Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwanzigstes Kapitel

Rückkehr des Prinzen nach Scheschian

Noch schwebte die Hauptstadt in dieser Unruhe, als Tanzai den Weg nach derselben antrat. Was soll ich von meiner Reise sagen? überlegte er. Soll ich Neadarne gestehen, daß ich in den Armen der Kukumer meine vorige Beschaffenheit wieder erlangt habe? Wie kann ich eine Sache erzählen, die für ihre Zärtlichkeit so kränkend ist? Wird sie sich vorstellen, daß ich Bedauerung verdiene? Würde sie wohl auf meine Nachsicht zählen dürfen, wenn ihr ein gleicher Fall begegnet wäre? Allein, sie weiß die Beschaffenheit meines Unfalls; wenn ich ihr Beweise gebe, daß er aufgehört hat, warum sollte ich ihr das verschweigen? Ach! wie groß wird ihr Schmerz sein, wie heftig würde ich sie nicht niederschlagen, wenn ich ihr alle die Gedanken sagte, die meinen Geist beschäftigt haben? Wenn sie wüßte, daß mein Herz ihr untreu gewesen ist? daß ich einige Augenblicke hindurch ganz voll von einer anderen; mich dem Unglück, das mir bereitet war, willig hingegeben habe, ihm sogar entgegen geeilet bin? Wenn sie mir's verzeihen kann, daß ich eine Nacht in den Armen der Kukumer zugebracht habe, würde sie mirs wohl verzeihen, daß ich gewähnt habe, eine andere, wie sie, könne mich glücklich machen? Oh, ich will zu Scheschian meine Schande verbergen; will mich dort bloß hergestellt zeigen. Aber wird man nie erfahren, durch welches Mittel ich meine Gestalt wieder vollendet habe? Indem Tanzai diese Betrachtungen anstellte, nahte er sich seinen Staaten. Endlich erblickte er die ersehnten Mauern von Scheschian wieder, nachdem er beinahe drei Monate von dieser Stadt entfernt gewesen war. Kaum sah man ihn erscheinen, als die großen Leiern das Volk davon benachrichtigten; Erleuchtungen, Jubelgeschrei und ausschweifendste Freudensbezeugungen verkündigten dem Könige die Rückkehr des Prinzen in die Stadt.

Neadarne fiel aus Übermaß von Zärtlichkeit in Ohnmacht. Noch war sie in diesem Zustande, als Cephaes den Tanzai zu ihr führte. Das Vergnügen, das er empfand, sie wieder zu sehen, wich auf eine Zeitlang der Furcht, die ihn anwandelte, sie zu verlieren. Neadarne, teuerste Neadarne, rief er. Ach! muß ich Dich nur wiederfinden, um für Dein Leben zu zittern? Grausame Fee, waren das die Unglücksfalle, womit Du mir drohtest? Vermöge der Stimme und der innigen Küsse ihres Gemahls öffnete Neadarne wieder die Augen und umarmte ihn ihrerseits. O Tanzai, Ruhe meines Lebens! rief sie, sehe ich Dich wirklich wieder! Wie viele Tränen hat mich Deine Abwesenheit gekostet! Ach! bloß die Freude über Deine Zurückkunft kann den Schmerz aufwiegen, den Deine Abreise mir verursacht hat.

Ihre Blicke, die Ausbrüche ihres Vergnügens würden kein Ende genommen haben, wenn der König, der ungeduldig war, zu wissen, wie es mit dem Prinzen stünde, sie nicht unterbrochen hätte, um dies zu erfahren. Majestät, sagte Tanzai zu ihm, der Schaumlöffel, den Ihr wieder an meinem Knopfloch erblickt, beweist, daß er mir nicht mehr lästig fällt; und ich müßte mich gröblich irren, wofern nicht die Prinzessin, wenn Ihr sie morgen fragt, Euch wegen des Übrigen die erwünschtesten Nachrichten erteilt. Eben wollte der König fragen, auf welche Art dies Wunder bewirkt worden sei, als eine Menge Höflinge ins Zimmer strömte. Die Ungeduld, die sie fühlten, Tanzai wiederzusehen, hatte ihnen nicht erlaubt, es länger, aufzuschieben, ihm ihre Untertänigkeit zu bezeigen. Saugrenutio kam zu gleicher Zeit; nicht etwa aus Drang des Herzens, sondern bloß um zu wissen, ob der Prinz nicht etwa seinen Schaumlöffel verloren hätte. Er ward blaß, als er dies Instrument wieder am rechten Ort sah. Tanzai konnte sich nicht zwingen, ihn gut zu empfangen. Er schrieb der Weigerung dieses Priesters alle die Unglücksfälle zu, die ihm begegnet waren und da der letztere ihm von allen am meisten nahe ging, so beschloß er, daß Saugrenutio früh oder spät dafür büßen sollte. Zu dem Ende fing er an, sich in dessen Gegenwart nach allem zu erkundigen, was bisher vorgefallen war und ob nicht ein rebellischer Untertan endlich bestraft werden würde? Der König erzählte seinem Sohne alles, was sich in der letzten Reichsversammlung zugetragen hatte und versicherte, Saugrenutio würde gehorsam sein. Diese Reden verdrossen den Letzteren; er ging in der Überzeugung weg, daß der König zum Lügner werden sollte. Nachdem die übrigen Höflinge auch beurlaubt waren, ging der König mit dem neuvermählten Paare zum Mahl. Jetzt sind wir den Schwarm los, sagte der König. Nun erzähle uns die Geschichte Deiner Entzauberung, mein Sohn. – Sie ist sonderbar, versetzte der Prinz mit einigem verlegenen Wesen. Ich werde Euch unstreitig seltsam überraschen, wenn ich Euch sage, daß dieses große Werk durch einen Traum zustande gekommen ist. – Durch einen Traum? rief der König. Was wollte denn der große Affe haben? Wozu war denn Eure Reise nötig? Ihr hättet hier so gut wie anderwärts schlafen können. Laßt aber doch einmal hören, was das für ein Traum war. So wisse denn Ew. Majestät und Du, Prinzessin, hub der Prinz an, daß ich, nachdem ich unermeßliche Länder durchstrichen hatte, endlich in einen Wald kam. Nunmehr folgte das Abenteuer der Fee mit dem Kessel ohne die mindeste Verfälschung. Nachdem ich diese Fee verlassen hatte, fuhr er fort, befiel mich eine außerordentliche Lust, zu schlafen. Ich konnte mich ihrer nicht erwehren, legte mich unter einen Baum und schlief ein. Voll von den mir zugestoßenen Begebenheiten, wie meine Seele war, wäre es zum Erstaunen gewesen, wenn meine erhitzte Einbildungskraft sich andere Gegenstände gewählt hätte. Diese Vorstellungen erzeugten einen Traum, in dessen buntem Gewebe ich mich in einen prächtigen Palast versetzt glaubte. Hier traf ich Eulen, die sprechen konnten, und ward aufs prächtigste aufgenommen. Hier glaubte ich die Kukumer zu sehen, die mich zur Entschädigung wegen der Behandlung mit dem Schaumlöffel aufs zärtlichste bat, eine Nacht bei ihr zuzubringen. Die Behauptung, daß wir im Schlaf so wenig von uns abhängen, daß der uns verhaßteste Gegenstand über unseren Widerstand triumphieren kann, hat seine völlige Richtigkeit. Die Kukumer versicherte mir, daß bloß dadurch ihr Groll gegen mich getilgt werden könne. Nach dem heftigsten Kampfe zwischen der Liebe, die ich für Euch hege, und dem Abscheu, den sie mir einflößte, bewog mich unser beiderseitiges Interesse, ihren Begierden nachzugeben. Endlich erwachte ich voll Schreck, ward aber zugleich von Freude durchströmt, da ich an meiner Wiederherstellung unmöglich länger zweifeln konnte. Gnädiger Herr, sagte jetzt Neadarne, dieser Traum ist sehr zusammenhängend, und seine Wirkung scheint mir bewundernswürdig. Glaubt Ihr, daß es nichts als Täuschung gewesen?

Wie soll ich daran zweifeln können, entgegnete der Prinz, da ich beim Erwachen mich noch unter eben dem Baume befand, an dessen Fuß ich eingeschlafen war? Doch Prinzessin, fuhr er fort, es ist bereits spät; mein Vater sucht seit einer Stunde den Schlaf zu bekämpfen. Er sollte billig ihm die Augenblicke schenken, die er uns bewilligt; und ich weiß nicht, ob die Nacht lang genug sein wird, daß ich Zeit genug habe, mit Euch von alle dem zu sprechen, was uns betrifft. Daran dacht ich wahrlich nicht, sagte der König. Geht, Kinderchen geht! Und Gott behüte Euch vor Feen!

Der Prinz wünschte seinem Vater gute Nacht, umfaßte Neadarne und führte sie in sein Gemach, das er verschloß, um daselbst die Freuden zu genießen, wovon man im folgenden Buche das Ausführlichere finden wird.


 << zurück weiter >>