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Fünfzehntes Kapitel

Wie man sich oft in seinem Wahne täuscht

In diesem Augenblick meldete man dem Prinzen, daß seine Gottheit bald sichtbar sein würde. Bei dieser Nachricht kam sein Herz in Wallung; Neugier und ein noch lebhafteres Gefühl setzten es in Aufruhr. Er ließ sich von den Käuzlein auskleiden, ohne ein Wort hervorzubringen. Wie sie ihm einen Schlafrock angelegt hatten, führten sie ihn in ein prächtiges Gemach, wo die köstlichsten Spezereien, die in goldenen Räucherpfannen brannten, die Luft durchdufteten und die wollüstigsten Arome verbreiteten. Voller Unruhe und Begierden kam er, nachdem er durch fünf oder sechs große Stuben gegangen war, endlich in das Schlafzimmer, wo die Göttin lag. Ein mit reichsten Edelgesteinen und Rubinsäulen unterstütztes Bette barg diesen wunderreichen Gegenstand. Den Prinzen blendete und fesselte anfänglich ein so glänzendes Schauspiel, indes unterließ er doch nicht, jenes so gepriesene Meisterstück endlich mit den Augen zu suchen. Er sah von weitem sich etwas im Bette bewegen, das war aber ein so ungestaltes Geschöpf, daß er nicht zweifelte, es müsse die Meerkatze der Göttin sein. Er näherte sich, das Käuzlein verließ ihn, nachdem es ihm eine angenehme Ruhe gewünscht hatte. Von Begierden verzehrt, von Schüchternheit aber zurückgehalten, blieb Tanzai auf der Stelle stehen, wo ihn das Käuzlein verlassen hatte. Kommt Prinz, sagte man zu ihm, und verliert keinen von den kostbaren Augenblicken, die die Liebe Euch schenkt. Er gehorchte und warf sich schnell ins Bette.

Wie er sich daselbst befand, drehte man sich um. Wie groß war sein Erstaunen, als er unter dem Weiß und Rot, dem Bändergeflatter und blondem Gekräusel, die Fee Kukumer erkannte. Sie war es in der Tat, die, um ihn mit mehr Anstand zu empfangen, ihre Eulenohren mit den schönsten Brillantohrringen à la Montgolfier geschmückt hatte. Ihr Glatzkopf ward durch einen blonden Haarturm aus großen Locken bedeckt und mit einer Guirlande à la visionnaire geziert, reich mit Rubinen versehen. Und wiewohl sie – wie sichs auch nicht anders schickte – im halben Neglige war, hatte sie doch, um ihre Reize noch rühender zu machen, über der Guirlande ein lever à la Reine angebracht, welches unter dem Kinn mit einer ungeheuren Schleife zugebunden war. Mitten in dieser reizenden Verkappung befand sich eine Art von Gesicht, an dem man rote, triefende und mit Krähenpfoten umringte Augen gewahrte. Ihre ungeheure warzenreiche Nase sank zärtlich in einen eingefallenen schlaffen Mund ein, von dem veilchenblaue Lippen lieblich herabhingen, die ganz entblößte Kiefern zeigten, die durch den Strom der Zeit sogar ein wenig ihr natürliches Kolorit eingebüßt hatten. Ihre hängenden Backen breiteten sich sanft über die Kopfkissen aus. Eine unzählige Menge Mouchen und Assassins verschiedenster Art bedeckten eine schwarze und gesprenkelte Haut, deren Runzeln und Grüngelbheit durch den Glanz einer öligen Pomade hervorbrachen, die sie verbergen sollte. Ein schwarzes Band, woran ein venez-y-voir reich mit Brillanten garniert hing, stieg bis auf den Busen hinab. Ihre Brüste, die geschmeidig genug waren, wenigstens anderthalb Fuß lang herab zu hängen, quollen aus einer chambrelouque von der Farbe des bluthäutigen Atlas hervor, die mit einem schwarzen Sammetbande umgürtet war, den wiederum eine Brillantschnalle festhielt.

Bei diesem wunderbaren Anblick geriet Tanzai aus aller Fassung. Er wäre geflohen, wenn der Schreck, den ihm dies Scheusal einjagte, ihm Kraft dazu gelassen hätte. Überdies wurde er durch einen unerträglichen Gestank erstickt, der ungeachtet der wohlriechenden Salben, womit die Fee sich belegt hatte, die ganze Kammer anfüllte. O Himmel! sagte er bei sich selbst, das ist also der Gegenstand, den man mir bestimmt! O Neadarne! also hat das Scheußlichste, was die Natur je schuf, Dir den Besitz meines Herzens streitig gemacht, ja, was sag' ich? Dich völlig aus demselben verdrängt! Gerechter Affe! wie groß ist mein Glück in der Liebe! – Hätte der Prinz mehr gereist, so würde er gewußt haben, daß das Glück bei Damen, womit unsere artigen jungen Herrn sich so brüsten, dem seinigen oft gleich ist.

Noch hatte sich Tanzai von seinem Ekel und Schreck nicht erholt, als eine rauhe und gebrochene Stimme aus diesem Furchtgerippe folgende süße Worte an ihn richtete: Ihr seht, Prinz, was ich Eurethalben tue und wie überschwenglich groß meine Güte gegen Euch ist. Ihr würdet Euch nie haben vorstellen können, daß nach der höchstkränkenden Beschimpfung, die ihr mir zugefügt, nach der Ahndung, die darauf folgte, sich meine Rache damit enden würde, Euch Zutritt in mein Bette zu verstatten. Eben die Hand, die Euch Tränen auspreßte, ist jetzt bereit, sie Euch zu trocknen. Ihr würdet Euch den gräßlichsten Gefahren ausgesetzt haben, um das wieder zu werden, was Ihr wart, und seht, Ihr werdet jetzt im Schoße der Freuden Eure erste Gestalt wieder erlangen. Ich weiß nicht, ob mich zu viel Eigenliebe täuscht und mir Euer Glück zu groß schildert; ob die Entzückungen aller der Sterblichen, die mich gesehen, mir zu hohe Einbildungen von meinen Reizen eingeflößt haben; allein ich habe Ursache zu glauben, daß es keinen Fürsten und Fürstensohn auf der Welt gibt, der das Schicksal, dessen ich Euch teilhaft machen will, nicht wünschen, nicht sogar mit seinem Leben zu bezahlen erbötig sein sollte. Ich dringe nicht in Euch, meine Gunst zu verdienen, denn ich lese bereits in Euren Augen die größte Ungeduld; ich entdecke darin mit der innigsten Freude, daß Ihr die Heftigkeit Eurer Begierden nicht länger ertragen könnt. Überlaßt Euch ihnen denn, teurer Prinz, die meinigen stehen Euch für Eure Glückseligkeit! Kommt, Tanzai, meine Schamhaftigkeit kann dies Schauspiel nicht länger ertragen. Eilet, sie aufs ärgste in die Enge zu treiben! Ach! muß die Tugend noch in so süßen Augenblicken ihre Gewalt spüren lassen! Schlagt die Vorwürfe nieder, die meine Sittsamkeit in mir laut werden läßt! In Euren Armen soll sie ihr Grab finden ... Tanzai, der ganz unbeweglich geblieben war, hatte nicht die Hälfte von dem gehört, was Kukumer ihm gesagt, und würde unstreitig in dieser Lethargie versenkt geblieben sein, wenn er nicht auf seiner Hand eine krumme Klaue gemerkt hätte, die die Fee ihm reichte. Sogleich schoß es ihm auf, die Alte zu erwürgen; aber bedenkend, daß die Macht der Kukumer sie seiner Rache entziehen konnte, und daß er dafür auf immer in dem Stande bleiben würde, worin er sich befand, ließ er die Idee fahren, so verführerisch sie auch war. Er wußte zuletzt nicht, wozu er sich entschließen sollte, als die Fee ihm zärtlich ihre Klauen in die Hand grub.

Wie, Prinz, sagte sie zu ihm, Ihr seid ganz außer Fassung? Ich verzeihe der Liebe die Erstorbenheit, worin ich Euch erblicke, allein sie hätte bereits dem Ungestüm Eurer Flamme und meiner Zärtlichkeit Platz machen sollen. Ich muß also alles tun, kleiner Undankbarer, setzte sie schmachtend hinzu. Sind die Reize, die ich Dich habe sehen lassen, nicht mächtig genug, Dich wieder zu Dir zu bringen, so wollen wir versuchen, ob die, die mir noch übrig sind, Dich nicht wieder ins Leben zurückrufen können.

Mit diesen Worten zerrte sie mit einiger Wut die wenige Hülle weg, die ihre noch nicht wahrgenommenen Schönheiten verbarg. Ihr Auge rollte wild umher und sie sagte seufzend: Sieh, Barbar, sieh alles das, was meine Liebe Dir überläßt. O Barmherzigkeit! rief der Prinz. Ihr großen Götter, wo bin ich? Damit entriß er sich den Klauen, die ihn zurückhalten wollten, sprang aus dem Bette und suchte zu entfliehen; allein es verhinderte ihn etwas, was der Leser im folgenden Kapitel erfahren wird.


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