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Vorrede des Uebersetzers.

Lieber Leser! Die vorliegende Lebensbeschreibung habe ich schon seit einer Reihe von Jahren zu wiederholten Malen im lateinischen Original gelesen, und die Ueberzeugung hat sich bei mir stets gesteigert, es gäbe kaum ein Buch ähnlichen Inhalts, das diesem ebenbürtig an die Seite gestellt werden könnte. Es wird ja in diesem Buche nicht blos das Leben eines der größten und ruhmwürdigsten Heiligen der Kirche Gottes dargestellt, sondern der Verfasser desselben ist selbst ein großer Heiliger und berühmter Lehrer der Kirche. Dieser Verfasser ist kein anderer, als der ruhmreiche heilige Bonaventura. Diese beiden Vorzüge kennzeichnen und empfehlen das Buch hinreichend. Darum glaubte ich dem christlichen Volke deutscher Zunge und besonders jenen Personen, die zu einem der drei Orden gehören, die der heilige Vater Franziskus gestiftet hat, einen kleinen Dienst zu erweisen, wenn ich ihnen das Leben dieses glorreichen Heiligen in deutscher Sprache vorlegte. Die Söhne und Töchter des heiligen Franziskus finden hier eine neue Gelegenheit, die erhabene Heiligkeit ihres glorreichen Vaters zu sehen und die Höhe, wozu sie als Kinder eines solchen Vaters berufen sind, gleichsam mit Augen zu schauen. Denn, sind wir Kinder des armen, demüthigen, seraphischen Vaters Franziskus, dann müssen wir auch seine Werke auszuüben suchen. Möge dieses Buch in allen Lesern die Liebe zum heiligen Franziskus anfachen und vermehren und sie alle mächtig anspornen, an Tugend und Heiligkeit ein anderer Franziskus zu werden! Freilich werden hier viele und große Wunder vom heiligen Franziskus berichtet; aber für ihre Glaubwürdigkeit spricht nicht blos die Heiligkeit des heiligen Verfassers Bonaventura, der schon längst geboren, als der heilige Franziskus starb, also ein Zeitgenosse jener Männer und Personen war, die mit dem heiligen Vater lebten, an denen diese Wunder gewirkt worden, und die sie mit eigenen Augen gesehen hatten; für ihre Glaubwürdigkeit spricht nicht blos die Sorgfalt, die der heilige Bonaventura nach seinem eigenen Zeugnisse anwendete, um in Allem die volle Wahrheit und nur Wahrheit zu erfahren; sondern auch die außerordentliche Heiligkeit jenes glorreichen Mannes, von dem diese zahlreichen Wunder berichtet werden, legt Zeugniß ab für die Wahrheit derselben. Denn Franziskus hat nicht blos durch Kampf gegen den alten Menschen das Gift der Sünde aus seiner durch Adams Sünde verderbten Natur herausgepreßt, die Leidenschaften überwunden und gänzlich ausgerottet und so das Bild des ersten Menschen durch Gottes Gnade in sich vollkommen erneuert, sondern er ist auch über des ersten Menschen Unschuld weit erhoben, in das Bild der ewigen Schönheit des Gottmenschen Jesus Christus innerlich und äußerlich möglichst vollkommen umgewandelt worden. Dem Leibe des heiligen Franziskus wurden ja die Wundmale Jesu Christi durch eine geheimnißvolle Einwirkung des gekreuzigten Seraphs aufgedrückt; diese Wundmale gaben dem heiligen Manne äußerlich am Leibe die größte Aehnlichkeit mit dem Gottmenschen Christus und waren zugleich ein von Gottes Hand geschriebenes Zeugniß von seiner Aehnlichkeit mit Christus innerlich im Herzen. Ist es da zu verwundern, wenn der heilige Franziskus, der an Unschuld den Adam übertrifft, an Adams Macht über die Natur Theil nimmt? Kann es da noch befremden, wenn der beste Freund des Bräutigams Antheil an den Rechten des Bräutigams, und wenn das vollkommene Ebenbild unsers Jesus, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, auch ein Mitbesitzer dieser Macht ist? Und wenn Jesus eben darum, weil er sich verdemüthigt hat und gehorsam geworden ist bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze, einen Namen erlangt hat, der da ist über alle Namen, auf daß im Namen Jesu sich beugen müssen alle Kniee im Himmel, auf der Erde und unter der Erde; ist es da nicht durchaus entsprechend, daß Gott, der Liebhaber der Demuth und des Gehorsams, den so demüthigen und gehorsamen Franziskus mit der Herrlichkeit seines Eingebornen umgibt und ihn zur Verherrlichung seines wesensgleichen, gehorsamen und demüthigen Sohnes im Himmel und auf Erden groß macht durch große Wunder? Möge des heiligen Franziskus große Herrschaft über die ganze Natur uns antreiben, wenigstens dahin zu streben, daß wir uns selbst beherrschen; möge dieser mächtige und erbarmungsvolle Heilige uns großes Zutrauen zu seiner Macht und Liebe einflößen, und mögen wir Alle durch seine Fürbitte das erlangen, was uns zum zeitlichen und ewigen Heile ersprießlich ist.

Was die Uebersetzung angeht, so habe ich mich möglichst genau an das Original gehalten und eine ganz einfache Sprache gewählt.

Nachdem ich die Uebersetzung schon beinahe vollendet hatte, ist mir ein Buch von »Hirenäus Haid« in die Hände gekommen, das auch eine Uebersetzung der vom heiligen Bonaventura verfaßten Lebensbeschreibung des heiligen Franziskus sein soll. Die Uebersetzung des gedachten Herrn geht aber blos bis zum sechszehnten Kapitel und läßt in den vorhergehenden Kapiteln fast alle erzählten Wunder aus. Da nun das gedachte Buch die Lebensbeschreibung des heiligen Franziskus nur verstümmelt, kaum die Hälfte derselben enthält, von besonderen Eigenthümlichkeiten des Uebersetzers ganz abgesehen, so glaubte ich, keine zwecklose Arbeit zu verrichten, wenn ich die Uebersetzung in der angefangenen Weise vollendete und dem Publikum übergäbe.

Briefe des heiligen Franziskus und Memorabilien im Anhange sind nach kleinen Abänderungen aus dem Buche des Herrn Professors Haid genommen.

Möge das Buch eine günstige Aufnahme beim Publikum finden; möge es die Ehre Gottes und den Ruhm des heiligen Franziskus mehren; möge es bei den Lesern recht viel Nutzen schaffen! Das wünscht herzlich

der Uebersetzer.


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