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Drittes Kapitel

Schwierigkeiten

Lobpreisungen des letzten Übersetzers

Aus den verschiedenen Händen, durch welche dies Buch gegangen ist, kann man leicht schließen, daß es wenig von seinen nationalen Besonderheiten übrig behalten haben muß; und ich weiß nicht, ob es, genau genommen, dadurch schlechter geworden ist. Die Bücher der Morgenländer sind immer voll unnützer Dinge und abgeschmackter Fabeln. Die Religionen der morgenländischen Völker gründen sich nur auf Märchen, die sie überall anbringen und die für uns eben so lächerlich sind, als sie ihnen ehrwürdig vorkommen. Diese religiösen Possen geben ihren Schriften ein seltsames gedunsenes Ansehen, das in seiner Neuheit wohl hat gefallen können, heutzutage aber zu verbraucht ist, als daß der Leser es anmutig finden sollte. Außer ihren Göttern, die sie allerhand Arten von Rollen spielen lassen, bedienen sich die Schriftsteller dieser Nationen der Ginnen und Diven. Beide findet man in ihren ernsthaftesten Geschichten. Wenn einer von ihren Helden in große Gefahr gerät, so hat ein Dive ihn hineingestürzt und ein Ginne ihn wieder herausgezogen. Diese Wesen der Einbildung geben den Grund und die Entwicklung von Dreivierteilen ihrer Bücher; und wiewohl sie oft sonderbare Ereignisse veranlassen, wird man es endlich doch überdrüssig, beständig einerlei Personen auf der Bühne handeln zu sehen, und gerät in Unwillen über eine so magere Einbildungskraft, als dies verrät. Zudem ist der Vortrag voller Metaphern und gewisser Wendungen, die sich wegen der Simplizität unserer Sprache weder genau noch mit Anmut übertragen lassen. Die Übersetzung eines orientalischen Buches ins Französische ist sonach eine weit schwierigere Arbeit, als man wohl denkt. Ob nun schon dies Werk aus dem Venetianischen übersetzt worden ist, darf man nicht glauben, daß es deshalb weniger Mühe gekostet hat. Signor Annibale hat alles durcheinander geworfen, und es hat nicht wenig Arbeit erfordert, die Fakta so zu ordnen, wie man glauben kann, daß Kiloho-ee sie angeordnet haben mag. Was den Namen: Ginne anlangt, so habe ich ihn, weil er bei uns wenig bekannt ist, in Fee verwandelt, dessen wir uns gemeiniglich bedienen. Wo ich die barbarischen Namen abkürzen, zusammenziehen konnte, habe ich es getan. Die Ginne Hic-nec-sic-la-ki-ha-tipophetaf war z. B. ganz unerträglich auszusprechen; weshalb ich es änderte; mit einem Worte, ich habe nichts unversucht gelassen, dies Werk vollkommener zu machen, und ich zweifele gar nicht, daß es vollkommener geworden ist. An vielen Stellen habe ich es durch eben so neue als einsichtsvolle Betrachtungen verschönert. Es ist mit ausnehmender Sorgfalt, Nettigkeit und Präzision geschrieben: und ich bin überzeugt, daß Kiloho-ees Original unendlich weit hinter dieser Übersetzung zurückbleibt; wiewohl dieselbe aus einer Sprache ist verfertigt worden, die ich fast gar nicht verstehe. Was den Stoff dieses Buches anlangt, so kann er phantastisch sein; aber das ist die Schuld des Originals. Man hätte Unrecht, wenn man von einem Chinesen jene Regelmäßigkeit und jenen Geschmack forderte, welche aus unseren französischen Schriftstellern hervorleuchten, die, stets abgezirkelt in ihrem Gange, beinahe immer sehr vernünftig, noch öfter aber frostig sind. Sie stützen sich hierin auf irgendeine Regel des Horaz, die ich gern hersetzte, wenn ich mich ihrer vollkommen erinnern würde. Aber eben Horaz verlangt, daß die Vernunft lachend vorgetragen werde und befiehlt nicht, durch Ernst und Zurückhaltung dem Leser Langeweile zu machen. Ich bin im Grunde fest überzeugt, daß diejenigen unter unseren Schriftstellern, die wir so ordentlich finden, wünschten, es weit weniger zu sein und ein wenig mehr gegen die Regeln sündigen zu können. Ihre Werke würden alsdann vielleicht weniger wohlanständig, aber anmutiger sein, und mehr gelesen werden.


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