Sagen aus Schlesien
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Die unsichtbaren Hochzeitsgäste

Ein Knecht aus Schwammelwitz pflügte einmal am Fenixmänndelberge, da hört er ein tolles Geschrei im Innern des Berges. Immer wieder hört er den Ruf: »Gib mir auch eine Nebelkappe, daß ich kann nach Schwammelwitz zur Hochzeit gehen! Eine Nebelkappe, eine Nebelkappe!« Ei, denkt er, was ist denn das? Und der Hafer sticht ihn, daß er zum Loche hineinschreit: »Gib mir auch eine Nebelkappe, daß ich kann nach Schwammelwitz zur Hochzeit gehen!«

Sofort reckt sich ein kleiner Arm zum Loch heraus, und eine Nebelkappe wird ihm gereicht. Die nimmt er, und da nun gerade an diesem Tage eine große Bauernhochzeit im Dorfe ist, setzt er die Kappe auf, geht ins Hochzeitshaus und setzt sich unter die vielen Gäste. Niemand sieht ihn, die Nebelkappe macht ihn ja unsichtbar.

Aber jetzt staunt er: zwischen den Gästen, auf dem Tische, auf den Schüsselrändern, auf den Tunknäpfen sitzen die Fenixmänndel. Alle haben die Kappen auf wie er und essen und trinken tüchtig mit. Die Hochzeitgeher wundern sich schon, was an diesem Tage gar so viel gegessen und getrunken wird, es nimmt gar kein Ende mit Schüsseln und Krügen. Wenn eine neue Schüssel aufgetragen wird, da sitzen schon vier, fünf Fenixmänndel auf dem Rande. Eben kommt auch eine Schüssel bei dem Knecht an, eben will er in die Schüssel fassen, da faßt eins zur gleichen Zeit zu. Sie stoßen zusammen. Wütend schlägt es ihm die Kappe vom Kopfe, und er sitzt auf einmal da vor aller Blicken. Die Nachbarn schreien auf, und Bekannte rufen ihm zu: »Was willst du denn hier, Ignaz, du bist doch gar nicht eingeladen?«

Da bleibt ihm nun nichts anderes übrig, als zu erklären, wie er hierher gekommen war. »Wenn ihr wüßtet«, fängt er an, »was ihr für eine Gesellschaft unter euch habt, ihr würdet euch noch ganz anders verwundern als über mich.« Und dann hat er das mit den Fenixmänndeln erzählt, so daß alle immer nur so zur Seite geschielt haben, aber niemand hat sie sehen können.

 


 


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