Ludwig Anzengruber
Gedichte
Ludwig Anzengruber

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Juanita

(Juli 1886.)

Juanita sitzt, die kleine,
In der Nonnenschul' mit Gähnen,
Und sie hört die fromme Schwester
Neue Greuel zag erwähnen,
Neue abscheuvolle Greuel,
Neue unerhörte Frevel,
Die dereinstens nur zu büßen
In dem Pfuhl voll Glut und Schwefel.

Ferne in dem Britenreiche,
Drüben über dem Kanale, –
Schlanke, blonde Menschen wohnen
Dort und Ketzer sind sie alle –
Hat ein Mann sich unterwunden,
Das Urelternpaar zu lästern
Und die Menschen mit den Affen
Zu verbrüdern und verschwestern.

Und mit dieser sünd'gen Lüge
Hab' er viele schon bethöret,
Wie der fromme Pater klaget,
Der im Kloster Beichte höret.
Während sich die Nonn' um ihre
Reine Menschenherkunft wehret,
Sitzt die kleine Juanita
Lächelnd und in sich gekehret.

Sie gedenkt des Pater José,
Der sie auf die Zell' gebeten –
Barfuß lief sie, hatte keine
Kinderschuhe zu vertreten –
Und sie lachte still des Schreckens,
Den ihr machte das verzerrte
Bartumrahmte Antlitz, als es
Aug' verdrehend sich verklärte.

Und sie fände es zu hart, den
Klugen Briten zu verdammen,
Denn die Männer könnten füglich
Alle doch von Affen stammen;
Doch dem Weibe wird versichert,
Daß es Engels Abkunft habe;
Ob von Himmels lichter Heerschar?
Von gefall'nen? Quien sabe?


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