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Achtundzwanzigstes Kapitel

Bosheit des Schonkilje. Wie die Zwickelbart davon Nutzen zu ziehen weiß

Die Zwickelbart, die nun an dem Punkte stand, ihre letzten Hoffnungen schwinden zu sehen und wohl einsah, daß sie Tanzai nicht dahin bringen würde, Neadarnen nach der Insel des Schonkilje reisen zu lassen, beschloß, statt sich länger mit vergeblichen Bitten aufzuhalten, alles aufzubieten, was nur Mächtiges in ihrer Kunst war, ihren Prinzen zu befreien. Ob Tanzai dabei verlor, daran lag ihr wenig. Die geringe Achtung, die er gegen sie hegte, die Widerreden, die sie von ihm ausgestanden hatte, und das dringende Bedürfnis für sie, daß Neadarne dem Genius in die Hände fiele, überwogen jede andere Rücksicht. Ohne hiervon das Geringste zu äußern, sann sie auf Mittel, sich aus ihrer Unruhe zu ziehen. Die Nacht brach an und noch sann sie darüber nach.

Das junge Ehepaar hatte sich gleich nach der Mahlzeit niedergelegt und Tanzai seine Willensmeinung noch wiederholt. Die Fee ließ sie schlafen und suchte vergeblich eine List auf, die ihr zustatten käme, als plötzlich sich ein fürchterliches Geräusch in der Stadt erhob. Gütiger Affe! was hör ich? rief der Prinz, der voll Schreck aus dem Schlaf fuhr. Ach! sagte die Zwickelbart, die mittels ihrer Kunst von dem Vorfall sofort unterrichtet war, dieser Schonkilje ist sehr schrecklich! – Was hat er denn getan? fragte sie Tanzai. Ihr müßt wissen, nahm die Zwickelbart wieder das Wort, er war in eine der schönsten Frauen dieser Stadt verliebt. Entrüstet durch den Widerstand, den sie seinen Begierden entgegensetzte, hat er sie in ein Ungeheuer verwandelt. Mit dieser Strafe nicht zufrieden, hat er seine Rache über alle hübsche Frauenzimmer hier erstreckt und beschlossen, sie sollen so lange häßlich bleiben, bis sie eine Reise nach seiner Insel gemacht haben. Dies ist die Ursache von dem Lärm, den Ihr vernehmt. Die Tremissen möchten ihre Frauen nicht gern in ihrem gegenwärtigen Zustande sehen, allein die Bedingung, unter der ihnen der Genius ihre Schönheit wiedergeben will, dünkt ihnen noch unerträglicher als der beständige Anblick ihrer Häßlichkeit.

Die Stadt scheint mir sehr bevölkert, versetzte Tanzai, und der Genius wird nicht wenig zu tun haben, wieder gut zu machen, was er verdorben hat. – Wie, Wollust meines Lebens! sagte Neadarne zu ihm, glaubt Ihr, daß es Frauen geben sollte, die ihre Tugend der Wiederherstellung ihrer Schönheit opfern sollten? – Behüten die Götter, daß ich so schlecht dächte! erwiderte Tanzai; ich möchte aber nicht, wenn ich Frau wäre, daß man mich auf die Probe stellte. Wie dem auch sein mag, so wollte ich dafür stehen, daß ehe noch zwei Tage vergangen sind, von Schonkiljens Rache keine Spur mehr zu sehen sein wird.

Ein gräßlicher Schrei, den Neadarne ausstieß, unterbrach hier das Gespräch. Was habt Ihr denn so zu schreien? rief Tanzai. Ach, antwortete die Prinzessin, ich müßte mich sehr irren, wenn meine Nase nicht wenigstens einen halben Fuß länger ist, wie sonst. Der Prinz, hierüber voll Verzweiflung, holte eines von den Lichtern, die im Zimmer brannten. Als er aber Neadarnens scheußliches Gesicht erblickte, ließ er es vor Schreck fallen. Das fehlte gerade noch! rief er. Gebt mir einen Spiegel, sagte die Zwickelbart, und nehmt ein anderes Licht. Der Prinz brachte beides mit Zittern und Neadarne fand sich so häßlich, so alt, so bucklicht, daß sie ihre Tränen nicht zurückhalten konnte. Die Fee Kukumer hätte jetzt an Annehmlichkeiten mit ihr einen Wettstreit beginnen können. Warum seid Ihr so mißmutig? sagte der boßhafte Maulwurf; an einem Übel, wofür man ein zuverlässiges Hilfsmittel weiß, ist wenig gelegen. – Eben dies Mittel setzt mich in Verzweiflung, antwortete der Prinz; und wenn es mich auch nicht kränkte, glaubt Ihr, daß Neadarne es sich erlauben werde, davon Gebrauch zu machen? – Ach Prinz, sagte Neadarne, die durch so viele Unglücksfälle ganz zu Boden geworfen war, ich will nichts tun, worein Ihr nicht willigt. Und Ihr, fuhr sie fort, wobei sie sich an die Zwickelbart wandte, Ihr, die Ihr mir Euren Schutz versprochen habt, wann soll ich dessen teilhaft werden? In der jetzigen Lage bedarf ich seiner gerade am nötigsten. – Mich setzt hierbei nichts mehr in Erstaunen, antwortete der Prinz, als daß Neadarne die Wut des Genius mit betrifft. Natürlicherweise sollte sie nur auf die Einwohnerinnen dieser Stadt fallen, was haben Fremde mit alldem zu tun? Die Zwickelbart hätte, wenn sie gewollt, besser als irgend jemand Tanzai von dem Zusammenhange dieser Begebenheit unterrichten können, weil sie allein Neadarnens Verwandlung bewirkt hatte. Vor Verzweiflung über die Hartnäckigkeit des Prinzen, Neadarne nicht zu Schonkiljen zu schicken, und deswegen ihren Scholuchern nicht befreien zu können, hatte sie die Rache des Genius im Nu ergriffen, in der Hoffnung, daß Neadarnens ausnehmende Häßlichkeit Tanzai leichter bewegen würde, sie nach der Insel des Schonkilje gehen zu lassen. Der Prinz verlor sich inzwischen in Wehklagen. Die Fee, um ihm wieder Mut zu geben, sagte: der Genius hätte sicher seine Rache nicht genug überlegt gehabt. Da so viele Frauen sich darein verwickelt fänden, würde er genötigt sein, dem größten Teile von ihnen ihre Schönheit wiederzugeben, ohne dafür ihre Unterwürfigkeit zu verlangen. Daß man diese Zeit nutzen und ihm die Prinzessin schicken müßte, weil sie dann besseren Kaufs davon kommen würde. Ja freilich, versetzte Neadarne, schöner werde ich wieder zurückkommen. Wer wird mir aber das wiedergeben, was die Kukumer mir genommen hat? Wir haben diese Reise nur zur Herstellung von einem Übel unternommen, und ich habe jetzt deren zwei, wovon das eine beinahe eben so unangenehm ist als das andere. Wiewohl das Mittel, das man mir vorschlägt, für beide unfehlbar ist, so kann ich mich dennoch keines von Beiden bedienen. Wohl überlegt, ist es für meinen Gemahl besser, daß ich häßlich bleibe. Meine jetzige schreckliche Gestalt wird meine vorige bei ihm in Vergessenheit bringen; er wird mich nicht mehr lieben; allein um mich seiner Zärtlichkeit würdig zu machen, muß ich seiner Achtung verlustig werden.

Erbärmliche Logik! antwortete die Zwickelbart. Was macht eigentlich das Verbrechen? Bloß die Einwilligung. Ihr wünscht nicht in Schonkiljens Armen zu sein, folglich könnt Ihr auch nicht Verbrecherin sein. Euer einziger Wunsch ist bloß, Eure vorige Gestalt wieder zu erlangen. Nur lediglich Eures Gemahls wegen bedauert Ihr diesen Verlust; und wenn Ihr Euch dem unterwerft, was Euch davon befreien kann, so geschieht das nur seinetwegen; mithin kann er nicht anders, als Euch um so höher schätzen, da Ihr ihm Eure Abneigung aufopfert. Ist dem nicht so, Prinz? – Ich weiß nicht, antwortete er, ob Euer Räsonnement richtig ist; aber bei all den Unglücksfällen, die mich zu Boden drücken, scheint mir die Partie die beste, die mich am ehesten davon befreit.

Wenn sie diese Unterredung auch fortgesetzt hätten, so ist doch der Geschichtschreiber zu verständig, um sie dem Leser völlig mitzuteilen. Inzwischen nahm das Getöse in der Stadt so mächtig zu, daß Neadarne und die Zwickelbart den Prinzen baten, ein wenig auf den Straßen umherzugehen und Erkundigung einzuziehen, was vorginge. Bei seiner Zurückkunft meldete er ihnen, daß kaum die Rache des Genius ausgebrochen sei, als alle Frauen scharenweise nach der Insel des Schonkilje gereist wären. Die Königin selbst, die ihre Häßlichkeit nicht einen Augenblick länger ertragen konnte, hätte diesen Entschluß zuerst ergriffen. Allein bei ihrer Rückkehr habe sie der König erwürgt und es wären nur wenig Männer in der Stadt, die es mit ihren Weibern nicht ebenso gemacht hätten. Dies hält die Hiergebliebenen nicht ab, setzte er hinzu, auch dahin reisen zu wollen, und ich bin fest versichert, daß ehe der Tag zu Ende, keine Frau mehr hier zu finden ist, die noch Merkmale vom Zorn des Genius trägt. Das wußte ich wohl, daß bei den Frauenzimmern die Eitelkeit, schön zu sein, die Zufriedenheit überwiegt, tugendhaft zu bleiben. Die Schuld der Männer! entgegnete die Zwickelbart. Laßt sie der Tugend bei den Frauenzimmern so geflissentlich nachstreben wie der Schönheit, lasset jene ihnen von so vielem Nutzen sein wie diese, so werdet Ihr sehen, daß wir eben so gern tugendhaft als schön sein wollen. Doch davon nichts weiter! Wozu werdet Ihr Euch endlich entschließen, Prinz?

Neadarne reisen zu lassen, so bald die Morgenröte den Tag verkündet haben wird; morgen wird sie Schonkiljen sehen und morgen werde ich vor Schmerz sterben. Einer der Unglücksfälle, die sie erduldet, ist wahrlich schon zu viel für sie, und ich würde am Ende den Vorwurf besorgen: sie nur bloß um meiner selbst willen geliebt zu haben.

Es liegt wenig daran zu erfahren, wie der Überrest dieses Tages verfloß. In beständig neuen Besorgnissen bei dem Prinzen, in wiederholten Versicherungen der Treue von Neadarne, in Versprechungen der Zwickelbart an den Prinzen, daß Neadarne so von der Insel zurückkommen würde, wie sie hingegangen sei, ihre Heilung ausgenommen, die durch Feenkünste bewirkt werden würde und die ihrer Tugend nichts kosten sollte, in festem Beharren des Prinzen bei seinem Unglauben, der, wie's schien, viel Behagen daran fand, den allerschlimmsten Fall anzunehmen. Über dem allen brach endlich die Nacht an. Tanzai, der am Tage wohl zwanzigmal seine Meinung geändert hatte, legte sich mit dem Entschluß nieder, die Prinzessin reisen zu lassen. Die Zwickelbart, die Neadarnen einige Sachen von Belang zu sagen hatte, brachte, wie sie sah, daß der Prinz vor Gram nicht schlafen konnte, es durch Zauberei dahin; dann begann sie wie folgt:


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