Ludwig Anzengruber
Gedichte
Ludwig Anzengruber

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Gestalten und Geschichten.

Im Walde.

Ein Cyklus.

(25. Juni 18887.)

I.

Gott, grüß Gott, du grüner Wald!
Welch Prangen und Gedeihen!
Du bist der schönste Aufenthalt,
Der liebste wohl zu zweien.

Es lacht des Försters Töchterlein,
Wenn ich es stammelnd grüße,
Wie setzt es, flüchtend waldhinein,
So zierlich seine Füße!

Und ich erhasch' das junge Blut
Auf stiller, kleiner Matten.
Wie wohl, wie selig sich 's doch ruht
Im grünen Waldesschatten!

II.

Welch ander Maß der Zeit, o sag,
Wohl könnten wir verlangen,
Als unser beider Herzen Schlag
Im seligen Umfangen?

Nicht achtend, was da kommen mag,
Vergessend, was vergangen:
Es kann der Mensch allein vom Tag,
Vom Tag nur, Glück empfangen!

III.

Er: Du blickst voll Angst
Zu mir empor.
Was ist? O, sag'
Es mir ins Ohr.
Sie: O, faß mich an
Und blick zur Seit'!
's ist wehe Lust
Und süßes Leid,
Was mich erregt. –
Du böser Mann,
Wie dich's erschreckt!
Er: Ich bin bewegt.
Wer dachte dran?
Sie: Ist es nicht süß?
Er: Ei ja, gewiß!

IV.

Mein Himmel, sind die Dirnen dumm!
Weil ich nicht vor Entzücken
Gleich außer mir, kehrt sie sich um
Und drehte mir den Rücken.
Ganz ohne Gruß ist sie von mir
Im Zorne weggeschritten.
Ei, liebes Kind, erst betteln wir,
Dann kommt an euch das Bitten!

Von Zeit zu Zeit will nun gemach
Den Wald ich hier durchstreifen,
Und läuft die liebe Dirn' mir nach,
So laß ich mich ergreifen.
Der Wald ist auch des Schmucks beraubt,
Vergilbt der Blätter Neste,
Er schüttelt zweifelnd überm Haupt
Die herbstlich fahlen Aeste.

V.

Nun, klaubt nur Holz, alt Mütterchen!
Ich möchte gern erkunden,
Was mit dem Förster hier geschehn.
War schon so lang nicht unten,
Ich weiß es nicht zu sagen!

Der Förster, Herr, ist lang schon fort,
Es war zu seinem Frommen.
Doch wie er heißt, derselbe Ort,
Wohin der Mann gekommen,
Ich weiß es nicht zu sagen!

Sein Töchterchen? Die Hanne? Ei,
Die freilich blieb zurücke,
Nicht weit von hier, ganz nahebei;
Ob sie's dort freut, ob drücke?
Ich weiß es nicht zu sagen!

Ein Lump kam aus der Stadt getrollt,
Er war nicht einmal sauber,
Die Dirn' sonst nicht den Männern hold;
Was er gebraucht für Zauber?
Ich weiß es nicht zu sagen!

Kurzum, er that ihr schön, bis er
In Schande sie getrieben.
Sie sah von Stund' ihn nimmermehr,
Und wo der Schuft geblieben,
Ich weiß es nicht zu sagen!

Und als sie fühlte sich zu zweit',
Begann sie zu erkranken.
War's nur aus purem Herzeleid,
Aus reuenden Gedanken?
Ich weiß es nicht zu sagen!

Doch eines Morgens war sie tot,
Sie lag so wie im Schlafe.
Erwies ihr Gnad' der liebe Gott?
Geschah es ihr zur Strafe?
Ich weiß es nicht zu sagen!

Ei, Herr, was kommt Euch in den Sinn?
Was werft Ihr Euch zur Erden
Wie 'n gottverlass'ner Sünder hin?
Wie deut' ich dies Gebärden?
Ich weiß es nicht zu sagen!

Vergelt Euch Gott die milde Gab'!
Wie konnte ich auch denken,
Daß Hannens Schatz vor mir ich hab'?
Nun will jed' Wort mich kränken,
Ich weiß es nicht zu sagen!

Ei, denkt: Geschehen ist geschehn!
Wir sind ja Menschen alle!
Ein Unglück war's, ein Mißverstehn,
Wie oft in solchem Falle.
Das weiß ich wohl zu sagen!

VI.

Ich blicke von des Waldes Rand
Zum Kirchhof auf der Heide.
Die Kreuze stehn im Sonnenbrand,
Die Steine sehn wie Kreide.
Ein Birkenkreuz, das müd' sich senkt,
Mit einem welken Kranz behängt,
Das weiset ferne und seitab
Von anderen ihr einsam' Grab.

Ich wend' mein heißes Aug' empor,
Und meinem Blick, dem bangen,
Erscheinet wie mit düsterm Flor
Die Gegend rings umhangen.
Wie raget hinter mir der Wald
In finstrer, dräuender Gestalt,
Als wehrte zürnend er den Pfad
Entweihtem Glück, verwirkter Gnad'!

So sollen nach der Stadt mich 'rück
Die müden Füße tragen,
Ich will nach leerem, schalem Glück
Wie andere dort jagen,
Bis all die aufgetürmten Stein'
Mein armes Herz gemauert ein,
Und an das Hohe ohne Glaub'
Im Kote ich vergeh' und Staub.


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