Sagen aus Schlesien
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Die tapferen Weiber zu Gleiwitz

Tm Jahre 1626 wurde die Stadt Gleiwitz schwer belagert. Im August rückte Ernst von Mansfeld vor die Tore, mußte aber nach mehrtägiger Belagerung wieder abziehen. Daß bei der Belagerung der Stadt auch die Frauen wacker mitgeholfen haben, wird durch mehrere Berichte bestätigt, die Art und Weise ihrer Teilnahme ist allerdings sagenhaft ausgestaltet worden.

Als die Schweden gegen die Stadt vorrückten, waren beide Tore verschlossen, mit Balken verrammelt und innen stark mit Dünger belegt, damit die Kugeln nicht durchdrängen. Auch die Seitenpforten waren gut versperrt. Als nun die Schweden einen Boten in die Stadt schickten, der beim südlichen Pförtchen Einlaß fand, bemerkte dieser auf dem Weg zum Rathaus in jedem Hausflur einige Tonnen mit Hirse, auf dem Ringe aber waren bewaffnete Männer versammelt, die dem Bürgermeister in Gegenwart des schwedischen Abgesandten mit mutiger Miene erklärten, daß sie sich nie ergeben würden, sie hätten Lebensmittel genug, und die Heilige Jungfrau Maria werde durch ihre Fürbitte bei Gott die Stadt beschützen und ihnen im Kampf beistehen.

Nun begann der Angriff. Die Schweden brachten eine Menge Leitern an die Stadtmauer heran; als sie aber aufstiegen, wurde ihnen kochender Hirsebrei samt den irdenen Töpfen auf die Köpfe geschüttet, daß sie mit schrecklichen Brandwunden von den Leitern herabstürzten. Da sich die Bürger der Leitern bemächtigt hatten, versuchten die Feinde, von der Nordseite her der Stadt beizukommen, und zogen am Stadtwall beim weißen Tor vorbei. Vom Tor herab hat damals ein Bürger den Hauptmann der Schweden mit einem silbernen Rockknopf erschossen.

Nun wurden die Schweden mißmutig; denn sie glaubten, daß die Gleiwitzer viel Lebensmittel hätten, und da sie auf eine lange Belagerung nicht eingerichtet waren, zogen sie nach wenigen Tagen ab.

Nachdem sich die Feinde zurückgezogen hatten und die Tore wieder geöffnet waren, fanden sich versprengte Landbewohner ein und berichteten, was ihnen die Schweden erzählt hätten: über Gleiwitz sei eine leichte Wolke gestanden, und in dieser habe die Heilige Jungfrau gethront, die über die Stadt ihren großen Mantel ausbreitete; als sie aber beim Sturm auf die Städter schossen, sei die Gottesmutter auf der Mauer erschienen und habe mit ihrem Mantel die Verteidiger gedeckt, so daß keiner getroffen worden sei.

In Gleiwitz herrschte nun große Freude. Man gelobte eine Wallfahrt zu unternehmen. Die Bürger verpflichteten sich hiezu durch Ablegen eines Eides in der Pfarrkirche. Dazu mußten die Eltern alle ihre Kinder mitbringen. Am Schluß des Eides mußten sie dann die Kinder bei den Ohren zupfen, und den Müttern war aufgetragen, ihren Säuglingen einen lauten Schrei zu entlocken, um dadurch anzuzeigen, daß es auch Gelöbnis der Kinder sei, diese Wallfahrt alljährlich zu wiederholen.

An jener Stelle aber, wo der schwedische Hauptmann erschossen worden war, hat man mitten auf der Landstraße eine Säule errichtet, die erst 1820 beim Bau der neuen Landstraße abgetragen wurde.

 


 


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