Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

31.

Mir tagt es nicht mehr. Abfall und Verrath
Umstellen mich.

Müllner.

Die trübe Schwermuth, die sich gewöhnlich auf dem bleichen Antlitze Adolphs von Nassau zeigte, hatte heute einen noch ernstern Character angenommen, als sonst. Man sah ihm an, daß ihm das Fest zur Last fiel, daß er den heutigen Tag lieber in stiller Einsamkeit, als in dem geräuschvollen Treiben einer solchen Lustbarkeit zugebracht hätte. Sein Anzug strahlte von Gold und Edelsteinen, auf seinem Haupte, von dem das schöne braune Haar wogend über den Rücken hinabfloß, prangte ein köstliches Krönlein von eitel ächten Perlen; allein dieser Prunk diente nur dazu die melancholischen Züge und die Blässe des edel gebildeten Antlitzes noch auffallender zu machen.

Die Ehrenplätze neben ihm hatten zwei Reichsgräfinnen eingenommen. Er sprach wenig mit ihnen und sie schienen auch durch die Auszeichnung, welche sie ohnehin genossen, hinlänglich zufrieden gestellt, um noch mehr zu verlangen. Oft schweiften die Blicke Adolphs mit einem seelenvollen Ausdrucke über die Tafel nach Amalgundis hin, die weit unten neben dem salernitanischen Arzte saß. Ein kaum merkliches Lächeln, das sich dann auf dem Angesichte der Jungfrau zeigte, galt ihm als Versicherung, daß sie seinen Blick bemerkt habe, und für einen flüchtigen Augenblick erheiterte sich das trübe Kaiserantlitz. Bei kleinen Hofgelagen hatte Amalgundis immer ihre Stelle neben dem Kaiser. Man nannte sie öffentlich, wenn auch im Geheim nachtheiliger darüber gesprochen wurde, das nachgelassene Kind eines verstorbenen Freundes Kaiser Adolphs, seine Pflegetochter. Unter diesem Titel konnte der Monarch sie recht wohl in seine Nähe ziehen; bei großen, festlichen Gelegenheiten aber mußte das Ceremoniell, die Ordnung, welche Rang und Stand wollte, beobachtet werden.

Alle Plätze an der kaiserlichen Tafel waren besetzt, bis auf denjenigen, welchen die Marschälle für Herrn Mainhard Schelm bestimmt hatten. Zum Befremden der meisten Anwesenden war der Ritter immer noch nicht erschienen, obgleich eine solche Zögerung als Mangel an Ehrfurcht und ein Verstoß gegen die Pallastgesetze ausgelegt werden konnte. Die Reisigen, welche er in bedeutender Anzahl vorausgesendet hatte, hielten still und regungslos auf ihrem Platze. Sie zeigten einen finstern Ernst, aber zugleich sprach sich auch in ihren Zügen eine ungeduldige Erwartung aus, der Wunsch ihren Gebieter bald anlangen zu sehen.

Neben dem noch leeren Platze des Ritters vom Berge saß Amalgundis, ihr zur andern Seite der Arzt Alessandro und gegenüber, zwischen Jutta von Praunheim und ihrem Bruder, der Herr von Nollingen. Dieser legte die ausgelassenste Fröhlichkeit an den Tag. Während der Schöff, in ein düsteres Nachdenken vertieft starr vor sich hinsah, scherzte und lachte Ritter Günther mit Jutta, flüsterte ihr die feinsten Schmeicheleien zu und neckte sich auch wohl einmal mit den vorbeischwärmenden, Worthändel suchenden Hofnarren. Jutta schien in der Nähe des Mannes, dem sie am Abende des heutigen Tages verlobt werden sollte, auf dem Gipfel ihres Glückes. Ihr ganzer Stolz war befriedigt. Ihr künftiger Gatte war ein weit berühmter Reichsritter, ein Günstling des Monarchen, er konnte fast mit Sicherheit darauf rechnen, bald sein Haupt mit der Grafenkrone geschmückt zu sehen. Was wollte Jutta mehr? Das Innere dieses Mannes kennen zu lernen, hatte sie sich nie bemüht. Sie würde zurückgeschaudert sein vor diesem Abgrunde der Bosheit; denn ihrem Herzen waren edle Gefühle nicht fremd, und nur der Stolz und die Selbstliebe vermochten sie zu verleiten und zu täuschen.

Die Empfindungen, mit denen Amalgundis dem Manne, den sie verabscheute, gegenübersaß, waren von der bittersten und quälendsten Art. Ob auch Jutta sie oft durch lieblose Rede beleidigt und verletzt hatte, so grollte sie ihr doch deshalb nicht. Ihre Gutmüthigkeit ließ sie solche Beleidigungen leicht wieder vergessen und oft gar nicht einmal bemerken. Sie hatte nun schon mehrmals im Hause des Stadtschultheißen, als ein vom Kaiser empfohlener Besuch gelebt, sich an Jutta's Launen gewöhnt und war ihr in der That mit schwesterlicher Liebe ergeben. Jetzt mußte sie sehen, wie die Freundin, von einem treuherzigen Wahne befangen, in der Verbindung mit einem Bösewichte das Glück ihrer Zukunft hoffte, wie ihre Seele, in der Gewißheit dieses Glückes, von Freude und Wonne erfüllt war! Sie beschloß sie zu warnen. Dann aber fiel ihr ein, was Alessandro über Günthers nahe Bestrafung gesagt hatte; sie erkannte, daß bei der Erfüllung seiner Vorhersagung diese Warnung überflüssig sein würde und beruhigte sich mit dem Gedanken, Jutta werde in dem nämlichen Augenblicke, der dem Junker von Sonnenberg die Freiheit wiedergebe, von diesem entsetzlichen Bunde erlöst werden. Lebendig trat jetzt vor ihre Seele Friedmann's Bild. Sie vergaß den Ritter von Nollingen, das Fräulein von Praunheim, ihre Umgebungen und den Ort, wo sie sich befand. Nur Friedmann war ihr gegenwärtig, ihre Gedanken beschäftigten sich nur mit ihm. Da sang ein Meistersänger von einer Tribune herab:

»Nit laß ab so bald von mir,
Ach, ich, ich will Dir immer
In ganzer Treue leben!
Ich hoff' ich find dasselb' an Dir.

Diese Worte klangen wieder in ihrem Herzen. Sie mußte sie sich immer wiederholen und es war der Junker von Sonnenberg, den sie damit meinte und von dem sie Treue um Treue erwartete.

Ach, ich, ich will Dir immer
In ganzer Treue leben.«

gelobte sie mit einer Innigkeit, in die alle ihre Gefühle einstimmten.

»Ich hoff', ich find dasselb' an Dir,«

schien ihr ein heller Stern, der in ihre Zukunft hinüberleuchtete und Glück und Freude auf seinen Strahlen trug.

Indessen war unter Anleitung der Marschälle die Tafel mit aller Gattung von Speisen, welche in jener Zeit für Leckerbissen galten, besetzt worden. Die Gefäße, in welchen sich die Gerichte befanden, wurden von den Dienern mit hoch über ihren Köpfen erhobenen Händen hereingetragen, damit nicht ihr Odem etwa die Speisen berühre. Wir fühlen uns um so weniger versucht, die einzelnen Gerichte aufzuzählen, da unsere Leser sich noch von der Hochzeit des artigen Augsburger Kindes, Beata, her des gebräuchlichen Tafelluxus erinnern werden, der hier am kaiserlichen Tische nur gesteigert, aber sonst auf ähnliche Art, wie bei jenem Feste, erschien. Wodurch sich ein solches Bankett an Höfen besonders auszeichnete, das war der Glanz der Ritter und edeln Frauen, denen allein gestattet war, goldene Zierrathen zu tragen, die Anzahl der aufwartenden Junker und Diener, der bewaffneten Reisigen zu Pferde und ins Besondere die Mannichfaltigkeit der Entre-mets, wie man die Schauspiele nannte, die zur Unterhaltung der Anwesenden zwischen einem Gange und dem andern aufgeführt wurden. Da öffneten sich die künstlichen Aufsätze auf den Tafeln und zeigten allerlei Gegenstände, welche gemacht waren, die allgemeine Aufmerksamkeit zu beschäftigen: das brennende Troja, die Schlacht von Ronceval, die Eroberung von Jerusalem, die Stadt Rom und andere Merkwürdigkeiten. Fontänen von süßen Weinen und wohlriechenden Wässern entsprangen aus künstlichen Felsen. Große Maschinen wurden in den Saal geschoben, ihre Wände fielen nieder und Gaukler zeigten sich, die durch halsbrechende Sprünge, Seiltanz und Pantomimen zu unterhalten suchten. Indessen trieben auch die Meistersänger und Narren ihr Wesen fort. Nirgends sollte eine Lücke in dem Freudegenuß entstehen, den man sich vorgesetzt hatte.

Viele solcher Dinge waren auch für das heutige Fest im Palatium angeordnet worden und ihr Spiel sollte, nachdem der erste Gang abgetragen worden, beginnen, als plötzlich ein Ereigniß der ernstesten Art eintrat und die Festlichkeit unterbrach.

Wir haben bereits erwähnt, daß die Abwesenheit des Herrn Schelm vom Berge, eines Ritters, den man zu den Lieblingen des Kaisers rechnete, große Befremdung erregt hatte. Jetzt erschien er mit einemmale in dem Eingange der Halle. Er war gegen die Sitte, welche das Fest mit sich brachte, gewappnet von Kopf bis zu Füßen, eine schwarze Binde hing von seinen Schultern herab, in der Rechten hielt er einen bloßen Dolch. Dicht hinter ihm schritt ein Wappenherold mit dem Stabe her, im vollen Costüm seines Amts.

Bei diesem Anblicke verbreitete sich eine allgemeine Stille in der ganzen Halle. Nur der Ritter von Nollingen und Jutta von Praunheim waren so vertieft in ein Gespräch, welches ihre Liebesangelegenheiten betraf, daß sie den neuen Ankömmling nicht bemerkten. Sie lachten und scherzten. Vergebens stieß Volrad seinen künftigen Schwager an, um seine Aufmerksamkeit auf den Eintretenden zu lenken, vergebens flüsterte er ihm zu: »Bruder, ich ahne ein Unheil. Wahret Euch!« Günther hörte und sah nichts als Jutta.

Indessen hatte sich Herr Schelm in Begleitung des Herolds dem Sitze des Kaisers genähert. Das Visir seines Helmes war zurückgeschlagen und in seinen Zügen war ein finstrer Ernst sichtbar, der seinem ganzen Aufzuge entsprach. Man blickte mit ängstlicher Erwartung auf ihn, denn die schwarze Schärpe, seine Rüstung und die Begleitung des Wappenherolds ließen etwas Außerordentliches vermuthen, das leicht die Freuden, die man sich hier versprochen hatte, verscheuchen durfte. Niemand aber beobachtete jede seiner Bewegungen mit ängstlicherer Aufmerksamkeit, als Amalgundis. Sie erkannte, daß der Augenblick der Entscheidung, auf den Alessandro sie vorbereitet hatte, gekommen sei. Sie zitterte und wechselte die Farbe, ihr ganzes Innere war in Aufruhr, es schien ihr, als läge eine Centnerlast auf ihrer Brust.

Da beugte der Ritter vom Berge ein Knie vor dem Kaiser und überreichte ihm schweigend eine Pergamentrolle, welche der Wappenherold bisher unter seinem Mantel verborgen gehalten und nun dem Knieenden eingehändigt hatte. Adolph griff hastig danach. Als er sie in der Hand hielt und einen Blick darauf geworfen hatte, ging eine wunderbare Veränderung in seinem Aeußern vor, die jedermann auffiel. Die Blässe auf seinem Antlitze wurde von einer hohen Röthe verdrängt, seine Blicke strahlten feuriger, ein freudiges Erstaunen sprach aus seinen Gesichtszügen. Er entfaltete eilig die Pergamentrolle, ein einzelnes Blatt fiel ihm aus andern größern Blättern entgegen. Er schien jenes mit neu erwachendem Befremden zu betrachten. Indem er sich mit seinem Inhalte bekannt machte, zog eine finstere Wolke auf seiner Stirn auf. Die Hand, in welcher er das Blatt hielt, zitterte, während die andere mit einer krampfhaften Bewegung den Rand des Tisches gefaßt hatte. Er wurde wieder bleich, bleicher als er gewöhnlich zu sein pflegte; aber seine Augen sandten drohende Blitze über das Blatt hin nach der untern Gegend der Tafel, nach einem Verräther, den die Rache ereilen sollte, der sich ihr jedoch, ehe Kaiser Adolph den ganzen Umfang seiner Verbrechen erkannt hatte, zu entziehen wußte.

Noch immer koste Günther von Nollingen flüsternd mit Jutta, noch hatten diese beiden nichts bemerkt von dem, was vorgegangen, noch war der Ritter in einer süßen Selbsttäuschung befangen, die ihn sicher machte, trotz des Bewußtseins seiner Vergehungen. Da wurde seine Aufmerksamkeit plötzlich durch die nahen, klirrenden Schritte eines Bewaffneten erregt. Zugleich gewahrte er mit Befremden die allgemein herrschende Stille. Er sah neugierig auf und der erste Gegenstand, den sein Blick traf, war Herr Schelm vom Berge, der völlig gewappnet und mit drohender Geberde ihm gegenüber stand. Da regte sich sein böses Gewissen und das Blut in seinen Adern gerann zu Eis. Ehe er aber noch zur völligen Besinnung kommen konnte, hatte Ritter Schelm sich weithin über den Tisch gebogen und, indem er mit dem Dolche in seiner Hand das Tischtuch vor Günther mit einem Kreuzschnitte trennte, rief der Wappenherold, der ihm gefolgt war, mit lauter Stimme:

»Schmach und Schande auf Günther von Nollingen! Sein Name sei gebrandmarkt, sein Wappen zerbrochen! Er ist schuldig der Felonie und des Hochverraths! Ich vernehme ihn und sein Gut, ich vernehme ihn und sein Recht, ich vernehme ihn und sein Schwert! Kein ehrbarer Rittersmann soll gehalten sein, gegen ihn in die Schranken zu treten, kein Knappe soll ihm folgen, kein Dienstmann ihm gehorchen. Er sei frei alles Schutzes, wie das Wild im Walde, wie der Vogel in der Luft! Sein Gedächtniß erlösche unter den Redlichen, er sei verflucht für alle Zeiten!«

Den Eindruck, den diese öffentliche Entehrung eines Ritters machte, der bisher in allgemeiner Achtung gestanden hatte und als ein Liebling des Monarchen angesehen worden war, zeigte sich auf mannichfaltige Weise. Viele der anwesenden Ritter sprangen auf und sahen mit fragender Geberde nach dem Kaiser hin, dessen finstres Aussehen aber nicht zu Gunsten des Vervehmten sprach. Andere drängten sich zu Herrn Schelm, um bei diesem Erkundigungen einzuziehen, allein die Ereignisse, die jetzt schnell aufeinander folgten, ließen keine Zeit zu näherer Erklärung. Ein heftiger Schrei der Verzweiflung, der sich plötzlich aus gepreßter Brust Raum machte, schmetterte durch den Saal und zugleich sah man Jutta von Praunheim ohnmächtig in ihren Sessel zurücksinken. Günther von Nollingen war aufgesprungen und stand neben ihr, ein Bild des Entsetzens. Seine Haare hatten sich wild emporgesträubt, eine Todtenblässe bedeckte sein verzerrtes Antlitz, seine Zähne schlugen klappernd zusammen, er bebte vor Wuth und seine Hand hatte mechanisch den Dolch aus dem Gürtel gerissen. Er schien im Begriff über den Tisch zu springen und sich in mörderischer Absicht auf die zu stürzen, die seine Schande hier laut verkündet hatten. Da flogen zufällig seine Blicke nach Adolph von Nassau, da sah er die verhängnißvolle Pergamentrolle und sein eigenes Schreiben an Gerhard von Mainz in dessen Händen, da erkannte er, daß für ihn keine Rettung sei, wenn er sie nicht dem Augenblicke abzuringen suche.

» Tout est perdu. Sauve qui peut!« knirschte er für sich hin. Mit einem gewaltigen Fußstoße schleuderte er den schweren eichenen Sessel zurück, den er eingenommen hatte, und eilte dem Hintergrunde der Halle zu, wo sich die großen, nach dem Flußufer hinausgehenden Bogenfenster befanden.

»Haltet den Vervehmten! Fangt den Geächteten!« riefen viele Stimmen hinter ihm her, aber Günther warf mit übermenschlicher Kraft, die ihm die Verzweiflung verlieh, diejenigen von sich, die es wagten seinen Weg zu versperren. Er erreichte glücklich eins der Fenster und ohne der bedeutenden Tiefe zu achten, in die ihn ein gewagter Sprung hinabtragen mußte, schwang er sich hinaus und war in einem Augenblicke den Anwesenden verschwunden. Seine Gewandtheit hatte ihn gerettet. Die Ritter und Junker, welche ihm an's Fenster nacheilten, sahen, wie er frisch und rüstig dem Strande zuflog, wo mehrere Nachen angekettet lagen. Seine Absicht, sich eines solchen Fahrzeuges zu bemächtigen und mit dessen Hülfe über den Fluß zu setzen, um im jenseitigen Walde Sicherheit zu finden, war unverkennbar. Ebenso unmöglich schien es, ihn daran zu verhindern, denn niemand wagte es, ihm einen so gefährlichen Sprung nachzuthun und, ehe man auf dem gewöhnlichen Wege an das Ufer gelangen konnte, hatte er aller Wahrscheinlichkeit zu Folge schon den schützenden Wald erreicht. Pfeile schwirrten ihm nach und Wurfspieße wurden nach ihm geschleudert, aber der Flüchtling blieb ungetroffen und unverletzt. Zu jeder andern Zeit würde es dem Geächteten unmöglich geworden sein, sein gewagtes Unternehmen auszuführen; denn gewöhnlich war am Mainufer eine Menge Lastträger und Arbeiter versammelt, die ihn auf den Ruf aus der kaiserlichen Halle aufgehalten und sich seiner bemächtigt haben würden. Jetzt aber zur Mittagsstunde, die damals noch Vornehme und Geringe mit einander gemein hatten, war es still und öde an diesem Platze. Diejenigen, welche hier den Morgen über mit angestrengter Thätigkeit beschäftigt gewesen waren, suchten jetzt Ruhe und Erquickung in ihren Wohnungen. Nur ein Mann stand in der Nähe des Kahnes, auf den Günther zueilte, um sich seiner zur fernern Flucht zu bedienen. Mit anscheinender Gleichgültigkeit hatte der Mann bisher allen Bewegungen des Ritters zugesehen. Als aber dieser jetzt dem Fahrzeuge nahe gekommen, als er im Begriff war, es loszuketten und zu besteigen: da stürzte jener Mann mit der Wildheit eines Raubthiers, das sich sein Opfer nicht entgehn lassen will, auf Günther zu und riß ihn gewaltsam zurück.

»Antonio Bandini!« rief der Geächtete und starrte den neuen Gegner einige Augenblicke fassungslos an.

»Er ist es!« entgegnete ingrimmig der Lombarde. »Er ist der Dämon der Rache, der Dich dem Verderben und der Schande überliefert.«

Indem er diese Worte sagte, schlang er seine beiden Arme um den Ritter und war bemüht, ihn zu Boden zu werfen. Der Geächtete aber hatte durch die Erkenntniß, daß ihm hier eine Gestalt von Fleisch und Blut und nicht ein gespenstiges Wesen entgegenstehe, seine Besonnenheit wieder erhalten.

»So geh zurück in die Hölle, die Dich gesandt hat!« schrie er wüthend. Bei diesem Ausrufe streckte er mit einem furchtbaren Faustschlage den armen Italiener, der seinen Kräften zu viel vertrauet hatte, zur Erde. Dann stieß er in dem rettenden Nachen vom Lande ab und flog mit einer Geschwindigkeit dem jenseitigen Ufer zu, die wohl zeigte, daß er nicht zum erstenmale sein eigener Fährmann sei. Noch sahen die Ritter aus den Fenstern des Palatiums ihm nach, noch flogen Pfeile und Wurfspieße hinter ihm her, als er frei und geborgen in das Dickicht des großen Kaiserforstes seine flüchtigen Schritte lenkte.



 << zurück weiter >>