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Zweites Kapitel

Rückkehr des Prinzen. Versammlung des Staatsrats. Antrag zur Vermählung. Ankunft der Prinzessinnen. Wie diese sich gegen den Prinzen benehmen und er sich gegen sie.

Die Rückkehr des Prinzen gab Stoff zu neuen Mutmaßungen und war den politischen Kannegießern in Scheschian eine unerschöpfliche Quelle zu Räsonnements und Hirngespinsten. Der Pöbel, der nie geschäftiger ist, die Triebfedern der Handlungen seiner Regenten aufzufinden, als wenn sie für ihn am verborgensten liegen, erschöpfte sich in Betrachtungen, und erriet so wenig die Veranlassung zu seiner Rückkehr als die zu seiner Entfernung. Den Damen machte die Sache weniger Verlegenheit. Jede von ihnen glaubte, daß Tanzai von einer geheimen Leidenschaft glühe, wogegen sein Stolz fruchtlos gekämpft habe, und daß er nur deshalb wiederkehrte, um seiner Überwinderin eine Huldigung zu leisten, die er ihr nicht länger verweigern könnte. Doch wozu jene Zurückhaltung? Hat man in einem so erhabenen Range es nötig, seine Begierden zu verhehlen? Und sind Prinzen dazu geschaffen, schüchtern zu lieben?

Inzwischen waren die Vermutungen der Damen nicht ohne Grund. Der Prinz war frömmelnd, Leute von dem Schlage können vielleicht in Versuchung geraten, allein sie verbergen die Bewegungen in ihrem Innern mehr, als daß sie sie bekämpfen, und widersetzen sich ihrem Falle nur dann, wann er nicht mehr verschwiegen bleiben kann. Wie viele Spröde hat nicht die Furcht, Aufsehen zu erregen, hervorgebracht!

Unter den Frauenzimmern, die auf Tanzais Herz Ansprüche machten, glaubte seine Oberhofmeisterin die begründetsten Rechte zu haben und zweifelte gar nicht, daß er, wo nicht aus Liebe, doch wenigstens aus Erkenntlichkeit, seine ersten Seufzer oder seine verliebten Grillen ihr widmen würde. Die erfahrensten Koketten am Hofe machten sich gleichfalls seine Eroberung streitig und legten seinen Augen alles das zur Schau, was die Begierde, zu gefallen, die Frauenzimmer an Mienen und Gebärden nur ersinnen läßt. Die Gleichgültigkeit des Prinzen ward dadurch nicht erschüttert. Er verlangte eine sittsame schöne Tochter der Natur, die der Kunst nichts zu verdanken hätte und die er, ohne sie zu beleidigen, beim Nachttisch sehen könnte. Er schlug diese Probe vor; allein seine Prätendentinnen insgesamt gerieten dadurch in Verlegenheit, so gute Meinung sie auch von ihren Reizen hatten. Sie entsagten lieber allen Ansprüchen auf Tanzai's Herz, als daß sie sich seinen Augen so zeigen wollten, wie sie durch die Nachtwachen bei Hofe und ihre ermüdenden Dienstarbeiten geworden waren.

Der König war inzwischen ernstlich darauf bedacht, seinen Sohn zu verheiraten. Da dies eine Sache von Belang war, wollte er mit seinem Staatsrat darüber konferieren. Die auswärtigen Minister trugen die Töchter ihrer Prinzipale an. Es waren ihrer zwölf, die sich mit diesem Bündnis schmeicheln konnten. Da aber Cephaes dafür hielt, daß sein Sohn nicht zwölf Prinzessinnen zugleich heiraten könnte, so war er wegen der Wahl unschlüssig. Die Könige, deren Töchter man ihm antrug, waren ausnahmslos sehr mächtig. Es war gefährlich, sie unwillig zu machen; gleichwohl konnte nur einer zufrieden gestellt werden. Nie hatte die Hofweisheit des Staatsrat eine ernstere Materie zu verhandeln gehabt. Nur der Prinz, allen an Weisheit überlegen, wußte ihnen ein Auskunftsmittel an die Hand zu geben, das für die Wohlfahrt des Reichs und die Majestät der benachbarten Könige nicht glücklicher sein konnte. Er tat den Vorschlag, daß jeder dieser Fürsten die Prinzessin, die er ihm zur Gemahlin bestimmte, nach Scheschian schicken sollte. Hier könnten sie insgesamt dreizehn Wochen beim Hofe bleiben. Zwölf Wochen wollte er nach der Reihe bei ihnen verwenden, sowohl, um besser über ihre Eigenschaften zu urteilen, als auch ihnen die Freiheit zu lassen, über die seinigen ins Klare zu kommen. In der dreizehnten Woche wollte er, nach reifer Erwägung ihrer persönlichen Schönheiten oder der Sanftheit ihrer Charaktere, seine Wahl erklären. Durch dies Verfahren würde keiner der Potentaten, von denen die Rede war, die Verweigerung des angetragenen Bündnisses einer Verachtung beimessen können, weil ihn bloß ihre geistigen oder körperlichen Annehmlichkeiten dazu bestimmt hätten.

Der Staatsrat gab dem Entschlusse des Prinzen vollen Beifall. Die auswärtigen Minister berichteten ihn ihren Höfen, die ihn genehmigten. Man begann sonach die Zimmer im Palaste zuzubereiten, welche die Schönen bewohnen sollten. Nicht lange nachher sah man sie ankommen. Die prächtigsten Feste drückten das Wohlgefallen aus, das man empfand, sie an diesem Hofe zu sehen. Man führte verschiedene Opern vom Prinzen auf, die man entweder aus Gefälligkeit oder Gerechtigkeit bewunderte. Tanzai, der beim ersten Anblick die Prinzessinnen alle gleich liebenswürdig fand, hätte sie gern alle geheiratet. Allein die Ehrerbietung vor den Gesetzen hielt ihn zurück und er begnügte sich, ihnen, so wohl in Prosa als in Versen, die artigsten Komplimente der Welt zu sagen. Hatten ihm nun die Prinzessinnen gefallen, so war ihnen keine von seinen Annehmlichkeiten entgangen; er gefiel allen, und diese Übereinstimmung in den Gesinnungen vermehrten noch den Abscheu, den sie bereits gegeneinander empfanden. Man weiß sattsam, wozu Frauenzimmer vermögend sind, wenn sie Lust haben, einander einen Liebhaber wegzunehmen. Da man aber nie gesehen hat, daß ein einziger Mann der Gegenstand der Wünsche und Anbetungen von zwölf Frauenzimmern gewesen ist, so kann man nur sagen, daß zwölfmal mehr Haß und Lästerungssucht als gewöhnlich bei ihnen herrschte; daß folglich auch zwölfmal mehr Liebäugeleien vorfielen, die alle zum Nutzen des Prinzen gereichten, der daran viel Amüsement fand.

Wenn eine von diesen Prinzessinnen eine neue Art ausfindig gemacht, zu gehen, den Mund zu legen oder umherzublicken, so wollten die Anderen sie darin übertreffen, und fingen an zu schielen, den Mund bis unter die Augen emporzuzerren oder einen Gang anzunehmen, daß man sich des Lachens nicht enthalten konnte. So war es auch mit den übrigen beschaffen; da sie wußten, daß Tanzai alle Künste und Wissenschaften trieb, wollten sie alle Dichterinnen, Malerinnen, Tonkünstlerinnen, und so weiter sein. Man kann sich nicht vorstellen, was für Albernheiten in jeder Gattung dieser Wetteifer veranlaßte. Tanzai fürchtete ihnen zu mißfallen, wenn er einer den Vorzug vor den übrigen einräumte; besorgte, daß sie das als Ungerechtigkeit auslegen möchten: daher wollte er, daß das Schicksal über ihren Rang entscheiden sollte, und teilte seine Zeit so ein, daß er den Tag über bloß die besuchte, an der die Reihe war. Er war bei ihrem Nachttisch gegenwärtig, führte sie immer, speiste mit ihr; allein am Abend im Schauspiel oder im Circle sah er alle die übrigen. Sogleich untersuchten ihn die Nebenbuhlerinnen, lasen Zwang und Überdruß in seinen Mienen und Wesen, und urteilten aus seiner Physiognomie, daß die Woche habende Dame ihm am wenigsten gefallen müßte. Inzwischen leitete bloß ihre Eitelkeit sie auf diese Mutmaßungen, und Tanzai betrug sich, wiewohl sein Herz bereits seinen Entschluß gefaßt hatte, gegen alle auf einerlei Art, sie in der Ungewißheit, worin er selbst noch zu schweben vorspiegelte, lassend.


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