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Zweiter Teil

Neuntes Kapitel

Die Hochzeitsnacht

Strahlenreicher Affe! Vater der Natur! Belebendes Auge der Welt! O Sonne! Zögere noch um ein Kleines mit Deiner Rückkehr und laß, wenn es sein kann, Deine göttlichen Strahlen die Freuden des Prinzen beleuchten! Nach diesem Ausruf des scheschianischen Verfassers, den ich vielleicht zur Unzeit abgeschrieben habe, wiederholt er, was der Leser schon aus dem vorigen Kapitel ersehen könnte, nämlich, daß der Prinz Neadarne wegführte. Er entkleidete sie, wie die Geschichte sagt, schneller, als er sie am Morgen angekleidet hatte. Ganz betroffen und sprachlos wagte die Prinzessin es beinahe nicht, ihn anzublicken. Tanzais Ungestüm setzte sie in Erstaunen. Bisweilen wollte sie ihm Einhalt tun, allein die Pflicht lehnte sich gegen ihren Widerstand auf, und die noch stärkere und sanftere Liebe unterstützte ihre Nachgiebigkeit, und tat ihrer Verschämtheit Eintrag. Endlich gelang es Tanzai, sie auf das Brautbette zu bringen. Bald darauf flog er zu ihr und verschlang mit den Augen alle die Schönheiten, welche Hymen ihm preisgegeben hatte. Was er sah, küßte er; was er geküßt hatte, besah er wieder von neuem; überall schweiften seine rastlosen Hände umher. Neadarne fand bald, daß an der Stelle der Scham ein ihr völlig unbekanntes Gefühl ihre ganze Seele füllte; sie seufzte, gab der sanften Regung nach, die Tanzai in ihr erzeugt hatte und endlich erklärte ein zärtlicher Kuß ihre feurigen Entzückungen. Schon ertönten die schmeichelhaftesten Namen, schon widerhallte das Geräusch der Seufzer im Zimmer; schon glaubte sich Tanzai auf dem Gipfel seiner Wünsche, als er bei gleich starken Begierden nicht mehr gleiche Kraft verspürte. Voll Erstaunen über diesen unvorhergesehenen Vorfall, schloß er die Prinzessin in die Arme, aber vergebens; umsonst suchte er in den zärtlichsten Liebkosungen ein Mittel gegen sein Unglück. Alles erhöhte sein glühendes Verlangen, aber nichts gab ihm das wieder, wodurch er es der Prinzessin beweisen konnte. Bestürzt und beschämt über den Zustand, worin er sich erblickte, verfügte er sich wieder neben Neadarne, in der festen Hoffnung, daß die Erstorbenheit aufhören und seine Geliebte selbst zu deren Endigung beitragen würde.

Allein wie groß war sein Erstaunen, als er, wie er um den Beistand ihrer teuren Hand flehte, gewahr ward, daß es vergeblich sein würde, sich deren bedienen zu wollen. Es zeigte sich seinen Augen kein Gegenstand mehr, auf den die Prinzessin ihre Huld hätte erstrecken können. Er erkannte die Folge seines Verlustes; und je ungewöhnlicher er war, je unersetzlicher schien er ihm. O Affe, o gerechter Affe! rief er. O, Prinzessin! o abscheulicher Tag! o vermaledeieter Priester! – Was hat denn diese Verzweiflung zu bedeuten? fragte die Prinzessin. Was ist daran schuld? Kann ich keinen Teil daran nehmen? – Ach! Mein Unglück trifft Euch nur zu sehr, versetzte Tanzai. Wie glücklich wäre ich, wenn es nur mich allein anginge. Ihr verhehlt es mir zu lange! entgegnete sie. O seht hierher, rief der Prinz und urteilt, ob meine Klagen über den unerhörtesten und grausamsten aller Vorfälle nicht begründet sind.

Die Prinzessin betrachtete ihn jetzt mit Aufmerksamkeit und konnte nicht umhin, über den Zustand, worin sie ihn sah, sehr bestürzt zu sein; wiewohl sie, wie sie selbst sagte, nicht wußte, in was für einem Zustande er sich eigentlich befinden müßte. O mein Prinz! sagte sie mit einer zärtlichen Umarmung zu ihm. Verschont mich mit diesen Liebkosungen, erwiderte er, sie vermehren nur mein Unglück. Oder kommt vielmehr, fuhr er fort, indem er sie in seine Arme drückte; Ihr allein könnt mir meine vorige Gestalt wiedergeben. Ha! Wenn ich sie durch Euch nicht wiederfinde, bin ich auf immer verloren! Mit diesen Worten legte er Neadarne wieder auf das Brautbette. Er fühlte seine Begierden noch heftiger wallen wie vorhin, und begriff nicht, wie sie ihm nichts von dem wiedergaben, was er verloren hatte. Er entdeckte in der Wallung, worin er war, Reize, die ihm vor Ingrimm Seufzer auspreßten. Endlich, außer sich vor Wut, und Müdigkeit, faßte er den Entschluß, sich neben sie zu legen, ebenso betreten über das, was künftig daraus werden sollte, als über das, was es schon jetzt war.


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