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Ein rätselhafter Überfall

Erst spät am folgenden Nachmittag sah Tarzan die Reisegefährten, in deren Angelegenheiten ihn sein Ehrlichkeitsgefühl verwickelt hatte. Und dann stieß er ganz unerwartet auf Rokoff und Pawlowitsch und zwar in einem Augenblick, wo es den beiden sicher am wenigsten erwünscht war.

Sie standen auf dem Deck an einer Stelle, wo sie gerade allein waren, und als Tarzan zufällig dorthin kam, befanden sie sich gerade in einem heftigen Streit mit einer Dame. Tarzan bemerkte, daß diese Dame vornehm gekleidet war. Ihre schlanke, frische Gestalt ließ auf ein jüngeres Alter schließen, ihre Züge konnte er nicht unterscheiden, da sie dicht verschleiert war.

Sie stand zwischen den beiden Männern. Da diese Tarzan den Rücken zugekehrt hatten, konnte er ganz nahe an sie herankommen, ohne daß sie ihn wahrnahmen. Er sah, daß Rokoff zu drohen und die Dame zu bitten schien, aber sie sprachen in einer fremden Sprache, so daß er nur aus dem Anschein erraten konnte, daß die junge Frau sich fürchtete.

Rokoffs Haltung war so drohend, daß der Affenmensch einen Augenblick hinter dem Trio stehen blieb, da er unwillkürlich befürchtete, der rohe Mensch könnte handgreiflich gegen sie werden. Im selben Augenblick faßte dieser sie denn auch am Handgelenk, wie wenn er aus ihr ein Versprechen erpressen wollte. Er erreichte sein Ziel aber nicht, denn plötzlich wurde er mit stahlharten Fingern an den Schultern gefaßt und mit solchem Schwung auf die Seite geworfen, daß er anfänglich gar nicht wußte, was ihm geschah. Erst als er aufblickte, sah er in die kalten grauen Augen des Fremden, der ihm am Tage vorher in die Quere gekommen war.

Donnerwetter! schrie der wütende Rokoff. Was fällt Ihnen ein? Sind Sie verrückt, daß Sie Nikolaus Rokoff wieder beleidigen?

Dies ist meine Antwort auf Ihr Briefchen, mein Herr! flüsterte ihm Tarzan zu. Und dann schleuderte er den Kerl mit solcher Wucht von sich, daß er gegen die Reling hinstürzte.

Donnerwetter nochmal! schrie Rokoff. Sie gemeiner Mensch, das kostet Ihnen das Leben! Und indem er aufsprang, stürzte er auf Tarzan los, während er einen Revolver aus seiner Tasche zu ziehen suchte.

Die junge Dame fuhr entsetzt zurück.

Nikolaus! rief sie, halt ein, tu das nicht, o tu das nicht! Und dem Fremden schrie sie zu: Schnell, fliehen Sie, mein Herr, sonst wird er Sie töten!

Statt aber zu fliehen, trat Tarzan auf den Menschen zu. Machen Sie sich nicht selbst unglücklich! sagte er.

Rokoff war durch die erlittene Demütigung derartig in Raserei geraten, daß er den Revolver auf Tarzans Brust richtete. Der Hahn knackte, aber der erste Schuß versagte. Doch ehe der Wütende ein zweites Mal losdrücken konnte, hatte Tarzan mit raschem Griff den Revolver erfaßt und ihn über die Reling hinaus in die See geworfen.

Einen Augenblick standen die beiden da und sahen einander an. Rokoff hatte sein Selbstbewußtsein wieder erlangt. Er war der erste, der sprach.

Zweimal haben Sie sich nun berufen gefühlt, sich in Dinge zu mischen, die Sie nichts angehen. Zweimal haben Sie es aus eigenem Antrieb übernommen, mich zu demütigen. Die erste Beleidigung habe ich hingehen lassen, weil ich annahm, daß Sie in Unkenntnis handelten, aber diese Sache wird nicht übersehen werden. Wenn Sie nicht wissen, wer ich bin, so können Sie bei Ihrem jetzigen unverschämten Benehmen sicher sein, daß Sie später noch an mich erinnert werden.

Daß Sie ein Feigling und ein Schurke sind, mein Herr, erwiderte Tarzan, ist alles, was ich von Ihnen zu wissen brauche.

Er drehte sich um, um die Dame zu fragen, ob Rokoff ihr weh getan habe, aber sie war verschwunden.

Dann setzte er seinen Spaziergang auf dem Deck fort, ohne auch nur einen Blick auf Rokoff und seinen Gefährten zu werfen.

Tarzan hätte gerne gewußt, welche Verschwörung im Gange war oder welche Pläne die beiden Männer hatten. Die verschleierte Dame, der er soeben beigestanden hatte, kam ihm einigermaßen bekannt vor, aber da er ihr Gesicht nicht gesehen, war er nicht sicher, ob er ihr schon einmal begegnet war. Das einzige, was ihm an ihr aufgefallen, war ein Ring von besonderer Arbeit an der Hand, die Rokoff erfaßt hatte. Er beschloß deshalb, auf die Finger der weiblichen Passagiere, die ihm begegnen würden, zu achten, um die Dame zu entdecken, die Rokoff verfolgte, und zu erfahren, ob er sie noch weiter belästigt habe.

Als Tarzan seinen Stuhl auf dem Verdeck wieder aufgesucht hatte, mußte er über die zahlreichen Beispiele menschlicher Grausamkeit, Selbstsucht und Gehässigkeit nachdenken, deren Augenzeuge er gewesen war von dem Tage an, wo er vor vier Jahren zum erstenmal ein anderes menschliches Wesen in der Dschungel erblickt hatte: den glatten schwarzen Kulonga, dessen geschickter Pfeil an jenem Tage Kala, die große Äffin, getötet und den jungen Tarzan der einzigen Mutter, die er je gekannt, beraubt hatte.

Er dachte auch an die Ermordung Kings durch den Matrosen Snipes mit dem Rattengesicht, an die Aussetzung des Professors Porter und dessen Gefährten durch die Meuterer der »Arrow«, an die Grausamkeit der schwarzen Krieger und Frauen Mbongas gegen ihre Gefangenen und an die kleinliche Mißgunst der bürgerlichen und militärischen Beamten der Westküsten-Kolonie, wo er zum erstenmal in die Kulturwelt eintrat.

Mein Gott, sagte er zu sich selbst, sie sind alle gleich. Betrügen, morden, lügen, sich zanken, und alles das für Dinge, die die Tiere der Dschungel nicht besitzen möchten: Geld, um sich die Annehmlichkeiten weibischer Schwächlinge zu verschaffen. Und bei alledem sind sie durch törichte Gewohnheiten eingeengt, die sie zu Sklaven ihres unglücklichen Loses machen, während sie fest glauben, daß sie, die Herren der Schöpfung, die einzig wahren Freuden des Lebens genießen. Es ist eine törichte Welt, eine irre Welt, und Tarzan war ein Narr gewesen, aus die Freiheit und das Glück in der Dschungel zu verzichten, um in jene Welt einzutreten.

Als er da saß, hatte er plötzlich das Gefühl, daß er hinter seinem Rücken beobachtet wurde, und der alte Instinkt des wilden Tieres brach durch die dünne Tünche der Kultur. Tarzan drehte sich so schnell herum, daß die Augen der jungen Dame, die ihn heimlich angesehen hatte, nicht einmal Zeit hatten, sich zu senken, ehe die grauen Augen des Affenmenschen einen fragenden Blick in sie hineingeworfen hatten. Dann, als sie sich senkten, sah Tarzan, daß sich eine schwache rote Welle über ihr jetzt halb abgekehrtes Gesicht breitete.

Er lächelte in sich hinein über das Ergebnis seiner kulturlosen, ungalanten Handlung, denn er hatte seine eigenen Augen nicht gesenkt, als er den Blicken der jungen Dame begegnete. Sie war sehr jung und sehr hübsch. Sie kam ihm etwas bekannt vor, so daß er sich fragte, wo er sie wohl schon gesehen habe.

Er nahm seine vorige Stellung wieder ein und bemerkte nun, daß sie aufgestanden war und das Deck verließ.

Als sie vorbeiging, wandte er sich um, um ihr nachzusehen, weil er hoffte, einen Anhaltspunkt zur Feststellung ihrer Persönlichkeit zu entdecken.

Er wurde nicht ganz enttäuscht, denn beim Weitergehen erhob sie eine Hand gegen die schwarze Haarfülle ihres Nackens – die eigentümliche Bewegung, die die Frauen machen, wenn sie vermuten, daß sie von hinten beobachtet werden – und dabei erkannte Tarzan an einem Finger ihrer Hand den kunstvoll gearbeiteten Ring, den er kurz vorher an dem Finger der verschleierten Dame bemerkt hatte.

Es war also diese schöne junge Frau, die Rokoff verfolgte. Tarzan hätte gern gewußt, wer sie war und in welchem Verhältnis ein so liebliches Geschöpf zu dem rohen, bärtigen Russen stand.

Am Abend schlenderte er nach der Abendmahlzeit nach vorn und unterhielt sich bis nach Eintritt der Dunkelheit mit dem zweiten Offizier. Als dieser durch seine Pflicht anderweitig in Anspruch genommen wurde, lehnte Tarzan sich träge an die Reling und sah dem Spiel des Mondlichtes auf den sanft dahinrollenden Wellen zu. Er war halb durch einen Kran verdeckt, so daß die zwei Männer, die sich näherten, ihn nicht sahen. Während sie vorübergingen, fing Tarzan genug von ihrem Gespräch auf, um sich veranlaßt zu sehen, ihnen zu folgen. Er wollte erfahren, welche Teufelei sie ausspannen. Er hatte die Stimme Rokoffs erkannt und gesehen, daß Pawlowitsch sein Begleiter war.

Es waren nur wenig Worte, die Tarzan auffangen konnte: ... Und wenn sie schreit, so würge sie, bis – das Weitere hatte er nicht mehr verstanden, aber das Gehörte genügte, um den Abenteuergeist wieder in ihm zu beleben, und so behielt er die beiden Männer im Auge, als sie jetzt rasch weiterschritten. Er folgte ihnen bis zum Rauchzimmer, aber sie blieben am Eingang stehen, offenbar lang genug, um sich zu überzeugen, ob jemand, dessen Aufenthalt sie festzustellen wünschten, dort sei.

Dann gingen sie sofort aufs Promenadendeck zu den Kabinen erster Klasse. Hier mußte Tarzan besser aufpassen, um nicht entdeckt zu werden, und das gelang ihm auch. Als die beiden Männer vor einer der polierten Hartholztüren stehen blieben, schlich er sich in den Schatten eines Ganges, kaum zwölf Schritte von ihnen entfernt.

Auf ihr Klopfen fragte eine weibliche Stimme auf französisch: Wer ist da?

Ich bin es, Olga – Nikolaus! war die Antwort in Rokoffs bekanntem Kehllaut. Darf ich hineinkommen?

Warum hörst du nicht auf, mich zu verfolgen, Nikolaus? kam die Stimme durch die dünne Türe. Ich habe dir nie etwas zuleid getan.

Komm, komm, Olga, drängte der Mann in versöhnlichem Tone. Ich will nur einige Worte mit dir sprechen. Ich tue dir nichts und will nicht in deine Kabine treten, aber ich kann meine Botschaft nicht durch die Tür rufen.

Tarzan hörte, wie die Sperrklinke drinnen knackte. Er trat etwas aus seinem Versteck heraus, um zu sehen, was geschähe, sobald die Türe geöffnet war, denn er konnte nur an die unheilvollen Worte denken, die er einige Minuten vorher auf dem Deck gehört hatte: ... Und wenn sie schreit, so würge sie.

Rokoff stand gerade der Tür gegenüber. Pawlowitsch hatte sich flach an die getäfelte Wand am Ende des Ganges gedrückt. Die Türe wurde geöffnet. Rokoff trat halb in den Raum und stand mit dem Rücken gegen die Tür, wobei er im Flüsterton mit der Frau sprach, die Tarzan nicht sehen konnte. Dann hörte er die Stimme der Dame, leise, doch laut genug, um ihre Worte zu unterscheiden. Nein, Nikolaus, sagte sie, es ist nutzlos. Drohe so viel du willst, ich werde niemals in deine Forderung einwilligen. Bitte, verlaß das Zimmer; du hast kein Recht hier. Du hast versprochen, nicht hereinzukommen.

Gut, Olga, ich werde nicht eintreten, aber ehe ich mit dir fertig bin, muß ich dir sagen, daß du noch tausendmal wünschen wirst, mir den Gefallen, um den ich dich bitte, sofort erwiesen zu haben. Am Ende werde ich doch gewinnen, und so könntest du mir Mühe und Zeit sparen und Schande dir und deinem –

Niemals, Nikolaus! unterbrach ihn die weibliche Stimme, und dann sah Tarzan Rokoff sich umdrehen und Pawlowitsch ein Zeichen geben. Dieser sprang schnell auf den Eingang der Kabine zu und rannte an Rokoff vorbei, der die Türe für ihn offen hielt. Dann trat letzterer schnell heraus. Die Türe fiel zu. Tarzan hörte das Knacken des Schlosses, als Pawlowitsch drinnen den Schlüssel umdrehte. Rokoff blieb vor der Tür stehen; er beugte den Kopf, wie wenn er die Worte erhaschen wollte, die drinnen gesprochen wurden. Ein häßliches Lächeln umspielte seine bärtigen Lippen.

Tarzan konnte hören, wie die Frau dem Eindringling befahl, ihre Kabine zu verlassen. Ich werde meinen Mann rufen lassen, schrie sie. Er wird kein Erbarmen mit Ihnen haben. Pawlowitschs höhnisches Lachen drang durch die Tür.

Der Proviantmeister wird Ihren Gatten holen, Madame, sagte der Mann. Dieser Offizier ist in der Tat schon benachrichtigt, daß Sie noch einen andern Mann als Ihren Gatten hinter der verschlossenen Türe Ihrer Kabine empfangen.

Pah! rief die Frau. Mein Mann wird schon wissen, was er davon zu halten hat.

Sicher weiß er es, nicht aber der Offizier und auch nicht die Journalisten, die auf irgendeine geheimnisvolle Weise bei der Landung davon hören werden. Aber sie werden finden, daß es eine feine Geschichte für die Zeitungen ist, und dies werden auch all Ihre Freunde denken, wenn sie sie am – heute ist Dienstag, also am nächsten Freitag, zu ihrem Frühstück in den Blättern lesen. Es wird dem Interesse an der Geschichte auch keinen Abbruch tun, wenn die Leser erfahren, daß der Mann, zu dem Madame Beziehungen unterhält, ein russischer Bedienter ist, der Kammerdiener ihres Bruders, um ganz genau zu sein.

Alexei Pawlowitsch, entgegnete die weibliche Stimme kühl und furchtlos, Sie sind ein Feigling, und wenn ich Ihnen einen gewissen Namen ins Ohr flüstere, so werden Sie Ihre Forderungen und Drohungen gegen mich besser überlegen. Dann werden Sie meine Kabine sofort verlassen, und ich will nicht hoffen, daß Sie mich jemals wieder belästigen werden.

Dann folgte ein kurzes Schweigen, und Tarzan schloß daraus, daß die Frau dem Schurken das angedeutete Wort ins Ohr flüsterte.

Das Schweigen dauerte nur einen Augenblick, und dann hörte man einen Fluch aus dem Munde des Mannes – das Schlürfen von Tritten – den Schrei einer Frau, und dann war wieder Stille.

Der Schrei war kaum verhallt, als der Affenmensch auch schon aus seinem Versteck hervorsprang. Rokoff wollte fortlaufen, aber Tarzan erfaßte ihn beim Kragen und schleppte ihn zurück. Keiner sprach ein Wort, aber beide fühlten instinktiv, daß ein Mord in dem Raum geschehen würde, und Tarzan war sicher, daß es nicht in Rokoffs Absicht lag, seinen Verbündeten soweit gehen zu lassen; er fühlte, daß des Mannes Ziele tiefer lagen und eher unheilvoll als roh waren.

Ohne lange zu überlegen, warf sich der Affenmensch mit seiner Riesenschulter so gegen die schwache Tür, daß diese in zahlreiche Splitter zersprang; durch die Öffnung drang er in die Kabine, Rokoff hinter sich herschleppend.

Vor ihm, auf einem Ruhebett, lag die junge Frau und auf ihr Pawlowitsch, dessen Finger ihren schönen Hals zusammendrückten, während die Hände seines Opfers ihm wirkungslos ins Gesicht schlugen und verzweifelt an den grausamen Fingern zerrten, die sie erwürgen wollten.

Bei dem Lärm, der durch Tarzans Einbruch entstanden war, sprang Pawlowitsch auf und starrte drohend auf Tarzan. Die Frau richtete sich zitternd auf dem Ruhebett auf. Eine Hand hielt sie am Halse, und ihr Atem ging in kurzen Stößen. Trotz ihrer Blässe und ihres aufgelösten Haares erkannte Tarzan sie als die junge Dame, die er heute früh dabei überraschte, wie sie ihn musterte.

Was soll das bedeuten? fragte Tarzan, sich an Rokoff wendend, den er sofort als den Urheber dieser Gewalttätigkeit ansah.

Der Mann verharrte in mürrischem Schweigen.

Drücken Sie auf den Knopf, fuhr der Affenmensch fort. Wir wollen einen Schiffsoffizier hier haben, denn die Sache ist weit genug gegangen.

Nein, nein, rief die Frau, indem sie plötzlich aufsprang. Tun Sie das nicht! Ich bin sicher, daß man nicht die Absicht hatte, mir wirklich ein Leid zuzufügen. Ich erzürnte diesen Mann, und da verlor er die Selbstbeherrschung – das ist alles. Ich möchte der Angelegenheit keine weiteren Folgen geben, mein Herr.

Es lag ein so flehender Ausdruck in ihrer Stimme, daß Tarzan nichts weiter in der Sache tun wollte, obschon er überzeugt war, daß hier etwas im Werke war, von dem die zuständigen Behörden unterrichtet werden müßten.

Sie wünschen also, daß ich nichts in der Sache tue? fragte er. Nein, nichts, sagte sie.

Wollen Sie sich also noch weiterhin von diesen zwei Schurken belästigen lassen?

Sie schien um eine Antwort verlegen zu sein, und sah verwirrt und unglücklich aus. Tarzan bemerkte auf Rokoffs Lippen ein triumphierendes Lächeln. Die junge Frau fürchtete sich offenbar vor diesen beiden, und wagte es jedenfalls nicht, ihren wirklichen Wunsch vor ihnen auszudrücken. Dann, sagte Tarzan, will ich auf meine eigene Verantwortung handeln.

Und sich an Rokoff wendend, fuhr er fort:

Ihnen und Ihrem Helfershelfer möchte ich sagen, daß ich Sie von jetzt an bis ans Ende der Fahrt im Auge behalten werde, und sollte irgend eine Handlung von einem von Ihnen zu meiner Kenntnis kommen, durch die diese junge Dame auch nur im entferntesten belästigt wird, so werden Sie sofort von mir zur Rechenschaft gezogen, und diese Rechenschaft wird für keinen von Ihnen eine angenehme Erfahrung werden. Und nun hinaus mit euch!

Bei diesen Worten packte er Rokoff und Pawlowitsch beim Rockkragen und schob sie kräftig durch den Eingang, indem er jedem noch einen Fußtritt versetzte.

Dann wandte er sich wieder zu der jungen Dame, die ihn mit großen erstaunten Augen ansah.

Und Sie, gnädige Frau, sagte er, werden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie mich benachrichtigen wollen, sobald nur einer der Halunken Sie wieder belästigt.

Ach, mein Herr, antwortete sie, ich hoffe, daß Sie nicht für Ihre freundliche Tat zu leiden haben werden. Sie haben sich einen sehr bösen Feind zugezogen, der vor nichts zurückschrecken wird, um seinen Haß zu befriedigen. Sie müssen sehr auf Ihrer Hut sein, Herr – –

Gestatten, gnädige Frau, mein Name ist Tarzan.

Also, Herr Tarzan, Sie wollen, bitte, nicht denken, daß ich Ihnen für Ihren tapferen, ritterlichen Schutz, den Sie mir erwiesen, nicht aufrichtig dankbar wäre, weil ich nicht einwilligen wollte, daß die Schiffsoffiziere benachrichtigt wurden. Gute Nacht, Herr Tarzan! Ich werde nie vergessen, was ich Ihnen schulde.

Und mit einem lieblichen Lächeln, das eine Reihe schöner Zähne sehen ließ, verneigte sie sich grüßend vor Tarzan, der ihr gute Nacht bot und seinen Weg auf dem Deck fortsetzte.

Der Mann zerbrach sich den Kopf darüber, daß zwei Menschen an Bord waren – die junge Dame und der Graf de Coude –, die unter den Schändlichkeiten Rokoffs und seines Genossen zu leiden hatten und doch nicht duldeten, daß die Übeltäter dem Gerichte ausgeliefert würden.

Ehe er in jener Nacht zu Bett ging, kehrten seine Gedanken noch oft zu der schönen jungen Frau zurück, in deren offenbar verwickeltes Schicksal er so seltsam eingegriffen hatte. Daß sie verheiratet war, bewies der goldene Ring am dritten Finger ihrer linken Hand. Unwillkürlich dachte er darüber nach, wer der glückliche Mann sein mochte.

Tarzan sah nichts mehr von den handelnden Personen dieses Dramas, in das er nur einen Blick geworfen hatte, bis am Spätnachmittag des letzten Tages der Fahrt. Da sah er sich plötzlich der jungen Frau gegenüber, als sie beide sich aus entgegengesetzten Richtungen ihren Verdeckstühlen näherten.

Sie grüßte ihn mit freundlichem Lächeln und sprach fast unmittelbar von dem Vorfall in ihrer Kabine, deren Zeuge er zwei Abende vorher gewesen war. Es schien, als ob es ihr nicht angenehm wäre, daß er ihre Bekanntschaft mit Männern wie Rokoff und Pawlowitsch ungünstig auslegen könnte.

Ich hoffe zuversichtlich, sagte sie, daß Sie mich nicht nach dem unglücklichen Vorkommnis des Dienstag Abend beurteilt haben. Ich habe viel darunter gelitten. Dies ist das erstemal, daß ich mich seitdem aus der Kabine wage. Ich habe mich geschämt, schloß sie einfach.

Man beurteilt die Gazelle nicht nach den Löwen, die sie angreifen, erwiderte Tarzan. Ich habe die beiden im Rauchzimmer am Werk gesehen, – am Tage zuvor, wenn ich mich recht erinnere – und da ich ihre Methode kannte, so wußte ich, daß sie nur Unschuldige angreifen. Männer wie diese kleben nur am Häßlichen und hassen alles, was edel und gut ist.

Es ist sehr gütig von Ihnen, es so auszulegen, antwortete sie lächelnd. Ich habe schon die Geschichte von dem Kartenspiel gehört. Mein Mann erzählte mir den ganzen Vorfall, und sprach besonders von der Kraft und der Unerschrockenheit des Herrn Tarzan, dem er sich zu größtem Danke verpflichtet fühle.

Das ist Ihr Gatte? fragte Tarzan.

Ja, ich bin die Gräfin de Coude.

Ich bin schon reichlich belohnt durch das Bewußtsein, daß ich der Gattin des Grafen de Coude einen Dienst erweisen konnte.

Ach, mein Herr, ich stehe schon so tief in Ihrer Schuld, daß ich meine eigene Rechnung wohl nie werde begleichen können; darum bitte ich, mich nicht noch mehr zu verpflichten.

Dabei lächelte sie ihn so freundlich an, daß Tarzan sich sagte: Für ein solches Lächeln würde ein Mann noch viel größere Dinge unternehmen.

Zuletzt sprachen sie über die schnellen Freundschaften, die auf den Ozeandampfern entstehen und die oft mit derselben Leichtigkeit wieder abgebrochen werden.

Tarzan fragte sich denn auch, ob er die junge Gräfin jemals wiedersehen werde.

An jenem Tag sah er sie nicht mehr, und auch am folgenden Tage bei der Landung konnte er sie aus dem Gedränge nicht herausfinden. Aber bei dem Abschied nach jener Unterredung auf dem Deck hatte in ihrem Blicke ein Ausdruck gelegen, den er nicht vergessen konnte.


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