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Neuntes Kapitel.

Von der feurigen Liebe des heiligen Franziskus und seiner Begierde nach dem Martyrtode.


1) Die glühende Liebe, von der Franziskus, der Freund des Bräutigams, brannte, wer vermag sie zu beschreiben? Denn wie eine glühende Kohle vom Feuer, so schien er ganz von der Gluth der göttlichen Liebe durchdrungen zu sein. Bei dem Worte »Liebe Gottes« ward er plötzlich erregt, ergriffen, entzündet, gleich als wäre mit dem Stabe des äußern Wortes seines Herzens innerste Saite angeschlagen worden. Eine solche Gabe für das Almosen anbieten, nannte er eine edle Verschwendung; und die hieß er Thoren, welche die Liebe Gottes geringer schätzen als Gold, weil der unschätzbare Preis der Liebe Gottes allein genüge, das Himmelreich zu erkaufen, und die Liebe Gottes, der uns so sehr liebt, unendlich liebenswürdig sei. Um aber durch alle Wesen zur Liebe Gottes angeregt zu werden, frohlockte er über alle Werke der Hände des Herrn und drang mit seinem Blicke durch diese Spiegel der Wonne bis zu der lebendigmachenden Grundursache. In der Schönheit der Dinge schaute er den Allerschönsten und folgte auf den allen Wesen eingedrückten Spuren dem Geliebten. Aus allen Dingen machte er sich eine Leiter, auf der er emporstieg, um den als Besitz zu erlangen, der ganz begehrungswürdig ist. Mit der Empfindung außerordentlicher Andacht kostete er in jedem Geschöpfe wie in einem Bächlein die Quelle aller Güte, und da er in der Harmonie ihrer Kräfte und Thätigkeiten, die ihnen Gott gegeben, gleichsam eine himmlische Melodie vernahm, so forderte er, wie der Prophet David, alle freundlich auf zum Lobe des Herrn.

2) Jesus Christus, der Gekreuzigte, ruhete immer wie ein Myrrhen-Büschlein an seinem Herzen; in den Gekreuzigten wollte er ganz umgewandelt werden durch den Brand der glühendsten Liebe. Ganz besonders verehrte er den Heiland vom Feste der heiligen Dreikönige bis zur vierzigtägigen Fasten, während welcher Zeit Christus der Herr in der Wüste verborgen war; dann ging auch er in die Wüste, schloß sich ein in die Zelle, fastete so strenge er konnte durch Enthaltsamkeit von Speise und Trank, und beschäftigte sich ohne Unterlaß mit Gebet und Lobgesängen zur Ehre Gottes. Und während er von solcher Liebesgluth zu Christus hingezogen ward, bezeigte ihm auch wiederum der Geliebte solch eine zärtliche Vertraulichkeit, daß der Diener Gottes seinen Heiland gleichsam stets vor Augen zu haben und seine Gegenwart zu empfinden schien. Das Mark seiner Gebeine brannte vor Liebesgluth gegen das Sakrament des Leibes Christi, und staunend bewunderte er aufs höchste diese ganz liebevolle Herablassung und ganz herablassende Liebe. Er kommunizirte oft und mit solcher Andacht, daß er auch Andere zur Andacht stimmte. Wenn er das süße und makellose Lamm genoß, ward er gleichsam trunken im Geiste und fiel sehr oft in Verzückung. Die Mutter unseres Herrn Jesu Christi umfing er mit unaussprechlicher Liebe, weil sie ja den Herrn der Herrlichkeit zu unserm Bruder gemacht, und wir durch sie Barmherzigkeit erlangt haben. Auf Maria setzte er nach Christus ein besonderes Vertrauen, und sie erwählte er zu seiner und der Seinigen Fürsprecherin, und ihr zu Ehren fastete er mit großer Andacht vom Feste der Apostel Petrus und Paulus bis zum Feste Mariä Himmelfahrt. Mit den englischen Geistern, die so wunderbar glühen vor Liebe zu Gott und vor Verlangen brennen, die Seelen der Auserwählten mit Liebe zu entzünden, war er durch das Band der Liebe unzertrennlich verbunden, und aus Andacht zu ihnen fastete und betete er vierzig Tage, von Mariä Himmelfahrt angefangen. Und da der heilige Erzengel Michael, dem frommen Glauben gemäß, die Seelen der Hingeschiedenen zu Gott zu bringen hat, so war er ihm in besonderer Liebe zugethan, weil er einen so feurigen Eifer für die Rettung der Auserwählten habe. Gedachte er all der Heiligen, die wie feurige Steine dem Tempel Gottes eingereihet sind, so erglühete sein Herz im Brande heiliger Liebe, die ihn mehr und mehr in Gott umgestaltete. Alle Apostel und besonders Petrus und Paulus verehrte er mit der größten Andacht, weil sie eine glühende Liebe zu Christus hatten, und aus Verehrung und Liebe zu ihnen fastete er andere vierzig Tage.

3) Der arme Diener Christi hatte nichts Anderes, was er in freigebiger Liebe seinem Heilande darbringen konnte, als zwei Heller, nämlich seinen Leib und seine Seele. Aber diese brachte er aus Liebe zu Christus fortwährend so vollkommen zum Opfer dar, daß er gleichsam zu jeder Zeit seinen Leib schlachtete durch strenges Fasten und seine Seele opferte durch die Gluth heiliger Begierden, und so Brandopfer darbrachte im äußern Vorhofe und Räucherwerk anzündete im Innern des Tempels. Seine alles Maaß überschreitende Liebesbrunst erhob ihn in der Weise nach oben zu Gott, daß seine zärtliche Güte sich zugleich ausbreitete über alle Geschöpfe, welche seine Mitgenossen waren in Natur und Gnade. Denn da ihn seine herzliche Frömmigkeit allen Wesen zum Bruder gemacht hatte, so ist es gewiß nicht zu verwundern, wenn die Liebe zu Christus bewirkte, daß er noch inniger verbrüdert wurde mit jenen Geschöpfen, die mit des Schöpfers Bilde gezeichnet und durch das Blut des Erlösers erkauft sind. Er glaubte, kein Freund Christi zu sein, wenn er sich der Seelen nicht annehme, die der Sohn Gottes erkauft habe. Nichts, sagte er, sei dem Heile der Seelen vorzuziehen, und er bewies seine Meinung vor allem dadurch, daß der eingeborne Sohn Gottes sich gewürdigt hat, für die Seelen am Kreuze zu sterben. Aus Liebe zu den Seelen rang er im Gebete, reisete er umher und predigte, und kannte kein Maaß, wo es galt, ein gutes Beispiel zu geben. Tadelte man seine übergroße Strenge, so erwiederte er, er sei anderen zum Beispiel gegeben. Denn wiewohl sein unschuldiges Fleisch, das sich schon freiwillig dem Geiste unterwarf, der Geißeln nicht bedurfte, um Vergehen zu sühnen oder ferne zu halten: so legte er ihm doch des Beispiels halber stets neue Züchtigungen auf und wandelte um anderer willen harte Wege. Es war nämlich sein Grundsatz: Wenn ich auch die Sprachen der Menschen und Engel redete, aber die Liebe nicht in mir hätte, noch dem Nächsten ein gutes Beispiel gäbe, so würde ich anderen wenig, mir gar nichts nützen.

4) Entflammt von Liebesgluth strebte er eifrig nach dem ruhmwürdigen Triumphe der heiligen Martyrer, bei denen weder die Liebesflammen ausgelöscht, noch der Starkmuth geschwächt werden konnte. Entzündet von jener vollkommenen Liebe, welche die Furcht verbannt, verlangte auch er durch das Feuer des Martyrthums sich dem Herrn zum lebendigen Opfer darzubringen, um Christus, der für uns gestorben ist, seine Liebe zu vergelten, und andere zur Liebe Gottes anzufeuern. Im sechsten Jahre seiner Bekehrung entschloß er sich, brennend vor Verlangen nach dem Martyrtode, nach Syrien zu schiffen, um dort den Sarazenen und andern Ungläubigen den katholischen Glauben und die Buße zu predigen. Als er aber zu Schiffe dorthin reisen wollte, wurden sie durch widrige Winde genöthigt, an der Küste Slavoniens zu landen. Hier wartete er einige Zeit vergebens auf ein Schiff, das ihn in jene Gegenden bringen sollte; und da er nun erkannte, seinen Entschluß nicht ausführen zu können, bat er einige Schiffer, die nach Ankona segelten, sie möchten ihn um der Liebe Gottes willen mit sich nehmen. Da man jedoch diese Bitte hartnäckig verweigerte, weil er die Reise mit Geld nicht bezahlen konnte, so ging der Mann Gottes im festen Vertrauen auf die Güte des Herrn heimlich aufs Schiff und verbarg sich daselbst. Inzwischen soll Jemand von Gott gesendet worden sein, der die nothwendigen Lebensmittel für die Armen Christi herbeibrachte und einem gottesfürchtigen Matrosen mit den Worten übergab: Dieses ist für die armen Brüder, die auf dem Schiffe verborgen sind; bewahre es getreu auf und zur Zeit der Noth übergib es ihnen freundlich! Während der Ueberfahrt erhob sich nun ein so gewaltiger Sturm, daß die Schiffer viele Tage nirgends landen konnten; alle Speisevorräthe wurden aufgezehrt, und es blieb nichts anders übrig, als das Almosen, das dem armen Franziskus vom Himmel gesandt war. Wiewohl nun dieses Almosen gering war, so wurde es doch durch göttliche Kraft so vermehrt, daß es viele Tage hindurch, während man von steten Stürmen auf dem Meere umhergetrieben wurde, für die Bedürfnisse Aller vollkommen hinreichte, bis man zum Hafen von Ankona kam. Jetzt erkannten die Schiffer, daß sie durch den Diener Gottes vielen Lebensgefahren entflohen seien; und weil sie die großen Schrecknisse des Meeres empfunden und das wunderbare Wirken des Herrn in den Fluthen gesehen hatten, dankten sie dem allmächtigen Gott, der sich an seinen Freunden und Dienern stets wunderbar und liebenswürdig zeigt. Der Heilige verließ nun das Schiff und durchreiste jene Gegend, streute dort aus den Samen des Heils und sammelte reichliche Garben ein.

5) Weil aber die Frucht des Martyrthums sein Herz so sehr anzog, daß er den kostbaren Tod für Christus höher schätzte, als alle Verdienste der Tugenden, so unternahm er die Reise nach Marrochium, um dem Fürsten Miramolin und seinem Volke das Evangelium Christi zu predigen und, wo möglich, die ersehnte Martyrpalme zu erlangen. So groß war das Verlangen, von dem er getrieben wurde, daß er, obschon schwach an Körper, dennoch seinem Reisegefährten voranlief und eilig fortschritt zur Ausführung seines Entschlusses und gleichsam trunken im Geiste dahinflog. Jedoch in Spanien angelangt, überfiel ihn nach göttlicher Fügung, die ihn für andere Dienste aufbewahrte, eine sehr schwere Krankheit, durch die er an der Ausführung seines Wunsches gehindert wurde. Wie nun der Mann Gottes erkannte, daß sein leibliches Leben dem Orden, den er gegründet hatte, noch nothwendig sei, so kehrte er, obgleich er den Tod für sich als Gewinn betrachtete, zurück, um die Schafe zu weiden, die seiner Sorgfalt anvertraut waren.

6) Jedoch der Liebesbrand trieb heftig seinen Geist zum Martyrtode, und zum dritten Male sucht er zu den Ungläubigen zu reisen, um durch Vergießung seines Blutes den Glauben an den dreieinigen Gott zu verbreiten. Im dreizehnten Jahre seiner Bekehrung begab er sich unter vielen Gefahren nach Syrien, um Saladin, dem Fürsten von Babylon, das Evangelium zu predigen. Zwischen den Christen und Sarazenen war nämlich damals ein erbitterter Krieg entbrannt, und die Heere standen beiderseits zum Angriffe einander gegenüber, so daß man ohne Lebensgefahr nicht von einem Lager zum andern gelangen konnte. Auch hatte der Sultan den grausamen Befehl erlassen, wer immer den Kopf eines Christen brächte, sollte einen Byzantiner in Gold zum Lohne erhalten. Jedoch der unerschrockene Soldat Christi entschloß sich, zum Fürsten zu gehen, in der Hoffnung, die Erfüllung seines Wunsches zu finden; nicht Furcht vor dem Tode schüchtert ihn ein, sondern Sehnsucht nach dem Martyrthume treibt ihn an. Denn im Gebete vom Herrn gestärkt, singt er voll Zuversicht jene prophetischen Worte: Obschon ich mitten im Schatten des Todes wandle, so will ich doch nichts Schlimmes fürchten; denn Du bist bei mir, mein Gott! Zum Begleiter nahm er den Bruder Illuminatus (der Erleuchtete), einen Mann voll Licht und Tugend; und da sie eine Strecke gegangen waren, und zwei Schäfchen ihnen begegneten, wurde der Heilige froh und sprach zum Begleiter: Vertraue, mein Bruder, auf den Herrn! Denn an uns wird sich das Wort des Evangeliums erfüllen: Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Als sie weiter gingen, begegneten ihnen Trabanten des Sultan, fielen gar schnell und wüthend über sie her wie Wölfe über die Schafe, mißhandelten sie grausam und verächtlich, überhäuften sie mit Schimpfworten und Schlägen und fesselten sie endlich. Nach vielfältigen Mißhandlungen und Rohheiten wurden sie durch göttliche Fügung zum Sultan geführt, wie der Heilige gewünscht hatte. Auf die Frage des Fürsten, von wem, wozu und wie sie geschickt und wie sie hergekommen wären, antwortete unerschrocken der Diener Christi: Nicht von Menschen, sondern von Gott, dem Allerhöchsten, bin ich gesandt, um dir und deinem Volke den Weg des Heils zu zeigen und das Evangelium der Wahrheit zu predigen.

7) Hierauf predigte er dem Sultan den einen und dreieinigen Gott und Jesum Christum, den Erlöser aller, mit solchem Starkmuth des Geistes, mit solcher Seelenkraft und solcher Gluth des Herzens, daß an ihm jenes Wort des Evangeliums klar in Erfüllung ging: Ich werde euch Mund und Weisheit geben, der alle eure Widersacher nicht widerstehen noch widersprechen können. Denn als der Sultan in dem Manne Gottes den wunderbaren Eifer und die Kraft des Geistes erblickte, hörte er ihn gerne und lud ihn sehr dringend ein, längere Zeit bei ihm zu bleiben. Aber der von Gott erleuchtete Mann erwiederte: Wenn du mit deinem Volke dich zu Christus bekehren willst, dann bleibe ich gerne aus Liebe zu Christus bei dir. Solltest du jedoch Bedenken tragen, wegen des Glaubens an Christus das Gesetz Muhameds zu verlassen, so lasse einen sehr großen Scheiterhaufen anzünden, und ich will mit deinen Priestern ins Feuer gehen, damit du wenigstens auf diese Weise erkennest, welcher Glaube sicherer und heiliger sei, und welchen man also mit Recht annehmen müsse. Der Sultan antwortete: Ich glaube nicht, daß einer von meinen Priestern gewillt ist, zur Vertheidigung des Glaubens sich dem Brande des Feuers auszusetzen oder andere Martern zu ertragen. Er hatte nämlich gesehen, wie einer von den Priestern, ein alter und angesehener Mann, bei diesen Worten die Versammlung eiligst verließ. Jetzt sprach der Heilige: Wenn du mir für dich und dein Volk versprichst, den katholischen Glauben anzunehmen, wofern ich unversehrt aus dem Feuer hervorgehe, so will ich allein ins Feuer gehen. Sollte ich verbrannt werden, so schreibt das meinen Sünden zu; wenn mich aber die Kraft Gottes beschützt, dann anerkennet gläubig, daß Christus ist die Kraft und Weisheit Gottes, wahrer Gott, der Erlöser aller Menschen. Der Sultan erwiderte, er wage diesen Vertrag nicht einzugehen, weil er einen Volksaufstand fürchte. Doch bot er kostbare Geschenke an, die der Mann Gottes, nicht begierig nach weltlichen Dingen, sondern durstend nach dem Heile der Seelen, alle wie Koth verachtete. Wie nun der Sultan den heiligen Mann alle weltlichen Schätze so vollkommen verachten sah, ward er von Staunen ergriffen und faßte noch größere Verehrung zu dem heiligen Franziskus; und obschon er die christliche Religion nicht annehmen wollte oder auch wohl nicht anzunehmen wagte, so bat er doch den Diener Christi ehrerbietig, er möge die erwähnten Geschenke annehmen und sie an arme Christen oder Kirchen vertheilen, ihm zum Heile. Weil er aber vor der Last des Geldes floh und in dem Herzen des Sultan keine Wurzel wahrer Frömmigkeit antraf, so nahm er durchaus nichts an; und da er zugleich erkannte, daß er dieses Volk nicht bekehren noch die erwünschte Martyrkrone erlangen könnte, so kehrte er auf göttliche Offenbarung in das Land der Gläubigen zurück. So geschah es also nach wunderbarer und erbarmungsvoller Leitung der göttlichen Milde und wegen der Tugend des heiligen Mannes, daß der Freund Christi aus allen Kräften den Tod aufsuchte, ohne ihn irgendwo finden zu können, damit ihm das Verdienst des Martyrthums nicht abgehe, und er erhalten bleibe, um durch einen ganz besonderen Vorzug ausgezeichnet zu werden. Durch diese Ereignisse entbrannte in seinem Herzen das göttliche Liebesfeuer, dessen Gluth so stark wurde, daß es sich äußerlich in den heiligen Wundmalen zeigte, die seinem unschuldigen Fleische eingedrückt wurden. O wahrhaft seliger Mann! Dein Fleisch wird wohl nicht zerhauen mit des Tyrannen Beil, aber doch bist du nicht beraubt der Aehnlichkeit mit unserm Opferlamme. O ja, wahrhaft selig zu preisender Mann! Des Verfolgers Schwert nimmt dir zwar nicht das Leben, und dennoch verlierst du nicht die Palme der Martyrer.


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