Ludwig Anzengruber
Gedichte
Ludwig Anzengruber

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In trüber Zeit.

Wenn du dich ins Aergste fandest
– Aergstes ist: geboren werden –
Find dich ruhig auch ins andre,
Minder Arge auf der Erden.
Sterben rechnet man als Schlimmstes,
Dem man nicht entrinnen kann;
Höchst vernünftig ist's, du nimmst es,
Wie es tritt an dich heran.

Damit freilich hat das Leben
Und was drum und dran ein Ende,
Du jedoch sei still ergeben,
Wo's dich träfe, wo's dich fände;
Ob nach viel', nach wenig' Jahren,
Einmal droht das eisern' Muß,
Ob und was du auch erfahren,
Kurz ist aller Weisheit Schluß:

Daß durch Wasserflut und Brände,
Alles Siechtums grause Plagen
Noch der Mensch zurecht sich fände,
Ohne um sein Los zu klagen.
Allen Jammer, der durchzittert
Bange Herzen ohne Ruh',
Was die Welt vergällt, verbittert,
Fügt der Mensch dem Menschen zu!

Nicht die Bosheit ist's, die niedre,
Die am Aergsten dich bedrücket,
Nein, die Dummheit ist's, die biedre,
Die dir sacht das Herz zerstücket;
Stetig wirket sie gelassen
Und sie wirkt sich niemals aus,
Jagst du heut sie von den Gassen,
Dringt sie morgen dir ins Haus.

Hoffe: daß 's zum Bessern treibe!
Fürchte: vielleicht wird's auch schlimmer!
Aber, daß es besser bleibe,
Darauf hoffe nie und nimmer.
Lerne grollend dich bescheiden,
Dummheit ruht zu keiner Frist,
Kluge nützen nur die Zeiten,
Wo sie etwas schläfrig ist.

Was ins Leben Edle riefen,
Kann sie dauernd nicht ertragen,
Wie die Brunnen aus den Tiefen
Einstens in der Sündflut Tagen
Plötzlich sich ergossen hatten
Aller Höhen, aller Ort,
Spült auch sie die reifen Saaten
Samt der Bodenkrume fort.

Im Wonnemonat des Jahres 1884.


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