Sagen aus Schlesien
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Das 'Hoawiif' in Brüssow

Auf dem Domänenamt Brüssow im Kreis Prenzlau lebte einst eine alte, zänkische Wirtschafterin, die so geizig war, daß sie den Leuten nicht einmal das trockene Brot gönnte. Dazu behandelte sie die Mägde überaus hart und prügelte sie oft unbarmherzig. Einmal ertappte die Alte eine Magd beim Naschen und geriet darüber so heftig in Wut, daß sie das arme Mädchen mit einem schweren Schlüsselbund erschlug. Die Untat kam aber an den Tag, und das böse Weib wurde zum Tode verurteilt.

Von dieser Zeit an wollte niemand mehr auf dem Gut wohnen; denn die Alte ging jede Nacht um und trieb zum Entsetzen aller einen greulichen Spuk. Bald hauste sie im Schweinestall, daß alle Schweine ängstlich grunzten und quiekten, bald rumorte sie im Hühnerstall herum, daß alles Federvieh in Angstgeschrei ausbrach; dann wieder lief sie, mit dem Schlüsselbund klirrend und fortwährend »Hoa! Hoa!« rufend, im Hause treppauf, treppab und durch alle Zimmer, daß den Hausbewohnern vor Furcht und Grauen die Haare zu Berg standen.

Da kam eines Tages ein reisender Scharfrichter durch das Städtchen; dieser hörte von dem Spuk und erbot sich, gegen Entgelt den bösen Geist zu vertreiben. Als man in seine Forderung einwilligte, stellte er sich, einen Sack über der Schulter und einen Knüttel in der, Hand, des Nachts auf die Lauer. Sobald sich die Alte hören ließ, jagte er sie in den Sack und prügelte sie fürchterlich. Sodann warf er den Sack über die Schulter und trug den Spuk zur Stadt hinaus. Weitab an der Karmzower Grenze liegt ein kleiner, sehr tiefer See, der Ganznow. Dorthin brachte der Scharfrichter das »Hoawiif« und wies ihr den See und seine buschigen Ufer zum ewigen Aufenthalt an.

Seither treibt die Alte dort am Ganznow ihr Unwesen und ängstigt und ärgert die Menschen auf mancherlei Weise.

Und wehe dem, der harmlos zum Bade in den stillen, tückischen Ganznow steigt; das Hoawiif zieht ihn an den Beinen in die Tiefe, die Wasser schließen sich über den allzu Wagemutigen, und nicht einmal sein Leichnam wird von den düsteren Fluten des Sees freigegeben.

So ist dies scheußliche Weib zur Strafe für ihre Übeltat auf ewig verurteilt, am Ganznowsee zu verweilen und sich ruhelos dort umherzutreiben.

 


 


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