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Siebzigstes Kapitel.
Pläne und Aussichten

Mr. Berckley?s Aeußeres hatte vielleicht diesmal weniger Abstoßendes und Widerwärtiges, als sonst, denn seine harten Züge hatten, falls sein Herz deren wirklich fähig war, durch den Ausdruck einer sanften Regung, ein leidliches Gepräge erhalten; seine Stimme, sonst schroff und rauh, klang weicher und melodischer, und sein falsches Auge, in welchem die Gier der Hyäne mit dem katzenartig lauernden Blick sich gleichzeitig aussprachen, hatte diesmal einen eigenthümlichen Glanz, eine gewisse Wärme. Nichts desto weniger war er den beiden Damen nie so widerwärtig erschienen, wie jetzt. War es der Zweck, der ihn herführte, was sie zurückbeben machte, war es, was ihr Feingefühl und ihr Scharfblick sie schnell erkennen ließen, daß jene sanfte Regung affectirt, jenes weiche Organ künstlich angenommen sei? genug, sie fühlten sich von seinen Worten und von seinen Blicken eisig durchrieselt, und desto mehr erkältet, je größere Wärme er erheuchelte.

»Die Angelegenheit, welche mich zu Ihnen führt, Miß Brown,« begann er, »ist so delikater Natur, daß ich mich gezwungen sah, mir die Freiheit zu nehmen, Sie um eine Unterredung unter vier Augen ersuchen zu lassen. Da Sie nun, wie ich sehe, nicht allein sind, so bin ich gern erbötig, mein Anliegen auf eine geeignetere Zeit zu verschieben, ich werde, wenn Sie es erlauben, morgen wieder kommen.«

Mit diesen Worten verneigte er sich, um sich zu empfehlen, Emmy's Stimme hielt ihn jedoch zurück.

»Ich will Sie nicht auf ein andermal bemühen,« sagte sie. »Ich glaube zu wissen, welcher Sache wegen Sie zu mir kommen, habe aber darin nicht Ursach finden können, meine Freundin und Schwester aus meiner Nähe zu schicken. Ich bitte, Mr. Berckley, sprechen Sie unverhohlen. Diese junge Dame kann sowohl hören, was Sie mir zu sagen haben, als auch, was ich Ihnen darauf antworten werde; sie ist meine beste Freundin. Sie kennen dieselbe vielleicht?«

»Ich entsinne mich – in der That«– stotterte Mr. Berckley, dessen Augen bereits seit seinem Eintritt mit einem eigenthümlichen Ausdruck bestialischer Lüsternheit sich auf die schöne Quadroone geheftet hatten.

Esther ließ ihn nicht ausreden.

»Mr. Berckley kennt mich,« sagte sie kalt; seinen Blick mit stolzer Verachtung erwidernd.

»Ich denke ja,« fuhr Berckley fort, und sein häßliches Auge erhielt einen immer widerwärtigeren Glanz. »Wenn mir recht ist, sah ich Sie im Hause Mr. Breckenridges zu White-House.«

»Ganz recht,« antwortete Esther, »dort war es, wo Sie mich sahen und mich mit Ihren Liebesanträgen verfolgten.«

Verlegenheit und Bosheit kämpften einen Augenblick in Berckley's Antlitz. Die letztere behielt die Oberhand.

»Ich hatte Lust, Sie zu kaufen,« sagte er höhnisch, auf Esther's frühere Stellung anspielend.

»Aber Sie hatten kein Geld dazu,« fügte Esther hinzu, ohne ihre kalte Ruhe zu verlieren. – »Sie gaben deshalb statt des Geldes Liebesschwüre.«

»Ich leugne nicht, daß ich damals dergleichen that, versetzte Berckley, der nur noch mit Mühe an sich hielt, um seine Gereiztheit nicht zu verrathen. – »Heut würde ich –«

»Heut würden Sie Geld genug haben, um mich zu kaufen,« unterbrach ihn Ester, »namentlich, wenn Sie erst im Besitz des Vermögens dieser Lady sind; nicht wahr?«

»Das wollte ich nicht sagen, Miß Brown, sondern, daß ich heute, wo mich mein Herz lediglich zu den Füßen dieser schönen Lady zieht, nicht Verlangen tragen würde, eine Andere zu besitzen. In der That, Mylady, ich habe, seit ich Sie das letzte Mal sprach, es war kurz vorher, ehe ich jene unselige Reise antrat, welche meine Gefangennehmung zur Folge hatte, Ihr Bild stets treu in meinem Herzen getragen und mich nach dem Augenblick gesehnt, da es mir gestattet sein würde, Ihnen das Geständniß meiner Liebe zu machen.«

»Wenn das wahr ist,« versetzte Emmy »so muß ich bewundern, daß Sie länger als ein halbes Jahr – so lange ist es her seit Ihrer Befreiung – mit mir in einer und derselben Stadt wohnen konnten, ohne daß Sie den Versuch machten, jenes Verlangen zu stillen.«

»Nennen Sie das nicht Mangel an Liebe, Miß Brown. Ich bin leider nicht so frei, daß ich den Forderungen meines Herzens ohne Weiteres folgen dürfte, die ersten und die größten Ansprüche an unser Selbst hat in diesem Augenblicke der Staat, und erst nachdem ich der Forderung dieser Pflicht nach allen Seiten hin genügt habe, darf ich der Stimme meines Herzens Gehör geben, und diese ist es, welche mich jetzt zu Ihnen treibt.«

Emmy fühlte sich eisig durchschauert. Dem Manne also, welcher sich ihr mit jedem Wort in verächtlicherem Lichte zeigte, dem sollte sie zum ewigen Bunde ihre Hand reichen. Sie vermochte nicht mehr dem Heuchler ruhig zuzuhören. Er wäre ihr ohne die Maske, welche er angenommen, vielleicht weniger widerwärtig erschienen, als in seiner gegenwärtigen Gestalt. Sie antwortete deshalb:

»Machen Sie keine Umschweife, Mr. Berckley, Sie kommen, um von mir die Erfüllung des mit meinem Vormunde abgeschlossenen Kontractes zu fordern.«

»Ich setze voraus,« antwortete der Angeredete ausweichend, »daß, wenn Sie die Erfüllung dieses Kontractes für Pflicht halten, Ihr Herz dieser Pflicht nicht widerstrebt.«

»Und ich setze voraus, Sir, daß es Ihnen sehr gleichgültig ist, ob mein Herz widerstrebt oder nicht,« erwiderte Emmy gereizt.

»Ich hoffe nicht, daß ich mich getäuscht habe, wenn ich meine, daß es mir gelingen würde, Ihre Neigung zu gewinnen.«

»In der That, Mr. Berckley, Sie haben sich getäuscht, wenn Sie das meinen. Ich fühle für Sie heute noch nicht anders, als bei Beginn Ihrer Werbung.«

»Aber Sie gaben Ihre Unterschrift.«

»Die Unterschrift ist ungültig«, fiel hier Esther ein. »Miß Brown ist gezwungen worden zu der Unterschrift.«

»Gezwungen?« wiederholte Mr. Berckley, »davon ist mir nichts bewußt. Mr. Breckenridge händigte mir den Revers mit Ihrer Unterschrift ein, aber daß ein Zwang angewendet sei, um Ihre Unterschrift zu erlangen, davon hat er mir nichts gesagt. Aber gesetzt auch, Sie sind dazu gezwungen worden –«

»Ich gab sie von freien Stücken.«

»Um so besser, Miß Brown, aber gesetzt auch, Sie wären dazu gewissermaßen genöthigt, so würde Ihnen doch nicht das Gesetz zur Seite stehen. Den Kontract müßten Sie ohne alle Umstände erfüllen. Es thut mir leid, daß ich mich auf diesen Revers beziehen muß, und nicht an Ihr Herz appelliren darf.«

»Sie sind also gewillt,« sagte Esther, »Miß Brown zu heirathen, selbst wenn sie Ihnen erklärt, daß sie Sie nicht nur nicht liebt, sondern daß sie Sie haßt und verabscheut?«

»Miß Brown wird das nicht sagen.«

Emmy sagte es allerdings nicht. Wozu auch? Sie mußte ja doch diesen Mann heirathen, sie mußte es thun, der Freundin wegen, ihr war sie das Opfer schuldig, das Opfer mußte gebracht werden.

Schluchzend bedeckte sie das Gesicht mit den Händen und schwieg.

»Emmy!« rief Esther. »Du schweigst? Ist es nicht wahr, daß Du in Deinem Herzen zurückschauderst vor dieser Verbindung? Sprich, ich bitte Dich; täusche Mr. Berckley nicht über Deine Gesinnung gegen ihn. – Du schweigst noch immer? Bedenke, daß das Glück Deines Lebens auf dem Spiele steht.«

»Ich bitte, beunruhigen Sie Miß Brown nicht,« fiel hier Mr. Berckley ein. »Welche Antwort mir auch immer die Lady geben wird, ich müßte dennoch auf die Erfüllung des Contraktes bestehen.«

»Unmensch!« schrie Esther. Wie? Sie wollen sie opfern? Sie wären brutal genug, sie mit Gewalt zum Altar zu schleppen? Nehmen Sie ihr Vermögen, sie wird es gern geben, aber lassen Sie ihr ihre Freiheit. Ketten Sie sie nicht mit Fesseln, welche ihr schlimmer sind, als der Tod.«

»Wir sind keine Räuber, Miß, welche sich gegen Gesetz und Recht ein Vermögen aneignen, erwiederte Mr. Berckley ruhig. »Glücklicherweise befinde ich mich in der Lage, auf ganz gesetzmäßigem Wege in den Besitz von Miß Browns Vermögen kommen zu können, und ich bin nicht Willens den Weg des Gesetzes zu verlassen. Leider hat die Angelegenheit Eile, und ich kann Miß Brown deßhalb nicht länger Zeit geben als eine Woche. Heute in 8 Tagen muß die Verbindung abgeschlossen sein, denn – ich mache kein Hehl daraus – der Orden braucht Geld, und wie gesagt, ich bin kein Räuber, daß ich mir Geld auf unrechtmäßige Weise zu verschaffen suchen sollte.«

»Sie sind mehr wie ein Räuber. – Sie rauben ein Vermögen und morden ein Herz!«

»Scheine ich Ihnen nicht zart genug zu verfahren, Miß, so bedenken Sie, daß mich nur die Liebe zum Vaterlande treibt. Nur meinem Vaterlande einen Dienst zu leisten, habe ich mich zu dieser Heirath entschlossen.«

»Sehen Sie, Heuchler? Also nicht die Liebe zu Miß Brown treibt Sie?«

»Meine Liebe zu Miß Brown that auch das ihrige.«

»Sie lügen, Sir.«

»Miß Brown hat an Ihnen einen sehr warmen Anwalt,« sagte Berckley spöttisch. »Ich will hoffen, daß diesen Anwalt edlere Gründe als die Eifersucht bewegen, sich so gegen diese Verbindung zu stemmen.«

Eine Geberde unaussprechlichen Abscheues war Esther's einzige Antwort.

Berckley näherte sich ihr und sagte flüsternd, während sich sein Gesicht zu einem dämonischen Grinsen verzog:

»Wenn nun aber in Ihrer Hand allein das Mittel läge, mich von dieser Heirath abzubringen.«

»Wie?« rief Esther, »es giebt ein Mittel? – Nennen Sie es. – Alles, Alles bin ich bereit zu thun.«

»Wohlan, Miß,« fuhr Berckley flüsternd fort. »Ich erwarte Sie in meiner Villa, dort nenne ich Ihnen das Mittel.« –

Nach diesen Worten empfahl sich Mr. Berckley. Siegesgewißheit verzog seine Züge zu einem triumphirenden Lächeln, als er das Haus verließ und seinen Wagen bestieg, um nach Springhill zu fahren.

Emmy hatte während des letzten Theils dieser Unterredung kein Wort gesagt. Mit abgewandtem Gesicht und Thränen in den Augen hatte sie dagesessen und sich vergebens bemüht, ihre Aufregung zu verbergen. Sie konnte es nicht über sich gewinnen, dem Verhaßten ein Wort der Zustimmung zu sagen, und doch auch durfte sie ihm ihre Empfindungen nicht verrathen, denn sie mußte ihn ja doch heirathen, selbst wenn sie der Contrakt nicht gezwungen hätte.

Als sich Berckley entfernt hatte, wandte sie sich an Esther.

»Hörte ich recht? Sagte er nicht, es gäbe ein Mittel, ihn zu bewegen von seinem Heirathsplan abzustehen?«

»Das sagte er,« war Esthers Antwort

»Und worin besteht dies Mittel?«

»Er hat es nicht gesagt!«

»Hast Du auch keine Vermuthung?«

Oh, Esther wußte recht gut, welches dies Mittel sei, auf das der alte Wüstling angespielt. Sie hatte geschaudert und ihr Gesicht war vor Schreck bleicher geworden als das gramverzehrte Antlitz ihrer Freundin, als er auf dies Mittel hingedeutet hatte.

Sie wußte, daß sie schon früher der Gegenstand seiner unreinen Gelüste gewesen war, und daß seine viehische Begierde die einzige schwache Seite seines Charakters sei. Esther wußte dies Alles, allein sie antwortete ihrer Freundin doch:

»Ich habe keine Vermuthung.«

»Ich bezweifle, daß es ernst gemeint war,« versetzte Emmy.

»Wir werden sehen,« sagte Esther und erhob sich.

»Was willst Du thun?« fragte Emmy bestürzt, als sie nach ihrem Shawl griff.

»Ich will zu Deinem Vormund, und noch einmal versuchen, ihn zu erweichen. Er hat Einfluß genug auf Berckley, und wenn Einer helfen kann, so ist er es.«

»Zu Breckenridge willst Du? Esther bist Du rasend?«

»Nein, Du siehst, ich bin ganz ruhig. – Bestelle den Wagen,« fügte sie hinzu, als auf ihr Schellen Margot erschien.

»Aber Breckenridge wird Dich sofort verhaften lassen, Du weißt, er hat einen alten Haß gegen Dich.«

»Sagte ich Dir nicht, daß ich einen Talisman besitze, der mich vor der Verfolgung der Rebellen schützt? – Adieu Emmy, ich kehre hoffentlich mit guter Botschaft wieder.«

Sie ging, der Wagen wartete.

»Yorktown-Street, Springhill, Villa Breckenridge!« befahl sie dem Kutscher, und der Wagen flog dahin.

*

Die Villa des Kriegsministers hatte, wie alle anderen Villen der Yorktown-Street, zunächst an der Straße einen Vorplatz, welcher von einem eisernen Gitter umgeben und zu einem zierlichen Gärtchen eingerichtet war, welches seltene Pflanzen und geschmackvolle Blumenparthien schmückten. Auf der der Straße gegenüberliegenden Seite des Gartens erhob sich die prächtige, im jonischen Styl gebaute Villa. Auf acht Säulen von grünem Marmor ruhte ein mit geschmackvollen Ornamenten gezierter Fries, welcher die Eingangstreppe überdachte Die Treppe selbst. welche von demselben Marmor war, war mit herrlichen Blumen bestellt, zwischen denen sich Marmorstatuen erhoben und Vasen von seltener Kostbarkeit.

Hinter dieser, wie hinter den übrigen Villen befand sich ein Park. Wir wissen bereits, daß man von diesen Park aus zu dem hinter Berckley's Villa gelegenen Ritterhause gelangte. Die Villa des Kriegsministers hatte nach diesem Park hinaus eine Art Veranda. Eine Flügelthür mit mächtigen Glasfenstern führte aus dem Innern des Hauses auf dieselbe, von außen aber konnte man durch eine kleine steinerne Treppe hinaufgelangen. Die Veranda war nur an der breiten vorderen Seite offen, die beiden schmäleren Seiten schlossen dichte Rankengewächse, welche auch noch ein wenig um die Ecken reichten, so daß jede Ecke der Veranda ein Plätzchen hatte, welches weder von dem Strahl der Nachmittagssonne, noch von den Blicken der etwa im Park befindlichen Personen erreicht werden konnte.

In einer dieser kühlen, und dem Auge des Beobachters so unzugänglichen Ecken hatten an dem Nachmittage, als Mr. Berckley Miß Emmy Brown die Frist ankündigte, welche er ihr zu geben gedachte, zwei Männer ein ernstes Gespräch. Beide schienen bekümmert und verstimmt, ihre Stirn schien umwölkt und weder die Cigaretten, welche vor ihnen standen, noch die mit funkelndem Wein gefüllten Gläser wurden berührt.

Wir würden die Männer erkennen können, auch wenn wir sie nicht in jener, den Blicken verborgenen Ecke sähen, denn sie sprachen nicht gerade leise, da sie einen Lauscher nicht zu befürchten hatten. Wir hätten in ihrer Art des Ausdrucks leicht die lakonische Kürze und gebieterische Manier des Kriegsministers, und die leichte, gewandte, oft leidenschaftliche Sprache Mr. Cleary's erkannt.

Sie sprachen von der gestern stattgehabten Sitzung im Ritterhause.

»Die Adresse ist abgegangen, in welcher Jefferson Davis der Beschluß des Ordens bekannt gemacht wird,« sagte Cleary. »Sie können also jeden Augenblick gewärtig sein, von Ihrem Posten abgelöst zu werden, denn der Präsident wird es nicht wagen irgend etwas zu unternehmen, das den Wünschen des Ordens zuwider läuft«

»Ich war darauf vorbereitet,« erwiederte Breckenridge verdrießlich. »Schon lange wußte ich, daß Sanders um diesen Posten buhlt, und Jeden glauben zu machen suchte, daß er allein Energie und Patriotismus genug besitze, ihn würdig zu bekleiden. Ich will wünschen, das dieser Wechsel zum Heil unserer Sache ist.

»Ich für meine Person bezweifle das,« versetzte Cleary.

»Auch ich« bestätigte Breckenridge. »Ich halte Alles, was Sanders gethan, um mich von dem Posten zu verdrängen, eher für Großsprecherei und Renommisterei. als für aufrichtigen Patriotismus. Daß er, um ein Beispiel anzuführen, seine Nigger unentgeltlich zum Kriegsdienst hergab, hat einen ganz andern Grund als den reine Patriotismus.«

»Sie meinen, er fürchtete einen Aufstand.«

»Allerdings, seine Strenge hat die Nigger zur äußersten Erbitterung getrieben, und er hat sie statt sie zu bändigen nur störrischer gemacht. Wir Alle haben – Sie allein ausgenommen – in dieser Zeit der Negeraufstände doppelte Strenge walten lassen, allein wir haben uns nicht zu Handlungen hinreißen lassen, die selbst den rohesten Schwarzen empören müssen. Sanders besaß z. B. früher eine Sclavin, eine sehr schöne Kreolin. Einer meiner Nigger, ein Quadroone, Namens Edward Brown, liebte sie und wollte sie heirathen, sie erwiderte seine Liebe, allein Sanders wollte die Heirath nicht, denn er selbst hatte eine Leidenschaft für die schöne Kreolin gefaßt. Sie weigerte sich, sich seinem Willen zu fügen. Mit Gewalt zwang er sie. Die Folge war, daß das Mädchen schwanger wurde. Statt nun Rücksicht mit ihr zu haben, behandelte er sie mit doppelter Härte, denn er fürchtete, sie möchte ausplaudern, daß er selbst der Urheber ihrer Schwangerschaft sei, und nicht, wie er zu verbreiten gewußt hatte, der Quadroone, welcher der Geliebte des Mädchens war. Noch kurz vor ihrer Niederkunft ließ er sie an den Baum binden und ihr fünfzehn Peitschenhiebe geben. Unmittelbar darauf hat die Sclavin geboren und ist dabei in Folge der Mißhandlungen gestorben. – Das Kind, sein Kind, hat Sanders sofort verkauft. Dies ist unstreitig eine der Handlungsweisen, welche die Erbitterung der Nigger hervorrief, welche die erste Ursache der Aufstände wurde.«

»Sonderbar! das Kind habe ich von Sanders als Zugabe erhalten, und ihm verdanke ich meine Rettung aus den Händen der Schwarzen,« sagte Cleary halblaut. »Jener Edward Brown hat, als er den Tod seiner Geliebten erfuhr, seine Liebe für sie auf das Kind übertragen, aus Dankbarkeit, daß ich mich des kleinen Wesens annahm, ist er zweimal mein Retter geworden.«

»Wir haben von diesen Niggeraufständen Alles zu befürchten,« fuhr Breckenridge fort. »Denn wir sind nicht überall so glücklich, daß wir, wie in Tennessee die Aufstände unterdrücken und die meuterischen Nigger einfangen. Hätten wir hier den Rath Sanders' befolgt, so hätten wir die sämmtlichen 3000 Schwarzen, die wir dort gefangen haben, erhängen müssen. Ich habe es indessen trotz des Widerspruchs durchgesetzt, daß sie zur Armee geschickt wurden. Diejenigen, welche bei Beendigung des Krieges noch am Leben sind, werden alsdann ihren Herrn zurückgegeben werden und mögen dann nachträglich von diesen zu Tode gepeitscht werden, davon haben wir wenigstens keinen Schaden.«

Cleary seufzte.

»Dieser Niggeraufstand in Tennessee hat mir den schwersten Schlag versetzt, der mich treffen konnte,« sagte er mit bewegter Stimme. »Daß ich mein Eigenthum verloren habe, daß man mich gefoltert und gemartert, was ist das Alles im Vergleich zu dem, was ich jetzt zu beklagen habe!«

»Also Sie haben von Ihrem Kinde immer noch keine Kunde?«

»Keine! – Der Negerknabe, dessen Schutz ich sie anvertraut hatte, und welcher ihr zum Tode treu ergeben war, hat sie, wie ich erfuhr, nach Winchester gebracht, um sie von dort nach Richmond zu meiner Frau zu begleiten. Bis Winchester habe ich ihre Spur verfolgen können. Sie hat dort bei einem Gastwirth Namens Snighsdale eine Nacht logirt. In der Nacht wurde der Negerknabe, weil er im Verdacht der Theilnahme an dem Aufstande war, verhaftet, und meine Fanny ist in Begleitung einer fremden Dame, die der Wirth nicht zu kennen behauptet, nach Richmond abgefahren.«

»Und ist hier nicht angekommen?«

»Nein.«

»Und der Negerknabe?«

»Von ihm habe ich gehört. Er ist hier hergebracht worden, und hat, um seine Unschuld darzuthun, den Hergang erzählt. Er war der Meinung, daß ich gefangen fortgeführt sei, berief sich also auf meine Frau, welche schon damals hier in Richmond wohnte. Meine Frau aber ist schon von früher her gegen den Buben eingenommen, oder hat nicht gewußt, wieviel Dank ich und mein Kind ihm schulden. Als sie deshalb befragt wurde, stellte sie dem Knaben das ungünstigste Zeugniß aus und sagte, daß sie keinen Augenblick daran zweifle, daß er an dem Ausstand theilgenommen, denn er habe schon immer gegen sie conspirirt. Sie hatte deshalb auch nichts dawider, daß er mit den andern einem Niggerregimente eingereiht wurde.«

»Haben Sie bei dem Regiment nicht nachgefragt?«

»Das that ich und erfuhr, daß der Knabe, falls nämlich dieser derselbe ist und keine Namensverwechselung stattfindet, entlaufen sei.«

»Um nach dem Norden zu gehen unstreitig.«

»Das glaube ich nicht, vielmehr bin ich überzeugt, daß er in diesem Moment eben so sehr bemüht ist, Fanny aufzusuchen, wie ich selbst. Ich habe deshalb den Behörden Auftrag ertheilen lassen, ihn nicht zu verhaften, sondern mir, falls sie ihn an irgend einem Orte entdecken, nur von seinem Aufenthalt Kenntniß zu geben« –

Ein Wagen rollte die Yorktownstraße hinab und hielt vor dem Hauptthor der Villa des Kriegsministers.

Nach einigen Minuten öffnete ein Neger leise und behutsam die Glasthür, welche auf die Veranda führte und blieb in demüthiger Haltung an derselben stehen.

»Was willst Du, Pet?« fragte Breckenridge barsch.

»Massah Berckley bitten, angemeldet zu werden,« antwortete der Neger.

»Er soll mir willkommen sein,« erwiderte Breckenridge, worauf sich der Neger entfernte.

»Das ist gegenwärtig Ihr ganzer Bestand an Schwarzen?« fragte Cleary, auf den Hinausgehenden deutend.

»Beinahe,« erwiderte Breckenridge. »Ich habe nach Sanders Beispiel die übrigen, so weit sie zum Kriegsdienst tauglich sind, dazu hergegeben. Nur einige Weiber und Greise habe ich noch auf meinen Farmen, und einige Diener hier. Ich habe indessen nicht das Glück, so treue Diener zu besitzen, wie Sie in jenem Mulattenknaben zu haben glauben; sie taugen Alle nichts, auch dieser nicht, so demüthig und ergeben er sich auch stellt, er ist hinterlistig und falsch wie sie Alle; aber ich habe ihn behalten, weil er mir noch von Allen der ungefährlichste scheint. Auch den einzigen, auf den ich mich verlassen konnte, meinen Aufseher, habe ich, weil er sich noch zum Soldaten am besten eignet, zur Armee gegeben.«

Mr. Berckley erschien mit äußerst zufriedener Miene, ein Umstand, welche den Vormund von Miß Emmy Brown zu der Frage veranlaßte:

»Ihre Werbung ist also günstig ausgefallen?«

»Sehr günstig,« war Berckley's Antwort. »Ist 8 Tagen ist diese Angelegenheit beendet, und das Vermögen der Erbin dem Orden gesichert.«

»Sie hatten also nicht, wie ich vermuthete, mit Schwierigkeiten sentimentalen Ursprungs zu kämpfen?«

»Von Seiten der Erbin mit keinem Hindernisse, wohl aber warf sich dort eine junge Dame zu ihrem Anwalt auf, welche Ihnen, Mr. Breckenridge, sicher nicht unbekannt ist.«

»Wer war es?«

»Sie würden es nicht errathen. Es war jene Miß Esther Brown, die Freundin, oder wie sie sich nennt, die Schwester der Erbin, die Quadroone, welche früher in Ihrem Besitz war.«

»Ist es möglich, sie wagt es, nach Richmond zurückzukehren, da sie doch weiß, daß sie hier die härteste Bestrafung erwartet?«

»Sie haben sie, deute ich, freigelassen?«

»Das wohl, allein sie ist eine Spionin und hat gegen M'Clellan zu zeugen versucht. Sie täuschen sich sicher Mr. Berckley, sie wird es nicht wagen, je wieder diese Stadt zu betreten.«

Ob Esther dies und noch mehr wagte, wußte in diesem Augenblicke Niemand besser als der Neger Pet. Als er in dem Eingangsthor stand und auf die Straße hinausschaute; erkannte er schon von Weitem zu seiner großen Ueberraschung, daß jener Wagen, welcher die Yorktownstraße herabkam, und die Livré der Bedienten der Miß Brown gehörte. Der Wagen hielt in ziemlich bedeutender Entfernung von der Villa an. Eine Dame stieg aus, und Pet stieß einen Schrei der Ueberraschung aus, als er erkannte, daß diese Dame keine andere sei, als Miß Esther, seine frühere Leidensgenossin, für welche er mehr als einmal sein Leben eingesetzt hatte, und für welche sein Herz noch heute mit solcher Wärme schlug, daß alle Foltern der Sclavenbarone ihn nicht abgehalten hätten, ihr einen Dienst zu leisten, und daß alle Schätze der Welt ihm die Wollust nicht aufwogen, nur den Saum ihres Kleides zu küssen! –

Esther nahte sich. Pet lief ihr entgegen.

»Oh, Miß Esther!« rief er. »Was thun Sie? – Massah wird lassen in Ketten legen«

»Massah wird mir kein Haar krümmen, guter Pet,« entgegnete Esther. »Du mußt mich zu ihm führen.«

»Zu ihm führen? – Sie wollen ...«

»Ich will ihn sprechen.«

Der Neger stand versteinert. So entschieden und bestimmt auch Esther gesprochen hatte, so schien er doch ihr Verlangen durchaus nicht begreifen zu können. Sie mußte ihr Begehren wiederholen, ehe er im Stande war, sich zu versichern, daß er recht gehört habe.

»Sie wollen ihn sprechen, ihn allein?« fragte er.

»Ja, ihn allein.«

»Oh, nun begreife ich, Mist Esther!« rief Pet und seine Augen funkelten. – »Miß Esther haben Peitschenhieb nicht vergessen, Miß Esther haben so was wie spanisches Stilet bei sich. – Aber das sein gefährlich, schöne Miß Esther. Oh ich wohl Ihre Leidenschaft kenne, aber das sein nicht klug gehandelt.«

»Du bist im Irrthum,« versetzte Esther, welcher die Vermuthung des Schwarzen fast ein Lächeln abnöthigte. »Ich komme heute nicht, um Rache zu nehmen, sondern im Gegentheil, um Verzeihung zu gewähren.«

Das war für den Neger ein neues Räthsel, und kopfschüttelnd murmelte er:

»Allein sprechen? Verzeihung? Nein, nein, das muß was anders sein.«

»Wo ist denn Mr. Breckenridge?«

»Auf der Veranda nach dem Park hinaus. – Aber Massah sein nicht allein.«

»Wer ist bei ihm?«

»Massah Cleary und Massah Berckley.«

Esther horchte auf. Es kam ihr ein plötzlicher Gedanke.

»Höre, Pet, kannst Du mir behülflich sein, daß ich das Gespräch der Herren ungesehn belausche?«

Pet sann nach.

»O ja,« sagte er dann nach einer Weile. »Ich kann Sie durch das Hauptthor in den Park führen. Wenn Miß Esther sich dort hinter die Weinranken an der Veranda stellen, an der linken Seite, da können Alles hören. Aber Vorsicht. Daß Keiner ahnt, sonst sind Miß Esther verloren und ich auch«

»Fürchte nichts. Führe mich dahin.«

Pet geleitete sie durch das Hauptthor in den Park. Ungesehen gelangte sie hinter jene belaubte Wand der Veranda, hinter welcher die Männer saßen, welche Pet genannt hatte.

»Nun geh, und laß mich allein,« sagte sie zu dem Neger in flüsterndem Tone.

»Aber, Miß, nehmen Sie sich in Acht!« mahnte dieser, indem er der Aufforderung nachkam und an seinen Posten ging.

Esther kam gerade in dem Moment, wo Breckenridge seine Zweifel kund gab, daß das Mädchen, von dem Mr. Berckley gesprochen hatte, dieselbe Esther Brown sei, welche früher seine Sclavin war.

»Sie können überzeugt sein, daß ich mich nicht täusche,« sagte Berckley darauf. »Ich kenne jene Quadroone gut genug, denn wie Sie sich erinnern werden, beabsichtigte ich sogar, sie zu kaufen.«

»Ja, allerdings, mir ist, als sprachen wir einmal davon,« versetzte Breckenridge.

»Sie forderten aber damals einen immensen Preis,« fuhr Berckley fort. »Ich muß gestehen, wenn nicht schon damals meine Vermögensverhältnisse durch den Krieg erschüttert gewesen wären, so hätte ich doch den Preis gezahlt, denn kein Mädchen hat je einen solchen Eindruck auf mich gemacht, wie diese Quadroone. Noch heute, wo ich sie sah in Gegenwart von Miß Brown, übte sie einen Zauber auf mich aus, daß ich für ihren Besitz zu jedem Opfer bereit wäre.«

»Hal« dachte Esther, »das also ist der Preis, um welchen Du bereit sein würdest, den Revers herauszugeben – Nicht um Königreiche, Elender, solltest Du diesen Preis gewinnen – aber um sie zu retten« – ihre Brust leuchte und ihre Kraft drohte sie zu verlassen, als dieser Gedanke ihr vor die Seele trat – »um sie zu retten, muß es geschehen. –Für sie ––und ihn, was darf mir da zu thener sein?!« –


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