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Zwölftes Kapitel.
Der Kampf auf dem Fluß

Noch den größten Teil des nächsten Tages wurde Brennholz geladen, denn es gehören große Mengen der leichten Holzsorte dazu, um Kohlen zu ersetzen, und es kostete Zeit die Stücke zweckmäßig aufzustapeln. Es ist mit einer gewissen Gefahr verbunden, Holz aus dem Urwald zu laden, denn alles mögliche Gewürm und Getier erhält gleichzeitig Eintritt: große, rote Ameisen, mit giftigem Biß kriechen auf Deck herum und suchen Unterschlupf in Kajüten und Kojen; Tausendfüße, so lang wie Ratten und schwarz wie Schnecken, liegen zwischen den Holzstücken versteckt, bis ein nackter Fuß sie berührt oder eine unachtsame Hand sich an ihnen vergreift, dann hängen sie sich fest wie gierige Igel und spritzen Gift in das Blut der Menschen. Und wenn die Sonne auf die Holzstapel scheint, dann kriechen Skorpione hervor, widerliche, große Spinnen, deren Körper mit langen Haaren bewachsen sind, und grüne und rötliche Schlangen, klein, aber todbringend in ihrem Biß, winden sich auf Deck zwischen Erde und Holzstaub.

Mit all diesen Herrlichkeiten wurde der »Don Carlos« reichlich versehen, aber diese Plagen waren nichts im Vergleich zu den zahllosen Moskitos, die bei Sonnenuntergang aus den dichten Wäldern über den Fluß schwirrten.

Peter und Fritz, denen die ledige Steuermannskajüte überlassen worden war, hatten es immer vorgezogen unter offenem Himmel auf dem Roofdeck zu schlafen. Dort war es kühler als in der schwülen Kajüte. Aber es wäre jetzt fast unmöglich gewesen, wenn die gute Pampina ihnen nicht ein großes Moskitonetz aus weißem Musselin genäht hätte. Darunter schliefen die beiden Jungen, aber die giftigen Mücken wußten doch immer eine Oeffnung zu finden, durch die sie die Schlafenden anfallen konnten, und oft erwachten sie mit dicken Augenlidern und geschwollenen Gesichtern, so daß sie in den ersten Morgenstunden fast unkenntlich waren.

General Silvela und Pater Dominico statteten dem Dampfer am nächsten Tag zusammen einen Besuch ab, wobei eine Beratung in der Kajüte stattfand; lange aber wagten die beiden Verschworenen nicht an Bord zu bleiben, sie waren viel zu besorgt, daß der gefürchtete Kapitän Torlano sich mit seinem Kanonenboot im Fahrwasser zeigen könne. Dennoch wurde ein sorgfältiger Schlachtplan entworfen, wie der Dampfer am sichersten noch dreihundert Meilen flußaufwärts nach dem Platz gebracht werden könne, wo die Löschung der Waffen vor sich gehen sollte – ein Plan, der mehr kühn als eigentlich schlau war, und an dem sowohl der Caballero wie der Pater aktiven Anteil nehmen wollten. Nur widerstrebend ging Don Pedro auf den Plan ein, aber da er A gesagt hatte, so mußte er auch B sagen.

Gegen Nachmittag waren die letzten Klafter Holz an Bord geschafft. Die drei Neger, Nelson, Jeff und Joe, die einen herrlichen Tag mit Nichtstun verbracht und nur auf der Brücke gesessen und zu den schwitzenden Indianern hinunter gegrinst hatten, wollten gerade ihr Abendbrot essen, als Don Pedro sie nach achtern rief.

»Packt Euer Zeug zusammen, Ihr geht hier an Land!« lautete sein kurzer, herrischer Befehl.

Die drei Schwarzen sahen wie aus den Wolken gefallen aus und der ältliche Nelson protestierte aufgebracht: »Ich nicht gehen an Land in Urwald! – Ich nicht wollen gefressen werden von Indianern, ich bleiben an Bord, Kapitän.«

Joe und Jeff schienen ebensowenig zum Gehorsam geneigt, sie riefen durcheinander und ballten ihre schwarzen Fäuste.

Der Kapitän aber legte ruhig ihren Lohn vor ihnen aufs Deck hin und sagte:

»Ihr könnt Euern Lohn nehmen und in dem Leichter, der neben dem Dampfer liegt, an Bord gehen, oder Ihr könnt an Bord bleiben, bis wir zu einer Stadt kommen – dort werdet Ihr dann alle drei der Polizei überliefert und wahrscheinlich gehängt, denn das habt Ihr verdient.«

Die Schwarzen sahen sich an und schickten ratlose Blicke umher; hinter Don Pedro standen Steuermann Peter und Fritz, jeder mit einem Revolver in der Hand, und oben auf dem Roof über ihren Köpfen thronte Donna Pampina in ihrem Korbstuhl – und merkwürdigerweise hatte sie ihre kleine Büchse im Schoß liegen. Vorn standen mindestens ein Dutzend Rothäute, auf deren Beistand die Schwarzen nicht rechnen konnten. Sie kratzten sich ihren wolligen Kopf, rieben sich die breite Nase mit dem Zeigefinger – und gaben jeden Widerstand auf.

Eine halbe Stunde später saßen sie alle drei in dem leeren Leichter, jeder mit seinem Bündel Zeug auf den Knien; und wie sie davonfuhren, glichen sie drei ertappten Missetätern, die zum Schafott geführt werden sollten.

»Gut, daß wir sie losgeworden sind,« bemerkte der Kapitän zu Peter gewendet, »wenn es herauskommt, daß wir Kisten unter den Schienen stehen gehabt haben, könnten sie in einem Prozeß fatale Zeugen werden. – Wenn wir die verdammten Waffen nur erst los wären; noch drei Tage – wenn nur das Kanonenboot sich nicht zeigt!«

Dies Kriegsschiff und dessen Führer, Torlano, waren Don Pedros und Pampinas ständiger Schrecken; sobald sie einen Laut hörten, fuhren sie zusammen in der Furcht, daß der Feind jetzt über sie käme.

* * *

Es wurde von neuem unter den Kesseln gefeuert, und alles zur Weiterfahrt klar gemacht, aber noch immer zögerte der Kapitän den Anker zu lichten. Mannschaft hatte er jetzt genug, denn der Pater hatte sechs Halbblutindianer an Bord geschickt und einen alten, weißhaarigen Mulatten, der der beste Lotse der Mission war.

Aber immer noch ging Don Pedro ungeduldig auf Deck hin und her und spähte landwärts; er wartete offenbar aus etwas.

Plötzlich stieg eine dicke Rauchwolke zwischen den grünen Baumwipfeln auf, es sah aus, als ob der Urwald brannte; bald aber tauchten Schornstein und Rumpf des kleinen, weiß gemalten Dampfers auf, der drinnen im Waldsee geankert hatte. Mit größter Vorsicht arbeitete er sich aus dem engen, gewundenen Kanal hindurch, steuerte auf den »Don Carlos« zu und legte bei.

Ein seltsames Ding war dieser kleine Dampfer; er glich einem Torpedoboot, war schmal und niedrig, und machte den Eindruck, als ob er eine ganz beträchtliche Anzahl Knoten in der Stunde laufen könnte; auf dem Vorderdeck stand eine lange, blitzende Stahlkanone; das Deck des Schiffes war voll von Brennholz, aber vorn und achtern, unter ausgespannten Sonnensegeln, standen etliche Offiziere und wohl mindestens vierzig Soldaten – dieselben schwarzbärtigen Gesellen in braunen Leinenuniformen, die die Knaben am Abend vorher zwischen den Zelten gesehen hatten; die Offiziere erkannten sie auch wieder: der eine war der Caballero und die anderen waren ihre Nachbarn von der Abendtafel, der alte Haudegen mit dem halben Ohr und der kleine blasse Kerl mit den vielen Ringen an den Fingern. Der vierte aber? »Potztausend, das ist ja der Pater,« rief Peter aus, »alle Wetter, was hat der sich fein gemacht!«

Es war Pater Dominico in einem knallroten Schnürenrock, weißen Flanellhosen und einem großen Tropenhelm auf dem Kopf. Um den Leib hatte er einen mächtigen Reitersäbel und über der Schulter hing ihm ein Gewehr. Das Geistliche war vollkommen von diesem Mann Gottes abgefallen, er glich auf ein Haar einem alten Räuberhauptmann auf dem Theater.

Er und der Caballero blieben an Bord des Dampfschiffes, mit zwanzig Mann und der Besatzung des Bootes – die übrigen enterten an Bord des »Don Carlos.«

Dann dampfte das weiß gemalte Schiff davon und der General und der Räuberhauptmann winkten freundlich zum »Don Carlos« hinüber. Bald waren sie zwischen den Inseln verschwunden.

Auf »Don Carlos'« Deck herrschte emsige Tätigkeit. Die farbigen Matrosen hißten die Anker, der weißhaarige Mulatte rannte auf der Brücke hin und her und schimpfte auf Spanisch und der Indianersprache, und die Soldaten arbeiteten auf Deck; einige schleppten mit Proviantsäcken, und die übrigen wirtschafteten mit dem Brennholz herum, auf eine für Fritz und Peter ganz unbegreifliche Weise.

Was die Knaben am meisten wunderte, war, daß weder Don Pedro noch Donna Pampina den geringsten Anteil an dem zu nehmen schienen, was auf ihrem eigenen Dampfer vorging. Die Donna saß im höchsten Staat auf dem Roof in ihrem Korbstuhl und fächelte sich, während sie sich mit dem langnasigen Offizier unterhielt, der nichts anderes zu tun zu haben schien, als Zigaretten zu rollen. Der Kapitän blieb unten in der Kajüte. Nicht einmal als die Schraube sich zu drehen begann und das Schiff aus der Bucht dampfte, erschien er auf Deck – es war, als ob er an Bord seines eigenen, alten »Don Carlos« kalt gestellt worden sei.

Peter und Fritz blieben auf dem Roof und sahen den Soldaten zu. Es war offenbar, daß sie eine planmäßige Arbeit mit dem Holz ausführten, und der Offizier mit dem weißen Schnurrbart ging dazwischen umher und leitete die Arbeit.

Es zeigte sich nach und nach, daß die Soldaten aus den Holzscheiten zwei Häuser bauten, eines an jeder Seite des Dampfers. Es waren zwei solide Schuppen, mit Platz für je zwanzig Mann. Von außen aber sahen sie aus wie zwei massive Stapel Brennholz. Zwischen den Scheiten aber waren hier und dort Oeffnungen, groß genug, um einen Gewehrlauf hindurchzulassen.

Das war eine Arbeit, die die Phantasie von zwei Knaben wohl in Bewegung zu setzen vermochte, schien es doch, als ob es Vorbereitungen zu einem regelrechten Kampf waren.

»'s wird wohl kein Schaden sein, wenn man seine eigenen Schießwaffen mal Nachsicht,« warf Peter voller Wichtigkeit hin.

»Steuermann!« preite im selben Augenblick Don Pedro aus der Kajüte, und Peter sprang die Treppe des Roofs hinunter.

Der Alte ging in seiner Kajüte auf und ab, anscheinend in starker Gemütsbewegung, er zitterte, als würde sein alter Körper von Kälteschauern geschüttelt, obgleich es in der Kajüte so warm war, wie in einer Glasbläserei.

»Peter, ich glaube, daß wir alle zum Teufel gehen,« rief er dem eintretenden Steuermann entgegen, »wir kommen nie und nimmer mit heiler Haut aus dieser Affaire heraus – ich hab meinen Kopf in eine Schlinge gesteckt und werde sicher baumeln müssen. – – Dios mio! man soll dem Bösen nie einen kleinen Finger reichen. – Jetzt haben sie mir den Dampfer fortgenommen, wenigstens vorläufig, bis die Waffen an Land geschafft sind. Wir sind Gefangene an Bord unseres eigenen Dampfers, und ich trage keine Verantwortung für das, was mit ihm geschieht – Du kannst Dir wohl denken, weshalb wir das so eingerichtet haben, Peter: der Caballero will mich dadurch vor Unannehmlichkeiten in Ciudad Bolivar bewahren. Das mag ja alles ganz schön sein, wenn wir nur nicht dem Kanonenboot begegnen, denn dann gibt es Kampf – und wenn erst die Gewehre knallen, weiß man nie, wo das Blei trifft. Pampina hat drei Nächte hintereinander von unseren seligen Eltern geträumt,« – Don Pedro bekreuzigte sich – »und das ist ein schlimmes Zeichen!«

»Können wir nicht alle vier hier in der Kajüte bleiben,« schlug Peter vor.

»Gewiß. Aber wenn das Kanonenboot uns überfällt und mit seinen Revolverkanonen beschießt, so kann uns das nicht viel helfen – ruf jetzt Fritz, und laß uns die Kajüte instandsetzen.«

Fritz kam herunter, und mit ihm Pampina.

Unter dem Sofa lagen fünf schwere Eisenschotte, die vor die Fenster der Kajüte geschraubt wurden. Die Türen wurden nachgesehen, sie waren solide genug, um Kugeln abzuhalten.

Don Pedro zeigte den Knaben das ganze Kajütengeheimnis: wenn man den Tisch beiseite schob, kam eine Luke im Boden zum Vorschein. Dieselbe führte zu einem niedrigen Keller, der sich unter dem Roof befand; hier standen die Munitionskasten, zusammen mit Proviant- und Wasserfässern. Alles war in schönster Ordnung.

»Ihr kennt den Mechanismus des Waffenschrankes,« sagte der Kapitän, als sie wieder in der Kajüte standen, »Schießwaffen sind genug da, aber wir werden hoffentlich keinen Gebrauch davon zu machen brauchen. Wenn das Kanonenboot kommt, ziehen wir uns hier in diese Festung zurück und mischen uns nicht in das, was oben geschieht. – Es wird einen blutigen Zusammenstoß geben; die Soldaten liegen in den Holzhaufen versteckt, und der Caballero begleitet uns die ganze Zeit mit seinem Dampfer, also Gott gnade Torlano, wenn er uns angreift. – Von der Löschung der Waffen hängt die ganze Verschwörung ab, darum könnt Ihr Euch denken, daß die Verschwörer alles aufwenden wollen, um sie an Land zu bekommen; wenn nötig, soll Gewalt angewendet werden. Gott verhüte, daß es soweit kommt. Ach ja, ach ja!« Don Carlos schüttelte mißmutig den Kopf und ging zu Pampina in ihre Schlafkajüte hinein. Die Knaben blieben allein in der »Festung« zurück.

»Uns können sie doch weder erschießen noch hängen, nicht, Peter? Wir haben doch mit der ganzen Sache nichts zu tun.«

»Wer soll ihnen das klarmachen, wenn sie den Dampfer kapern – wir können ja nicht ein einziges Wort von ihrem Kauderwelsch. Aber wir werden uns schon durchhelfen, Fritz, davor ist mir nicht bange. – Mir wär's übrigens lieber, wir könnten dabei sein, anstatt hier unten wie Mäuse in der Falle zu sitzen.«

Der Kapitän und Donna Pampina kehrten jetzt in die Kajüte zurück. Sie hatten augenscheinlich eine sehr wichtige Frage verhandelt und waren sich einig geworden. Pampina strich Fritz übers Haar und sah sehr betrübt aus.

»Hört, was ich Euch zu sagen habe, Jungens,« begann Don Pedro, »meine Schwester und ich haben Euch Vertrauen geschenkt, und Ihr habt versprochen, uns nicht im Stich zu lassen. In dem Fall nun, daß wir beide ums Leben kommen, mußt Du, Peter – und auch Du, Fritz – dafür sorgen, daß ein Paket, daß ich Euch jetzt zeigen werde, nach Barcelona und in die Hände meines Rechtsanwalts gelangt. Kommt, ich will Euch zeigen, wo es zu finden ist, aber vergeßt nicht, daß Ihr dies Geheimnis keiner Menschenseele verraten dürft, so wahr ihr ehrliche, deutsche Knaben seid, nicht einmal dem Caballero oder Pater Dominico.«

In Don Pedros Schlafkajüte stand die feste Koje aus Mahagoniholz gegen die Außenwand, und zwischen dem Kopfende und dem Achterschott erhob sich ein solider Kleiderschrank, in dem oben ein Raum für Hüte und unten einer für Feuerzeug war.

»Kannst Du diesem Raum etwas Besonderes ansehen,« fragte der Kapitän Peter. Dieser nahm Stiefel und Schuhe heraus und untersuchte den Platz, wo sie gestanden hatten, konnte aber nichts anderes als den bloßen Holzboden entdecken.

»Gib nun gut acht, was ich tue.« Don Pedro nahm einen Reiterstiefel aus dem Schrank, zog die spitze Spore mit einem Ruck heraus und zeigte Peter, daß das stumpfe Ende wie ein Schlüssel geformt war. Diesen Schlüssel steckte er in die obere, linke Ecke des Schrankes, ein scharfer Klang ließ sich hören, und der Boden des Schrankes sprang auf, als würde er von Stahlfedern in die Höhe geschnellt.

Don Pedro beugte sich herab und nahm einen kleinen, flachen Stahlschrein heraus, den er in die Kajüte trug und auf den Tisch stellte.

»Kannst Du das Schloß mit den vielen verstellbaren Buchstaben sehen? Daraus mußt Du den Namen Pedro zusammensetzen – versuch, ob Du es kannst.«

Peter drehte an den Buchstaben herum, und schließlich glückte es ihm, den Namen Pedro zusammenzustellen.

»Drück jetzt das ganze Schloß nach innen.«

Peter tat es, und das Schloß des Schreins sprang auf. Drinnen lagen lange Papierrollen, ein Haufen zusammengebundener Geldscheine, einige kleine Schachteln und eine alte, braune Brieftasche.

Don Pedro fuhr sich über die Augen, als ob der Inhalt des Schreins einen peinlichen Eindruck auf ihn mache – es war wohl der letzte Rest von Angst, einem Fremden seine Schätze zu offenbaren, den er damit wegwischte.

»Wenn Pampina und ich ums Leben kommen oder gefangen genommen werden, dann mußt Du diesen Schrein retten, und kannst Du ihn nicht bei Dir behalten, so mußt Du den Inhalt herausnehmen und so gut wie möglich verstecken.

Jede dieser zehn Rollen enthält fünftausend Pesetas, das macht zusammen fünfzigtausend Franks in Gold, und an Papiergeld ist noch zehnmal so viel da. In den Schachteln sind Schmucksachen – Ringe und Broschen – die sind Pampinas Eigentum. Die Brieftasche aber enthält wichtige Papiere, die in Barcelona dem Mann, dessen Namen auf den Kuverts steht – meinem Rechtsanwalt – abgeliefert werden müssen. Hast Du mich verstanden? – Und Du auch, Fritz?«

Beide Knaben nickten.

»Hört nun weiter,« fuhr Don Pedro fort, indem er den Schrein wieder schloß, »wenn Pampina und ich nicht lebendig aus diesem verfluchten Fluß herauskommen – hätten wir uns doch nie in diese Sache verwickelt – so müßt Ihr dafür sorgen, daß die Brieftasche in die richtigen Hände gelangt; wie Ihr das machen wollt, das müßt Ihr selbst wissen, aber ich habe Vertrauen zu Eurem Verstand und Eurer Ehrlichkeit, es wird Euch schon gelingen – – – Und wenn Ihr es gut ausrichtet, so sollt Ihr als Dank das Geld und die Schmucksachen behalten. Das Geld schenke ich Dir, Steuermann, und Pampina vermacht ihre Schmucksachen Fritz, nicht Schwester?«

Pampina saß auf einem Stuhl und weinte, sie zog Fritz an sich und küßte ihn. Während ihr die Tränen über die fetten Wangen rannen, streichelte sie ihrem Liebling das lockige Haar und schluchzte: »Good boy, good Fritz.«

Es lag etwas so Ergreifendes über, diesem alten Geschwisterpaar, das ihr ganzes Vertrauen in die beiden deutschen Jungen setzte und augenscheinlich jede Hoffnung auf Rettung aufgegeben hatte, daß sowohl Fritz wie Peter dem Weinen nah waren. Fritz konnte schließlich nicht länger an sich halten; er schlang die Arme um Donna Pampinas Hals, küßte sie und ließ seinen Tränen freien Lauf.

Peter sah sehr verlegen aus. Er fuhr sich durch seine langen, roten Haarsträhne und trocknete sich Augen und Nase mit dem Rücken seiner Hände; bald aber gewann sein praktischer Sinn wieder die Oberhand, und er fragte:

»Aber warum in aller Welt wollten Sie und Donna Pampina sterben – und gleich alle beide? So schlimm steht es doch nicht. Vielleicht kriegen wir das Kanonenboot überhaupt gar nicht zu sehen.«

»Pampinas Wahrzeichen trügen nie,« war die einzige Antwort, die er bekam. Damit wurde der Schrein wieder in dem geheimnisvollen Raum an seinen Platz gestellt.

Zwei Tage dampfte der »Don Carlos« flußaufwärts. Jede Nacht ankerte er ohne Laternen und ohne ein einziges Licht an Bord, jeden Morgen bei Tagesgrauen ging es weiter.

Der weiße Dampfer folgte, aber nur selten bekam man von Bord des »Don Carlos« einen Schimmer von ihm zu sehen; bald war er weit voran zwischen fernen Inseln, bald ganz achtern. Wie ein wachsamer Spürhund untersuchte er das Fahrwasser, um rechtzeitig warnen zu können, wenn der Feind, das Kanonenboot, sich zeigen sollte.

Es war eine spannende Zeit für alle an Bord. Der Kapitän wanderte rastlos mit seinem bekümmerten Gesicht umher. Mehrmals rief er Peter in die Kajüte, um zu probieren, ob dieser nun auch vollständig mit dem Mechanismus des Geheimnisses vertraut sei.

Pampina saß fast den ganzen Tag in ihrem Korbstuhl, am liebsten mit Fritz an ihrer Seite, wenn sie nicht von dem jungen Offizier geplagt wurde, der beständig konversieren und Domino spielen wollte.

Die Soldaten hatten Sonnensegel über das ganze Deck gespannt. Sie lagen halb nackt zwischen den Holzstapeln und rauchten oder spielten Karten, wenn sie nicht ihre Waffen putzten. Am ersten Tage waren sie eifrig beschäftigt gewesen, das Brennholz mit Schwefel und anderen stinkenden Stoffen zu durchräuchern, denn ihre Angst vor dem Gewürm, das zwischen den Scheiten hauste, war groß. Einer von ihnen war bereits von einem Skorpion gestochen worden und trug den Arm in der Binde.

Am dritten Tag zur Mittagszeit war die Hitze fast unerträglich. Die Sonne brannte durch die Segel und kein Wind rührte sich. Die Soldaten lagen und schliefen, und der alte Haudegen saß auf der Bank vor dem Roof, mit gespreizten Beinen und geschlossenen Augen, während der Schweiß ihm über den braunen, runzligen Hals rann. Peter und Fritz lagen längelang neben Pampinas Korbstuhl auf dem Roof, und schnappten nach Luft. Der langnasige, blasse Offizier hatte sich in eine Hängematte gestreckt, eine ausgegangene Zigarette hing ihm im Mundwinkel.

Da ertönte plötzlich vom Ausguckmann auf dem Deck ein langgezogenes, gellendes Ai – i – i und noch eines. Der Mulatte auf der Brücke wiederholte es nach achtern, und der alte Haudegen auf der Bank fuhr aus seinem Schlummer in die Höhe.

Die Maschine stoppte, was war geschehen?

Einen Augenblick später kam der kleine weiße Dampfer in voller Fahrt um eine der Inseln geschossen. Er sauste auf den »Don Carlos« zu. Der Caballero und Pater Dominico standen vorn und winkten mit allen Zeichen heftigster Erregung, und als sie in Hörweite gekommen waren, schrie ersterer:

»Das Kanonenboot ist in Sicht, es kann in zehn Minuten hier sein.«

Das Deck des Dampfers wurde der Schauplatz wildester Verwirrung. Die Schlafenden sprangen auf, die Soldaten liefen durcheinander und rafften ihre Waffen zusammen, die Offiziere fluchten und geboten Schweigen, denn alles schrie und rief durcheinander.

Donna Pampina fuhr mit einem »Madonna mia« aus ihrem Stuhl auf, und die Knaben stürzten vom Roof hinunter, um Don Pedro zu holen, der im selben Augenblick barhäuptig aus der Kajüte gerannt kam.

Endlich wurde soweit Ruhe hergestellt, daß der alte Offizier vom Deck des »Don Carlos« eine Unterredung mit General Silvela zuwege bringen konnte.

Kurze Fragen und Befehle kreuzten sich: »Don Carlos« soll hier Anker werfen. Macht alles klar, um das Kanonenboot in Empfang zu nehmen – die Soldaten legen sich in den Hinterhalt – schießt so viel wie möglich nieder. – Ich werde Euch im rechten Augenblick mit meinem Dampfer zu Hilfe kommen.«

So lauteten die Befehle des Generals, bald darauf rasselte die Ankerkette durch die Klüse, während der weiße Dampfer weiterjagte und um die nächste bewaldete Landzunge verschwand.

Auf dem »Don Carlos« wurde alles zum Gefecht klargemacht. Die Soldaten schnallten die Patronengürtel um und krochen in die Holzschuppen. Ein Gewehrlauf nach dem anderen erschien zwischen den Holzstücken, bereit, den Feind in Empfang zu nehmen – bald war kein gemeiner Soldat oder Offizier mehr zu sehen.

Auch der weißhaarige Mulatte und seine Mannschaft verschwanden durch die Deckluke. Nur ab und zu tauchte ein Kopf auf, um auszuspähen.

Don Pedro, Pampina und die Jungen zogen sich schleunigst in die Kajüte zurück, schlossen Türen und Fenster sorgfältig, sahen die Schotte nach und öffneten das Arsenal.

Es schien, als ob der alte Kapitän nur einer schwierigen Situation gegenübergestellt zu werden brauchte, um alle Schlaffheit von sich abzuschütteln und wieder ein tatkräftiger Mann zu werden. Die Spannung strammte seine Muskeln und flößte seinen Adern Energie ein; die Knaben gehorchten seinem kleinsten Wink.

Donna Pampina aber wurde von einer weiblichen Schwäche befallen, sie setzte sich auf einen Stuhl, schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte laut. Dann ging sie in ihre Schlafkajüte, kniete vor dem Bett nieder und betete zu ihrer Schutzpatronin, der heiligen Madonna, um Hilfe für sich, ihren Bruder und die teuren Knaben.

Karabiner, Gewehre und Revolver lagen geladen in der Kajüte, Patronenkasten standen auf dem Tisch. Alle überflüssigen Stühle waren entfernt. Die Festung war bereit, einen Angriff entgegenzunehmen; denn wohl wollte sich Don Pedro nicht in den bevorstehenden Kampf mischen, aber er wollte bereit sein, für sein Leben zu kämpfen, wenn es nötig wurde, und sich nicht ohne Widerstand ergeben.

Tiefe Stille herrschte jetzt auf dem Dampfer; das Deck stand voll von Brennholz, der Rauch stieg aus dem Schornstein, aber kein Mensch war zu sehen, kein Laut zu hören.

Fritz und Peter hielten durch die kleinen Schießlöcher in den Schotts Ausguck; ab und zu öffnete Don Pedro vorsichtig die Tür, schlich aufs Deck hinaus und warf einen Blick über die Reling, um sich sodann wieder in der Kajüte einzuschließen. Fritz dachte gerade, daß die Soldaten in ihrem Versteck ganz fürchterlich schwitzen müßten – er selbst war triefendnaß vor Wärme, – als er gedämpftes Geräusch wie von fernen, unterirdischen Stößen hörte. Diesen Laut kannte er, das mußte ein Dampfer sein, – natürlich das Kanonenboot. Er atmete schwer und fühlte, wie das Herz ihm in der Brust hämmerte. Er dachte bei sich: ich bin doch nicht bange? und fühlte, wie das Blut ihm zu Kopfe stieg. Er blickte zu Peter hin, der ruhig mit den Fäusten in den Taschen dastand, das Auge am Guckloch.

»Hörst Du, daß es kommt, Peter?«

Peter nickte: »Jetzt geht's los, Fritz – wenn wir doch auch schießen könnten, aber das dürfen wir nicht, denk daran.«

Das Geräusch wurde stärker, es klang wie ein wahres Donnergetöse in Fritz' Ohren, und plötzlich sah er das Kanonenboot durch sein Schießloch – es steuerte geradeswegs auf den »Don Carlos« zu.

Fritz fühlte sich beim Anblick des venezolanischen Kriegsschiffes enttäuscht und gleichzeitig erleichtert. Das sah ja ganz klein und unansehnlich aus, war grau gemalt, hatte nur einen Mast und einen langen, dünnen Schornstein, und lag sehr tief. Dafür hatte es allerdings eine große Kanone vorn und einige kleinere achtern, und als das Schiff näher kam, konnte Fritz einige Menschen an Bord unterscheiden, sowohl Soldaten wie Matrosen; es schienen doch wohl mehr Soldaten dort an Bord zu sein, als die zwanzig Mann, die hinter den Holzhaufen auf dem »Don Carlos« lagen.

Inzwischen war das Kanonenboot an den Dampfer herangekommen, und durch das Kuhauge in Donna Pampinas Schlafkajüte konnte man die ganze Situation überblicken: Auf der Kommandobrücke standen zwei Offiziere in weißen Uniformen mit Goldtressen und blanken Knöpfen. Sie betrachteten den alten, schmutzigen Dampfer durch Ferngläser, er rief augenscheinlich großes Erstaunen bei ihnen hervor.

Jetzt preite einer von ihnen zum »Don Carlos« hinüber, aber erhielt keine Antwort. Das Kanonenboot drehte und kam bis auf ungefähr fünfzig Meter an den Dampfer heran; dort stoppte es und warf Anker. Ein Boot wurde klargemacht; es war jetzt kein Zweifel mehr: der »Don Carlos« sollte visitiert werden.

Der älteste der Offiziere, der Chef selbst, der so viel besprochene Torlano, blieb auf der Kommandobrücke stehen und unterzog den verdächtigen Dampfer durch sein Doppelfernrohr einer genauen Untersuchung. Er war ein breitschultriger Mann, mit spitzem, dunklem Vollbart und einem energischen, harten Ausdruck im Gesicht. Der andere, ein jüngerer Offizier, ließ das Boot ins Wasser fieren; es dauerte eine Weile, bis es klargemacht war und zehn Soldaten außer der Rudermannschaft darin Platz genommen hatten; schließlich sprang er selbst hinein und stieß ab.

Die Strömung war hart; es war augenscheinlich keine leichte Arbeit für die Matrosen, das schwergeladene Boot zum Dampfer hinüberzurudern; als sie ihn endlich erreicht hatten, war keine Fallreeptreppe ausgehängt, und es war unmöglich an der glatten Schiffsseite hinaufzuklettern.

Sie riefen zum Dampfer hinauf, da es aber ohne Erfolg blieb, ruderten sie das Boot zur Ankerkette und hakten sich dort fest.

Was jetzt weiter in dem Boot vorging, konnte von der Kajüte aus, wo die Spannung der vier Eingeschlossenen mit jeder Minute stieg, nicht verfolgt werden. Alle starrten durch die Schießlöcher, von wo sie Ausblick über das ganze Deck hatten. Kein Laut war zu hören. Fritz sah einen großen, schwarzen Tausendfuß übers Deck kriechen, hier und dort bewegte sich ein Gewehrlauf zwischen den Holzscheiten. – Da tauchte ein braunes, bärtiges Gesicht über dem Rand des Dampfers, vorn beim Anker auf, dann wurde der ganze Körper sichtbar: es war ein Mann aus dem Boot, der die Ankerkette hinaufgeentert war und jetzt auf Deck stand und sich umblickte.

Der Matrose trug weiße, aufgekrempte Hosen und ein blaues, offenstehendes Hemd. – Fritz erwartete jeden Augenblick einen Schuß zu hören und den Mann hinstürzen zu sehen, aber nichts dergleichen geschah; der Matrose ging suchend auf dem Deck herum, bis er die Strickleiter fand; dann warf er sie über den Schiffsrand und winkte seinen Kameraden.

Gleich darauf tauchte der junge Offizier auf; sein Säbel klirrte gegen die Deckplanken, als er von der Reling herabsprang, in der Hand hielt er einen Revolver. Ihm folgten acht Soldaten, denen Gewehre aus dem Boot heraufgereicht wurden – nun standen alles in allem zehn Mann vom Kanonenboot auf dem Deck des »Don Carlos«, nicht viele Schritt von den harmlos aussehenden Holzstapeln entfernt.

Gleichzeitig aber bot sich denen in der Kajüte ein erschreckender Anblick: Eine seltsame Erscheinung kam die Maschinentreppe heraufgeschwankt, eine schmutzige, zerlumpte Person, mit struppigem, rotem Haar und blassen, aufgeschwemmten Zügen. Es war Mac Kenty; fürchterlich betrunken und mit einem albernen Grinsen gelangte er aufs Deck hinauf, wo er gleich über ein Stück Brennholz stolperte und hinfiel.

Er richtete sich wieder auf und blickte den fremden Offizier, der mit seinen Soldaten auf ihn zuging, verständnislos an.

Fritz stand in der Kajüte und starrte voller Entsetzen auf diese Szene: mitten auf Deck saß der versoffene Maschinenmeister von den fremden Menschen umringt. Fritz zitterte am ganzen Körper, jetzt mußte das Schreckliche kommen!

Da ertönte ein Schuß aus dem Holzstapel, und darauf ein Krachen, eine Gewehrsalve, daß das ganze Roof erzitterte. Eine Rauchwolke hüllte alles ein, aber durch den Rauch erblickte Fritz undeutlich Menschen, die fielen, hörte Rufe und Schreie, schwere Schritte auf Deck, wieder Schüsse, und dann stürzte der ganze Steuerbord-Holzstapel zusammen.

Zwischen dem Holz sprangen die Soldaten hervor, sie luden und feuerten, der alte Haudegen fiel, mit dem Säbel in der Hand, aber er erhob sich von neuem. Fritz sah, wie er sich auf den jungen Offizier warf, der neben der Maschinentreppe in die Knie gesunken war. Der alte Offizier holte mit seinem Säbel nach ihm aus, da aber fiel er hintenüber, von einem Revolverschuß in den Kopf getroffen, im selben Augenblick aber wurde der Kopf des jungen von einem Gewehrkolben zerschmettert.

Fritz hielt die Hände vor die Augen und stöhnte laut.

Ein Schlag gegen die Eisenwand des Roofs aber brachte ihn wieder zu sich, eine Kugel hatte dicht neben einem Schott getroffen. Fritz sah wieder hinaus.

Tote und sterbende Menschen lagen auf dem Deck, Blut floß aus Wunden, der junge Offizier lag zusammengekrümmt, den Kopf auf den Deckplanken, in einer großen, roten Lache; der alte Haudegen rührte kein Glied, sein Gesicht war so weiß wie sein großer Schnurrbart, die Hand hielt noch den Säbelschaft umklammert, und zwischen den beiden Offizieren saß noch immer der betrunkene Schotte, mit einem einfältigen Grinsen; aus einem Loch in der Brust aber sickerte Blut über seine zerlumpte Bekleidung. Der schmutzige Oberkörper schwankte hin und her, dann fiel er vornüber, schlug mit der Stirn gegen das Deck und blieb mit einem blödsinnigen Grinsen um den toten Mund liegen.

Die Aufrührer hatten jetzt längs des Decks hinter der Reling Aufstellung genommen, sie schossen zum Kriegsschiff hinüber, und Fritz konnte die Jolle, in der Torlanos Leute gekommen waren, flußabwärts treiben sehen; tote Körper lagen auf den Ruderbänken.

Vom Kanonenboot aber erklangen Lärm und Geschrei. Matrosen und Soldaten rannten durcheinander, versuchten den Anker zu lichten und die Kanonen zu laden; viele fielen. Torlano selbst arbeitete an einer der kleinen Kanonen achtern, er rief und gestikulierte mit den Armen, – da fuhr eine Rauchwolke aus der Mündung, und in der Kajüte des »Don Carlos« ertönte im selben Augenblick ein Gekrach und noch eines, als ob der Himmel zusammenstürzte, der Raum wurde verdunkelt und mit erstickenden Dämpfen erfüllt, Pampina schrie, die Tür wurde aufgerissen, und Peter und Fritz taumelten aufs Deck hinaus.

»Leg Dich hierher, rühr Dich nicht,« erklang Peters Stimme, er zog Fritz hinter einen Haufen Brennholz, »bist Du verwundet?«

Fritz antwortete nicht, und der Lärm um sie herum war auch zu groß, als daß eine Antwort verstanden werden konnte, aber er fühlte an sich herum: es schien alles in Ordnung zu sein.

Der erste Schuß vom Kanonenboot hatte ins Roof getroffen, und die Granate war in die Kajüte gesprungen. Es war aber der einzige Kanonenschuß, der auf den »Don Carlos« abgefeuert wurde, denn jetzt zeigte sich ein neuer Feind auf dem Wahlplatz, der die volle Aufmerksamkeit des Kanonenbootes in Anspruch nahm.

Der Dampfer des Generals war plötzlich hinter der bewaldeten Landzunge aufgetaucht, er kam in voller Fahrt herangedampft und feuerte auf das Kriegsschiff aus seiner kleinen, schnellschießenden Kanone am Steven; Schuß auf Schuß fiel, die kleinen Sprenggranaten schlugen auf die Wasserfläche und sprangen gegen die gepanzerten Seiten des Kriegsschiffes, so daß die Eisenstücke übers Deck flogen, und jetzt schossen die Soldaten der Aufrührer sowohl vom Deck des kleinen Dampfers wie vom »Don Carlos.« Das wurde Torlano zu bunt, denn es war ihm nicht möglich, das Feuer zu beantworten. Er ließ die Ankerkette schlippen und trieb flußabwärts; bald fing die Schraube an sich zu drehen und das Kanonenboot verschwand in voller Fahrt zwischen den dunklen Wäldern.

General Silvelas Leute aber brachen in ein schallendes Hurra aus, so daß das Echo von Wald zu Wald gellte, und Pater Dominico schwenkte seinen großen Tropenhelm in fanatischer Freude über das Gemetzel, über den gewonnenen Sieg.

Peter und Fritz standen wieder in der Kajüte, unter deren Decke die giftigen Dünste der geplatzten Granate noch wogten. Der Fußboden war mit Glasscherben und zersplittertem Holz bedeckt; neben dem Tisch aber lag Don Pedro als Leiche in einer Blutlache, ein Granatsplitter hatte ihn an der Schläfe getroffen. Auf einem Stuhl neben dem Gewehrschrank saß Donna Pampina, mit zurückgebeugtem Kopf und offenem Mund.

Sie stöhnte und die Knaben eilten zu ihrer Hilfe herbei; sie hoben mit Mühe den schweren Körper vom Stuhl und schleppten ihn zum Sofa. Dort lag die alte Pampina, mit geschlossenen Augen; sie mußte verwundet sein, denn Peters Hände wurden ganz blutig, als er sie anfaßte. Fritz zitterte am ganzen Körper wie im Fieber; er sank in die Knie, grub seinen Kopf in Pampinas Schoß und weinte, als solle ihm das Herz brechen.

Da fühlte er, wie Pampinas Hand ihm liebkosend über die Locken strich, sie flüsterte: »good Fritz, good boy.«

Das waren ihre letzten Worte; ein Zittern befiel sie, dann sanken ihre Arme schlaff herab. Donna Pampina war tot.

Die Wahrzeichen hatten nicht getrogen, der Traum war in Erfüllung gegangen. Jetzt waren sie und Don Pedro wieder mit ihren verstorbenen Eltern vereint.


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