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Fünfundsechzigstes Kapitel.
Zum Tode

Die Hoffnung in des Menschen Brust hört erst mit seinem Leben auf, das ist eine alte Wahrheit; die Hoffnung ist es, welche in den größten Gefahren die bewährteste Begleiterin ist. Wehe dem Kämpfenden, welchen die Hoffnung verläßt, und welchen die Verzweiflung niederwirft. Gefahr, Noth und Elend sind Schreckensgestalten nur dann, wenn die Hoffnung denjenigen, der von ihnen heimgesucht wird, im Stiche läßt, wenn die kräftig kämpfenden Arme sinken, und der Arme moralisch oder physisch vernichtet dem feindlichen Geschick erliegt. –

Die Männer, welche kühnen Muthes in dem schwachen Boote die Alabama verlassen und sich dem trügerischen Element anvertraut hatten, sie hatten mit Gefahr und Noth gekämpft, so lange auch nur ein Schimmer der Hoffnung ihnen dämmerte; sie hatten, als ihr Boot von den Wogen des Meeres verschlungen ward, schwimmend noch mit dem Meere und den Meerungeheuern um ihr Leben gerungen; aber Muth und Hoffnung verließen sie, als sie, zum Leben neuerwacht, sich an Bord der Sea-bright sahen, und in der Nähe die Alabama, das Schiff, welches sie verlassen, um einem Geschick zu entgehen, das ihnen schlimmer als der Tod selbst erschien.

»Wir sind verloren,« hatte Brocklyn seinen Gefährten zugeflüstert, und verzweifelnd dann hinzugefügt: »O lägen wir tief am Grunde des Meeres.«

Er hatte Recht, denn was erwartete ihn und seine beiden Gefährten? – Schimpflicher Tod. – Wie glücklich war im Vergleich zu ihnen Oliver Hang, welcher ein ehrliches Grab in der Tiefe des Meeres gefunden! –

»O, mein Freund!« rief Eugene Powel, Brocklyn in die Arme schließend, »wie unglücklich bin ich, Dich in ein finsteres Geschick verflochten zu haben, und Dich, guter Jonas – ich wollte mit leichtem Herzen den schmählichen Tod, dem wir entgegengehen, ertragen, wenn ich nicht diese Last auf meinem Herzen fühlte!«

»Oh, was mich betrifft,« brummte der alte Oberbootsmann des Macdonald, »so seien Sie ganz ruhig. Familie habe ich nicht, und es liegt nicht viel daran, ob mich dies Räubergesindel an die Raanocke emporhißt oder nicht, sie werden durch einen Mord mehr nur ihre einstige Strafe desto schwerer machen; und Gott wird geben, daß dem Treiben dieser Teufelsbrut bald ein Ende gemacht wird.«

»Das heißt brav gesprochen, wie einem echten Seemann zukommt!« sagte Brocklyn dem Alten die dicken Hände schüttelnd. »Dasselbe sage ich auch – nur das muß ich noch hinzufügen, Eugene, daß ich nichts weiter that, als eine Schuld gegen Dich abzutragen. Du weißt von dieser Schuld nichts, und es war mein Wunsch, daß Du nie etwas davon erführest; jetzt aber, da unsre Stunden gezählt sind, man ich Dir dies Bekenntniß machen. Ich danke Gott, daß er mir Gelegenheit gab, einen Theil der Schuld zu sühnen, welche mir schwer, schwer auf dem Herzen lastet. – Nur einen Wunsch noch habe ich, bevor ich sterbe, es ist der, noch einmal das holde Antlitz Deiner Freundin zu sehen, noch einmal in ihr seelenvolles Auge zu schauen und sie zu bitten, in ihrem Herzen neben Deinem Bilde auch mir ein bescheidenes Plätzchen des Andenkens zu bewahren.« – –

Die Sea-bright hatte auf Sinclair's Commando beigedreht; und der schlanke, edle Bau der Alabama, welche majestätisch sich nahte, wurde mehr und mehr sichtbar. Bis auf eine Viertelmeile nahte sich das Kaperschiff; dann loggte es die Segel und stellte sie gegen den Wind, so daß es allmählig zum Stillstehen kam, auf den immer noch hochgehenden Wellen sich sanft und grazieus schaukelnd, und die hohen Masten und schlanken Spieren wiegend, als ob es mit dem Meere und dem Winde nur ein neckisches Spiel treibe.

Die Sea-bright ließ ein Boot herab, Sinclair, der Steuermann und zwei Matrosen bestiegen es und stießen ab.

An der Fallreepstreppe der Alabama erwarteten sie bereits sämmtliche Ober- und Unterofficiere des Kaperschiffes.

»Seid mir Alle gegrüßt!« rief Sinclair in bester Laune. »Gut geschlafen bei dem Wiegenlied, das uns die Nacht der Nordwest blies?« – Wie ich sehe hat sich die Alabama wie gewöhnlich nicht sonderlich alterirt, bei der Bö, denn ihre Toilette ist noch so gut in Ordnung, als hätte sie vier Wochen weiter nichts gethan als mit einer leichten Briese getändelt. – Guten Morgen, Lieutnant Kell, blicken Sie nicht so düster, ich komme nicht mit Hiobsposten, und auf 600 Meilen Entfernung giebt es keine Klippen wie die von Lynnes Eiland ... Umarme mich, Armstrong, ich finde, Du siehst schmachtender aus, als je. Schreibst Du immer noch Sonetten, und nachtwandelst im Mondenschein, Du liebeskranker Amadis? Wenn ich nicht wüßte, daß der Baß eines Achtzigpfünders Deinen Ohren mindestens eine ebenso angenehme Musik ist, als der Laut einer Äolsharfe, ich würde den Kapitain bitten, Dich zu Deiner Besserung auf 6 Monate zu verheirathen – Guten Morgen Anderson; guten Morgen Tom Blunt, Ihr seht mir alle·so verstimmt und verdrießlich aus, wie die Krämer, welche den Tag vergebens in der Thür ihres Ladens stehen um ihre Kunden zu erwarten. – Doch tröstet Euch, es giebt vielleicht mehr Arbeit als Ihr denkt. – Platz da, ich muß zum Capitain. – Nein, nein, keine Fragen, erst die Pflicht; wenn ich damit fertig bin stehe ich zu Diensten, dann fragt, so viel Ihr wollt.«

Mit diesen Worten die Neugier seiner Kameraden abschneidend, die ihn von allen Seiten mit Fragen bestürmten, eilte er in die Kapitainscajüte hinab, wo Semmes ihn bereits erwartete.

»Ist die Kiste gelandet?« war die erste Frage des Kapercapitains.

Gelandet und in die Hand des Mannes vom Stamme Judä abgeführt«, antwortete er scherzend.

»Keine Haverie in den Klippen von Lynnes Eiland erlitten?«

»Nicht so viel, als ein Mädchen im Arme ihres Großvaters, Sir, – Wir hatten ja die Weisung des Lootsen.«

»Der Lootse war ein Verräther, der nichts anderes beabsichtigte, als die Alabama aufrennen zu lassen.«

Sinclair wurde plötzlich ernst und sah den Capitain erstaunt an.

»Glücklicherweise kam noch zur rechten Zeit ein anderer Lootse« fuhr Semmes fort. »Ich fürchtete, daß jener erste Sie falsch unterrichtet hätte.«

»Nein, bei Gott nicht. – Alle Teufel, das hätte ein schlimmer Spaß werden können, wenn es dem Verwegenen gelungen wäre. – Aber ich hab's immer gesagt, die Alabama ist kugel- und wellenfest. Weder die Geschosse der Yankee's noch die schwerste Bö, noch die gefahrvollsten Klippen können sie vernichten. Sie wird zum Trotz aller Jagd, die man auf uns macht, so lange die See befahren, bis kein Yankee-Schiff mehr darauf zu sehen ist, und bis man sie mehr fürchtet als den fliegenden Holländer selbst. Auch die Fregatte, welche in dieser Breite kreuzt, wird so wenig gegen sie ausrichten, wie alle anderen Schiffe, die uns die Yankees schon auf den Hals geschickt haben.« –

»Eine Fregatte kreuzt in dieser Breite?«

»Allerdings, ich bekam sie gestern kurz vor der Dämmerung zu Gesicht, sie hielt dicht beim Winde und schien nicht übel Lust zu haben, mich zu einem tête à tête zu laden, allein Sie wissen ja, wie die Fregatten der Yankees vor Wind gehen, »wenn sie ihre Maschinen nicht geheizt haben. – Ich war dem Coloß mit meiner Nußschaale aus den Augen, noch ehe er sein großes Bramsegel beisetzen konnte.«

»Wie stark war die Fregatte?«

»Ich schätzte sie auf achtzig Kanonen.«

»Mit Dampf und Wind?«

»Ganz bestimmt, wenn ich auch von ihrem Dampf nichts gesehen habe.«

»Und Sie meinen, daß sie den Cours von Nordwest bei Nord beibehalten wird?«

»Das meine ich nicht, vielmehr denke ich, daß sie unter dieser Breite wenden wird, wenn sie anders die Aufgabe hat, Florida zu umschiffen.«

»Diese Aufgabe aber hat sie nicht – ich kenne diese Fregatte von 80 Kanonen, es ist der »Vanderbild«, commandirt vom Capitain Foote, dieselbe Fregatte, welche unserer Spur bereits seit vier Monaten folgt, doch sie soll auch diesmal die Alabama nicht zu Gesicht bekommen. Ich steure nach dem Cap zu. Sie landen die Gefangenen und folgen mir dahin, und wenn Mr. Foote die Geduld und die Hoffnung nicht verliert, mag er uns dort aufsuchen.«

Er zog eine Glocke.

Mr. Anderson als wachthabender Officier erschien.

»Lassen Sie sofort die Maschinen heizen, die Alabama wird ihre ganze Kraft brauchen, denn ein schlimmer Feind ist uns auf den Fersen«, dann zu Sinclair gewandt fügte Semmes hinzu: »Nehmen Sie die Gefangenen an Bord, lassen Sie ohne Verzug die Einschiffung beginnen. Sie steuern demnächst westlich und setzen die Gefangenen auf St. Thomas an Land.«

»Zu Befehl, Sir!« antwortete Sinclair, und wollte sich verabschiedete.

»Haben Sie mir sonst keine Mittheilung zu machen?«

»Keine nennenswerthe, nur daß ich diesen Morgen drei Schiffbrüchige auffischte.«

»Schiffbrüchige, in dieser Gegend und bei diesem Winde?« fragte Semmes zweifelhaft.

»Es sind, wie sie sagen, der Capitain, der erste Lieutenant und ein Oberbootsmann einer Handelsbrigg die hier verbrannte.«

»Die beiden ersten sind jung, hübsch von Gesicht und Gestalt. Der Eine trägt einen dunkelblonden, der andere einen braunen Bart. Der Oberbootsmann ist von untersetztem, breitschultrigem Körperbau, ein Mann von 50 Jahren – ist es nicht so?«

»Ich bin erstaunt, Herr Capitain, zu hören, wie Sie die Leute so genau beschreiben. Es ist in der That ganz so wie Sie sagen.«

»Und haben Sie nicht auch den Vierten, einen blonden, hageren Mann, ebenfalls Bootsmann, gerettet?«

»Nein, Sir, aber ich glaubte, als ich durchs Fernrohr das Boot beobachtete, in der That vier Personen zu erblicken, der Vierte wird also wohl ertrunken sein, aber woher wissen Sie –«

»Der Vierte, welcher ertrunken ist, war der Bootsmann der Alabama, Oliver Haug!«

»Ist's möglich!«

»Und die drei Andern sind Leute, welche gehängt werden sollen, sobald sie den Fuß aufs Deck der Alabama gesetzt haben. Mr. Sinclair, Sie werden diese drei Leute aufs schleunigste an Bord der Alabama bringen, damit die Strafe an ihnen vollzogen werden kann.«

»Ja der That räthselhaft!«

Semmes bemühte sich nicht, dem Lieutenant das Räthsel zu lösen, sondern winkte ihm mit der Hand, sich zu entfernen.

Auf dem Deck der Hütte fand Sinclair seine Kameraden vereinigt. Er wurde mit Fragen förmlich bestürmt. Am meisten interessirte es Alle, zu erfahren, wie er es angefangen habe, die Kiste ans Land zu schaffen.

»Das war sehr einfach«, erzählte Sinclair in seinem gewöhnlichen Humor. »Ich kreuzte in der Nähe der Bai von Boston und merkte auf das Signal, was verabredet war. Ihr wißt, es sollte aus einem Felsenvorsprung der Bucht ein Ruder in die Erde gesteckt werden; das sollte alsdann das Zeichen sein, daß der Jude bereit sei, die Kiste in Empfang zu nehmen. – Gut, am Morgen nach Eurer Abfahrt bemerke ich in der That das Ruder und setze also eine Pinasse aus, um die Kiste zu landen. – Noch einmal sehe ich zufällig nach dem Ruder, siehe da erblicke ich einen Mann, der dasselbe fortnimmt. Ich werde stutzig und halte mit meinen Vorbereitungen inne. Da wird das Ruder wieder an dieselbe Stelle gesteckt, der Mann verschwindet von dem Felsenvorsprung – Ich sinne nach, was das zu bedeuten haben kann, und komme schließlich auf den Argwohn, daß die löbliche Hafenpolizei Witterung von unserer Million Dollars hat. Ich vermuthe, daß irgend ein Beamter ohne Arg das Ruder wegnahm, aber später doch bemerkte, daß er eine Dummheit beging, und es wieder an die Stelle gesteckt hat.«

»Schlaukopf!« lachte Anderson beifällig.

»Es gehörte nicht eben viel Schlauheit dazu«, fuhr Sinclair fort. »Der Verlauf zeigte mir denn auch klar, daß ich mich nicht getäuscht hatte. Ich gebe also der Pinasse die Weisung, in der Bucht zu kreuzen und sich durch verschiedene heimliche Landungsversuche ein möglichst verdächtiges Ansehn zu geben.«

»Was hatte das für einen Zweck?«

»Ihr werdet sogleich hören. Die inhaltschwere Kiste brachte ich natürlich nicht in die Pinasse, sondern in ein Fischerboot, das ich mir von Lachsfischern verschafft hatte. Ich selbst, mein Steuermann und mein Master-Maat bestiegen das Boot im Kostüm von Lachsfischern. Mein Plan glückte vollständig. Die Polizisten, welche die Kiste abfangen sollten, richteten ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Pinasse und ließen unser Fischerboot ganz unbeachtet. Es war in der That spaßhaft, Ihr hättet sehen sollen, wie wir mit den Polizisten Bord an Bord lagen und uns unterhielten. Der Führer derselben hat die Kiste, welche er suchte, mit seinen Händen berührt, und hat sie nicht verdächtig gefunden. Das Einzige, was ihm auffallend schien, war meine Person, die ihm nicht aussah, wie die anderer Fischer, aber auch darüber wußte ich ihn zu beruhigen Wenn die Officiere der Yankees nicht pffiffiger sind, als die Polizisten, so mögen sie ein ganzes Jahrhundert die Alabama verfolgen, und sie werden nicht einen Nagel oder einen Fetzen Leinwand davon erwischen.«

»Nun, was die Officiere betrifft«, brummte Kell, »so haben wir die Erfahrung gemacht, daß sie zum Theil eben so schlau als verwegen sind.«

»Segel ahoi!« brüllte die Fockmastwache herab.

»Der Teufel, doch nicht die Fregatte?« rief Sinclair erschrocken.

»In welcher Richtung?« fragte Anderson herauf.

»Leewärts!« antwortete der Matrose. »Er hält scharf beim Wind!«

Anderson richtete sein Fernrohr nach der angedeuteten Richtung und durchforschte den Horizont. – Richtig, da tauchten die kolossalen Masten und der schwerfällige Rumpf einer Panzerfregatte aus den Wogen empor. Deutlicher immer deutlicher traten die einzelnen Theile des Fahrzeuges hervor. Bei der nicht sehr klaren Vormittagssonne konnte man doch jedes Segel unterscheiden, ja selbst den dicken schwarzen Rauch, welcher aus zwei umfangreichen Schornsteinen stieg.

Auch Sinclair hatte ein Fernrohr genommen und beobachtete das Schiff, während Anderson sich in die Capitainscajüte begab, um die Meldung zu machen.

Semmes trat auf's Verdeck. Nur ein flüchtiger Blick genügte dem erfahrenen Seemann.

»Es ist dieselbe Fregatte, welche Sie sahen«? sagte er zu Sinclair.

»Dieselbe Sir,« war die Antwort. »Indessen sie geht jetzt mit Dampf und Wind zugleich.«

Semmes nickte.

»Ich kenne das Schiff und kenne seine Geschwindigkeit«, sagte er halblaut. Dann fuhr er zum Deckofficier gewandt fort: »Alle Segel beigesetzt und die Schrauben eingehängt, sobald die Gefangenen eingeschifft sind. Keine Zeit verloren, in einer Stunde ist die Fregatte auf Schußweite nahe. – Das große Boot herabgelassen, die Gefangenen hinein. – Lieutenant Sinclair, stoßen Sie ab und schicken Sie die Drei, welche Sie gerettet, hierher.«

Fast hundertstimmig wurden die Kommandos von den·Officiren, Oberbootsleuten und Bootsleuten wiederholt. Alles auf der Alabama war in Bewegung, hunderte von Menschen wogten auf dem Deck durcheinander: Marinen, Matrosen, Gefangene, Alles drängte und tummelte sich dort. Zwei Boote waren herabgelassen und neben der Fallreepstreppe standen die Mannschaften des Macdonald und der übrigen in letzter Zeit erbeuteten Schiffe, um in die Böte hinabzusteigen. Die Ueberstürzung, mit welcher das Geschäft betrieben wurde, machte das Hinabsteigen für Diejenigen, welche darin nicht die Virtuosität von Seeleuten hatten, beinahe gefährlich, und daher kam es denn, daß Mr. Crofton und die beiden Damen, seine Schwester und Tochter, sich bis zuletzt sträubten, die Fallreepstreppe zu besteigen.

Als die beiden Böte besetzt waren, enthielten sie etwa die Hälfte von denen, welche eingeschifft werden sollten. Sie stießen ab und brachten die Gefangenen an Bord der Sea-bright.

Brocklyn und Eugene Powel suchten vergebens unter denen, welche das Deck der Sea-bright bestiegen, die befreundeten Gesichter Croftons und der Seinigen; und mußten, so schwer es ihnen auch wurde, die Ueberzeugung gewinnen, daß sie sterben müßten ohne den Trost, sie noch einmal gesehen zu haben. Sinelair näherte sich ihnen.

»Jetzt ist es vorbei,« sagte der alte Jonas. »Er kommt, um uns zu verkündigen, was wir schon wissen, nämlich, daß wir unverzüglich gehängt werden sollen.«

»Ich wollte mit Freuden sterben,« sagte Powel, »wenn ich wüßte, daß die Fregatte dort, welche scharf unserm Cours folgt, ein Unionsschiff ist und dies Raubschiff in den Grund bohren wird.«

Brocklyn schüttelte den Kopf.

»Allerdings ist die Fregatte dort der Alabama an Anzahl der Geschütze weit überlegen,« versetzte er, »und ist auch ein tüchtiger Segler, denn in einer Stunde, die sie in Sicht ist, hat sie nach meiner Schätzung ihre zwölf bis dreizehn Knoten zurückgelegt, aber wenn die Alabama erst den Dampf zu Hilfe nimmt, so ist diese Geschwindigkeit, so bedeutend sie auch sonst ist, ganz unzureichend, um sie einzuholen.«

»Du meinst, die Alabama wird den Kampf nicht aufnehmen?«

»Nein, das wird sie nicht, denn sie hat sofort, als uns die erste Spur einer Mastspitze sichtbar wurde, angefangen zu heizen. Ich schließe daraus, daß Semmes es vorzieht, dem Kampf auszuweichen.«

Die Vermuthung des Oberbootsmanns, daß Sinclair ihnen jetzt ihr Todesurtheil verkündest werde, bestätigte sich schnell. Auf einen Wink von ihm wurden sie von einem Dutzend Marinesoldaten ergriffen und gebunden.

Man schleppte sie nach den Böten der Alabama, aus welchen die Gefangenen ausgestiegen waren, und die jetzt zurückkehren sollten, um die noch an Bord der Alabama befindlichen Gefangenen, zu welchen auch Mr. Crofton, dessen Schwester und Miß Lavinia gehörten, nachzuholen.

»Die drei Gefangenen sind streng zu bewachen, und es ist namentlich zu verhüten, daß sie nicht über Bord springen,« rief Sinclair dem Bootsmann zu, welcher den Trausport der Gefangenen leitete.

»Warum bringt man uns nach der Alabama zurück?« fragte Brocklyn. »Ist es nicht für Semmes gleichgültig, ob wir, wenn wir des Todes schuldig sind, die Strafe hier erleiden oder dort?«

»Es thut mir leid, Sir,« antwortete Sinclair nicht ohne Theilnahme, »allein es ist Befehl des Capitains, daß Sie nach der Alabama zurückgebracht werden.«

»Mein Gott, warum liegen wir nicht am Grunde des Meeres!« wiederholte Brocklyn. »Warum ließ der Himmel es zu, daß wir aus den Wogen gerettet wurden, um dann schmachvoll gehenkt zu werden!«

Die Böte stießen ab.


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