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Dreiundsechzigstes Kapitel.
Das Haus der Kupplerin

Der Aufruhr in New-York war zu Ende. Auf den Straßen war Alles leer, nur die Löschmannschaften, welche mit aller Anstrengung bemüht waren, die brennenden Häuser zu löschen und Patrouillen, welche die Stadt nach allen Richtungen hin durchkreuzten, befanden sich auf den Straßen. Das Gesindel hatte sich, zufrieden mit dem Erfolge und ohne Neigung sich mit dem Militair zu messen, in seine Schlupfwinkel zurückgezogen, und Einzelne, die hie und da durch die dunklen Gassen dahin huschten, hatten keinen andern Zweck, als sich vor den Patrouillen zu verbergen.

Zu diesen letzteren gehörten auch zwei Männer, welche eine schwere Kiste von Eichenholz mit starkem Stahlbeschlag und Vorlegeschloß jene entlegene Straße hinabtrugen. Im tiefsten Schatten der Häuser schlichen sie geräuschlos dahin, bis sie an das Haus der Mrs. Gamp gelangten.

Vorsichtig rührte der Eine von ihnen den Klopfer.

Einige Minuten vergingen, da ward im Erdgeschoß vorsichtig ein Fenster in die Höhe geschoben, ein Kopf unter einer großen Haube wurde sichtbar, und eine Stimme fragte flüsternd:

»Sind Sie es, Mr. Atzerott?«

»Gerade nicht Mr. Atzerott,« antwortete Einer von den beiden Männern, welche die Kiste hingestellt hatten, »aber doch Jemand der ganz ebenso gut oder so schlecht ist. Mach auf, alte Hexe und das schnell, ehe die Patrouille, die eben die Straße hinabgegangen ist, zurückkommt und uns hier erblickt.«

»Das wäre schlimm,« entgegnete die Alte, »und würde mir sehr leid thun, aber einlassen kann ich nur Mr. Atzerott oder seinen Freund, den mit den düstern Augen, welche Anspruch haben auf meine Gefälligkeit!«

»So, Du meinst wohl, ich komme mit leeren Händen? – Oh, Alte, ich bin im Stande mir einen zehnfach größern Anspruch auf Deine Gefälligkeit zu erwerben, als die beiden Habenichtse. Was meinst Du, wenn es mir auf fünfhundert Dollars nicht ankäme?«

»Fünfhundert Dollars? – Ah, Sir, Sie scherzen, wie sollte ich dazu kommen, ein solches Geschenk von einem Fremden zu erhalten.«

»Ein Fremder bin ich Dir nun gerade nicht, alte Kupplerin, wenn nur Deine Laterne brennte, dann würdest Du sehen, daß Du mit Niemand Geringerem sprichst, als Bob Harrold in eigener Person.«

»Mr. Harrold! Also Sie sind es. Ja, das ist sehr schön, aber wer bürgt mir dafür, daß ich auch von Ihnen nicht betrogen werde um die fünfhundert Dollars?«

»Hier diese Kiste, die allem Anschein nach mit Geld gefüllt ist und die ich Dir zum Aufbewahren geben werde, wird Bürgschaft genug sein.«

Das mußte Mrs. Gamp einleuchtend scheinen, denn sie entschloß sich sehr schnell, dem Begehren der beiden Männer zu willfahren und die Thür zu öffnen.

Mit einem Licht in der Hand führte sie die beiden Gäste in ihr Wohnzimmer, wo sie die Kiste niedersetzten und dann erschöpft in einem Stuhl Platz nahmen.

»Zuerst ist nun die Frage,« begann Mr. Harrold, »ob Ihr hier einen sichern Ort habt für diese Kiste, einen Ort, wo Niemand hinkommt, wo sie also Niemand entdecken wird.«

»Hm,« brummte die Alte, »es dürfte nicht leicht sein, einen solchen Ort zu finden. Ich habe zwar das Zimmer nach hinten hinaus, was ganz gut wäre, aber das haben Mr. Atzerott und sein blasser Freund schon für sich in Anspruch genommen, und das muß ich also für Sie reserviren.«

»Wie so, warum müssen Sie?«

»Die Herren haben sich Anspruch erworben ...«

»Zum Teufel mit dem Anspruch. Ich sage Dir, Alte, daß ich zehnmal so viel zu geben im Stande bin wie sie. Was verlangst Du für das Hinterzimmer?«

»Beste Herrn, es geht nicht, sie haben das Zimmer für ein Geschäft ...«

Sie machte eine Miene, als ob sie gern weiter sprechen wollte, aber in Gegenwart von Harrolds Gefährten es vorzöge zu schweigen. Dies veranlaßte Harrold sich an seinen Gefährten, einen stämmigen Irländer, mit den Worten zu wenden:

»Nun ich dächte, Ihr Geschäfte hier wäre zu Ende, und Sie hätten keinen Grund weiter, sich Ihrer Familie zu entziehen.«

»Mir schon recht,« antwortete der Irländer, »ich werde gehen, sobald unser Geschäft in Ordnung ist.«

»Welches Geschäft, habgieriger Wolf?«

»Nun mein Antheil an dem Inhalt der Kiste.«

»Habe ich Ihnen nicht 50 Dollars gegeben?«

»Ganz recht, aber es ist eine Möglichkeit, daß zehntausend·Dollars und noch mehr in der Kiste sind, ist dies der Fall, dann verlange ich Halbpart.«

Harrold lachte laut auf.

»Guter Freund, Du bist wirklich zu amusant; – also meinst Du, ich würde Dir wirklich die Hälfte herausgeben?«

»Das meine ich in der That,« versetzte der Irländer lakonisch.

»Wenn ich Dir aber nun keinen Cent abgebe, wie dann mein Herr Nimmersatt – wie dann?«

»Dann werde ich mir meinen Antheil schon zu verschaffen wissen, Mr. Harrold. – Bemerken Sie, daß ich Ihren Namen kenne, und daß ich von Mr. Aaron Lewy leicht erfahren kann, wieviel in der Kiste war. Bekomme ich von Ihnen nicht redlich meinen Theil, so wird sowohl Mr. Lewy als die Regierung gern demjenigen eine Prämie zahlen, der ihnen den Besitzer der Kiste, respektive einen der Anführer bei dem Aufruhr namhaft macht. – Adieu, Mr. Harrold. Ich verlange nicht, daß die Kiste jetzt gleich geöffnet wird, weil das Geräusch mitten in der Nacht den Patrouillen verdächtig sein möchte, sondern stelle Ihnen anheim, mich morgen oder übermorgen zu befriedigen; aber wohl verstanden, länger warte ich nicht auf meinen Antheil.«

Damit knöpfte er seinen Flausrock zu und verließ das Haus.

Harrold biß sich in die Lippen.

»Verflucht, daß ich diesen Hund gebrauchte und nicht die Kiste allein fortschaffen konnte. – Aber, hol mich der Teufel, ich zahle ihm nichts, und wäre eine Million in der Kiste.«

Für Mrs. Gamp war diese Unterredung von höchstem Interesse gewesen. Mit gierigen Blicken betrachtete sie die Kiste, welche einen so bedeutenden Schatz enthalten sollte und schien an ihren knochernen Fingern bereits auszurechnen, wie groß der Gewinn sein würde, falls es ihr gelänge, Mr. Harrold diesen Raub ganz oder theilweise wegzuschnappen.

»Also Sie meinten fünfhundert Dollars würden für mich abfallen,« unterbrach sie die Pause, welche nach dem Fortgange des Irländers eingetreten war, »wenn ich Ihnen die Kiste in Verwahrung nehme, bis Sie Zeit haben, sie ungestört zu öffnen und zu durchsuchen?«

»Fünfhundert Dollars,« wiederholte Harrold, »falls so viel drin ist, wie ich vermuthe.«

»Nun unter dieser Bedingung will ich sie in das Hinterzimmer stellen und dort einschließen.«

»So faß an, und hilf mir, sie hineintragen, ehe noch Atzerott und der Andere uns überraschen.«

»Ganz wohl, Mr. Harrold, aber ich muß bevorworten, daß eben das Zimmer nicht leer, daß vielmehr Jemand darin ist.«

»Was? – Es sollte Jemand sehen ...«

»Nun, die Person ist ungefährlich Es ist ein Mädchen, was Atzerott und sein Freund zu mir brachten und hier einschlossen, um sich hernach, wenn der Trouble da draußen zu Ende sein würde, mit ihr zu belustigen. Sie haben sie gebunden und geknebelt, denn sie ist eben so spröde, als sie schön ist, und scheint nicht gerade gutwillig mitgegangen zu sein.«

Ihre vergilbten Züge verzogen sich zu einem unangenehmen Lächeln, aber weder ihre Lustigkeit noch der Humor, mit dem sie das Factum vortrug, genügten, um Harrolds verdrießliche Miene aufzuhellen. Vielmehr setzte er die Kiste, deren einen Griff er bereits erfaßt hatte, wieder hin und sagte ärgerlich:

»Dann geht es nicht, dann kann die Kiste nicht hier bleiben.«

»Aengstigen Sie sich nur wegen des Mädchens nicht,« redete ihm Mrs. Gamp zu, »denn wenn ich recht verstanden habe, so beabsichtigt Mr. Atzerott nicht, sie noch lange am Leben zu lassen, wenn er seinen Zweck erreicht hat, denn sie würde ihm gefährlich werden können, da sie ihn kennt und könnte ja auch mir gefährlich werden, wenn sie anzeigte, was hier vorgegangen.«

»Aber weder Atzerott noch sein Genosse dürfen die Kiste sehen.«

»Das sollen sie auch nicht, ich werde sie hinter den Vorhang stellen.«

»Nein ich gebe es nicht zu. Ich muß für die Kiste einen andern Platz finden.«

Ein Klopfen an der Hausthür ertönte in diesem Moment und machte dieser Diskussion ein Ende. Mrs. Gamp machte Harrold ein Zeichen, sich ruhig zu verhalten und schlich auf den Zehen an das Schiebefenster.

»Es ist der Freund von Atzerott«, flüsterte sie. Er wollte zu erst kommen, des Mädchens wegen. Ich muß ihn einlassen.«

»Um Himmelswillen, Mrs. Gamp, lassen Sie ihn nicht ein.«

»Ich muß, denn er hat Ansprüche ...«

»Hol der Henker die Ansprüche, ich zahle Ihnen das Doppelte, wenn Sie ihm nicht öffnen.«

»Das geht nicht, Sir. Er würde Lärm machen, und die Aufmerksamkeit der Polizei erregen, die ohnehin schon mein Haus mit Mißtrauen beobachtet. Lassen Sie mich, ich will ihm öffnen.«

Von Neuem ertönte der Klopfer diesmal schon in etwas heftigeren Schlägen. Mrs. Gamp wollte hinaus.

»Halt!« rief ihr Harrold zu, »so lassen Sie uns wenigstens erst die Kiste verstecken.«

»Wie ich Ihnen schon sagte, ich habe nur das Hinterzimmer.«

»Nun so seis meinetwegen, machen Sie nur schnell.« – Für sich aber murmelte Bob Harrold, während die Alte das Zimmer aufschloß: »Es ist mir lieb, daß es Payne ist, den werde ich schon zu verhindern wissen, daß er das Zimmer nicht betritt, gegen ihn habe ich eine vorzügliche Waffe.«

Sie trugen die Kiste hinein.

Es war ein mittelmäßig großes Zimmer mit zwei nach dem Garten hinausgehenden Fenstern, deren Laden dicht verschlossen waren, an der Decke brannte eine Ampel und beleuchtete mit ihrem matten Lichte die zum Theil geschmackvollen Möbeln dieses hübschen Gemachs. Auf einem Ruhebette von grünem Sammet lag Esther, gebunden, daß sie kein Glied bewegen, und geknebelt, daß sie keinen Laut auszustoßen vermochte. Obschon matt und entkräftet durch die lange Qual, welche sie erduldet, blickte ihr Auge doch mit einem, unbeschreiblichen Ausdruck von Erregung auf die Eintretenden; und das Zucken ihrer Glieder verrieth die Kraftanstrengung, welche sie machte, um ihre Fesseln zu sprengen.

Harrold warf nur einen flüchtigen Blick auf sie. Die Habsucht war bei ihm stärker als jede Regung seines Gefühls. Er hatte nie das Gefühl des Mitleidens, selbst nicht das der Liebe empfunden. Habsucht und Selbstsucht waren lediglich die Triebfedern seines Handelns, und nur soweit diese beide Eigenschaften in Betracht kamen kümmerte er sich um Andere. Die Qualen des Mädchens, Angst, die sich auf ihrem Gesicht ausprägte, das Verbrechen, das gegen sie verübt werden sollte, das Alles ließ ihn völlig kalt. Hätte er aber gekonnt, er würde sie befreit haben, und zwar nur aus dem Grunde, damit sie seinen Schatz nicht sähe, den er in diesem Zimmer zu verbergen beabsichtigte. Da es aber nicht in seiner Macht stand, sie zu befreien, so hatte er nur den Wunsch, daß sie an dem Knebel ersticken, oder von Atzerott's Faust erwürgt werden möchte, ehe sie irgend einem Sterblichen verrathen konnte, was sie gesehen hatte.

Die Kiste wurde hinter einen Bettvorhang gestellt, und das Zimmer wie er verschlossen.

Es war die höchste Zeit, daß Payne eingelassen wurde, denn sein Klopfen war jetzt so stark, daß, wenn eine Patrouille in der Nähe gewesen wäre, sie ihn gehört haben müßte.

»Wollen Sie nicht gleich mit hinausgehen?« fragte Mrs. Gamp, als sie ging, die Thür zu öffnen.

»Ich denke gar nicht daran«, antwortete Harrold.·»Oder meinen Sie, ich würde die Kiste auch nur einen Moment aus den Augen verlieren? – Nein, ich bleibe.«

Das war nun freilich nicht ganz nach Mrs. Gamp's Plan, allein es blieb ihr weiter nichts übrig, als sich für den Augenblick zu fügen.

»Nun das muß ich sagen!« rief Payne, als sich die Hausthür wieder hinter ihm geschlossen hatte; »Sie behandeln die Leute eben nicht allzu aufmerksam, von welchen Sie bezahlt werden.«

»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte Mrs. Gamp, »aber ich war im Hinterzimmer.«

»Entschuldigen Sie sich nicht. – War Mr. Atzerott schon hier?«

»Noch nicht, Sir, Sie sind der Erste, ganz wie Sie es wünschten.«

»Und das Mädchen?«

»Liegt ganz ruhig auf den Polstern und wird wahrscheinlich schreckliche Langeweile haben und sich sehr glücklich schätzen, wenn Jemand zu ihr kommt, sie zu unterhalten.«

»Lassen Sie mich zu ihr«, rief Payne, dessen Sinnlichkeit in ihrer ganzen Zügellosigkeit erwachte bei der Aussicht, der Befriedigung seiner thierischen Leidenschaft so nahe zu sein.

Ohne erst zu warten, daß Mrs. Gamp ihm die Thür ihres Wohnzimmers öffnete, trat er in dasselbe ein.

Sein leidenschaftglühendes Gesicht verfinsterte sich, als er hier ganz in der Nähe der Thür, welche in's Hinterzimmer führte, Bob Harrold sitzen sah.

»Was wollen Sie hier?« fragte er seinen Genossen in keineswegs freundschaftlichem Tone.

»Der Herr suchte bei mir Schutz«, nahm Mrs. Gamp statt des Gefragten das Wort. – »Sie wissen, die Patrouillen verhaften Alle, welche, ohne geeigneten Grund für ihr Ausgang zu haben, auf der Straße getroffen werden.

»Die Straße ist jetzt frei«, fuhr Payne zu Harrold gewendet fort; – »Gehen Sie wo anders hin.«

Harrold aber blieb sitzen und machte nicht die geringste Miene, sich von dem Platze, den er einnahm, wegzubegeben.

»Hören Sie nicht?« Fragte Payne stürmisch.

»Ja wohl, höre ich«, versetzte Harrold gleichmüthig; aber es gefällt mir hier so gut, daß ich beabsichtige, so lange hier zu bleiben, bis Sie sich ein anderes Obdach gesucht haben werden.«

Die Adern des Zornes schwollen auf Payne's Stirn.

»Unverschämter, was soll das heißen?«

»Das soll heißen, daß ich diese Thür hier bewachen und nicht dulden werde, daß Sie einen Schritt da. hinein thun.«

»Was? – Wer hat Ihnen gesagt? –« er schoß einen wütenden Blick auf Mrs. Gamp.

Diese aber stand da, in Ergebung ihre gelben Hände faltend, als erwarte sie in Demuth, was der Gereizte über sie verhängen werde.

»Weib!« schrie dieser. – »Bezahle ich Sie deshalb?«

Mrs. Gamp legte wie zur Antwort den Finger auf die Lippen und gab ihm durch Zeichen zu verstehen, daß sie ihm etwas zu entdecken habe. Anscheinend um im Entré irgend etwas zu verrichten, begab sie sich darauf hinaus, und unter irgend einem Vorwande folgte ihr Payne. Als sie allein waren, legte Mrs. Gamp die Hand an den Mund und flüsterte ihm in's Ohr:

»Wir müssen ihn bei Seite schaffen, er hat einen Schatz da im Hinterzimmer.«

»Einen Schatz?«

»Eine Kiste, die viele tausend Dollars enthalten soll.«

»Nun?«

»Ich denke, es kann uns Beiden nicht schwer werden, ihn zu überwältigen, zu binden und zu knebeln, daß er so lange stille hält, als Sie mit dem Mädchen und ich mit der Durchsuchung der Kiste zu thun haben.«

Payne schüttelte den Kopf.

»Es geht nicht. Meine Interessen stehen in so engem Zusammenhange mit den seinigen, daß ich wenigstens äußerlich den Schein des freundschaftlichen Verkehrs bewahren muß.«

»Aber bedenken Sie, Sir, daß Mr. Atzerott jeden Augenblick kommen kann, und daß dann das Mädchen für Sie verloren ist«

Das wirkte. Die Lüsternheit siegte über die Klugheit; Payne wurde schwankend. Mrs. Gamp, welche diese Veränderung schnell bemerkte, fuhr fort:

»Bedenken Sie, daß Sie ein so schönes Mädchen in ganz New-York nicht finden. Sie müßten sie sehen, wie sie so daliegt, sie wäre das Modell einer Venus, wenn die Kleider sie nicht bedeckten. Die Blouse von Mousselin, welche ihren Busen bedeckt, ist durch ihre Anstrengung, sich los zu machen, aufgegangen und läßt einen Busen – sehen, einen Busen, Sir, so schön,« wie ich ihn nie gesehen, und Sie können mir in dieser Beziehung Erfahrung zutrauen; und die Kleider, die sich durch ihre Bewegungen ein wenig hochgestreift haben, zeigen den reizendsten Fuß und die ...«

Es war nicht nöthig, daß sie fortfuhr. Die unreine Flamme war in dem rohen Wüstling zur vollen Gluth angefacht.

»Kommen Sie«, unterbrach er das Weib. »Wir wollen ihn binden, mag daraus entstehen was da will.«

Er stürzte in's Zimmer, in welchem Harrold noch eben so ruhig saß wie vorher. Mrs. Gamp folgte ihm mit den nöthigen Apparaten.

Harrold blickte dem Eintretenden furchtlos, ja mit einem überlegenen Lächeln in das vor Aufregung glühende Gesicht, und sagte sich ein wenig aufrichtend:

»Was Sie draußen auch immer für einen Plan geschmiedet haben, bester Mr. Robert, so rathe ich Ihnen, keinen Schritt eher zur Ausführung desselben zu thun, als bis Sie zwei Worte gehört, die ich Ihnen zu sagen habe.«

In diesem Augenblicke gewahrte er die Riemen und Stricke, welche Mrs. Gamp unter ihrer Schürze verbarg.

»Ah!« rief er höhnisch auflachend. »Sie wollten mich binden –Also das war das Plänchen, welches Sie mit dieser würdigen Frau ausgeheckt, um in dies Zimmer zu gelangen. Was ist es denn, was Sie so unwiderstehlich hineinzieht? – Giebt es etwa wieder« – er beugte sich dicht an Paynes Ohr und sagte das Folgende flüsternd – »eine Leiche zu schänden? – Wie war es doch, welche Strafe erwartet den Mann, der das Verbrechen an der am gelben Fieber gestorbenen Tochter des Lazareth-Aufsehers beging?«–

Wie ein Zauber wirkten diese Worte auf Payne. Er erblaßte und starrte den Sprecher mit dem Ausdruck des Schreckens an.

Mrs. Gamp, welche von dem, was in ihm diese Veränderung bewirkt hatte, keine Ahnung hatte, näherte sich ihm und stieß ihn an, um zur Ausführung des Planes zu schreiten.

Payne regte sich nicht.

»Warum bindet Ihr mich nicht?« fuhr Harrold spottend fort. »Seht, ich stehe hier und werde keinen Versuch des Widerstandes machen. Bindet mir getrost die Stricke um die Arme, ich werde später dafür das Vergnügen haben, Diesem hier den Strick um den Hals legen zu sehen.« –

»Schweigen Sie!« knirschte Payne wüthend – Kein Wort mehr. Sie sehen ja, daß ich fühle, wie ich mich in Ihrer Hand befinde. – Schweigen Sie dieses Weibes wegen.«

»Das Mädchen, Sir! – Das Geld! – Bedenken Sie!« flüsterte Mrs. Gamp Payne zu. Zu ihrer größten Ueberraschung aber wandte er sich um und schrie ihr ein:

»Halts Maul, Hexe!« zu; worauf er sich wieder an Harrold wandte:

»Was wollen Sie? Lassen Sie mir das Mädchen, und bleiben Sie meinetwegen hier, bis in alle Ewigkeit.«

»Gut, das soll geschehen, ich werde sie Ihnen hinausbringen. Sie bleiben hier«, versetzte Harrold »Aufgeschlossen! Sie pergamentener Drache!«

Mrs. Gamp konnte noch immer nicht recht begreifen, wie ihrem Verbündeten diese plötzliche Sinnesänderung gekommen sei, und zögerte, den Befehl auszuführen, da aber auch Payne sie drängte, so gehorchte sie endlich.

Sie steckte den Schlüssel in's Schloß und wollte eben umdrehen, als sie plötzlich innehielt.

»Nun, was haben Sie?« fragte Harrold. »Weshalb zaudern Sie?«

»Hören Sie nichts, meine Herren?«

Man horchte auf.

In der That, vom Nebenzimmer her hörte man ein Geräusch.

»Was war das?«

»Es klopft Jemand an das Fenster.«

»Sollte das Mädchen sich von den Fesseln frei gemacht haben?«

»Nein, es klopft Jemand von außen.«

»Kommen Sie in die Küche, meine Herren!« rief Mrs. Gamp. »Vom Küchenfenster aus können wir in den Garten sehen; da werden wir erfahren, was es giebt.«

Payne und Harrold folgten ihr. Sie waren alle gleich gespannt, woher das Klopfen käme. Kaum aber hatten sie in den Garten einen Blick geworfen, so riefen sie gleichzeitig wie aus einem Munde:

»Wilkes Booth!«


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