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Siebzehntes Kapitel

Sarabella Brande fühlte sich, als sie die Erscheinung ihrer Nichte, die sie heute in die Gesellschaft einführen wollte, ein letztes Mal prüfend betrachtete, sehr stolz und glücklich. Das frische, weiße Kleid des jungen Mädchens, das hübsche Hütchen, die feinen gut sitzenden Handschuhe, der Sonnenschirm, alles war tadellos. Allerdings hätte die Tante etwas lebhaftere Farben gewünscht; aber was dem jungen Mädchen in diesem Punkte mangelte, ersetzte die alte Dame an ihrer eigenen Person durch ein kobaltblaues Seidenkleid mit schwerer Goldstickerei und einen blauen Hut mit gelben Federn in reichlichem Maße.

Die Rickshaws standen vor der Thür; für »Miß Sahib« ein ganz neuer mit Gummirädern und vier prächtig bunten Jampannis, und bald rollten die beiden Damen, die ältere voran, mit einer Schnelligkeit von sieben englischen Meilen in der Stunde auf der bequemen Straße zum Klubhause dahin. Die alte Dame lehnte in behaglich-stolzer Haltung im Fond des Gefährtes und ließ die Federn ihres Hutes wie im Triumphe darüber hinauswehen.

Das Klubhaus bildete den Mittelpunkt, gleichsam das Herz oder die Schlagader von Shirani und enthielt Lesezimmer, Spiel-, Billard- und Theezimmer, sowie einen Tanzsaal. Von außen war das Gebäude mit einer langen und breiten Veranda versehen, von wo aus man auf die Spielplätze und Gärten und, darüber hinaus, auf die in der Ferne funkelnde Kette der Schneeberge blickte.

Die sechs Tennisplätze waren voll besetzt, und die Kapelle des Regiments spielte eben die neueste Gavotte, als sich Frau Brande mit hoch erhobenem Kopfe näherte. Ihr auf den Fersen folgten ihre Nichte und Hauptmann Waring. Sie wußte, daß die Augen aller, besonders die ihrer Freundin Langrishe, auf sie gerichtet waren, und fühlte sich der Lage vollständig gewachsen.

Frau Langrishe, die, in ein tadelloses französisches Kostüm gekleidet, wie die Eleganz selbst aussah, flüsterte ihrem Nachbar, Sir Gloster Sandilands, zu: »Kein übles Mädchen, durchaus präsentabel, nur etwas blaß!« worauf sie sich erhob, um ihrer verhaßten Nebenbuhlerin unter dem Rascheln und Rauschen ihres seidenen Unterrockes mit heuchlerischer Freundlichkeit entgegen zu gehen.

»Wo haben Sie denn gesteckt, liebste Frau Brande? Wir glaubten schon, Sie wären in Quarantäne! Aber bitte, wollen Sie mir nicht Ihr Nichtchen vorstellen? Ich hoffe, sie und Lalla sollen gute Freunde werden.« Während sie sprach, hatte sie jede Einzelheit der äußeren Erscheinung des jungen Mädchens mit kritischen Augen geprüft und mußte sich mit einem gewissen unbehaglichen Gefühle gestehen, daß Honor durch und durch eine Dame war. Sie hatte eine anmutige Gestalt, ein kluges Gesicht und war geschmackvoll gekleidet.

»Wie geht es Ihnen, Fräulein Gordon?« fragte sie. »Haben Sie eine gute Ueberfahrt gehabt und sich auf dem Schiffe gut amüsiert?« Dann rief sie, ohne die Antwort abzuwarten, ihrer Nichte, die, von einem Kreise von Herren umgeben, in der Nähe stand, zu: »Komm her, Lalla, und laß dich mit Fräulein Gordon bekannt machen!«

Lalla kam nur langsam und mit dem Gesichtsausdrucke einer Märtyrerin herbei.

»Ich glaube, wir haben uns schon gesehen,« sagte Honor, ihr freundlich die Hand entgegenstreckend.

Lalla zog verwundert die Augenbrauen in die Höhe.

»Daß ich nicht wüßte!« sagte sie, indem sie Honor einen kleinen Wink gab, der ihr Schweigen anbefahl.

Unglücklicherweise verstand sich ihr Gegenüber nicht auf solche Zeichensprache.

»O, erinnern Sie sich denn nicht?« fuhr Honor mit ihrer klaren Stimme fort: »Wir begegneten uns neulich ganz in der Frühe, oben im Walde. Sie gingen mit Mr. Joy; unsre Hunde bissen sich noch miteinander.«

Lalla war in heller Wut gegen dies dumme, plauderhafte Geschöpf und haßte es fortan von Herzensgrunde.

Frau Langrishe, die zum erstenmal von den Morgenspaziergängen ihrer Nichte hörte, preßte die Lippen zusammen. Solche Promenaden zu zweien mit einem Habenichts wie Toby Joy waren durchaus nicht nach ihrem Geschmack.

»Ach ja, jetzt besinne ich mich!« entgegnete Lalla, als koste es sie Mühe, sich diese Thatsachen ins Gedächtnis zu rufen. »Aber Sie waren damals im Morgenkleide und sehen in Toilette ganz anders aus! Nun, wie gefällt es Ihnen in Indien?«

»Ich habe noch zu wenig davon gesehen, um urteilen zu können.«

»Ich sehe, das Organ der Vorsicht ist bei Ihnen sehr ausgebildet,« versetzte Lalla. »Ich weiß immer im ersten Augenblicke, ob ein Ort oder eine Person mir gefällt oder nicht. Reiten Sie gern?«

»Ich habe seit meiner Kindheit nicht mehr geritten, hoffe es aber bald wieder zu lernen.«

»Der Ritt auf Hauptmann Warings Pony war also Ihr erster Versuch? Sie sahen furchtbar lächerlich aus, und ich fürchte fast, Sie sind zu alt, um noch reiten zu lernen. Aber Sie können doch tanzen?«

»Ich tanze sogar sehr gern.«

»Wie viele Ballkleider haben Sie sich denn mitgebracht?«

»O nur drei,« versetzte Honor in entschuldigendem Tone.

»Daran werden Sie vollständig genug haben, denn Indien ist nicht mehr, was es war. Es gibt Tänzerinnen, welche die halbe Nacht sitzen bleiben. Und noch eins, lassen Sie sich ja nicht nach dem Geschmack Ihrer Tante kleiden; ja, wir alle würden Ihnen dankbar sein, wenn Sie auf die Toiletten der alten Dame einen Einfluß gewännen. Mir zum Beispiel bereitet die Zusammenstellung unpassender Farben geradezu körperliche Schmerzen. Aber da kommt der Baronet Sir Gloster, mit dem ich allerlei zu besprechen habe. Verzeihen Sie also!« Damit ließ sie Honor stehen und ging davon.

Baronet Sandilands, ein Mann von etwa dreißig Jahren, ein einfacher Mensch von beschränkten Ansichten und schlichten Gewohnheiten, war der einzige Sohn einer Witwe, die ihn sehr im Zaume gehalten hatte. Er liebte die Musik, die Gesellschaft junger Damen und, da er selbst ziemlich langweilig und schwerfällig war, überhaupt die heitere Gesellschaft. Muntere Gesellschafter gab es freilich auch daheim; aber da diese Art Leute in der Regel ebenso arm als angenehm sind, hatte Frau von Sandilands sie in unerreichbarer Ferne zu halten gewußt. Jetzt hatte sie ihren Sohn seiner Schwester, Frau Kane, in der festen Ueberzeugung anvertraut, daß sie über ihr Kleinod wachen werde; aber Frau Kane war viel zu sehr von ihren eigenen Angelegenheiten in Anspruch genommen, um groß auf ihren Bruder zu achten, der außerdem, ihrer Meinung nach, alt genug war, um auf eigenen Füßen stehen zu können. Sir Gloster war entzückt von Indien, seinem Klima, den herrlichen Landschaftsbildern und dem frischen, freien, fröhlichen Leben, das er hier fand. Er hatte den Winter in der Ebene zugebracht und war mit Eintritt der wärmeren Jahreszeit nach Shirani gekommen, um seine Schwester zu besuchen und eine Saison in den Bergen mitzumachen.

Frau Brande hatte inzwischen ihre Nichte mit einer Menge von Leuten bekannt gemacht, und nachdem der junge Jervis Honor abgeholt hatte, um mit ihr den verschiedenen Ballspielen zuzusehen, hatte sich die alte Dame in einen niedrigen Stuhl sinken lassen, um sich nun ungestört in ein längeres Gespräch mit einer ihrer Bekannten zu vertiefen.

Plötzlich wurde sie in diesem Genusse von Frau Langrishe unterbrochen.

»Verzeihen Sie, Liebste, aber sitzen Sie nicht vielleicht auf einer Zeitung, auf der World?«

»Gewiß nicht!« entgegnete Frau Brande, der die Störung sehr ungelegen kam.

»Bitte, sehen Sie doch nach,« fuhr ihre Gegnerin in ziemlich scharfem Tone fort.

»Na, denn -- Sie sehen, das Blatt liegt nicht hier!« rief Frau Brande ungeduldig. »Wie kommen Sie überhaupt zu der Vermutung, daß ich darauf sitze?«

»Ich kam dazu, weil Sie doch immer auf irgend etwas sitzen!« versetzte die andre, indem sie der Rivalin, die vor Zorn den Atem verlor, den Rücken wandte.

»Hat schon jemand eine solche abscheuliche Person gesehen!« rief die alte Dame, fast in Thränen ausbrechend. »Sie verfolgt mich förmlich und hat dann doch die Stirn, sich, wenn sie eine Gesellschaft gibt, von mir Silberzeug, die Eismaschinen und so weiter zu borgen.«

Während der Zeit hatte Honor, auf eine hölzerne Barriere gelehnt, der Tennispartie zugesehen, an der ihr Onkel teilnahm, der ein sehr geschickter und leidenschaftlicher Spieler war und überraschend jung aussah.

»Sie haben also schon Freunde hier?« bemerkte Jervis, der neben ihr stand.

»Freunde wohl nicht, aber ich bin vielen Leuten vorgestellt worden,« entgegnete Honor.

»Die Veranda ist ein abscheulicher Platz, und es gehören so gute Nerven, wie Waring sie hat, dazu, um in diesem Gewimmel von Fremden auszuhalten. Ich bin zu schüchtern, um nicht meilenweit davon zu bleiben,« fuhr Jervis fort.

»Ich glaube, er befindet sich dort äußerst wohl und hat eine Unmasse von Bekannten. Haben Sie schon viele Besuche gemacht?«

»Nein, Waring hat mich nur in ein oder zwei Häuser geschleppt. Ich finde keinen Geschmack an großer Geselligkeit.«

»Aber wie wollen Sie Ihre Zeit hinbringen?«

»Ich bin ein leidenschaftlicher Tennisspieler, und Ihr Onkel hat mich schon auf seinen Privatplatz eingeladen. Wie wäre es, wenn wir, Ihr Onkel, ich, Sie und Fräulein Paske oder Frau Sladen morgen eine Partie machten?«

»Ja, wenn wir Frau Sladen dazu bekommen könnten!«

»Fräulein Paske also nicht? Sie mögen wohl die junge Dame nicht gern?«

»Das kann ich noch nicht sagen; aber daß sie sich herausnahm, sich über meine Tante lustig zu machen --«

»Ich will Ihnen was gestehen, Fräulein Gordon. Ich mache mir auch nichts aus Fräulein Paske.«

»Warum?« fragte Honor lebhaft.

»Vielleicht nur, weil sie mich so grausam schneidet. Sie that das schon in Kalkutta. Aber Sie haben ihr jetzt eben eine große Freude bereitet, als Sie mit der kindlichsten, unschuldigsten Miene ihrer Tante und der Gesellschaft von Shirani von den Spaziergängen mit dem jungen Joy erzählten!«

»Hätte ich das vielleicht nicht erwähnen sollen?« fragte Honor, ihn mit erschrockenen Augen anblickend. »Ja, so was sieht mir ganz ähnlich! Aber meine Seele dachte nicht daran, daß ich -- daß ...«

»Daß Sie die Katze aus dem Sacke ließen, nicht wahr?«

»Ich hatte ja keine Idee, es schien mir nur zu sonderbar, daß sie sich unsrer Begegnung nicht erinnern wollte.«

»Und da sorgten Sie dafür, daß ein solches Vergessen nicht wieder vorkommen kann. Ob sie Ihnen das je vergeben wird, wollen wir sehen! Aber da kommt der alte Sladen,« setzte Jervis hinzu, als sich ihnen ein schwerfälliger Herr näherte, der sich, bei dem jungen Paare angelangt, so wuchtig auf die Barrierestangen lehnte, als wolle er sie auf ihre Haltbarkeit prüfen.

Oberst Sladen, der überzeugt war, daß eine gewisse, in väterlichem Tone auftretende, rauhe, plumpe Offenheit jungen Mädchen immer gefalle, wandte sich sogleich an Honor: »Na, ich höre, Sie sind mit dem großen Tiere der Saison hier eingetroffen und damit den hiesigen jungen Damen um mehrere Nasenlängen vorausgekommen, Fräulein Gordon.«

»Mit dem großen Tiere?« fragte Honor mit etwas zurückgeworfenem Kopfe.

»Machen Sie nur nicht gleich ein Gesicht, als ob Sie mich fressen wollten!« gab Sladen lachend zur Antwort. »Ich meine mit Waring, der zur Zeit ein großes Tier ist. Er scheint sich ja jetzt im Golde zu wälzen. Ich habe ihn gekannt, als er noch nichts hatte, als Schulden. Er spielte hoch ...«

»Der Herr hier ist sein Cousin, Herr Jervis,« fiel Honor ein.

»Ah,« versetzte der Oberst mit einem gleichgültigen Blicke auf Mark. »Na, es ist gar keine schlechte Sache, der Cousin eines Millionärs zu sein.«

»Woher wissen Sie denn, daß Waring Millionär ist?« fragte der junge Mann kühl.

»O, ich sagte es ihm vorhin auf den Kopf zu, und er widersprach mit keinem Worte. Eben hat er einen fabelhaften Preis für ein paar Polo-Ponies bezahlt, die ihm, glaube ich, Major Byng zugeschanzt hat.«

»Der Ankauf von Polo-Ponies will nichts besagen,« versetzte Jervis lächelnd. »Wäre das ein Beweis, so müßte man ja jeden subalternen Beamten in Indien für einen Millionär halten.«

Oberst Sladen sah den Sprecher nur mit einem langen, geringschätzigen Blicke an, warf dann seine abgebrannte Cigarre in einen Heliotropenbusch und wandte sich wieder dem jungen Mädchen zu.

»Sie haben da zu Ihren Füßen eine Auslese unsrer jungen Männerwelt, die Sie ja auch in anderm Sinne bald zu Ihren Füßen sehen werden,« fuhr er fort. »Ich kann Ihnen über einen jeden Bescheid geben, und es ist für eine fremde junge Dame immer gut, zu wissen, wohin sie zu steuern hat und welche Farbe Trumpf ist.«

»Was wollen Sie damit sagen? Ich verstehe Sie nicht,« lautete die frostige Antwort.

»Ach was, stellen Sie sich nicht an! Sie verstehen mich recht gut!« versetzte der Oberst mit einem halb verhaltenen, häßlich glucksenden Lachen. »Und da ich am längsten hier in Indien bin, kann ich Ihnen die beste Auskunft geben. Sehen Sie, dort der junge Mann in der gelben Mütze, das ist Hauptmann Billing. Er spielt mit Fräulein Clover, dem schönsten Mädchen in der Kolonie.« Hier machte er eine kleine Pause, um zu sehen, ob der Schuß getroffen habe oder die Herausforderung angenommen werde, wartete aber vergebens und fuhr nun fort: »Der da drüben ist Toby Joy, der immer tanzt oder Komödie spielt, anstatt sich um den Dienst zu kümmern. Der schlanke junge Mann neben ihm, der mit dem roten Gürtel, ist Lieutenant Jenkins. Er ist sehr reich: sein Vater hat, glaube ich, mit Schweinen oder Pillen gehandelt. Dann ist da unten Lieutenant Alston von den grauen Jägern, ein hübscher Mensch und ältester Sohn, und dort, links, sehen Sie Howard von der reitenden Garde, alte Familie, viel Geld; aber er trinkt. Nun, welchem dieser jungen Männer gedenken Sie Sprenkel zu stellen?«

»Keinem!« entgegnete Honor, blaß vor Entrüstung.

»Ach, sprechen Sie doch nicht so! Ich wette fünf gegen eins, daß Sie nächstes Jahr um diese Zeit verheiratet sind.«

»Nicht in fünf Jahren um diese Zeit!«

»Dummes Zeug! Wozu wären Sie denn herüber gekommen? Einem alten Kerl, wie mir, streut man keinen Sand in die Augen. Ich soll wohl glauben, Sie wären Ihrem Onkel oder Ihrer Tante zuliebe hier? Keine Spur! Einem jungen Manne zuliebe haben Sie die Reise gemacht! Aber hören Sie auf den Rat eines Freundes,« fuhr er leiser und in vertraulichem Tone fort, »seien Sie klug und lassen Sie den Millionär nicht aus dem Garne.«

»Herr Oberst, Sie scherzen wohl nur und scheinen den Spaß sehr hübsch zu finden,« entgegnete Honor mit vor Zorn bebenden Lippen und blitzenden Augen. »Aber ich kann Ihnen sagen, daß er mir gar nicht gefällt. Im Gegenteil, ich -- ich finde es sehr bedauerlich, wenn ein Mann Ihres Alters und Standes sich so ordinäre Scherze erlaubt.«

»Wirklich?« gab er, nicht im mindesten eingeschüchtert, sondern vielmehr belustigt, zur Antwort. »Sie haben also weder Respekt vor dem Alter, ha, ha, ha! noch Sinn für Humor, mein liebes Fräulein? Sie sind ja ein kleiner Sprühteufel, ein kleiner Feuerbrand. Ein recht hübsches Wortspiel, nicht wahr? Aber ich sehe, daß Tombs mir winkt. Er hat endlich, Gott sei Dank, eine Whistpartie zu stande gebracht. Thut mir leid, gehen zu müssen. Aber lassen Sie meinen Rat nicht außer acht! Auf Wiedersehen!« Dabei ging er, in sich hineinlachend, davon.

»Haben Sie je einen so abscheulichen Menschen gesehen?« fragte Honor, sich mit Zornesthränen in den Augen zu Jervis wendend.

»Ein- oder zweimal verspürte ich Lust, ihn über die Barriere hinunterzuwerfen!« versetzte Mark.

»Und das ist der Mann einer solchen Frau!« rief Honor. »Ein abscheulicher Mensch! Denken Sie nur, er hat die Frechheit, zu behaupten, daß jedes junge Mädchen, das nach Indien kommt, nur auf die Jagd nach einem Manne ausgeht! Ich bin aber froh, daß er mir alle reichen jungen Leute gezeigt hat.«

»Und warum das?« fragte Mark erstaunt.

»Weil ich mich nun doch in acht nehmen kann, die Bekanntschaft des einen oder andern zu machen.«

»So hat also auch die Armut einmal ihre Vorteile. Sie werden demnach die jüngeren Söhne nicht verachten?«

»Nein, Herr Jervis! Und ich gehe noch weiter. Wären Sie zum Beispiel reich, so würde ich nie wieder ein Wort mit Ihnen sprechen! Warum lachen Sie denn?« fragte das junge Mädchen verwundert und setzte dann in eisigem Tone hinzu: »Vielleicht haben Sie die Güte, mich, wenn Sie ein wenig zu sich gekommen sind, zu meiner Tante zurückzuführen.«

»O, Fräulein Gordon, ich bitte demütiglichst um Verzeihung, wenn ich Sie verletzt habe,« bat Jervis mit verdächtig nassen Augen. »Ich lachte nur über meine eigenen Gedanken. Und Ihre Entrüstung war so groß, daß -- daß --«

»Sie werden am besten thun, nichts weiter zu sagen, denn Sie machen durch Ihre Entschuldigungen das Uebel nur immer ärger. Es geht mir selbst oft genug so,« setzte das junge Mädchen mit einem aufdämmernden Lächeln hinzu. »Ich rede hier aus eigener Erfahrung.«

»Versprechen Sie mir nur eines,« bat er. »Versprechen Sie mir, daß Sie mich nicht fallen lassen wollen, wenn Sie einmal eine fürchterliche Musterung unter Ihren Bekannten halten.«

»Warum sollte ich Sie denn fallen lassen? Der Grundsatz, den ich soeben aufgestellt habe, berührt Sie ja gar nicht. Sind Sie etwa ein Millionär?«

»Ich bin ja nun schon ein alter Freund von Ihnen und jedenfalls Ihr ältester Bekannter in Indien,« lautete die nach kurzem Zögern einigermaßen verlegen gegebene ausweichende Antwort.

»Gut, aber Sie dürfen die alte Freundschaft auch nicht mißbrauchen. Ich sage Ihnen im voraus, daß es, wenn Sie mich wieder einmal auslachen, mit unsrer Freundschaft aus und vorbei ist!« erwiderte Honor mit möglichster Ernsthaftigkeit.

*

Es war inzwischen dunkel geworden. Rufe nach den Ponies und den Rickshaws wurden überall laut, bald lagen die Spielplätze, sowie die große Veranda einsam und verlassen, und die Schar der rotbemützten Tennisboys wanderte heimwärts.


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