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Einige Briefe des heiligen Franziskus.

I.

Allen Christen, Religiosen, Geistlichen, Laien, sowohl Männern als Frauen, allen, die in der ganzen Welt wohnen, entbietet Bruder Franziskus, ihr Knecht und Untergebener, seinen Dienst in Ehrerbietung, wahren Frieden vom Himmel und aufrichtige Liebe im Herrn!

Da ich ein Knecht aller bin, so halte ich es für meine Pflicht, allen zu dienen und die Wohlgeruch athmenden Worte meines Herrn zu verkünden. Als ich im Geiste erwog, daß ich wegen Krankheit und Schwäche meines Leibes nicht alle und jeden persönlich besuchen könnte, so habe ich mir vorgenommen, die Worte unseres Herrn Jesu Christi, der »das Wort des Vaters« ist, und die Worte des heiligen Geistes, die »Geist und Leben« sind, durch gegenwärtigen Brief als Boten an euch zu bringen. Jenes göttliche, heilige und glorwürdige Wort des Vaters hat der allerhöchste Vater durch seinen heiligen Erzengel Gabriel vom Himmel herab verkündigt; es stieg auch herab in den Schooß der glorwürdigen Jungfrau Maria und nahm von ihrem Leibe das wahre Fleisch unserer gebrechlichen Natur an, und obschon reich, wollte er doch mit seiner seligsten Mutter vor allem in der Welt die Armuth erwählen. Nahe seinem Leiden feierte er mit seinen Jüngern Ostern, und nahm das Brod, dankte und segnete und brach es und sprach: »Nehmet und esset, das ist mein Leib;« und indem er den Kelch nahm, sprach er: »Das ist mein Blut des neuen Bundes, welches für euch und für viele wird vergossen werden zur Vergebung der Sünden.« Hierauf bat er den Vater und sprach: »Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber!« Doch gab er seinen Willen in den Willen des Vaters und sprach: »Vater, Dein Wille geschehe; nicht wie ich will, sondern wie Du willst.« Und sein Schweiß ward wie Blutstropfen, die zur Erde fielen. Seines Vaters Wille aber war dieser, daß sein hochgepriesener und glorwürdiger Sohn, den er uns gegeben hat, und der für uns geboren worden ist, sich selbst durch sein eigenes Blut am Altare des Kreuzes zum Opfer brächte, nicht für sich, durch den alle Dinge gemacht sind, sondern für unsere Sünden, indem er uns ein Beispiel hinterließ, daß wir seinen Fußstapfen nachfolgen. Und er will, daß wir alle durch ihn selig werden, und ihn mit reinem Herzen und keuschem Leibe aufnehmen. Aber es gibt wenige, die ihn aufnehmen und durch ihn selig werden wollen, obschon sein Joch süß ist und seine Bürde leicht; welche nicht verkosten wollen, wie süß der Herr sei, und die die Finsterniß mehr lieben, als das Licht, und Gottes Gebote nicht vollbringen wollen. Verflucht sind sie; von diesen wird durch den Propheten gesagt: »Verflucht sind, die von deinen Geboten abweichen.« Aber wie gesegnet hingegen und selig sind diejenigen, welche im »Geiste und in der Wahrheit (wie sich's geziemt) ihn anbeten!« Lasset uns ihm Lob sprechen und Gebete Tag und Nacht, indem wir sagen: »Vater unser, der Du bist in dem Himmel« u. s. f., weil wir allzeit beten und nie aufhören sollen.

Wir sollen dem Priester alle unsere Sünden beichten, damit wir den Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi empfangen, weil der, welcher sein Fleisch nicht ißt, und sein Blut nicht trinkt, in das Reich nicht eingehen kann. Doch esse und trinke ein jeder würdig; »denn wer unwürdig ißt, der ißt und trinkt sich das Gericht hinein, weil er den Leib des Herrn nicht unterscheidet.« Lasset uns überdieß »würdige Früchte der Buße wirken,« die Nächsten lieben wie uns selbst, und wenn Jemand sie nicht lieben will, wie sich selbst, so füge er ihnen wenigstens kein Uebel zu, sondern thue ihnen Gutes. –

Die aber Gewalt empfangen haben, Gericht zu halten, sollen das Gericht allzeit mit Barmherzigkeit üben, wie sie selbst von dem Herrn Barmherzigkeit erlangen wollen; »über denjenigen wird ein unbarmherziges Gericht ergehen, welcher nicht Barmherzigkeit übt.« Lasset uns daher Liebe und Demuth haben und Almosen geben, weil dadurch unsere Seelen von den Flecken der Sünden abgewaschen werden; denn die Menschen verlieren alles, was sie in der Welt zurücklassen; den Lohn der Liebe aber nehmen sie mit sich und die Almosen, welche sie gespendet haben; für diese werden sie vom Herrn den Preis und die würdige Belohnung erlangen.

Lasset uns fasten und von Sünden uns enthalten, von allem, was zur Sünde führen kann, ja auch von jeglichem Ueberfluß des Lebens. Die Katholischen sollen zugleich die Kirche fleißig besuchen, die Geistlichen hochschätzen und ehren wegen ihres Amtes und der Verwaltung des heiligsten Leibes und Blutes Christi, weil sie denselben opfern, empfangen und andern mittheilen. Alle sollen gewiß wissen, daß Niemand selig werden kann, als durch das Blut unseres Herrn Jesu Christi und die heiligen Worte (des Herrn), welche die Geistlichen aussprechen, verkünden und ausspenden und nur sie allein ausspenden.

Ganz besonders aber sind die Religiosen, und die der Welt entsagt haben, gehalten, Mehreres und Größeres zu thun, und alles dasjenige fahren zu lassen, dessen sie nicht bedürfen, und unsere Leiber mit ihren Lastern und Sünden zu hassen, weil der Herr im Evangelium spricht: »Alles Böse geht von dem Herzen aus; liebet eure Feinde, thut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die, welche euch verfolgen und verleumden.« Wir Religiosen sind gehalten, die Gebote und Räthe unsers Erlösers zu beobachten, uns selbst zu verläugnen, und unsere Leiber unter das Joch der Dienstbarkeit und des Gehorsams zu bringen. Keiner aber ist zum Gehorsam verbunden in dem, was eine Sünde oder ein Vergehen ist, weil wir nur dazu gekommen sind, daß wir unsere Seelen retten und dadurch andern Beispiele guter Werke geben.

Derjenige, dem man Gehorsam zu leisten schuldig ist, und welcher für den Oberen gehalten wird, sehe zu, daß er der Mindere und der Knecht der andern Brüder sei, und gegen jeden Untergebenen Barmherzigkeit übe, wie er wünschte, wenn er der Untergebene wäre. Er zürne auch nicht über seinen Bruder wegen seines Vergehens, sondern weise ihn gütig in aller Geduld und Demuth zurecht, ermahne und ertrage ihn.

Laßt uns nicht dem Fleische nach weise und verständig, sondern einfältig, demüthig und rein sein. Laßt uns unsere Leiber gering schätzen und verachten, weil wir alle durch unsere Schuld elend und verweslich sind, wie der Herr durch den Propheten spricht: »Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch.« Wir sollen niemals verlangen, über andere zu herrschen, sondern vielmehr um Gottes willen jeder menschlichen Kreatur untergeben und unterworfen zu sein. Und über allen, die solches beharrlich bis an's Ende thun, wird der Geist des Herrn ruhen, und er wird in ihnen bleibende Wohnung nehmen, sie werden Kinder des himmlischen Vaters sein, dessen Werke sie vollbringen, und Bräute, Brüder und Mütter unsers Herrn Jesu Christi. Wir sind Bräute, weil die gläubigen Seelen dem heiligen Geiste vermählt werden. Wir sind Brüder unsers Herrn Jesu Christi, wenn wir den Willen des Vaters thuen, der im Himmel ist. Wir sind Mütter, wenn wir ihn durch Liebe und ein reines Gewissen in unserm Herzen und Leibe tragen, und ihn gebären durch einen heiligen Wandel, der andern zum Beispiele leuchtet. O wie herrlich und groß ist es, einen Vater im Himmel zu haben! Wie heilig, den Tröster als einen schönen und lieblichen Bräutigam zu besitzen! Wie heilig und erfreulich, löblich und beruhigend, süß und lieblich und über alles verlangenswerth ist es, einen solchen Bruder zu haben, welcher für alle die Seinigen sein Leben hingab, und für uns seinen Vater bittet, indem er spricht: »Vater, erhalte sie in deinem Namen, welche du mir gegeben hast in der Welt; sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie empfangen und wahrhaftig erkannt, daß ich von dir ausgegangen bin, und sie haben geglaubt, daß du mich gesandt hast. Ich bitte für sie; ich heilige mich selbst, daß sie geheiligt seien zu Eins, gleichwie auch wir es sind. Und ich will, Vater, daß, wo ich bin, dort auch mein Diener sei, daß er die Herrlichkeit sehe in meinem Reiche.«

Gott aber, der für uns so vieles ausgestanden, uns so vieles verliehen hat und verleihen wird, ihm gebe jede Creatur, die im Himmel, auf Erde, im Meere und in der Tiefe ist, Lob, Ruhm, Ehre und Preis; denn er ist unsere Kraft und Stärke; er allein ist gut, allein der Höchste, allein der Allmächtige, der Wunderbare und Ruhmwürdige; er allein heilig, lob- und preiswürdig in Ewigkeit. Amen.

Alle diejenigen, welche nicht Buße thun und den Leib und das Blut unsers Herrn Jesu Christi nicht empfangen, sondern Sünden und Laster treiben, nach ihren Begierden und bösen Lüsten wandeln, nicht halten, was sie verheißen haben und leibhaftig der Welt und dem Bauche, den Gelüsten und Sorgen dieser Welt und dieses Lebens dienen, diese sind getäuscht vom Teufel, dessen Kinder sie sind, und dessen Werke sie thun. Sie sind blind, weil sie das wahre Licht, unsern Herrn Jesum Christum, nicht sehen. Sie haben nicht die Weisheit des Geistes, weil sie den Sohn Gottes nicht in sich haben, welcher die wahre Weisheit des Vaters ist. Von diesen wird gesagt: »Ihre Weisheit ist verschlungen.« Sie sehen, haben Erkenntniß und Wissen, und thun doch Böses und richten ihre Seelen zu Grunde. Sehet, ihr Blinde, ihr seid getäuscht von euren Feinden, dem Fleische, der Welt und dem Teufel, weil dem Leibe die Sünde lieblich, Gott zu dienen aber bitter ist; denn alles Böse geht von dem Leibe des Menschen aus und gewinnt von da Fortschritte, wie der Herr im Evangelium spricht: Ihr glaubet die nichtigen Dinge dieser Welt lange zu besitzen; aber ihr seid getäuscht; denn es wird ein Tag und eine Stunde kommen, an die ihr nicht denkt und von denen ihr weder Kunde noch Kenntniß habet.

Der Leib erkrankt, es naht der Tod, es kommen die Anverwandten und Freunde und sagen: Bestelle dein Haus. Frau und Kinder, Verwandte und Freunde stellen sich, als ob sie weinten. Der Sterbende schaut auf und sieht sie weinen und wird von einem bösen Triebe gerührt, denkt bei sich und spricht: Sehet, meine Seele und meinen Leib und alles das meinige lege ich in eure Hände. Fürwahr, verflucht ist der Mensch, der auf solche Hände vertraut, und seine Seele und seinen Leib und alles das Seinige in dieselben legt. Darum spricht der Herr durch den Propheten: »Verflucht ist der Mensch, der seine Hoffnung auf einen Menschen setzt.« Und sogleich lassen sie den Priester rufen, der zu ihm sagt: Willst du über alle deine Sünden Buße thun? Er antwortet: Ja! Willst du für das genugthun, was du mit deinem Vermögen, durch List und Betrug gesündigt hast? Er antwortet: Nein! Darauf sagt der Priester: Warum nicht? Er antwortet: Weil ich alles in die Hände der Verwandten gelegt habe. Und nun fängt er an, die Sprache zu verlieren, und stirbt als der elendeste Mensch. Wo und wie immer ein Mensch in einer Todsünde stirbt, der Buße thun konnte und nicht gethan hat, von dem Leibe eines solchen wird der böse Geist die Seele unter so großer Angst und Trübsal nehmen, wie Niemand wissen kann, außer der, welcher eine solche Trübsal leidet. Von einem solchen wird alles Vermögen, alle Macht und Wissenschaft, die er zu besitzen glaubte, genommen. Verwandte und Freunde, welchen er seine Güter übergeben, werden sie nehmen und unter sich theilen und dann noch sagen: Verflucht sei seine Seele, weil er uns hätte mehr geben können und nicht gegeben hat; weil er hätte mehr erwerben können, als er erworben hat. Den Leib werden die Würmer fressen und die Seele wird von bösen Geistern geplagt, und so wird er um dieses kurzen Lebens willen Leib und Seele verlieren.

Ich Bruder Franziskus, euer geringster Knecht, bitte und beschwöre euch bei der Liebe, die Gott ist, und mit dem Verlangen, eure Füße zu küssen, daß ihr diese und andere Worte unsers Herrn Jesu Christi in Demuth und Liebe aufnehmen, ausüben und bewahren wollet. Und alle diejenigen, welche sie gütig aufnehmen und verstehen, mögen sie auch andern zur Befolgung mittheilen. Beharren sie darin bis an's Ende, so segne sie der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Amen.

 

II.

Dem in Christus hochwürdigen Vater, dem General-Minister des ganzen Ordens.

Der Herr behüte dich und erhalte dich in seiner heiligen Liebe. In allen deinen Werken, mein Bruder, empfehle ich dir Geduld. So viele Hindernisse dir gelegt werden, oder wenn andere dich auch schlagen, so mußt du das alles für Gnade rechnen, und du mußt es so haben wollen und nicht anders. Liebe diejenigen, die dir solches thun, und wolle es von ihnen nicht anders, als wie der Herr es dir geben wird; liebe sie, damit sie bessere Christen werden mögen. Daran will ich erkennen, ob du den Herrn und mich, seinen und deinen Knecht, liebest, wenn du das thun wirst, nämlich, daß kein Bruder in der Welt, er möge soviel gesündigt haben, als er wolle, nachdem er dein Angesicht gesehen, jemals ohne Barmherzigkeit von dir gehe. Und wenn er sie auch nicht suchte, so frage du ihn, ob er Barmherzigkeit wolle. Und wenn er dann tausendmal vor deinen Augen erschiene, so liebe ihn mehr als mich, damit du ihn für das Gute gewinnst und dich solcher allzeit erbarmest. Und solches berichte den Guardianen, wenn du kannst. Und keiner der Brüder, welche wissen, daß er gesündigt habe, soll sich seiner schämen, oder übel von ihm reden, sondern es sollen vielmehr Alle Erbarmung mit ihm haben und die Sünde ihres Bruders geheim halten; denn »der Arzt ist nicht für die Gesunden, sondern für die, welche sich übel befinden.« Wenn einer der Brüder auf Antrieb des Feindes eine Todsünde begangen hat, so soll er beim Gehorsam verbunden sein, zu seinem Guardiane zu eilen, und der Guardian soll ebenfalls beim Gehorsame verbunden sein, ihn zum Custos zu schicken; der Custos aber soll mit ihm barmherzig verfahren, so, wie er selbst wollte, daß in einem ähnlichen Falle mit ihm verfahren würde. Und sie sollen durchaus nicht Gewalt haben, eine andere Buße aufzulegen, als diese: »Gehe hin und sündige nicht mehr!« Thue das und lebe wohl!

 

III.

Den in Christus geliebten Brüdern, den Provinzial-Ministern des Ordens der minderen Brüder.

In eurer Amtsführung, Brüder Minister, bitte ich euch um zwei Dinge: erstens, daß bei euch kein Ansehen der Person gelte; zweitens, daß ihr nicht leicht beim heiligen Gehorsame befehlet; denn das heißt das Schwert aus der Scheide ziehen, was nur mit reifer Ueberlegung und bei einem wichtigen Anlaß geschehen soll. Seid im Befehlen gemäßigt, gegen Sünder barmherzig, zum Vergeben willfährig, in Speise und Trank enthaltsam, in der Kleidung arm, in Worten sanft, Gott und euren Pflichten treu. Nehmet Worte und Befehle aus euren Werken, wenn ihr wollet, daß die Untergebenen aus euren Worten erkennen, was sie thun sollen, und daß sie im Werke vollbringen, was ihr mit dem Munde befehlet. Lebet wohl im Herrn!

 

IV.

Im Namen der heiligsten Dreifaltigkeit und der höchsten Einheit des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Allen hochehr- und sehr liebenswürdigen Brüdern, dem General-Minister des Ordens der Minder-Brüder, seinem Herrn, und den übrigen General-Ministern, seinen Nachfolgern, und allen Ministern und Custoden, und Priestern eben dieser Fraternität, die in Christus demüthig, und allen, die einfältig sind und gehorsam, den ersten und letzten sagt Bruder Franziskus, der geringe und hinfällige Mensch, euer schwacher Diener, Gruß in dem, der uns in seinem Blute erlöst und gewaschen hat, im Herrn Jesus Christus, ein Name, der dem gebührt, welcher hochgelobt ist in Ewigkeit! –

Höret, meine Herren, Söhne und Brüder, höret mit den Ohren meine Worte! Neiget die Ohren eures Herzens und gehorchet der Stimme des Sohnes Gottes. Haltet von ganzem Herzen seine Gebote und erfüllet mit vollkommenem Geiste seine Räthe. Danket ihm mit Preis, denn er ist gut, und erhebet ihn in euren Werken. Gott der Herr bietet sich uns als seinen Söhnen an. Ich bitte daher alle Brüder mit dem Kusse der Füße und mit aller möglichen Liebe, daß ihr dem Leibe und Blute unseres Herrn Jesus Christus die höchste Ehrerbietung bezeiget, in welchem alles, was im Himmel und auf Erden, mit Gott dem Allmächtigen versöhnet ist. Ich bitte auch im Herrn alle meine Brüder, die Priester des Allerhöchsten sind, es sein werden und es zu sein wünschen, daß, wann immer sie die Messe feiern wollen, sie rein seien, und das wahre Opfer des heiligen Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus Christus rein entrichten, mit Ehrerbietung, mit heiliger und reiner Meinung, nicht für irgend eine irdische Sache und aus Furcht oder Liebe irgend eines Menschen, um den Menschen zu gefallen, sondern der ganze Wille, soviel die Gnade des Allerhöchsten dazu verhilft, soll auf ihn gerichtet sein, und ihr sollt ihm, dem höchsten Gott, allein zu gefallen verlangen, weil er allein selbst dort wirkt, so wie er sich selbst gefällt; wie denn auch der Herr spricht: »Das thut zu meinem Gedächtnisse.« Wenn Jemand anders handelt, so ist er Judas der Verräther. Erinnert euch, Brüder Priester, was im Gesetze Mosis geschrieben steht, daß die, welche gegen dieses Gesetz sündigten, nach dem Ausspruche des Herrn ohne Barmherzigkeit starben. Um wie viel mehr und schärfer verdient der gestraft zu werden, welcher den Sohn Gottes mißhandelt und das Blut des Bundes entehrt, in welchem er geheiligt ist, und der den heiligen Geist schmäht? Denn ein Mensch, der befleckt ist, verachtet und mißhandelt das Lamm Gottes, weil er, wie der Apostel spricht, Christum, das heilige Brod, nicht unterscheidet von den anderen Speisen, oder voll unwürdiger Werke als ein Unwürdiger ißt, da der Herr durch den Propheten spricht: »Verflucht ist der Mensch, welcher des Herrn Werk nachlässig oder trügerisch thut.« Und wegen der Priester, welche solches nicht recht zu Herzen nehmen wollen, verdammt uns Gott, wenn er spricht: »Euren Segen werde ich verfluchen.« Höret, meine Brüder! Wenn die seligste Jungfrau Maria geehrt wird, weil sie den Herrn in ihrem heiligsten Leibe getragen hat; wenn der selige Johannes der Täufer zitterte, und nicht wagte, des Herrn Haupt zu berühren; wenn das Grab, in welchem der Herr kurze Zeit gelegen war, so hoch verehrt wird; um wie viel mehr soll der heilig, gerecht und würdig sein, welcher den, der nun nicht mehr sterben, sondern ewig leben wird und verherrlicht ist, den auch die Engel zu schauen gelüstet, mit Händen berührt, mit Herz und Mund genießt, und andern zu genießen gibt! Erkennet eure Würde, Brüder Priester, und »seid heilig, denn er ist heilig.« Und wie Gott der Herr wegen dieses Geheimnisses euch vor allen geehrt hat, ebenso liebt und verehret auch ihn wegen dieses Geheimnisses. Es ist ein großes Elend und eine bejammernswerthe Schwäche, wenn ihr ihn gegenwärtig habet und überall in der Welt etwas anderes besorget. Der ganze Mensch bebe, es zittere die ganze Welt und der Himmel frohlocke, wenn Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, auf dem Altare in den Händen des Priesters ist. O bewunderungswürdige Höhe! O wunderbare Herablassung! Der Herr der Welt, Gott und Gottes Sohn, läßt sich so tief herab, daß er zu unserem Heile unter geringer Brodsgestalt sich verbirgt! Sehet, Brüder, die Erniedrigung, und gießet vor ihm eure Herzen aus, und erniedriget euch, damit ihr von ihm erhöhet werdet. Behaltet euch also nichts zurück, auf daß der euch ganz aufnehme, der sich euch ganz hingibt.

 

V.

Allen Mächten und Räthen, Richtern und Regenten, wo immer sie auf Erden sind, und allen anderen, an die dieser Brief gelangt, entbietet Bruder Franziskus, euer Knecht im Herrn, der sehr gering und verachtet ist, seinen Gruß und wünscht allen Frieden!

Erwäget und sehet, wie der Tag des Todes sich nähere. Ich bitte euch daher ehrerbietig, so viel ich kann, daß ihr über die Sorgen und Kümmernisse dieser Welt, die ihr habet, den Herrn nicht vergesset, noch von seinen Geboten abweichet, weil alle diejenigen, welche ihn vergessen und von seinen Geboten abweichen, verflucht sind und von ihm vergessen werden, und wenn der Tag des Todes kommen wird, so wird alles, was sie zu besitzen glaubten, von ihnen genommen werden, und je weiser und mächtiger sie in der Welt gewesen sind, um so größere Pein werden sie in der Hölle leiden. Daher rathe ich euch ernstlich, meine Herren, daß ihr alle Sorge und Kümmernisse hintansetzet und den heiligsten Leib unsers Herrn Jesu Christi und sein Blut zu seinem heiligsten Gedächtnisse in Liebe empfanget.

Erweiset unter dem Volke, das euch anvertraut ist, dem Herrn eine so große Ehre, daß an einem jeglichen Abende durch einen Herold oder durch ein anderes Zeichen kundgethan werde, daß alles Volk Gott dem Allmächtigen Lob und Danksagung darbringen soll. Werdet ihr solches nicht thun, so wisset, daß ihr vor dem Herrn eurem Gott, Jesus Christus, am Tage des Gerichtes werdet Rechenschaft geben müssen; diejenigen aber, welche diesen Brief bei sich behalten und beobachten, sollen wissen, daß sie von Gott dem Herrn gesegnet werden. –


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