Sagen aus Schlesien
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Der Tod als kleines Männchen

Vor 20 bis 30 Jahren noch ging der Tod als altes kleines Männlein hie und da in die Häuser der Dörfer am Zobten und Geiersberge, um nachzusehen, ob die Leute wohltätig und gut wären.

Eines Abends saß noch spät eine Frau am Spinnrocken, da kam ein altes dürftiges Männlein herein und bat um etwas zu essen. Die mitleidige Frau erwiderte: »Ich habe heute selbst nicht mehr, aber ich will dir meine letzte Schüssel Milch aus dem Keller holen.«

Sie ging, brachte die Schüssel und sagte: »Da iß!« Das Männlein setzte sich und verzehrte die Milch. Dann sagte es: »Weil du dich eines Hungernden erbarmt hast, schenke ich dir ein langes Leben.« Und die Frau wurde über 80 Jahre alt. – »Ich habe sie selbst gekannt«, sagt die Erzählerin, eine Frau aus Schlaupitz, »es war die Muhme meiner Mutter.«

Ein andermal ging der Tod in ein Häusel und bat um eine Gabe. Die Frau aber wies ihn mit bösen Worten fort. Da sagte der Tod: »Warte, du sollst an mich denken!« Als die nächste Krankheit ins Dorf kam, mußte die Frau sterben.

 


 


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