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Zehntes Kapitel.

Von dem Gebetseifer des heiligen Franziskus und der Kraft seiner Gebete.


1) Da der Diener Christi Franziskus dem Leibe nach sich ferne von Gott erkannte, auch durch die Liebe zu Christus für die Güter dieser Welt ganz unempfindlich geworden war, so suchte er durch beständiges Beten seinen Geist bei Gott zu haben, um nicht ohne allen Trost des Geliebten zu sein. Denn Trost war das Gebet dem Manne der Beschauung, da er ja in den Kreis der himmlischen Wohnungen erhoben, schon Mitbürger der Engel geworden war und mit heißem Verlangen den Geliebten suchte, von dem ihn nur die Wand des Leibes getrennt hielt. Auch Schutz und Stärke war das Gebet dem Manne der Arbeit; denn in Allem, was er that, vertraute er nicht auf eigenen Fleiß, sondern auf Gottes Güte und warf durch anhaltendes und inständiges Gebet alle seine Sorge auf den Herrn. Die Gnade des Gebetes, behauptete er entschieden, sei für einen Ordensmann das Wünschenswertheste, und ohne Gebet könne Niemand Fortschritte hoffen im Dienste Gottes; darum ermunterte er auch auf alle mögliche Weise seine Brüder zur Uebung des Gebets. Mochte er gehen oder stehen, zu Hause oder draußen sein, arbeiten oder ruhen, stets betete er und zwar mit solcher Aufmerksamkeit, daß er dem Gebete nicht blos alle Kräfte Leibes und der Seele, sondern auch alle seine Zeit und Mühe geweihet zu haben schien. Keine Heimsuchung des Geistes ließ er unbenutzt vorbeigehen; wurde sie ihm gegeben, so folgte er ihr und genoß ihre Süßigkeit, so lange es Gott gestattete. War er auf Reisen und er fühlte sich da angeweht vom Hauche des göttlichen Geistes, so blieb er stehen, während die Brüder weiter gingen, genoß die neue Eingebung und ließ keine Gnade umsonst vorübergehen. –

2) Oftmals wurde er während der Beschauung so sehr verzückt, daß er über sich selbst erhoben ohne alle menschliche Empfindung war und nicht wußte, was um ihn hervorging. So reisete er einmal, wegen körperlicher Schwäche auf einem Esel sitzend, durch einen sehr volkreichen Ort. Aus Verehrung gegen ihn lief das Volk in Schaaren ihm entgegen; die Leute zogen und hielten ihn, drückten und berührten ihn vielfach; er aber schien wie ein Leichnam gegen alles unempfindlich zu sein und merkte durchaus nichts von dem, was um ihn hervorging. Als sie den Ort schon weit hinter sich, und die Leute sich schon wieder verlaufen hatten, kam der Heilige aus der Beschauung himmlischer Dinge wieder zu sich eben an dem Orte, wo ein Hospital für Aussätzige stand, und fragte besorgt, wann sie zu jenem Flecken kommen würden. Der Blick seines Geistes hatte sich nämlich so fest auf die Strahlen des himmlischen Lichtes geheftet, daß er nicht den Wechsel der Orte und Zeiten, nicht die Menge der herbeieilenden Menschen wahrnahm. Daß ihn Derartiges sehr oft überkam, haben seine Begleiter aus vielfältiger Erfahrung kennen gelernt. Und weil er beim Gebete die Erfahrung gemacht hatte, daß der heilige Geist dem Betenden seine süße Gegenwart desto vertraulicher mittheile, je weiter er die Seelen vom Geräusche der Welt entfernt findet, so suchte er einsame Orte auf und ging des Nachts in Einöden und verlassene Kirchen, um dort zu beten. Hier hatte er oft furchtbar zu kämpfen gegen die Angriffe der Teufel, die in sichtbarer Gestalt mit ihm stritten und ihn von der Uebung des Gebetes abhalten wollten. Weil er aber mit himmlischen Waffen ausgerüstet war, so wurde er an Kraft um so stärker und im Gebete um so feuriger, je heftiger die Feinde ihn angriffen. Voll Vertrauen sprach er zu Christus: Unter dem Schatten deiner Flügel beschütze mich vor dem Angesichte der Feinde, die mich quälen. (Ps. 16). Aber zu den Teufeln sprach er: Ihr bösen und trügerischen Geister, thuet an mir, was ihr vermöget; denn nur so viel könnet ihr, als die Hand Gottes euch Gewalt gibt; ich bin bereit, voll Freude Alles zu ertragen, was Gott über mich beschließen mag. Die stolzen Teufel konnten eine solche Standhaftigkeit des Geistes nicht ertragen und flohen beschämt von dannen.

3) Wenn der Mann Gottes einsam war, erfüllte er die Wälder mit Seufzen, benetzte die Erde mit Thränen, schlug mit der Hand an die Brust und redete mit dem Herrn so vertraulich, als befände er sich in einem geheimen Gemach mit ihm. Hier antwortete er dem Richter, hier flehete er zum Vater, hier unterhielt er sich mit dem Freunde. Hier hörten ihn die Brüder, die ihn fromm beobachteten, oftmals unter Klagen und Seufzen die göttliche Milde um Erbarmung für die Sünder anflehen; hier hörten sie ihn mit lauter Stimme das Leiden des Heilandes beweinen, als sähe er es vor sich gegenwärtig; hier sah man ihn zur Nachtszeit beten, die Hände kreuzweise ausgestreckt, mit dem ganzen Leibe von der Erde erhoben und rings umflossen von einer hellleuchtenden Wolke. Und so war das wunderbare Licht, das seinen Leib umstrahlte, ein Zeugniß von der wunderbaren Erleuchtung im Innern seines Geistes. Hier wurden ihm auch, wie sichere Anzeichen beweisen, die Geheimnisse der göttlichen Weisheit enthüllt. Diese Offenbarungen machte er aber nicht nach außen bekannt, ausgenommen den Fall, wo und wiefern die Liebe Christi dazu drängte oder der Nutzen des Nächsten es forderte. Denn er sagte, durch etwas Geringes könne man ein unschätzbares Gut verlieren und den Geber leicht veranlassen, seine Gaben zurückzuziehen. –

4) Kehrte er von seinen besonderen und geheimen Andachtsübungen zurück, wobei er fast in einen andern Mann umgewandelt wurde, so war er beflissen, sich den Uebrigen gleichförmig zu machen, damit jenes Gute, das er äußerlich zeigte, innerlich nicht des Lohnes beraubt würde durch das sanfte Säuseln eitler Ehre. Wurde er öffentlich von des Herrn Heimsuchungen überrascht, so hielt er den Umstehenden immer etwas vor, damit es äußerlich nicht bekannt werde, wie traulich der himmlische Bräutigam ihn an sich zog. Beim Gebete unter den Brüdern vermied er durchaus alles Räuspern, Seufzen, Gähnen und andere auffällige äußere Geberden, theils weil er die Stille liebte, theils weil er innerlich gesammelt ganz nach Gott gezogen wurde. Zu seinen Vertrauten pflegte er zu sagen: Wird der Diener Gottes beim Gebete himmlischer Heimsuchungen gewürdiget, dann muß er sprechen: Herr! diese Tröstung hast du mir, einem Sünder und Unwürdigen, vom Himmel gesandt; ich übergebe sie deinem Schutze; denn ich weiß, daß ich dir deine Schätze raube. Kehrt er aber vom Gebete zurück, so muß er sich als Armen und Sünder zeigen, gleich als wenn er keine neue Gnade empfangen hätte.

5) Während der Mann Gottes bei Portiunkula einmal im Gebete lag, kam der Bischof von Assisi, wie gewöhnlich, ihn zu besuchen. Kaum war er im Kloster angekommen, als er auch freier als billig zu der Zelle ging, wo der Diener Christi betete. Er klopft an das Thürchen und sucht sich hineinzudrängen. Jedoch kaum hat er den Kopf drinnen und den Heiligen im Gebete erblickt, als er plötzlich von gewaltigem Schrecken ergriffen wird, seine Glieder erstarren, und er verliert sogar die Sprache; auch wird er im Nu durch göttlichen Willen mit Gewalt aus der Zelle gestossen und weitweg rückwärts gezogen. Erschrocken eilte der Bischof, so gut er konnte, zu den Brüdern zurück, wo Gott ihm die Sprache wieder gab und er seine Schuld bekannte.

6) Einmal begegnete dem Diener Christi der Abt vom Kloster des heiligen Justinus im Bisthume Perusia. Beim Anblicke desselben stieg der fromme Abt schnell vom Pferde, theils um dem Manne Gottes seine Ehrfurcht zu beweisen, theils um mit ihm über Gewissensanliegen zu sprechen. Nach Beendigung der Unterredung verabschiedete sich der Abt und bat ihn demüthig um sein Gebet. Der gottgefällige Mann Franziskus erwiederte: Gerne will ich beten. Als nun der Abt sich eine kleine Strecke entfernt hatte, sprach der getreue Franziskus zu seinem Gefährten: Warte ein wenig, mein Bruder; denn ich will erfüllen, was ich versprochen. Während der Heilige nun betete, empfand der Abt im Geiste eine außerordentliche Gluth und Süße, wie noch nie zuvor, und fiel sogar in Verzückung, worin er ganz außer sich in Gott zerschmolz. Er hielt eine Weile an, und wieder zu sich gekommen, erkannte er die Kraft des Gebetes des heiligen Franziskus. Von jetzt an brannte er von noch größerer Liebe gegen den Orden und erzählte vielen diese Thatsache als ein Wunder.

7) Die kirchlichen Tagzeiten pflegte der Heilige in Furcht und Andacht zu verrichten; und wiewohl er an Augen, Milz und Leber litt, so wollte er beim Psalliren sich doch nicht anlehnen an die Wand oder Mauer, sondern betete die Tagzeiten immer aufrecht stehend, mit unbedecktem Haupte, ohne mit den Augen umherzuschweifen oder die Worte zu verstümmeln. War er auf Reisen, so blieb er stehen, bis er die betreffenden Horen gebetet hatte, und diese so ehrwürdige und heilige Gewohnheit unterließ er nicht, wenn es auch heftig regnete. Denn er pflegte zu sagen: Wenn der Leib mit Muße seine Nahrung nimmt, obschon er eine Speise der Würmer werden wird; mit welcher Ruhe und Muße soll dann nicht die Seele das Brod des Lebens genießen! Schwer glaubte er zu sündigen, wenn er während des Gebetes in eitlen Gedanken und Vorstellungen mit dem Geiste abschweifte. Hatte er Derartiges in sich erfahren, so beichtete er, um den Fehler gleich zu sühnen. Diese Uebung war ihm so sehr zur Gewohnheit geworden, daß er äußerst selten von solchen Mücken zu leiden hatte.

8) Während der vierzigtägigen Fasten hatte er, weil er auch nicht die geringste Zeit unbeschäftigt sein wollte, ein Gefäß verfertigt. Bei der Terz kam ihm dieser Gegenstand in Gedanken und zerstreute seinen Geist ein wenig; unwillig hierüber verbrannte er vor Eifer des Geistes das Gefäß und sprach: Dem Herrn will ich es opfern, dessen Opfer es verhindert hat. Die Psalmen betete er mit solcher Aufmerksamkeit des Geistes und Herzens, als sähe er Gott gegenwärtig, und wenn der Name des Herrn vorkam, so schien er himmlische Süßigkeit auf den Lippen zu verkosten. Den Namen des Herrn sollte man nicht bloß in Gedanken ehren, sondern auch Hochachtung gegen denselben beweisen, wenn er ausgesprochen würde oder man ihn geschrieben fände. Darum veranlaßte er durch Ueberredung seine Brüder, alles beschriebene Papier, wo immer sie solches fänden, aufzuheben und an einen ehrbaren Ort hinzulegen, damit der Name des Herrn, wenn er vielleicht darauf geschrieben wäre, nicht mit Füßen getreten würde. Sprach er selbst den Namen Jesus aus oder hörte er andere denselben aussprechen, so wurde er innerlich mit Jubel erfüllt und äußerlich wie umgewandelt, gleich als wäre Honigseim auf seine Zunge gelegt und hätten harmonische Töne an sein Ohr geschlagen.

9) Drei Jahre vor seinem Tode faßte er den Entschluß, das Geburtsfest des Jesukindes bei Schloß Grecio möglichst feierlich zu begehen, um die Leute für die Andacht gegen den Heiland zu begeistern. Um aber hierbei jeden Schein von Leichtfertigkeit zu vermeiden, erbat und erhielt er vom Papste die Erlaubnis, ein Krippchen herzurichten, worein er Heu legte und bei welchem er einen Ochsen und Esel anbinden ließ. Brüder werden herbeigerufen, Leute strömen zusammen, der Wald hallt wieder von kräftigen Stimmen, die heilige Nacht wird erhellt von vielen Kerzen und Lampen. Sanfte und wohltönende Lieder erschallen zum Lobe Gottes, alles glänzend und feierlich. Vor der Krippe steht der Mann Gottes, von Andacht erfüllt, von Thränen benetzt und mit Freude übergossen. Die heilige Messe wird über der Krippe gefeiert, und der Levit Christi Franziskus singt das Evangelium. Hierauf hält er dem versammelten Volke eine Predigt über die Geburt des armen Königs, und so oft er dessen Namen nennt, heißt er ihn vor zärtlicher Liebe » das Knäblein von Bethlehem.« Ein gewisser tugendhafter und wahrheitsliebender Soldat, Johannes von Grecio, ein besonderer Freund des Heiligen, der auch aus Liebe zu Christus den weltlichen Soldatenstand verließ, versicherte, er habe ein sehr schönes Knäblein in der Krippe liegen und schlafen gesehen; der heilige Vater habe es mit beiden Armen umfangen, als wolle er es aus dem Schlafe wecken. Für die Glaubwürdigkeit dieses Gesichtes spricht nicht blos die Frömmigkeit des Soldaten, der es sah, sondern es wird auch bestätigt durch die Wahrheit, die es andeutete, und die Wunder, welche nachfolgten. Denn die That des heiligen Franziskus wird in der Welt nachgeahmt und ist ein Lebenswecker für Herzen, in denen der Glaube an Christus schlummert; was das Heu in der Krippe angeht, so wurde es vom Volke aufbewahrt und bewies eine wunderbare Heilkraft für krankes Vieh und vertrieb verschiedene andere Seuchen. So hat Gott in Allem seinen Diener verherrlicht und durch augenscheinliche Wunder die Kraft seines heiligen Gebetes bewiesen.


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