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Liebeslieder unbekannter französischer Dichter

Alte Volksweisen

Übersetzungen aus dem Französischen.

Lied der Morgenröte

Komm, Aurore!
Und entflore
Mir ein Purpurangesicht;
Deine Strahlen,
Ah! sie malen
Mir mein Purpurmädchen nicht.

Ihre süße
Himmelsküsse,
Mit Ambrosia gespeist,
Wer sie küsset,
Der genießet
Nektartau und Göttergeist.

Schlank, wie Reben
Aufwärts schweben,
Schwebt ihr Schwanenwuchs hinan;
Wie die ferne
Morgensterne,
Glänzet mich ihr Auge an.

Ihren schönen
Zarten Tönen
Horcht und schweigt die Nachtigall;
Hain und Bäume
Stehn wie Träume
Am verstummten Wasserfall.

Blumen sprossen
Hingegossen,
Wo ihr zarter Tritt geschwebt;
Amoretten
Winden Ketten,
Wo sie spricht und liebt und lebt.

Alle Leiden
Werden Freuden,
Täglich ihren Blick zu sehn;
Um sie scherzen,
In ihr herzen
Tugenden und Grazien.

Einige Liederchen

1.

Mädchen, einst wirst du es sehen,
     Wie du selbst dir wehgetan!
Überdruß und Reue gehen
     Auf der Buhlereien Bahn.
Liebenswürdig willst du scheinen,
     Willst du's denn nicht lieber sein?
Mädchen, du gewinnest keinen,
     Wenn dir hundert Weihrauch streun.

2.

Hier war's, hier bist du, liebes Gras,
Wo gestern ich und Lila saß.
Sieh, wie es noch daniederliegt
Und wallet und sich an sie schmiegt:
Steh auf, steh auf, du liebes Gras,
Verrate nicht, wer auf dir saß!

3.

Herden und sein Herz zu hüten,
     Schäfer, das ist allzu schwer!
Wölfen und sich selbst gebieten,
     Beide wehren ist gefähr.
Liebster, nimm mein Herz in Hut,
Für die Herde bin ich gut.

Ein altfranzösisches Sonett
Aus dem 13. Jahrhundert.

Ach könnt' ich, könnte vergessen sie!
     Ihr schönes, liebes, liebliches Wesen,
     Den Blick, die freundliche Lippe, die!
Vielleicht ich möchte genesen!

Doch ach! mein Herz, mein Herz kann es nie!
Und doch ist's Wahnsinn, zu hoffen sie!
Und um sie Schweben
Gibt Mut und Leben,
Zu weichen nie! –

Und dann, wie kann ich vergessen sie,
     Ihr schönes, liebes, liebliches Wesen,
     Den Blick, die freundliche Lippe, die!
Viel lieber nimmer genesen!

Der Lorbeerkranz.

Für die süße, zarte Liebe
Was ist Lorbeer, was ist Kranz?
Wenn er dreimal ewig bliebe,
Für die süße, zarte Liebe
Nichts ist aller Ruhm und Glanz.

Unter allen Göttersöhnen
Wer war einst wie Gott Apoll?
Er, der Schönste aller Schönen,
Zart am Herzen und in Tönen,
Mut- und stolz- und weisheitsvoll.

Seht, und alle Götter neiden
Seine Tugend – bannen ihn
Ab vom Himmel: raubt ihr Neiden,
Raubt es ihm die Himmelsfreuden,
Die ihm auch auf Wiesen blühn?

Auf der Au, im grünen Tale,
Weidet, singet er, beglückt:
Mehr als dort im Göttersaale
Wird sein Herz, zum erstenmale,
Wird sein Herz zum Gott entzückt.

Lieben lernt er, lernet lieben –
Zärtlich und auch glücklich? Wann
Wirst du glücklich, treue Liebe?
Würdest bald von Tränen trübe
Und erstarbst im Innern dann!


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