit, sein Schwert zu ziehen, und griff nun seiner Seits, indem er vor die beängstigten Frauen trat, den Eingedrungenen an. Mit lauter Stimme gebot er dem Pagen, sich nicht ferner in den Kampf zu mischen. Das Mondlicht fiel auf sein erglühendes Antlitz, seine ganze Gestalt war dem Gegner sichtbar, während dieser den Vortheil hatte, im Schatten zu fechten. Er sah bald ein, daß er es mit keinem gemeinen Kämpfer zu thun hatte. Künstliche Paraden wurden seinen Angriffen entgegengesetzt, geschickte Finten, die er nur durch große Aufmerksamkeit und Gewandtheit abwehren konnte, erwiederten diese. Dennoch gelang es ihm, vermittelst der außerordentlichen Körperstärke, mit der ihn, wie wir wissen, die Natur begabt hatte, seinen Gegner nach einigen Gänge zu entwaffen. Er warf ihn rasch zu Boden und die Spitze seines Schwertes bedrohte des Niedergeworfenen Brust.

»Ihr werdet mir doch im Zorn nicht ein Arges anthun?« flehte jetzt eine bekannte Stimme. » Maximum irae remedium est mora, sagen die Lateiner, und sie haben recht. Zählt nur erst zwanzig oder fünfzig, oder noch lieber hundert, ehe Ihr Euch übereilt, dann laßt mich mit einem Kreuzschnitte über Stirn und Nase wegkommen, wie damals bei der Bude des Italieners. Seid großmüthig leonis ad exemplum!«

»Bist Du es, Schurke?« erwiederte in einem Tone, von dem wenig Gnade zu erwarten stand, Ritter Friedmann. Er hatte mit Erstaunen in dem Besiegten den spitzbübischen Unterhändler und Verräther Ralph Strichauer erkannt. »Dein Sündenmaaß ist längst voll;« fuhr er fort: »Die Stunde der Strafe ist gekommen und Du darfst nicht hoffen, dem wohlverdienten Tode zu entgehen.«

»Schont seiner!« flehete Amalgundis mit zitternder Stimme. »Sein Anschlag war auf mich gerichtet und deshalb steht mir auch wohl ein Wort zu bei dem Gerichte über ihn.«

» Certe!« fiel Ralph ein. »Ihr habt das jus gladii und das jus gratiae. Ihr könnt verdammen, und verzeihen, der Schlüssel zu Himmel und zu Hölle ist in Eurer Hand. Aber Ihr seht einem Engelein weit ähnlicher, als einer Teufelin und ich ergebe mich Euch in Diskretion auf Euer freundliches Aussehen.«

»Schweig, Bösewicht!« rief der Ritter von Sonnenberg, indem er die drohende Richtung seines Schwertes veränderte. »Danke in Stille und, wenn Du es vermagst, mit wohlmeinendem Herzen diesem Fräulein für Dein Leben. Ohne ihr Wort wärest Du eine Leiche.«

»Doch nicht von Deiner Hand, Milchbart?« schrie plötzlich mit neu erwachendem Muthe der Waffenmeister. Bei diesen Worten sprang er behend auf und umschlang den Ritter, der sich von ihm abgewandt hatte, mit aller Anstrengung seiner Kräfte. Zugleich stießen die Frauen einen Schrei des Entsetzens aus, ein Pfeil flog durch die Thüre und streckte den unglücklichen Pagen todt zu Boden und gleich darauf war das Gemach mit Bewaffneten angefüllt, die den Ritter, ehe er sich von Ralph losmachen und auf seine Vertheidigung bedacht sein konnte, überwältigten und entwaffneten. Alles war das Werk einiger Augenblicke gewesen, Friedmann war, ohne zu wissen wie, aus einem Sieger ein Besiegter geworden und befand sich nun in der Gewalt eines rohen und erbitterten Gegners, von dem er nicht einmal eine ritterliche Behandlung erwarten durfte.

»Victoria!« jauchzte der Waffenmeister. »Der Ritter von Gestern ist überlistet und gefangen. Er meinte, einen alten erfahrenen Kriegsmann abzuleiten vom rechten Wege, aber ich blieb ihm auf der Spur und habe ihm nun gezeigt, wie man junge Gimpel fängt. Seht, Domine,« wandte er sich zu Friedmann, »ich könnte nun mit Euch verfahren, wie Ihr es mit mir im Sinne hattet, und Euch das Eisen in den Leib rennen, denn das jus gladii steht mir zu gegen Euch, wie Ihr selbst erkennen müßt. Aber ich kenne Einen, der ein gutes Kaufgeld für Euch zahlt. Ihr seid theuere Waare, an der etwas zu verdienen ist. Herr Günther von Nollingen liebt Euch gar sehr und wird Euch gern sehen im Herrnschlosse zu Mainz. Er wird Euch ein Salve zurufen, das Euch durch Mark und Bein dringt. Knebelt ihn, Freunde, und bindet ihm die Hände auf dem Rücken fest. Es ist ein wildes Füllen, das gern ausschlägt und mit dem Zwangriemen gebändigt sein will.«

Wie auch Friedmann seine ganze jugendliche Kraft anwenden mochte, sich dieser schimpflichen Begegnung zu widersetzen, so wurde er doch durch die vereinten Anstrengungen der erzbischöflichen Söldner überwältigt und mußte sich ihr unterwerfen. Er zitterte vor Wuth; seine Blicke sprüheten Blitze und eine dunkele Röthe stieg auf sein Antlitz. Jeder Hoffnung auf baldige Befreiung mußte er entsagen, als er aus den Reden der Gegner vernahm, daß Stephan und seine Gefährten überfallen worden seien und gebunden unter guter Obhut im Hofraume lägen. Er ergab sich in sein Schicksal, aber als er einen Blick auf Amalgundis warf, die bei dem tödlichen Schuße, der den Pagen zu Boden streckte, ohnmächtig niedergesunken war, fühlte er bei dem Gedanken an das Mißgeschick, das sie bedrohen konnte, sich von einer nicht zu bezwingenden Beängstigung ergriffen. Die Leibmagd lag auf den Knieen, weinte und bat jammernd um Gnade, bis ihr endlich Ralph mit einer drohenden Geberde nach seinem Dolche und einem fürchterlichen Blicke Stillschweigen gebot.

»Das ist das Hauptstück der Beute!« sagte er dann mit frechem Lachen zu seinen Genossen, indem er vor Amalgundis trat. »Wer sie noch nicht kennt, der besehe sie sich recht. Es ist Fräulein Amalgund, das Kaiserschätzel, von der sie im Reiche singen:

Der Kaiser hat froh leben
Mit seiner Amalgund.

Est rara avis in terris! wie die Lateiner sagen. Herr Gerhard wird gut lohnen für den Fang, denn er greift dem Afterkaiser an's Herz.«

Der traurige Argwohn, den Jutta dem Ritter von Sonnenberg eingeflößt hatte, war schmerzhaft in seine Seele gedrungen und er trug geduldig und tief betrübt dieses Leiden; als er aber die noch immer Geliebte, doch verloren Gegebene, aus dem Munde dieses gemeinen Knechtes lästern hörte, da blieb er nicht länger Herr seiner steigenden Wuth. Der Gebrauch seines Mundes und seiner Hände war ihm versagt, aber er führte einen mächtigen Fußstoß nach Ralph, der diesen niedergeschmettert haben würde, wenn er ihm nicht durch eine rasche Bewegung entgangen wäre.

»Halte Dich ruhig, Bürschlein!« sagte mit einem grimmigen Blicke der Waffenmeister: »oder ich lasse Dich mit Ruthen streichen, wie einen Troßbuben. Ich bin so noch in Deiner Schuld für den Kreuzhieb und den lupus in fabula, aber ich denke, Herr Günther wird beides abtragen. Meinst Du, es sei eine Lustwandlung gewesen, als ich zwischen den beiden Rennern fortgeschleift wurde von Frankfurt bis gen Höchst? Und dann die schrecklich peinigende Furcht vor der fernerweitigen Strafe des strengen Herrn Erzbischofs! Ein Glück für mich war's, daß ihn gerade vor Mainz die Gesandten des Oesterreicher Herzog's mit reichen Geschenken einholten. Da schmunzelte er ungemein und begnadigte auch mich, indem er lächelnd meinte: das curriculum mit den muntern Rossen werde mir wohl zu einer Warnung für die Zukunft dienen. Jetzt auf, Kameraden! Schon bricht der Morgen an. Der Scharfensteiner Vogt darf uns nicht gewahr werden, sonst nimmt er die Beute für sich und fischt den Lohn beim Erzbischofe weg. Nehmt mir den frischgebackenen Ritter tüchtig in die Mitte. Ich traue ihm nicht seit der Geschichte mit dem lupus in fabula

Amalgundis wurde sanfter, als von Ralph und seinen wilden Genossen zu erwarten war, in den Hof hinabgetragen. Hier ließ sie der Waffenmeister ohne sich weiter um ihre Ohnmacht zu kümmern, in die Sänfte legen, deren Thüre er eigenhändig mit einem tüchtigen Stricke bewahrte. Unter Stößen und Schimpfreden hatte man den jungen Ritter in den Hofraum getrieben. Seine Blicke fielen sogleich auf Stephan und die vier Reisigen, die sämmtlich leichte Verwundungen trugen, und, wie er, geknebelt und gebunden waren. Auch sie hatten der Uebermacht erliegen müssen, die plötzlich und unerwartet eingebrochen.

Die Pferde der Besiegten waren natürlicherweise eine Beute der Sieger geworden. Hoch oben auf Friedmanns Streitroß thronte der Waffenmeister, dem man ansah, wie schwer ihm das Reiten wurde. Er saß zusammengedrückt und den Kopf vorwärts gestreckt, die Beine fest um den Leib des Thieres geklammert. Nicht besseres Ansehn hatten seine Kameraden auf den andern erbeuteten Pferden. Sie schwankten hin und her und es war ein Glück für sie, daß der Zug, der Fußgänger wegen, sich immer in einem mäßigen Vorwärtsschreiten erhalten mußte.

Ralph gab das Zeichen zum Aufbruche. Er setzte sich an die Spitze und die übrigen folgten ihm, indem sie die Gefangenen eng einschlossen, in einem ziemlich unordentlichen Haufen. Die Leibmagd mußte sich zu einer Fußwanderung bequemen, ob sie gleich trotzig erklärt hatte, sie würde sich nimmermehr so tief erniedrigen. Lachend nahmen zwei Kriegsknechte, starke Gesellen, sie unter beide Arme und führten sie so rasch dem Zuge nach, daß sie sich bald und gern entschloß, der fremden Hülfleistung zu entbehren und ihren eigenen Kräften zu vertrauen.

Nachdem man die Ruine verlassen hatte, führte Ralph seine gemischte Gesellschaft zu dem Waldsaum an der Anhöhe zurück. Dann schlug er mit ihr einen Hohlweg ein, der zwischen Weinbergen hinab nach Eltvill am Rheine führte.



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