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Die Verwendung des Reichtums.

Kapitel 17.
Rücktritt vom Geschäft. Die »Verteilung des Reichtums«: die Stiftungen des Arbeiter-Unterstützungsfonds, von Volksbibliotheken, des Carnegie-Instituts und des Heldenfonds.

Nachdem mein Buch »Das Evangelium des Reichtums« »The Gospel of Wealth« erschien 1900 (Neuyork, Century Company) und besteht aus einer Sammlung von Aufsätzen, die 1886 bis 1899 in verschiedenen amerikanischen und englischen Zeitschriften erschienen waren. Deutsche Übersetzung von P. L. Heubner, Leipzig, H. von Schalscha Ehrenfeld 1905. Der Titel des Buches ist in England geprägt worden, wo schon vor seiner Zusammenstellung ein zuerst in der North American Review erschienener Aufsatz auf Gladstones Veranlassung auch in der englischen Zeitschrift Pall Mall Budget veröffentlicht wurde und hier die Überschrift »The Gospel of Wealth« erhielt, die später als Titel für das Buch adoptiert wurde. erschienen war, mußte ich nunmehr beginnen, seinen Lehren gemäß zu leben, indem ich aufhörte, immer mehr Reichtümer anzusammeln. Ich entschloß mich, jetzt das Anhäufen von Geld einzustellen und mit der unendlich viel ernsteren und schwereren Aufgabe seiner weisen Verteilung zu beginnen. Unser Verdienst hatte die Höhe von 40 Millionen jährlich erreicht, und wir standen vor der geradezu beängstigenden Aussicht, daß dieser Verdienst noch steigen würde. Unsere Nachfolger, die United States Steel Corporation, haben bald nach dem Kauf einen Reingewinn von 60 Millionen im Jahr erzielt. Hätte unsere Gesellschaft das Geschäft selbst weitergeführt und noch unsere Erweiterungspläne zur Ausführung gebracht, so hätten wir mit einem Jahresverdienst von 70 Millionen rechnen können. Der Stahl hatte sich die Herrschaft erobert und verdrängte alles minderwertige Material. Es war ganz offenbar, daß eine große Zukunft vor uns lag.

Aber ich war mir für meine Person völlig klar darüber, daß mich die Aufgabe der Verteilung meines Reichtums in meinen späteren Jahren aufs äußerste in Anspruch nehmen würde. Wie so oft, wirkte auch in diesem Falle Shakespeare wie ein Talisman auf meine Gedankenwelt mit seinem Ausspruche:

Verteilung steu'rte dann dem Übermaß,
Und jeder hätt' genug.

In dieser inneren Verfassung traf mich im März 1901 die Mitteilung meines Freundes Mr. Schwab, daß Mr. Morgan ihm gesagt habe, er möchte wirklich gern wissen, ob ich mich vom Geschäft zurückzuziehen beabsichtige; in diesem Falle dächte er, die Sache ließe sich arrangieren. Er habe bereits mit unseren Teilhabern gesprochen, und diese wären zum Verkauf geneigt, da ihnen Mr. Morgans Bedingungen sehr verlockend erschienen. Ich erklärte Mr. Schwab, wenn meine Teilhaber zum Verkauf bereit wären, dann wollte ich mich ihnen anschließen.

So verkauften wir unsere Werke. Mr. Morgan hat sie zu unserem Selbstkostenpreis bekommen. Ich lehnte es ab, an dem Verkauf etwas zu verdienen. Ich hätte, wie mir Mr. Morgan später sagte, glatt 100 Millionen mehr in 5prozentigen Schuldverschreibungen herausschlagen können, so glänzend ging damals das Geschäft und so hoch schätzte man den Wert unseres Stahlwerkes.

Aber ich war, wie schon gesagt, jetzt völlig damit beschäftigt, das, was ich schon besaß, zu verteilen und hatte damit jetzt mehr Arbeit als je zuvor. Meine erste Stiftung galt den Arbeitern unserer Werke. Über die Art und den Zweck dieses Unterstützungsfonds mögen die folgenden Briefe und Dokumente unterrichten:

 

Neuyork, NY., 12. März 1901.

Am Tage meines Rücktritts vom Geschäft verwende ich zum erstenmal einen Teil meines überschüssigen Reichtums, vier Millionen in ersten 5prozentigen Schuldverschreibungen, zum Zeichen meiner tiefen Dankesschuld gegen meine Arbeiter, die so viel zu meinem Erfolge beigetragen haben. Die Stiftung ist bestimmt zur Unterstützung derer, die von Unglücksfällen betroffen werden, und zur Auszahlung von kleinen Pensionen an solche, die der Beihilfe bedürfen.

Außerdem stifte ich eine Million Dollar in ebensolchen Papieren, deren Zinsen für die Bibliotheken und Lesehallen verwandt werden sollen, die ich für unsere Arbeiter erbaut habe.

Darauf bekam ich von den Arbeitern aus Homestead die folgende Adresse:

 

Munhall, Pa., 23. Februar 1903.

Sehr geehrter Herr!

Hierdurch möchten wir Angestellten der Stahlwerke von Homestead Ihnen durch unser Komitee unsere größte Dankbarkeit für Ihre gütige Stiftung des »Andrew Carnegie-Unterstützungsfonds« aussprechen, nachdem uns im vergangenen Monat der erste Jahresbericht über die Wirksamkeit dieser Stiftung vorgelegt worden ist.

Sie haben sich durch das Interesse, das Sie allezeit Ihren Arbeitern bewiesen haben, eine Zuneigung erworben, die nicht in Worten Ausdruck finden kann. Der »Andrew Carnegie-Unterstützungsfonds« steht unter all den vielfachen Bestrebungen, durch die Sie uns Gutes zu erweisen sich bemüht haben, an erster Stelle. So mancher Fall gelinderter Not und wiedererweckter Hoffnung und Kraft in Häusern, wo nach menschlichem Ermessen die Zukunft nichts als Dunkelheit und Mutlosigkeit barg, ist uns persönlich zur Kenntnis gekommen.

Hochachtungsvoll
Der Ausschuß:

Harry F. Rose, Walzarbeiter. John Bell jr., Schmied. I. A. Horton, Kontrolleur. Walter A. Greig, Werkführer im Elektrizitätswerk. Harry Cusack, Aufseher.

Die Leute vom Lucy-Hochofen schenkten mir eine wundervolle silberne Schüssel mit folgender Inschrift:

 

Andrew Carnegie-Unterstützungsfonds, Lucy-Hochofen.

Da Mr. Andrew Carnegie in seiner freigebigen und menschenfreundlichen Art den Andrew Carnegie-Unterstützungsfonds zu gunsten der Angestellten der Carnegie-Gesellschaft gestiftet hat, haben wir beschlossen, daß die Angestellten des Lucy-Hochofens in einer besonders hierfür einberufenen Versammlung Mr. Andrew Carnegie ihres aufrichtigen Dankes und ihrer Wertschätzung für seine großzügige und vorbildliche Stiftung versichern. Es ist unser aller inniger Wunsch und herzliches Gebet, daß er noch lange leben und die Frucht seiner Arbeit genießen möge.

Der Ausschuß:

James Scott, Vorsitzender. Louis A. Hutchison, Sekretär. James Daly. R. C. Taylor. John V. Ward. Frederick Voelker. John M. Veigh.

Ich reiste dann bald nach Europa, und wie gewöhnlich begleiteten mich zum Abschied einige meiner Teilhaber zum Dampfer. Aber ach, wie anders war es diesmal für mich! Was wir auch sagten oder tun mochten – eine merkwürdige Veränderung war eingetreten. Das blieb mir nicht verborgen: mit der Aufgabe des Geschäftes war etwas zwischen uns zerrissen, und das »Auf Wiedersehen« klang schmerzlich wie ein »Lebewohl«.

Als ich einige Monate später nach Neuyork zurückkehrte, kam ich mir hier völlig entwurzelt vor. Wohl freute ich mich herzlich, einige der »Jungens« zur Begrüßung am Hafendamm zu sehen, – immer noch die alten Freunde, aber doch jetzt so anders wie früher. Meine Freunde hatte ich nicht verloren, wohl aber meine Teilhaber. Daß sie noch meine Freunde waren, war immerhin etwas, für mich sogar viel. Aber dennoch klaffte eine Lücke in meinem Leben. Nun mußte ich mich an meine selbstgewählte Aufgabe, die weise Verteilung meines überschüssigen Reichtums, machen. Das würde meine Gedanken genug in Anspruch nehmen.

Eines Tages fielen meine Augen zufällig auf eine Zeile in dem recht wertvollen Blatt »Der Schottisch-Amerikaner«, in welchem ich schon manche Perle gefunden hatte. Die Zeile lautete: »Wer ein Gewebe begonnen, dem schenken die Götter den Faden.« Es war fast, als wäre dieser Satz ausdrücklich für mich geschrieben. Er drang mir tief ins Herz. Ich nahm mir vor, mein erstes Gewebe sofort zu beginnen, und wirklich, die Fäden liefen von selbst in die Hand. Dr. I. S. Billings von den Neuyorker Volksbibliotheken kam als Götterbote zu mir, und 5¼ Millionen Dollar gingen mit einem Schlage in 68 Zweigbibliotheken auf, die ich der Stadt Neuyork versprach. Zwanzig weitere Bibliotheken für Brooklyn folgten.

Mein Vater war, wie ich bereits erzählt habe, in Dunfermline einer der fünf Vorkämpfer gewesen, die sich zusammentaten, um ihren weniger begüterten Nachbarn ihre paar Bücher zugänglich zu machen. Ich war in seine Fußtapfen getreten, indem ich meiner Vaterstadt eine Bibliothek, deren Grundstein meine Mutter gelegt hat, schenkte. Diese Volksbibliothek ist meine allererste Stiftung gewesen. Ihr folgte eine Volksbibliothek und Lesehalle für Allegheny City, unsere erste Heimat in Amerika, Präsident Harrison kam liebenswürdigerweise von Washington und weihte diese Gebäude ein. Kurz danach bat mich die Stadt Pittsburg um eine Bibliothek, die ich ihr auch schenkte; diese entwickelte sich allmählich zu einem ganzen Gebäudekomplex, der auch ein Museum, eine Gemäldegalerie, Gewerbeschulen und die Margaret-Morrison-Frauenschule umfaßte. Ich übergab diesen Komplex am 5. November 1895 der Öffentlichkeit. In Pittsburg hatte ich mein Vermögen erworben, und in den 28 Millionen, die ich der Stadt für diese Stiftungen geschenkt habe, gebe ich ihr nur einen kleinen Teil dessen zurück, was ich ihr verdanke; sie hat ein Recht darauf.

Die zweite große Schenkung war die Gründung des Carnegie-Instituts in Washington. Am 28. Januar 1902 gab ich 10 Millionen Dollar in 5prozentigen Schuldverschreibungen; nach und nach hat sich diese Stiftung auf 25 Millionen Dollar erhöht. Mir lag natürlich daran, den ganzen Plan dem Gutachten des Präsidenten Roosevelt zu unterbreiten. Um die Übernahme des Postens des Kanzlers ersuchte ich den Minister Mr. John Hay, der meine Bitte auch bereitwillig erfüllte. Mit ihm gehörten dem Direktorenkollegium an mein alter Freund Abram S. Hewitt, Dr. Billings, William E. Dodge, Elihu Root, Oberst Higginson, D. O. Mills, Dr. S. Weir Mitchell und andere. Als ich dem Präsidenten Roosevelt die Liste der hervorragenden Männer zeigte, die sich in den Dienst der Sache gestellt hatten, bemerkte er: »So etwas gibt es wohl nicht zum zweiten Mal.« Er begünstigte die Gründung außerordentlich, deren Zweckbestimmung durch einen Kongreßbeschluß am 28. April 1904 folgendermaßen festgelegt wurde:

»Zu weitestgehender und großzügiger Förderung von Forschung, Untersuchung und Entdeckung, zur praktischen Verwertung aller Kenntnisse für den Fortschritt der Menschheit; besonders aber zur Leitung und Unterstützung der Forschung auf jedem Gebiete der Wissenschaft, der Literatur und Kunst sowie der Naturwissenschaften; zu gemeinsamer auf dieses Ziel gerichteter Arbeit mit Regierungen, Universitäten, Colleges, technischen Schulen, wissenschaftlichen Gesellschaften und Einzelpersonen.«

Die Geschichte der verdienstvollen Unternehmungen des Instituts ist durch dessen eigene Veröffentlichung so bekannt, daß ich hier auf Einzelheiten wohl nicht einzugehen brauche. Nur zwei Unternehmungen des Instituts, die geradezu einzig dastehen, möchte ich besonders erwähnen. Einen ganz unschätzbaren Dienst erweist das Institut der ganzen Welt mit seiner aus Holz und Bronze hergestellten Jacht »Carnegie«, die um die Erde reist, um die Irrtümer früherer Vermessungen auszugleichen. Viele dieser Seevermessungen haben sich als unrichtig infolge von Abweichungen des Kompasses herausgestellt. Bronze ist nicht magnetisch, während Eisen und Stahl diese Eigenschaft in hohem Grade besitzen; so sind die früheren Beobachtungen zahlreichen Irrtümern unterworfen gewesen. Ein schlagender Beweis hierfür ist der Untergang eines Cunard-Dampfers in der Nähe der Azoren. Kapitän Peters von der »Carnegie« hielt es für geraten, diesen Fall zu untersuchen, und stellte fest, daß der Kapitän des verunglückten Schiffes seinen Kurs genau nach der Admiralitätskarte gerichtet hatte, daß ihn also keine Schuld traf. Die Beobachtung war eben unrichtig gewesen. Der durch Kompaßabweichung hervorgerufene Irrtum wurde sofort korrigiert.

Dies ist nur eine von den zahlreichen Berichtigungen, die den seefahrenden Nationen gemeldet wurden. Ihr Dank ist uns reicher Lohn. In der Schenkungsurkunde habe ich die Hoffnung ausgesprochen, daß unsere junge Republik eines Tages wenigstens in gewissem Grade die große Schuld möge abtragen können, die es den älteren Ländern zu danken hat. Nichts gewährt mir eine tiefere Befriedigung, als das Bewußtsein, daß sie wenigstens teilweise damit bereits angefangen hat.

Von ebenso einzigartiger Bedeutung wie die Leistungen der umherfahrenden »Carnegie« sind die des Observatoriums, das 5886 Fuß über dem Meeresspiegel auf dem Mount Wilson in Kalifornien steht. Sein Leiter ist Professor Hale. Als er seinerzeit an der Versammlung der führenden Astronomen in Rom teilnahm, machten die Enthüllungen, die er dort gab, auf die Gelehrtenversammlung einen solchen Eindruck, daß sie beschloß, ihre nächste Tagung auf dem Gipfel des Mount Wilson abzuhalten. Das ist denn auch geschehen.

Es gibt nur einen Mount Wilson. Aus einer Tiefe von 72 Fuß im Erdboden wurde hier auf photographischem Wege nach neuen Gestirnen gesucht. Auf der ersten der entwickelten Platten entdeckte man eine größere Anzahl neuer Welten – 16, glaube ich. Auf der zweiten waren es, glaube ich, 60 neue Welten, die in unseren Gesichtskreis gekommen waren, und auf der dritten schätzte man mehr als 100, von denen einige zwanzigmal größer sein sollen als die Sonne. Einige von ihnen waren so weit entfernt, daß ihre Lichtstrahlen 8 Jahre brauchen, um die Erde zu erreichen. Müssen wir nicht demütig unser Haupt beugen und bekennen: »Alles, was wir wissen, ist doch nur Stückwerk gegenüber dem uns Unbekannten«? Welche Enthüllungen stehen uns noch bevor, wenn erst das neue Riesenfernrohr, das dreimal größer ist als alle bisher gebauten, benutzt werden kann! Ich bin sicher, daß man sogar die Mondbewohner wird sehen können, wenn es welche gibt. –

Die dritte Aufgabe, der ich mich mit freudigem Herzen widmete, war die Gründung des Heldenfonds. Ich hatte von einem schweren Unfall in einer Kohlengrube bei Pittsburg gehört. Mr. Taylor, der damalige Direktor, war, obwohl er andere dringende Verpflichtungen hatte, sofort zur Unglücksstätte geeilt und mit den eifrig herbeigeströmten Freiwilligen in die Grube eingefahren, um die Verschütteten zu retten. Aber leider hatte der tapfere Mann selbst dabei sein Leben lassen müssen. Der Gedanke hieran kam mir nicht mehr aus dem Sinn. Als ich am Morgen nach diesem Unfall das folgende ergreifende Gedicht, das mir mein lieber, guter Freund Mr. Richard Watson Gilder geschickt hatte, wieder las, faßte ich den Entschluß, den Heldenfonds zu stiften.

Am Tage des Friedens.

Wohl sagten sie: »Wenn Schlachtenstaub und Trommelklang
Von dieser Erd' verschwunden,
Stirbt aus des Helden Mut und Tatendrang.«
Doch kaum war dieses Wort dem Mund entflohn,
Erhob sich siegreich eine milde Hand
Und sprach ein »Halt« dem Morde, die Fessel
Lösend, die Jahrhunderte die Menschheit band.
Ein Weib, bleich, zitternd, doch mit Felsenmut
Hat sie des Mannes Schmach getrotzt;
Ein zartes Kind ertrug den Schmerz in Schweigen
Aus tiefem Mitleid für das Herz der Mutter;
Gelehrte standen auf und, ihrer Sippe Hohngelächter trotzend.
Verteidigten der Wahrheit göttlich Recht;
Ein schlichter Held, das Recht nur kennend, nicht der Waffen Kunst,
Errang durch seine Tat der ganzen Welt Bewunderung;
Und einer gab sein Leben, blühend jung, dem grausen Tod,
Damit durch ihn die tausend anderen er rette.

So stiftete ich mit 5 Millionen Dollar den Heldenfonds zur Belohnung der Helden, zur Unterstützung der Familien solcher Helden, die bei Hilfs- oder Rettungsversuchen ihr Leben einbüßen, und zur Ergänzung dessen, was bereits von den Arbeitgebern oder anderer Seite zur Unterstützung der infolge von Unglücksfällen bedürftigen Familien geschah. Diese am 15. April 1904 errichtete Stiftung hat sich in jeder Hinsicht als äußerst erfolgreich erwiesen. Ich liebe sie ganz besonders, da ich sozusagen ganz allein der Vater des Gedankens war und von keinem darauf hingewiesen worden bin; soviel ich weiß, hatte man noch nie an einen derartigen Fonds gedacht, er ist also im wahrsten Sinne »mein eigenes Kind«. Ich dehnte ihn später auf meine Heimat Großbritannien aus; hier übernahm das Carnegie-Kuratorium in Dunfermline seine Verwaltung. Im Laufe der Zeit wurde der Fonds dann auch noch auf Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, Holland, Norwegen, Schweden, die Schweiz und Dänemark ausgedehnt.

Über sein Wirken in Deutschland schrieb mir David Jayne Hill, der amerikanische Gesandte in Berlin, einen Brief, aus dem ich folgendes zitiere:

Der Hauptzweck meines Schreibens ist jedoch. Ihnen zu erzählen, wie sehr sich Seine Majestät über die Arbeit des Deutschen Heldenfonds gefreut hat. Er ist ganz begeistert davon und sprach in äußerst lobenden Ausdrücken von der tiefen Einsicht und edlen Gesinnung, die Sie mit dieser Stiftung bewiesen haben. Er hätte es nicht für möglich gehalten, daß der Fonds die Bedeutung erlangen würde, die er tatsächlich erlangt hat. Er erzählte mir einige wirklich rührende Fälle, die ohne diese Stiftung wohl jeder Fürsorge entzogen gewesen wären. In einem Falle hatte ein junger Mann einen Knaben vor dem Ertrinken gerettet; gerade als man ihn aus dem Wasser heben wollte und er das Kind schon den Leuten ins Boot gereicht hatte, bekam er einen Herzschlag und ging unter; er hinterließ eine junge Frau und ein Söhnchen. Der Heldenfonds hat sie instand gesetzt, ein kleines Geschäft zu eröffnen, mit dem sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen kann; auch für die Erziehung ihres sehr begabten Jungen wird Sorge getragen werden. Dies ist nur ein Beispiel von vielen.

Valentini, der Chef des Zivilkabinetts, der der Notwendigkeit eines solchen Fonds zuerst etwas skeptisch gegenüberstand, ist nun Feuer und Flamme dafür; er hat mir erzählt, daß das ganze aus umsichtig ausgewählten Herren bestehende Komitee mit tiefem Ernst sich der Aufgabe hingibt, den besten und weisesten Gebrauch von den zur Verfügung stehenden Mitteln zu machen, und daß es viel Zeit auf die Prüfung der Fälle verwendet.

Die Herren haben sich auch mit den englischen und französischen Kommissionen in Verbindung gesetzt, um regelmäßigen Austausch der Berichte einzuleiten und Hand in Hand zu arbeiten. Der amerikanische Bericht hat ihr lebhaftes Interesse erregt und den Herren zahlreiche Anregungen gegeben.

König Eduard von England war gleichfalls hoch erfreut über die Fürsorgetätigkeit des Fonds und sandte mir einen eigenhändigen Brief, in dem er mir für diese und andere Schenkungen an mein Heimatland seine Hochachtung ausspricht. Da dieser Brief für mich von großem Werte ist, füge ich ihn an dieser Stelle ein.

 

Schloß Windsor, 21. November 1908.

Sehr geehrter Herr Carnegie!

Schon seit langer Zeit habe ich mir vorgenommen. Ihnen meine tiefe Anerkennung für Ihre Großherzigkeit auszusprechen, die Sie meinem Lande, Ihrer Heimat, durch die großen öffentlichen Stiftungen bewiesen haben.

Aber kaum weniger bewundernswert, als die Stiftungen selbst, ist die große Sorgfalt, mit der Sie Vorkehrungen gegen die Möglichkeit eines Mißbrauchs getroffen haben.

Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen meine dankbare Gesinnung für Ihre großherzigen Wohltaten sowie für die unschätzbaren Dienste, die damit dem ganzen Lande erwiesen werden, auszudrücken.

Erlauben Sie mir, Ihnen hiermit als Zeichen meiner Anerkennung mein Bild zu übersenden.

In aufrichtiger Hochachtung, lieber Mr. Carnegie,
Edward R. & I.

 

Einige amerikanische Zeitungen hatten kein rechtes Vertrauen zu dem Heldenfonds und kritisierten scharf den ersten Jahresbericht. Doch alle Zweifel sind mittlerweile längst verschwunden, und die Tätigkeit des Fonds wird aufs wärmste gerühmt. Er hat gesiegt, und das Vertrauen zu seiner Tätigkeit wird so schnell nicht aufhören!

Die Helden der barbarischen Vergangenheit verwundeten oder töteten ihre Mitmenschen: die Helden unseres zivilisierten Zeitalters setzen es sich als Ziel, ihren Brüdern zu dienen und sie zu retten. Das ist der Unterschied zwischen physischem und moralischem Mut, zwischen Barbarei und Kultur. Diejenigen, die zu der ersten Sorte gehören, werden bald verschwinden; denn schließlich werden wir dahin kommen, daß wir Menschen, die sich gegenseitig ermorden, ebenso beurteilen wie Kannibalen, die einander fressen. Diejenigen aber, die zur zweiten Art gehören, werden nicht aussterben, solange es Menschen auf der Erde gibt – denn ihr Heldentum ist göttlicher Art.

Der Heldenfonds soll hauptsächlich ein Pensionsfonds sein. Schon jetzt sorgt er für zahlreiche Pensionäre, Helden selbst oder ihre Witwen und Kinder. Zuerst machte sich hinsichtlich seines Zweckes eine falsche Auffassung geltend. Viele waren der Meinung, daß der Fonds zu Heldentaten ermuntern sollte, daß heldenmütige Menschen durch die Aussicht auf Belohnung zu ihren Taten veranlaßt werden sollten. Daran habe ich nie gedacht; das wäre falsch gewesen. Ein wirklicher Held denkt nicht an Belohnung. Er folgt einer höheren Eingebung und denkt nur an die gefährdeten Mitmenschen, nicht an sich selbst. Der Fonds soll dem Helden, wenn er durch sein Rettungswerk arbeitsunfähig wird, oder im Falle seines Todes seinen Hinterbliebenen eine Pension gewähren oder sonst in passender Weise für sie sorgen. Der Anfang war verheißungsvoll, und die Stiftung wird mit jedem Jahre an Wertschätzung gewinnen, je besser man ihre Ziele und Dienste verstehen wird. Wir haben heute in Amerika 1430 Helden oder ihre Familien auf unserer Pensionsliste.

Einen geeigneten Präsidenten für den Heldenfonds fand ich in einem Carnegieveteranen, Charlie Taylor, einem der alten Jungens. Er bekommt nichts dafür – keinen Cent würde er annehmen. Seine Tätigkeit ist ihm so lieb, daß er wohl eher noch einen hohen Preis zahlen würde, nur um sie leisten zu dürfen. Hier steht der rechte Mann am rechten Platz. Mit Mr. Wilmots tüchtiger Hilfe leitet er auch die Pensionseinrichtung für die Arbeiter aus den Carnegiewerken (Carnegie-Unterstützungsfonds), ebenso das Pensionswesen für Eisenbahnangestellte meiner alten Abteilung. Also drei Unterstützungsfonds, von denen jeder einem anderen Zweck zugute kommt.

Eines Tages konnte ich Charlie, der mich immer nur für andere mit seinen Bitten bedrängte, doch auch meinen Dank abstatten. Er hatte an der Lehigh-Universität in South Bethlehem, Pennsylvania. promoviert und war einer ihrer treuesten Söhne. Nun wünschte Lehigh von mir ein neues Gebäude, und Charlie trat warm dafür ein. Ich sagte nichts, schrieb aber einen Brief an den Rektor Drinker, in welchem ich die zum Bau nötigen Mittel anbot unter der Bedingung, daß ich dem Hause den Namen geben dürfte. Er war einverstanden, und ich nannte es »Taylor Hall«. Als Charlie das erfuhr, protestierte er lebhaft und sagte, das würde ihn nur lächerlich machen, denn er habe ja dort nur ganz bescheiden sein Examen gemacht und deshalb keinerlei Anspruch auf eine öffentliche Ehrung seines Namens usw. Mir machte seine Erregung ungeheueren Spaß. Ich ließ ihn ruhig zu Ende reden und sagte dann, es könne ja sein, daß es ihn etwas lächerlich machen werde, wenn ich auf »Taylor Hall« bestünde; aber er müsse sich doch auch einmal irgendein Opfer für Lehigh auferlegen. Wenn er nicht so furchtbar eitel wäre, dann würde es ihm ganz gleichgültig sein, wie sein Name angewandt würde, wenn damit seiner alma mater ein Dienst erwiesen werden könnte. Taylor sei doch wirklich kein so besonderer Name; es sei wieder nur seine unerträgliche Eitelkeit, die ihn soviel Aufhebens davon machen ließ; er möchte sich doch einmal Mühe geben, diese Schwäche zu überwinden. Aber er könne sich ja die Sache überlegen. Entweder müsse er Lehigh oder den Namen Taylor opfern, ganz wie es ihm beliebe, aber: »Kein Taylor, kein Haus!« Da hatte ich ihn gefangen! Besucher, die beim Anblick des Gebäudes in späteren Zeiten einmal verwundert fragen mögen, wer denn eigentlich dieser Taylor war, können beruhigt die Versicherung annehmen, daß er ein treuer Sohn von Lehigh war, ein Mann, der das Evangelium der werktätigen Nächstenliebe nicht nur mit Worten predigte, sondern auch durch seine Taten bewährte, einer der besten Menschen, die je gelebt haben. So sieht das gestrenge Oberhaupt unserer Pensionsfonds aus.


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