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Heinrich Heine

Liebeslieder

O schwöre nicht und küsse nur,
Ich glaube keinem Weiberschwur!
Dein Wort ist süß, doch süßer ist
Der Kuß, den ich dir abgeküßt!
Den hab' ich, und dran glaub' ich auch,
Das Wort ist eitel Dunst und Hauch.

O schwöre, Liebchen, immerfort,
Ich glaube dir aufs bloße Wort!
An deinen Busen sink ich hin
Und glaube, daß ich selig bin;
Ich glaube, Liebchen, ewiglich
Und noch viel länger liebst du mich.

Heinrich Heine

geboren am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf als Sohn eines kleinen Kaufmanns, besuchte das dortige Lyzeum, um später in dem Handelshause seines reichen Onkels Salomon Heine tätig zu sein. Nachdem er auch in seinem eigenen Geschäft keine kaufmännische Begabung bewies, gestattete ihm sein Onkel Jura zu studieren. Er widmete sich in Bonn jedoch mehr literarischen Studien und trat in freundlichen Verkehr mit A. W. Schlegel. Nach Göttingen zu weiteren Studien übergesiedelt, mußte er durch eine Pistolenforderung seine Studien unterbrechen und wählte die Universität Berlin. Verkehrte hier im Hause der weithin bekannten Familie Varnhagen von Ense, so auch mit den bedeutendsten Vertretern des literarischen Berlins. Stellte 1826/27 seine lyrischen Gedichte zu einer Sammlung »Buch der Lieder« zusammen, welches seinen Weltruf für immer begründete. Nach Paris übergesiedelt, fühlte er sich in dem freieren Leben und Verkehr mit bedeutenden Männern behaglich. Heiratete 1841 die frühere Verkäuferin Eugenia Mirat, mit welcher er seit 1834 im leidenschaftlichen Verkehr gestanden hatte. Der Tod seines Onkels gab Anlaß zu heftigen Kämpfen, da entgegen einer mündlichen Zusage das Testament des Onkels nur ein kleines Legat ihm zusprach. Die später erfolgte Versöhnung mit den Erben konnte die durch peinliche Aufregungen erschütterte Gesundheit nicht mehr aufrichten. In den letzten Jahren seines Lebens dauernd an das Krankenlager gefesselt, starb er am 17. Februar 1856.

Ein Weib

Sie hatten sich beide so herzlich lieb,
Spitzbübin war sie, er war ein Dieb.
Wenn er Schelmenstreiche machte,
Sie warf sich aufs Bett und lachte.

Der Tag verging in Freud' und Lust,
Des Nachts lag sie an seiner Brust.
Als man ins Gefängnis ihn brachte,
Sie stand am Fenster und lachte.

Er ließ ihr sagen: »O komm zu mir,
Ich sehne mich so sehr nach dir,
Ich rufe nach dir, ich schmachte« –
Sie schüttelt' das Haupt und lachte.

Um Sechse des Morgens ward er gehenkt,
Um Sieben ward er ins Grab gesenkt;
Sie aber schon um Achte
Trank roten Wein und lachte.

Die Beschwörung

Der junge Franziskaner sitzt
Einsam in der Klosterzelle,
Er liest im alten Zauberbuch,
Genannt der Zwang der Hölle.

Und als die Mitternachtstunde schlug,
Da konnt' er nicht länger sich halten,
Mit bleichen Lippen ruft er an
Die Unterweltsgewalten.

»Ihr Geister! holt mir aus dem Grab
Die Leiche der schönsten Frauen,
Belebt sie mir für diese Nacht,
Ich will mich dran erbauen.«

Er spricht das grause Beschwörungswort,
Da wird sein Wunsch erfüllet,
Die arme verstorbene Schönheit kommt,
In weiße Laken gehüllet.

Ihr Blick ist traurig. Aus kalter Brust
Die schmerzlichen Seufzer steigen.
Die Tote setzt sich zu dem Mönch,
Sie schaun sich an und schweigen.

Psyche

In der Hand die kleine Lampe,
In der Brust die große Glut,
Schleichet Psyche zu dem Lager,
Wo der holde Schläfer ruht.

Sie errötet und sie zittert,
Wie sie seine Schönheit sieht –
Der enthüllte Gott der Liebe,
Er erwacht und er entflieht.

Achtzehnhundertjähr'ge Buße!
Und die Ärmste stirbt beinah!
Psyche fastet und kasteit sich,
Weil sie Amor nackend sah.

Traumbilder

1.

Mir träumte einst von wildem Liebesglühn,
Von hübschen Locken, Myrten und Resede,
Von süßen Lippen und von bittrer Rede,
Von düstrer Lieder düstern Melodien.

Verblichen und verweht sind längst die Träume,
Verweht ist gar mein liebstes Traumgebild!
Geblieben ist mir nur, was glutenwild
Ich einst gegossen hab' in weiche Reime.

Du bliebst, verwaistes Lied! Verweh jetzt auch,
Und such das Traumbild, das mir längst entschwunden.
Und grüß es mir, wenn du es aufgefunden –
Dem luft'gen Schatten send' ich luft'gen Hauch.

2.

Ein Traum, gar seltsam schauerlich,
Ergötzte und erschreckte mich.
Noch schwebt mir vor manch grausig Bild,
Und in dem Herzen wogt es wild.

Das war ein Garten, wunderschön,
Da wollt' ich lustig mich ergehn;
Viel' schöne Blumen sahn mich an,
Ich hatte meine Freude dran.

Es zwitscherten die Vögelein
Viel' munt're Liebesmelodein;
Die Sonne rot, von Gold umstrahlt,
Die Blumen lustig bunt bemalt.

Viel Balsamduft aus Kräutern rinnt,
Die Lüfte wehen lieb und lind;
Und alles schimmert, alles lacht,
Und zeigt mir freundlich seine Pracht.

Inmitten in dem Blumenland
Ein klarer Marmorbrunnen stand;
Da schaut' ich eine schöne Maid,
Die emsig wusch ein weißes Kleid.

Die Wänglein süß, die Äuglein mild,
Ein blondgelocktes Heil'genbild;
Und wie ich schau', die Maid ich fand
So fremd und doch so wohlbekannt.

Die schöne Maid, die sputet sich,
Sie summt ein Lied gar wunderlich:
     »Rinne, rinne Wässerlein,
     Wasche mir das Linnen rein!«

Ich ging und nahete mich ihr,
Und flüsterte: O sage mir,
Du wunderschöne, süße Maid,
Für wen ist dieses weiße Kleid?

Da sprach sie schnell: »Sei bald bereit,
Ich wasche dir dein Totenkleid!«
Und als sie dies gesprochen kaum,
Zerfloß das ganze Bild wie Schaum. –

Und fortgezaubert stand ich bald
In einem düstern, wilden Wald.
Die Bäume ragten himmelan;
Ich stand erstaunt und sann und sann.

Und horch! welch dumpfer Widerhall!
Wie ferner Äxtenschläge Schall;
Ich eil' durch Busch und Wildnis fort,
Und komm' an einen freien Ort.

Inmitten in dem grünen Raum,
Da stand ein großer Eichenbaum;
Und sieh! mein Mägdlein wundersam
Haut mit dem Beil den Eichenstamm.

Und Schlag auf Schlag, und sonder Weil'
Summt sie ein Lied und schwingt das Beil:
     »Eisen blink, Eisen blank,
     Zimmre hurtig Eichenschrank!«

Ich ging und nahete mich ihr,
Und flüsterte: O sage mir,
Du wundersüßes Mägdelein,
Wem zimmerst du den Eichenschrein?

Da sprach sie schnell: »Die Zeit ist karg,
Ich zimmre deinen Totensarg!«
Und als sie dies gesprochen kaum,
Zerfloß das ganze Bild wie Schaum. –

Es lag so bleich, es lag so weit
Ringsum nur kahle, kahle Heid';
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
Und heimlich schaudernd stand ich da.

Und nun ich eben fürder schweif,
Gewahr ich einen weißen Streif;
Ich eilt' drauf zu, und eilt' und stand,
Und sieh! die schöne Maid ich fand.

Auf weiter Heid' stand weiße Maid,
Grub tief die Erd' mit Grabesscheit.
Kaum wagt' ich noch sie anzuschaun,
Sie war so schön und doch ein Graun.

Die schöne Maid, die sputet sich,
Sie summt ein Lied gar wunderlich:
     »Spaten, Spaten, scharf und breit,
     Schaufle Grube tief und weit!«

Ich ging und nahete mich ihr,
Und flüsterte: O sage mir,
Du wunderschöne, süße Maid,
Was diese Grube hier bedeut't?

Da sprach sie schnell: »Sei still, ich hab'
Geschaufelt dir ein kühles Grab.«
Und als so sprach die schöne Maid,
Da öffnet sich die Grube weit.

Und als ich in die Grube schaut',
Ein kalter Schauer mich durchgraut;
Und in die dunkle Grabesnacht
Stürzt' ich hinein, – und bin erwacht.

3.

Im nächt'gen Traum hab' ich mich selbst geschaut,
In schwarzem Galafrack und seidner Weste,
Manschetten an der Hand, als ging's zum Feste,
Und vor mir stand mein Liebchen, süß und traut.

Ich beugte mich und sagte: »Sind Sie Braut?
Ei! Ei! so gratulier' ich, meine Beste!«
Doch fast die Kehle mir zusammenpreßte
Der langgezogne, vornehm kalte Laut.

Und bittre Tränen plötzlich sich ergossen
Aus Liebchens Augen, und in Tränenwogen
Ist mir das holde Bildnis fast zerflossen.

O süße Augen, fromme Liebessterne,
Obschon ihr mir im Wachen oft gelogen,
Und auch im Traum, glaub' ich euch dennoch gerne!

4.

Im Traum sah ich ein Männchen, klein und putzig,
Das ging auf Stelzen, Schritte ellenweit,
Trug weiße Wäsche und ein feines Kleid,
Inwendig aber war es grob und schmutzig.

Inwendig war es jämmerlich, nichtsnutzig,
Jedoch von außen voller Würdigkeit;
Von der Kourage sprach es lang und breit,
Und tat sogar recht trutzig und recht stutzig.

»Und weißt du, wer das ist? Komm her und schau!«
So sprach der Traumgott, und er zeigt mir schlau
Die Bilderflut in eines Spiegels Rahmen.

Vor einem Altar stand das Männchen da,
Mein Lieb daneben, beide sprachen: »Ja!«
Und tausend Teufel riefen lachend: »Amen!«

5.

Was treibt und tobt mein tolles Blut?
Was flammt mein Herz in wilder Glut?
Es kocht mein Blut und schäumt und gärt,
Und grimme Glut mein Herz verzehrt.

Das Blut ist toll und gärt und schäumt,
Weil ich den bösen Traum geträumt:
Es kam der finstre Sohn der Nacht,
Und hat mich keuchend fortgebracht.

Er bracht' mich in ein helles Haus,
Wo Harfenklang und Saus und Braus,
Und Fackelglanz und Kerzenschein;
Ich kam zum Saal, ich trat hinein.

Das war ein lustig Hochzeitsfest;
Zu Tafel saßen froh die Gäst'.
Und wie ich nach dem Brautpaar schaut',
O weh! mein Liebchen war die Braut.

Das war mein Liebchen wunnesam,
Ein fremder Mann war Bräutigam;
Dicht hinterm Ehrenstuhl der Braut,
Da blieb ich stehn, gab keinen Laut.

Es rauscht' Musik, – gar still stand ich;
Der Freudenlärm betrübte mich.
Die Braut, sie blickt so hochbeglückt,
Der Bräut'gam ihre Hände drückt.

Der Bräut'gam füllt den Becher sein
Und trinkt daraus, und reicht gar fein
Der Braut ihn hin; sie lächelt Dank, –
O weh! mein rotes Blut sie trank.

Die Braut ein hübsches Äpflein nahm,
Und reicht es hin dem Bräutigam,
Der nahm sein Messer, schnitt hinein, –
O weh! Das war das Herze mein.

Sie äugeln süß, sie äugeln lang,
Der Bräut'gam kühn die Braut umschlang,
Und küßt sie auf die Wangen rot,
O weh! Mich küßt der kalte Tod.

Wie Blei lag meine Zung' im Mund,
Daß ich kein Wörtlein sprechen kunnt'.
Da rauscht' es auf, der Tanz begann;
Das schmucke Brautpaar tanzt voran.

Und wie ich stand so leichenstumm,
Die Tänzer schweben flink herum; –
Ein leises Wort der Bräut'gam spricht,
Die Braut wird rot, doch zürnt sie nicht. – –

6.

Im süßen Traum bei stiller Nacht,
Da kam zu mir mit Zaubermacht,
Mit Zaubermacht, die Liebste mein,
Sie kam zu mir ins Kämmerlein.

Ich schau' sie an, das holde Bild!
Ich schau' sie an, sie lächelt mild,
Und lächelt, bis das Herz mir schwoll,
Und stürmisch kühn das Wort entquoll:

»Nimm hin, nimm alles, was ich hab',
Mein Liebstes tret' ich gern dir ab,
Dürft' ich dafür dein Buhle sein,
Von Mitternacht bis Hahnenschrei'n.«

Da staunt mich an gar seltsamlich,
So lieb, so weh und inniglich,
Und sprach zu mir die schöne Maid:
»O, gib mir deine Seligkeit!«

»Mein Leben süß, mein junges Blut,
Gäb' ich mit Freud' und wohlgemut
Für dich, o Mädchen, engelgleich, –-
Doch nimmermehr das Himmelreich.«

Wohl braust hervor mein rasches Wort,
Doch blühet schöner immerfort,
Und immer spricht die schöne Maid:
»O, gib mir deine Seligkeit!«

Dumpf dröhnt dies Wort mir ins Gehör,
Und schleudert mir ein Glutenmeer
Wohl in der Seele tiefsten Raum;
Ich atme schwer, ich atme kaum. –

Das waren weiße Engelein,
Umglänzt von goldnem Glorienschein;
Nun aber stürmte wild herauf
Ein gräulich schwarzer Koboldhauf.

Die rangen mit den Engelein,
Und drängten fort die Engelein;
Und endlich auch die schwarze Schar
In Nebelduft zerronnen war. –

Ich aber wollt' in Lust vergehn,
Ich hielt im Arm mein Liebchen schön;
Sie schmiegt sich an mich wie ein Reh,
Doch weint sie auch mit bitterm Weh.

Feins Liebchen weint; ich weiß warum,
Und küß' ihr Rosenmündlein stumm –
»O still', feins Lieb, die Tränenflut,
Ergib dich meiner Liebesglut!«

»Ergib dich meiner Liebesglut –«
Da plötzlich starrt zu Eis mein Blut;
Laut bebet auf der Erde Grund,
Und öffnet gähnend sich ein Schlund.

Und aus dem schwarzen Schlunde steigt
Die schwarze Schar; – feins Lieb erbleicht!
Aus meinen Armen schwand feins Lieb;
Ich ganz alleine stehen blieb.

Da tanzt im Kreise wunderbar
Um mich herum die schwarze Schar,
Und drängt heran, erfaßt mich bald,
Und gellend Hohngelächter schallt.

Und immer enger wird der Kreis,
Und immer summt die Schauerweis':
»Du gabest hin die Seligkeit,
Gehörst uns nun in Ewigkeit!«

7.

Nun hast du das Kaufgeld, nun zögerst du doch?
Blutfinstrer Gesell, was zögerst du noch?
Schon sitze ich harrend im Kämmerlein traut,
Und Mitternacht naht schon, – es fehlt nur die Braut.

Viel' schauernde Lüftchen vom Kirchhofe wehn; –
Ihr Lüftchen! habt ihr mein Bräutchen gesehn?
Viel' blasse Larven gestalten sich da,
Umknixen mich grinsend und nicken: »O ja!«

Pack aus, was bringst du für Botschafterei,
Du schwarzer Schlingel in Feuerlivrei?
»Die gnädige Herrschaft meldet sich an,
Gleich kommt sie gefahren im Drachengespann.«

Du lieb grau Männchen, was ist dein Begehr?
Mein toter Magister, was treibt dich her?
Er schaut mich mit schweigend trübseligem Blick,
Und schüttelt das Haupt und wandelt zurück.

Was winselt und wedelt der zott'ge Gesell?
Was glimmert Schwarz-Katers Auge so hell?
Was heulen die Weiber mit fliegendem Haar?
Was lullt mir Frau Amme mein Wiegenlied gar?

Frau Amme, bleib heut mit dem Singsang zu Haus,
Das Eiapopeia ist lange schon aus;
Ich feire ja heute mein Hochzeitsfest, –
Da schau mal, dort kommen schon zierliche Gäst'.

Da schau mal! Ihr Herren, das nenn ich galant!
Ihr tragt statt der Hüte, die Köpf in der Hand!
Ihr Zappelbein-Leutchen im Galgen-Ornat,
Der Wind ist still, was kommt ihr so spat?

Da kommt auch alt Besenstielmütterchen schon,
Ach, segne mich, Mütterchen, bin ja dein Sohn.
Da zittert der Mund im weißen Gesicht;
»In Ewigkeit, Amen!« das Mütterchen spricht.

Zwölf winddürre Musiker schlendern herein;
Blind Fiedelweib holpert wohl hinterdrein.
Da schleppt der Hanswurst, in buntscheckiger Jack,
Den Totengräber huckepack.

Es tanzen zwölf Klosterjungfrau'n herein;
Die schielende Kupplerin führet den Reihn.
Es folgen zwölf lüsterne Pfäffelein schon,
Und pfeifen ein Schandlied im Kirchenton.

Herr Trödler, o schrei dir nicht blau das Gesicht.
Im Fegfeuer nützt mir dein Pelzröckel nicht;
Dort heizet man gratis jahraus, jahrein,
Statt mit Holz, mit Fürsten- und Bettlergebein'.

Die Blumenmädchen sind bucklicht und krumm,
Und purzeln kopfüber im Zimmer herum.
Ihr Eulengesichter und Heuschreckenbein,
Hei! laßt mir das Rippengeklapper nur sein!

Die sämtliche Höll' ist los fürwahr,
Und lärmet und schwärmet in wachsender Schar;
Sogar der Verdammnis-Walzer erschallt, –
Still, still! nun kommt mein Feinsliebchen auch bald.

Gesindel, sei still, oder trolle dich fort!
Ich höre kaum selber mein leibliches Wort, –
Ei, rasselt nicht eben ein Wagen vor?
Frau Köchin! wo bist du? schnell öffne das Tor!

Willkommen, Feinsliebchen, wie geht's dir, mein Schatz?
Willkommen, Herr Pastor, ach, nehmen Sie Platz!
Herr Pastor mit Pferdefuß und Schwanz,
Ich bin Eur Ehrwürden Diensteigener ganz!

Lieb Bräutchen, was stehst du so stumm und so bleich?
Der Herr Pastor schreitet zur Trauung sogleich;
Wohl zahl' ich ihm teure, blutteure Gebühr,
Doch, dich zu besitzen, gilt's Kinderspiel mir.

Knie nieder, süß Bräutchen, knie hin mir zur Seit'! –
Da kniet sie, da sinkt sie, – o selige Freud'!
Sie sinkt mir ans Herz, an die schwellende Brust,
Ich halt' sie umschlungen mit schauernder Lust.

Die Goldlockenwellen umspielen uns beid':
An mein Herz pochte das Herze der Maid.
Sie pochen wohl beide vor Lust und vor Weh,
Und schweben hinauf in die Himmelshöh'.

Die Herzlein schwimmen im Freudensee,
Dort oben in Gottes heil'ger Höh;
Doch auf den Häuptern, wie Grausen und Brand,
Da hat die Hölle gelegt die Hand.

Das ist der finstre Sohn der Nacht,
Der hier den segnenden Priester macht;
Er murmelt die Formel aus blutigem Buch,
Sein Beten ist Lästern, sein Segen ist Fluch.

Und es krächzet und zischet und heulet toll,
Wie Wogengebrause, wie Donnergeroll;
Da blitzet auf einmal ein bläuliches Licht, –
»In Ewigkeit, Amen!« das Mütterchen spricht.

8.

Ich kam von meiner Herrin Haus,
Und wandelt' in Wahnsinn und Mitternachtsgraus.
Und wie ich am Kirchhof vorübergehn will,
Da winken die Gräber ernst und still.

Da winkt's von des Spielmanns Leichenstein,
Das war der flimmernde Mondesschein.
Da lispelt's: »Lieb Bruder, ich komme gleich!«
Da steigt's aus dem Grabe nebelbleich.

Der Spielmann war's, der entstiegen jetzt,
Und hoch auf den Leichenstein sich setzt.
Und die Saiten der Zither greift er schnell,
Und singt dabei recht hohl und grell:

     »Ei! kennt ihr noch das alte Lied,
     Das einst so wild die Brust durchglüht,
     Ihr Saiten, dumpf und trübe?
     Die Engel, die nennen es Himmelsfreud',
     Die Teufel, die nennen es Höllenleid,
     Die Menschen, die nennen es – Liebe!«

Kaum tönte des letzten Wortes Schall,
Da taten sich auf die Gräber all';
Viel' Luftgestalten dringen hervor,
Umschweben den Spielmann und schrillen im Chor:

     »Liebe! Liebe! deine Macht,
     Hat uns hier zu Bett gebracht,
     Und die Augen zugemacht, –
     Ei, was rufst du in der Nacht?«

So heult es verworren, und ächzet und girrt,
Und brauset und sauset, und krächzet und klirrt;
Und der tolle Schwarm den Spielmann umschweift,
Und der Spielmann wild in die Saiten greift:

     »Bravo! Bravo! immer toll!
     Seid willkommen!
     Habt vernommen
     Daß mein Zauberwort erscholl!
     Liegt man doch jahraus, jahrein,
     Mäuschenstill im Kämmerlein;
     Laßt uns heute lustig sein!
     Mit Vergunst, –
     Seht erst zu, sind wir allein? –
     Narren waren wir im Leben,
     Und mit toller Wut ergeben
     Einer tollen Liebesbrunst.
     Kurzweil kann uns heut nicht fehlen,
     Jeder soll hier treu erzählen,
     Was ihn weiland hergebracht,
     Wie gehetzt,
     Wie zerfetzt
     Ihn die tolle Liebesjagd.«

Da hüpft aus dem Kreise, so leicht wie der Wind,
Ein mageres Wesen, das summend beginnt:

     »Ich war ein Schneidergeselle
     Mit Nadel und mit Scher';
     Ich war so flink und schnelle
     Mit Nadel und mit Scher';

     Da kam die Meisterstochter
     Mit Nadel und mit Scher';
     Und hat mir ins Herz gestochen
     Mit Nadel und mit Scher'.«

Da lachten die Geister im lustigen Chor;
Ein Zweiter trat still und ernst hervor:

     »Den Rinaldo Rinaldini,
     Schinderhanno, Orlandini,
     Und besonders Carlo Moor
     Nahm ich mir als Muster vor.

     Auch verliebt – mit Ehr' zu melden –
     Hab' ich mich wie jene Helden,
     Und das schönste Frauenbild
     Spukte mir im Kopfe wild.

     Und ich seufzte auch und girrte;
     Und wenn Liebe mich verwirrte,
     Steckt' ich meine Finger rasch
     In des reichen Nachbars Tasch'.

     Doch der Gassenvogt mir grollte,
     Daß ich Sehnsuchtstränen wollte
     Trocknen mit dem Taschentuch,
     Das mein Nachbar bei sich trug.

     Und nach frommer Häschersitte
     Nahm man still mich in die Mitte,
     Und das Zuchthaus, heilig groß,
     Schloß mir auf den Mutterschoß.

     Schwelgend süß in Liebessinnen,
     Saß ich dort beim Wollespinnen,
     Bis Rinaldos Schatten kam
     Und die Seele mit sich nahm.«

Da lachten die Geister im lustigen Chor;
Geschminkt und geputzt trat ein Dritter hervor:

     »Ich war ein König der Bretter,
     Und spielte das Liebhaberfach,
     Ich brüllte manch wildes: »Ihr Götter!«
     Ich seufzte manch zärtliches: »Ach!«

     Den Mortimer spielt' ich am besten,
     Maria war immer so schön!
     Doch trotz der natürlichsten Gesten,
     Sie wollte mich nimmer verstehn. –

     Einst als ich verzweifelnd am Ende:
     »Maria, du Heilige!« rief,
     Da nahm ich den Dolch behende
     Und stach mich ein bißchen zu tief.«

Da lachten die Geister im lustigen Chor;
Im weißen Flausch trat ein Vierter hervor:

     »Vom Katheder schwatzte herab der Professor,
     Er schwatzte, und ich schlief gut dabei ein;
     Doch hätt' mir's behagt viel tausendmal besser
     Bei seinem holdseligen Töchterlein.

     Sie hat mir oft zärtlich am Fenster genicket,
     Die Blume der Blumen, mein Lebenslicht!
     Doch die Blume der Blumen ward endlich gepflücket,
     Vom dürren Philister, dem reichen Wicht.

     Da flucht ich den Weibern und reichen Halunken,
     Und mischte mir Teufelskraut in den Wein,
     Und hab' mit dem Tode Schmollis getrunken,
     Der sprach: »Fiducit, ich heiße Freund Hein!«

Da lachten die Geister im lustigen Chor;
Ein' Strick um den Hals, trat ein Fünfter hervor:

     »Es prunkte und prahlte der Graf beim Wein
     Mit dem Töchterchen sein und dem Edelgestein.
     Was schert mich, du Gräflein, dein Edelgestein?
     Mir mundet weit besser dein Töchterlein.

     Sie lagen wohl beid' unter Riegel und Schloß,
     Und der Graf besoldet' viel Dienertroß.
     Was scheren mich Diener und Riegel und Schloß? –
     Ich stieg getrost auf die Leitersproß'.

     An Liebchens Fensterlein klettr' ich getrost.
     Da hör' ich es unten fluchen erbost:
     »Fein sachte, mein Bübchen, muß auch dabei sein,
     Ich liebe ja auch das Edelgestein.«

     So spöttelt der Graf und erfaßt mich gar,
     Und jauchzend umringt mich die Dienerschar.
     »Zum Teufel, Gesindel! Ich bin ja kein Dieb;
     Ich wollte nur stehlen mein trautes Lieb!«

     Da half kein Gerede, da half kein Rat,
     Da machte man hurtig die Stricke parat;
     Wie die Sonne kam, da wundert' sie sich,
     Am hellen Galgen fand sie mich.«

Da lachten die Geister im lustigen Chor;
Den Kopf in der Hand, trat ein Sechster hervor:

     »Zum Weidwerk trieb mich Liebesharm;
     Ich schlich umher, die Büchs' im Arm.
     Da schnarret's hohl vom Baum herab,
     Der Rabe rief: »Kopf – ab! Kopf – ab!«

     O, spürt' ich doch ein Täubchen aus,
     Ich brächt' es meinem Lieb nach Haus!
     So dacht' ich, und in Busch und Strauch
     Späht rings umher mein Jägeraug'.

     Was koset dort? Was schnäbelt fein?
     Zwei Turteltäubchen mögen's sein.
     Ich schleich' herbei, – den Hahn gespannt, –
     Sieh da! mein eignes Lieb ich fand.

     Das war mein Bräutchen, meine Braut,
     Ein fremder Mann umarmt sie traut, –
     Nun, alter Schütze, treffe gut!
     Da lag der fremde Mann im Blut.

     Bald drauf ein Zug mit Henkersfron –
     Ich selbst dabei als Hauptperson –
     Den Wald durchzog. Vom Baum herab
     Der Rabe rief: »Kopf – ab! Kopf – ab!«

Da lachten die Geister im lustigen Chor;
Da trat der Spielmann selber hervor:

     »Ich hab' mal ein Liedchen gesungen,
     Das schöne Lied ist aus;
     Wenn das Herz im Leibe zersprungen,
     Dann gehen die Lieder nach Haus!«

Und das tolle Gelächter sich doppelt erhebt,
Und die bleiche Schar im Kreise schwebt;
Da scholl vom Kirchturm »Eins« herab,
Da stürzten die Geister sich heulend ins Grab.

9.

Ich lag und schlief und schlief recht mild,
Verscheucht war Gram und Leid;
Da kam zu mir ein Traumgebild,
Die allerschönste Maid.

Sie war wie Marmelstein so bleich,
Und heimlich wunderbar;
Im Auge schwamm es perlengleich,
Gar seltsam wallt' ihr Haar.

Und leise, leise sich bewegt
Die marmorblasse Maid,
Und an mein Herz sich niederlegt
Die marmorblasse Maid.

Wie bebt und pocht vor Weh und Lust
Mein Herz und brennet heiß!
Nicht bebt, nicht pocht der Schönen Brust,
Die ist so kalt wie Eis.

»Nicht bebt, nicht pocht wohl meine Brust,
Die ist wie Eis so kalt;
Doch kenn' auch ich der Liebe Lust,
Der Liebe Allgewalt.

Mir blüht kein Rot auf Mund und Wang',
Mein Herz durchströmt kein Blut;
Doch sträube dich nicht schaudernd bang,
Ich bin dir hold und gut.«

Und wilder noch umschlang sie mich,
Und tat mir fast ein Leid;
Da kräht der Hahn – und stumm entwich
Die marmorblasse Maid.

10.

Da hab' ich viel blasse Leichen
Beschworen mit Wortesmacht;
Sie wollen nun nicht mehr weichen
Zurück in die alte Nacht.

Das zähmende Sprüchlein vom Meister
Vergaß ich vor Schauer und Graus;
Nun ziehn die eignen Geister
Mich selber ins neblichte Haus.

Laßt ab, ihr finstern Dämonen!
Laßt ab, und dränget mich nicht!
Noch manche Freude mag wohnen
Hier oben im Rosenlicht.

Ich muß ja immer streben
Nach der Blume wunderhold;
Was bedeutet' mein ganzes Leben,
Wenn ich sie nicht lieben sollt'?

Ich möcht' sie nur einmal umfangen
Und pressen ans glühende Herz!
Nur einmal auf Lippen und Wangen
Küssen den seligsten Schmerz!

Nur einmal aus ihrem Munde
Möcht' ich hören ein liebendes Wort –
Alsdann wollt' ich folgen zur Stunde
Euch, Geister, zum finsteren Ort.

Die Geister haben's vernommen,
Und nicken schauerlich.
Feinsliebchen, nun bin ich gekommen; –
Feinsliebchen, liebst du mich?

Lyrisches Intermezzo.

1.

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab' ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.

2.

Aus meinen Tränen sprießen
Viel blühende Blumen hervor,
Und meine Seufzer werden
Ein Nachtigallenchor.

Und wenn du mich lieb hast, Kindchen,
Schenk' ich dir die Blumen all',
Und vor deinem Fenster soll klingen
Das Lied der Nachtigall.

3.

Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne
Die liebt ich einst alle in Liebeswonne,
Ich lieb' sie nicht mehr, ich liebe alleine
Die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine;
Sie selber, aller Liebe Bronne,
Ist Rose und Lilie und Taube und Sonne.

4.

Wenn ich in deine Augen seh',
So schwindet all mein Leid und Weh;
Doch wenn ich küsse deinen Mund,
So werd' ich ganz und gar gesund.

Wenn ich mich lehn' an deine Brust,
Kommt's über mich wie Himmelslust;
Doch wenn du sprichst: »Ich liebe dich!«
So muß ich weinen bitterlich.

5.

Dein Angesicht so lieb und schön,
Das hab' ich jüngst im Traum gesehn,
Es ist so mild und engelgleich,
Und doch so bleich, so schmerzenbleich.

Und nur die Lippen die sind rot;
Bald aber küßt sie bleich der Tod.
Erlöschen wird das Himmelslicht,
Das aus den frommen Augen bricht.

6.

Lehn deine Wang' an meine Wang',
Dann fließen die Tränen zusammen!
Und an mein Herz drück fest dein Herz,
Dann schlagen zusammen die Flammen!

Und wenn in die große Flamme fließt
Der Strom von unsern Tränen,
Und wenn dich mein Arm gewaltig umschließt –
Sterb' ich vor Liebessehnen!

7.

Ich will meine Seele tauchen
In den Kelch der Lilie hinein;
Die Lilie soll klingend hauchen
Ein Lied von der Liebsten mein.

Das Lied soll schauern und beben
Wie der Kuß von ihrem Mund,
Den sie mir einst gegeben
In wunderbar süßer Stund'.

8.

Es stehen unbeweglich
Die Sterne in der Höh'
Viel' tausend Jahr', und schauen
Sich an mit Liebesweh.

Sie sprechen eine Sprache,
Die ist so reich, so schön;
Doch keiner der Philologen
Kann diese Sprache verstehn.

Ich aber hab' sie gelernet,
Und ich vergesse sie nicht;
Mir diente als Grammatik
Der Herzallerliebsten Gesicht.

9.

Auf Flügeln des Gesanges,
Herzliebchen, trag ich dich fort,
Fort nach den Fluren des Ganges,
Dort weiß ich den schönsten Ort.

Dort liegt ein rotblühender Garten
Im stillen Mondenschein;
Die Lotosblumen erwarten
Ihr trautes Schwesterlein.

Die Veilchen kichern und kosen,
Und schaun nach den Sternen empor;
Heimlich erzählen die Rosen
Sich duftende Märchen ins Ohr.

Es hüpfen herbei und lauschen
Die frommen, klugen Gazelln;
Und in der Ferne rauschen
Des heiligen Stromes Welln.

Dort wollen wir niedersinken
Unter dem Palmenbaum
Und Lieb' und Ruhe trinken
Und träumen seligen Traum.

10.

Die Lotosblume ängstigt
Sich vor der Sonne Pracht,
Und mit gesenktem Haupte
Erwartet sie träumend die Nacht.

Der Mond, der ist ihr Buhle,
Er weckt sie mit seinem Licht,
Und ihm entschleiert sie freundlich
Ihr frommes Blumengesicht.

Sie blüht und glüht und leuchtet,
Und starret stumm in die Höh';
Sie duftet und weinet und zittert
Vor Liebe und Liebesweh.

11.

Im Rhein, im schönen Strome,
Da spiegelt sich in den Welln
Mit seinem großen Dome,
Das große, heilge Köln.

Im Dom, da steht ein Bildnis,
Auf goldnem Leder gemalt;
In meines Lebens Wildnis
Hat's freundlich hineingestrahlt.

Es schweben Blumen und Englein
Um unsre liebe Frau;
Die Augen, die Lippen, die Wänglein,
Die gleichen der Liebsten genau.

12.

Du liebst mich nicht, du liebst mich nicht,
Das kümmert mich gar wenig;
Schau' ich dir nur ins Angesicht,
So bin ich froh wie'n König.

Du hassest, hassest mich sogar,
So spricht dein rotes Mündchen;
Reich mir es nur zum Küssen dar,
So tröst' ich mich, mein Kindchen.

13.

O schwöre nicht und küsse nur,
Ich glaube keinem Weiberschwur!
Dein Wort ist süß, doch süßer ist
Der Kuß, den ich dir abgeküßt!
Den hab' ich, und dran glaub' ich auch,
Das Wort ist eitel Dunst und Hauch.

O schwöre, Liebchen, immerfort,
Ich glaube dir aufs bloße Wort!
An deinen Busen sink' ich hin,
Und glaube, daß ich selig bin;
Ich glaube, Liebchen, ewiglich
Und noch viel länger liebst du mich.

14.

Auf meiner Herzliebsten Äugelein
Mach' ich die schönsten Kanzonen.
Auf meiner Herzliebsten Mündlein klein,
Mach' ich die schönsten Terzinen.

Auf meiner Herzliebsten Wängelein
Mach' ich die herrlichsten Stanzen.
Und wenn meine Liebste ein Herzchen hätt',
Ich machte darauf ein hübsches Sonett.

15.

Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,
Wird täglich abgeschmackter!
Sie spricht von dir, mein schönes Kind:
Du hast keinen guten Charakter.

Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,
Und dich wird sie immer verkennen;
Sie weiß nicht, wie süß deine Küsse sind,
Und wie sie beseligend brennen.

16.

Liebste, sollst mir heute sagen:
Bist du nicht ein Traumgebild,
Wie's in schwülen Sommertagen
Aus dem Hirn des Dichters quillt?

Aber nein, ein solches Mündchen,
Solcher Augen Zauberlicht,
Solch ein liebes, süßes Kindchen,
Das erschafft der Dichter nicht.

Basilisken und Vampyre,
Lindenwürm' und Ungeheu'r,
Solche schlimme Fabeltiere,
Die erschafft des Dichters Feu'r.

Aber dich und deine Tücke,
Und dein holdes Angesicht,
Und die falschen frommen Blicke –
Das erschafft der Dichter nicht.

17.

Wie die Wellenschaumgeborene
Strahlt mein Lieb in Schönheitsglanz,
Denn sie ist das auserkorene
Bräutchen eines fremden Manns.

Herz, mein Herz, du vielgeduldiges,
Grolle nicht ob dem Verrat;
Trag' es, trag' es, und entschuldig' es
Was die holde Törin tat.

18.

Ich grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht,
Ewig verlornes Lieb! Ich grolle nicht.
Wie du auch strahlst in Diamantenpracht,
Es fällt kein Strahl in deines Herzens Nacht.

Das weiß ich längst. Ich sah dich ja im Traum,
Und sah die Nacht in deines Herzens Raum,
Und sah die Schlang', die dir am Herzen frißt,
Ich sah, mein Lieb, wie sehr du elend bist.

19.

Ja, du bist elend, und ich grolle nicht; –
Mein Lieb, wir sollen beide elend sein!
Bis uns der Tod das kranke Herze bricht,
Mein Lieb, wir sollen beide elend sein.

Wohl seh' ich Spott, der deinen Mund umschwebt,
Und seh' dein Auge blitzen trotziglich,
Und seh' den Stolz, der deinen Busen hebt, –
Und elend bist du doch, elend wie ich.

Unsichtbar zuckt auch Schmerz um deinen Mund,
Verborgne Träne trübt des Auges Schein,
Der stolze Busen hegt geheime Wund', –
Mein Lieb, wir sollen beide elend sein.

20.

Das ist ein Flöten und Geigen,
Trompeten schmettern drein;
Da tanzt den Hochzeitsreigen
Die Herzallerliebste mein.

Das ist ein Klingen und Dröhnen
Von Pauken und Schallmei'n;
Dazwischen schluchzen und stöhnen
Die guten Engelein.

21.

So hast du ganz und gar vergessen,
Daß ich so lang dein Herz besessen,
Dein Herzchen, so süß und so falsch und so klein,
Es kann nirgend was Süßres und Falscheres sein.

So hast du die Lieb' und das Leid vergessen,
Die das Herz mir täten zusammenpressen.
Ich weiß nicht, war Liebe größer als Leid?
Ich weiß nur, sie waren groß alle beid'!

22.

     Und wüßten's die Blumen, die kleinen,
     Wie tief verwundet mein Herz,
     Sie würden mit mir weinen
     Zu heilen meinen Schmerz.

     Und wüßten's die Nachtigallen,
     Wie ich so traurig und krank,
     Sie ließen fröhlich erschallen
     Erquickenden Gesang.

     Und wüßten sie meine Wehe,
     Die goldnen Sternelein,
     Sie kämen aus ihrer Höhe,
     Und sprächen Trost mir ein.

     Die alle können's nicht wissen,
     Nur eine kennt meinen Schmerz:
     Sie hat ja selbst zerrissen,
     Zerrissen mir das Herz.

23.

Warum sind denn die Rosen so blaß,
O sprich, mein Lieb, warum?
Warum sind denn im grünen Gras
Die blauen Veilchen so stumm?

Warum singt denn mit so kläglichem Laut
Die Lerche in der Luft?
Warum steigt denn aus dem Balsamkraut
Hervor ein Leichenduft?

Warum scheint denn die Sonn' auf die Au,
So kalt und verdrießlich herab?
Warum ist denn die Erde so grau
Und öde wie ein Grab?

Warum bin ich selbst so krank und so trüb,
Mein liebes Liebchen? sprich!
O sprich, mein herzallerliebstes Lieb,
Warum verließest du mich?

24.

     Sie haben dir viel erzählet
     Und haben viel geklagt;
     Doch was meine Seele gequälet,
     Das haben sie nicht gesagt.

     Sie machten ein großes Wesen
     Und schüttelten kläglich das Haupt;
     Sie nannten mich den Bösen,
     Und du hast alles geglaubt.

     Jedoch das Allerschlimmste,
     Das haben sie nicht gewußt;
     Das Schlimmste und das Dümmste,
     Das trug ich geheim in der Brust.

25.

Die Linde blühte, die Nachtigall sang,
Die Sonne lachte mit freundlicher Lust;
Da küßtest du mich, und dein Arm mich umschlang,
Da preßtest du mich an die schwellende Brust.

Die Blätter fielen, der Rabe schrie hohl,
Die Sonne grüßte verdrossenen Blicks;
Da sagten wir frostig einander: »Lebwohl!«
Da knixtest du höflich den höflichsten Knix.

26.

Wir haben viel für einander gefühlt,
Und dennoch uns gar vortrefflich vertragen.
Wir haben oft »Mann und Frau« gespielt,
Und dennoch uns nicht gerauft und geschlagen.
Wir haben zusammen gejauchzt und gescherzt,
Und zärtlich uns geküßt und geherzt.
Wir haben am Ende aus kindischer Lust
»Verstecken« gespielt in Wäldern und Gründen,
Und haben uns so zu verstecken gewußt,
Daß wir uns nimmermehr wiederfinden.

27.

     Du bliebest mir treu am längsten,
     Und hast dich für mich verwendet,
     Und hast mir Trost gespendet
     In meinen Nöten und Ängsten.

     Du gabest mir Trank und Speise,
     Und hast mir Geld geborget,
     Und hast mich mit Wäsche versorget,
     Und mit dem Paß für die Reise.

     Mein Liebchen, daß Gott dich behüte
     Noch lange vor Hitz' und vor Kälte,
     Und daß er dir nimmer vergelte
     Die mir erwiesene Güte!

28.

Die Erde war so lange geizig,
Da kam der Mai, und sie ward spendabel,
Und alles lacht und jauchzt und freut sich,
Ich aber bin nicht zu lachen kapabel.

Die Blumen sprießen, die Glöcklein schallen,
Die Vögel sprechen wie in der Fabel;
Mir aber will das Gespräch nicht gefallen,
Ich finde alles miserabel.

     Das Menschenvolk mich ennuyieret,
     Sogar der Freund, der sonst passabel; –
     Das kömmt, weil man »Madame« titulieret
     Mein süßes Liebchen, so süß und aimabel.

29.

Und als ich so lange, so lange gesäumt,
In fremden Landen geschwärmt und geträumt:
Da ward meiner Liebsten zu lang die Zeit,
Und sie nähete sich ein Hochzeitskleid,
Und hat mit zärtlichen Armen umschlungen
Als Bräut'gam den dümmsten der dummen Jungen.

Mein Liebchen ist so schön und mild,
Noch schwebt vor mir ihr süßes Bild;
Die Veilchenaugen, die Rosenwänglein,
Die glühen und blühen, jahraus, jahrein.
Daß ich von solchem Lieb' konnt' weichen,
War der dümmste von meinen dummen Streichen.

30.

     Die blauen Veilchen der Äugelein,
     Die roten Rosen der Wängelein,
     Die weißen Lilien der Händchen klein,
     Die blühen und blühen noch immerfort,
     Und nur das Herzchen ist verdorrt.

31.

Die Welt ist so schön und der Himmel so blau,
Und die Lüfte wehen so lind und so lau,
Und die Blumen winken auf blühender Au,
Und funkeln und glitzern im Morgentau,
Und die Menschen jubeln, wohin ich schau' –
Und doch möcht' ich im Grabe liegen,
Und mich an ein totes Liebchen schmiegen.

32.

Mein süßes Lieb, wenn du im Grab,
Im dunkeln Grab wirst liegen,
Dann will ich steigen zu dir hinab,
Und will mich an dich schmiegen.

Ich küsse, umschlinge und presse dich wild,
Du Stille, du Kalte, du Bleiche!
Ich jauchze, ich zittre, ich weine mild,
Ich werde selber zur Leiche.

Die Toten stehn auf, die Mitternacht ruft,
Sie tanzen im lustigen Schwarme:
Wir beide bleiben in der Gruft,
Ich liege in deinem Arme.

Die Toten stehn auf, der Tag des Gerichts
Ruft sie zu Qual und Vergnügen;
Wir beide bekümmern uns um nichts,
Und bleiben ruhig liegen.

33.

     Ein Fichtenbaum steht einsam
     Im Norden auf kahler Höh'.
     Ihn schläfert: mit weißer Decke
     Umhüllen ihn Eis und Schnee.

     Er träumt von einer Palme,
     Die fern im Morgenland
     Einsam und schweigend trauert
     Auf brennender Felsenwand.

34.

                     (Der Kopf spricht.)

Ach, wenn ich nur der Schemel wär',
Worauf der Liebsten Füße ruhn!
Und stampfte sie mich noch so sehr,
Ich wollte doch nicht klagen tun.

                     (Das Herz spricht.)

Ach, wenn ich nur das Kißchen wär',
Wo sie die Nadeln steckt hinein!
Und stäche sie mich noch so sehr,
Ich wollte mich der Stiche freun.

                     (Das Lied spricht.)

Ach, wär ich nur das Stück Papier,
Das sie als Papillotte braucht!
Ich wollte heimlich flüstern ihr
Ins Ohr, was in mir lebt und haucht.

35.

Seit die Liebste war entfernt,
Hatt' ich's Lachen ganz verlernt.
Schlechten Witz riß mancher Wicht,
Aber lachen konnt' ich nicht.

Seit ich sie verloren hab',
Schafft' ich auch das Weinen ab;
Fast vor Weh das Herz mir bricht,
Aber weinen kann ich nicht.

36.

     Aus meinen großen Schmerzen
     Mach' ich die kleinen Lieder;
     Die heben ihr klingend Gefieder
     Und flattern nach ihrem Herzen.

     Sie fanden den Weg zur Trauten,
     Doch kommen sie wieder und klagen,
     Und klagen und wollen nicht sagen,
     Was sie im Herzen schauten.

37.

     Philister in Sonntagsröcklein
     Spazieren durch Wald und Flur;
     Sie jauchzen, sie hüpfen wie Böcklein,
     Begrüßen die schöne Natur.

Betrachten mit blinzelnden Augen,
Wie alles romantisch blüht;
Mit langen Ohren saugen
Sie ein der Spatzen Lied.

Ich aber verhänge die Fenster
Des Zimmers mit schwarzem Tuch;
Es machen mir meine Gespenster
Sogar einen Tagesbesuch.

Die alte Liebe erscheinet,
Sie stieg aus dem Totenreich;
Sie setzt sich zu mir und weinet,
Und macht das Herz mir weich.

38.

Manch Bild vergessener Zeiten
Steigt auf aus seinem Grab,
Und zeigt, wie in deiner Nähe
Ich einst gelebet hab'.

Am Tage schwankte ich träumend
Durch alle Gassen herum,
Die Leute verwundert mich ansahn,
Ich war so traurig und stumm.

Des Nachts, da war es besser,
Da waren die Straßen leer;
Ich und mein Schatten selbander,
Wir wandelten schweigend einher.

Mit widerhallendem Fußtritt
Wandelt' ich über die Brück';
Der Mond brach aus den Wolken
Und grüßte mit ernstem Blick.

Stehn blieb ich vor deinem Hause
Und starrte in die Höh',
Und starrte nach deinem Fenster, –
Das Herz tat mir so weh.

     Ich weiß, du hast aus dem Fenster
Gar oft herabgesehn,
Und sahst mich im Mondenlichte
Wie eine Säule stehn.

39.

     Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat einen andern erwählt;
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermählt.

     Das Mädchen heiratet aus Ärger
Den ersten besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der Jüngling ist übel dran.

     Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.

40.

     Hör' ich das Liedchen klingen,
Das einst die Liebste sang,
So will mir die Brust zerspringen
Vor wildem Schmerzensdrang.

     Es treibt mich ein dunkles Sehnen
Hinauf zur Waldeshöh',
Dort löst sich auf in Tränen
Mein übergroßes Weh.

41.

     Mir träumte von einem Königskind,
Mit nassen, blassen Wangen;
Wir saßen unter der grünen Lind',
Und hielten uns liebumfangen.

     »Ich will nicht deines Vaters Thron,
Und will nicht sein Zepter von Golde,
Ich will nicht seine demantene Kron',
Ich will dich selber, du Holde.«

     »Das kann nicht sein,« sprach sie zu mir,
»Ich liege ja im Grabe,
Und nur des Nachts komm' ich zu dir,
Weil ich so lieb dich habe.«

42.

     Mein Liebchen, wir saßen beisammen
Traulich im leichten Kahn.
Die Nacht war still, und wir schwammen
Auf weiter Wasserbahn.

     Die Geister-Insel, die schöne,
Lag dämmrig im Mondenglanz;
Dort klangen liebe Töne,
Und wogte der Nebeltanz.

     Dort klang es lieb und lieber,
Und wogt' es hin und her;
Wir aber schwammen vorüber
Trostlos auf weitem Meer.

43.

     Aus alten Märchen winkt es
Hervor mit weißer Hand,
Da singt es und da klingt es
Von einem Zauberland,

     Wo große Blumen schmachten
Im goldnen Abendlicht,
Und zärtlich sich betrachten
Mit bräutlichem Gesicht; –

     Wo alle Bäume sprechen,
Und singen, wie ein Chor,
Und laute Quellen brechen
Wie Tanzmusik hervor; –

     Und Liebesweisen tönen,
Wie du sie nie gehört,
Bis wundersüßes Sehnen
Dich wundersüß betört!

     Ach, könnt ich dorthin kommen,
Und dort mein Herz erfreun,
Und aller Qual entronnen,
Und frei und selig sein!

     Ach! jenes Land der Wonne,
Das seh' ich oft im Traum;
Doch, kommt die Morgensonne,
Zerfließt's wie eitel Schaum.

44.

     Ich hab' dich geliebet und liebe dich noch!
Und fiele die Welt zusammen,
Aus ihren Trümmern stiegen doch
Hervor meiner Liebe Flammen.

45.

     Am leuchtenden Sommermorgen
Geh' ich im Garten herum.
Es flüstern und sprechen die Blumen,
Ich aber, ich wandle stumm.

     Es flüstern und sprechen die Blumen,
Und schaun mitleidig mich an:
»Sei unserer Schwester nicht böse,
Du trauriger, blasser Mann!«

46.

     Es leuchtet meine Liebe
In ihrer dunkeln Pracht,
Wie'n Märchen, traurig und trübe,
Erzählt in der Sommernacht.

     Im Zaubergarten wallen
Zwei Buhlen, stumm und allein;
Es singen die Nachtigallen,
Es flimmert der Mondenschein.

     Die Jungfrau steht still wie ein Bildnis,
Der Ritter vor ihr kniet.
Da kommt der Riese der Wildnis,
Die bange Jungfrau flieht.

     Der Ritter sinkt blutend zur Erde,
Es stolpert der Riese nach Haus –
Wenn ich begraben werde,
Dann ist das Märchen aus.

47.

     Sie haben mich gequälet,
Geärgert blau und blaß,
Die einen mit ihrer Liebe,
Die andern mit ihrem Haß.

     Sie haben das Brot mir vergiftet,
Sie gossen mir Gift ins Glas,
Die einen mit ihrer Liebe,
Die andern mit ihrem Haß.

     Doch sie, die mich am meisten
Gequält, geärgert, betrübt,
Die hat mich nie gehasset,
Und hat mich nie geliebt.

48.

     Es liegt der heiße Sommer
Auf deinen Wängelein;
Es liegt der Winter, der kalte,
In deinem Herzchen klein.

     Das wird sich bei dir ändern,
Du Vielgeliebte mein!
Der Winter wird auf den Wangen,
Der Sommer im Herzen sein.

49.

     Wenn zwei von einander scheiden,
So geben sie sich die Händ',
Und fangen an zu weinen,
Und seufzen ohne End'.

Wir haben nicht geweinet,
Wir seufzten nicht »Weh« und »Ach«.
Die Tränen und die Seufzer,
Die kamen hintennach.

50.

     Sie aßen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren, die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.

     »Die Liebe muß sein platonisch,«
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: »Ach!«

     Der Domherr öffnet den Mund weit:
»Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.«
Das Fräulein lispelt: »Wie so?«

     Die Gräfin spricht wehmütig:
»Die Liebe ist eine Passion!«
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herrn Baron.

     Am Tische war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.

51.

     Vergiftet sind meine Lieder –
Wie könnt' es anders sein?
Du hast mir ja Gift gegossen
Ins blühende Leben hinein.

     Vergiftet sind meine Lieder –
Wie könnt' es anders sein?
Ich trage im Herzen viel Schlangen,
Und dich, Geliebte mein.

52.

     Mir träumte wieder der alte Traum:
Es war eine Nacht im Maie,
Wir saßen unter dem Lindenbaum,
Und schwuren uns ewige Treue.

     Das war ein Schwören und Schwören aufs neu',
Ein Kichern, ein Kosen, ein Küssen;
Daß ich gedenk des Schwures sei,
Hast du in die Hand mich gebissen.

     O Liebchen mit den Äuglein klar!
O Liebchen, schön und bissig!
Das Schwören in der Ordnung war,
Das Beißen war überflüssig.

53.

     Ich steh auf des Berges Spitze,
Und werde sentimental.
Wenn ich ein Vöglein wäre!
Seufz' ich viel' tausendmal.

     Wenn ich eine Schwalbe wäre,
So flög' ich zu dir, mein Kind,
Und baute mir mein Nestchen,
Wo deine Fenster sind.

     Wenn ich ein' Nachtigall wäre,
So flög' ich zu dir, mein Kind,
Und sänge dir nachts meine Lieder
Herab von der grünen Lind'.

     Wenn ich ein Gimpel wäre
So flög' ich gleich an dein Herz;
Du bist ja hold den Gimpeln,
Und heilest Gimpelschmerz.

54.

     Mein Wagen rollet langsam
Durch lustiges Waldesgrün,
Durch blumige Täler, die zaubrisch
Im Sonnenglanze blühn.

     Ich sitze und sinne und träume,
Und denk' an die Liebste mein;
Da grüßen drei Schattengestalten
Kopfnickend zum Wagen herein.

     Sie hüpfen und schneiden Gesichter,
So spöttisch und doch so scheu,
Und quirlen wie Nebel zusammen,
Und kichern und huschen vorbei.

55.

Ich hab' im Traum geweinet,
Mir träumte, du lägest im Grab.
Ich wachte auf, und die Träne
Floß noch von der Wange herab.

Ich hab' im Traum geweinet,
Mir träumt', du verließest mich.
Ich wachte auf, und ich weinte
Noch lange bitterlich.

Ich hab' im Traum geweinet,
Mir träumte, du bliebest mir gut.
Ich wachte auf, und noch immer
Strömt meine Tränenflut.

56.

Allnächtlich im Traume seh' ich dich,
Und sehe dich freundlich grüßen,
Und laut aufweinend stürz' ich mich
Zu deinen süßen Füßen.

Du siehst mich an wehmütiglich,
Und schüttelst das blonde Köpfchen;
Aus deinen Augen schleichen sich
Die Perlentränentröpfchen.

Du sagst mir heimlich ein leises Wort,
Und gibst mir den Strauß von Zypressen.
Ich wache auf, und der Strauß ist fort,
Und das Wort hab' ich vergessen.

57.

Das ist ein Brausen und Heulen,
Herbstnacht und Regen und Wind;
Wo mag wohl jetzo weilen
Mein armes, banges Kind?

Ich seh' sie am Fenster lehnen
Im einsamen Kämmerlein;
Das Auge gefüllt mit Tränen,
Starrt sie in die Nacht hinein.

58.

Der Herbstwind rüttelt die Bäume,
Die Nacht ist feucht und kalt;
Gehüllt im grauen Mantel,
Reite ich einsam im Wald.

Und wie ich reite, so reiten
Mir die Gedanken voraus;
Sie tragen mich leicht und luftig
Nach meiner Liebsten Haus.

Die Hunde bellen, die Diener
Erscheinen mit Kerzengeflirr;
Die Wendeltreppe stürm' ich
Hinauf mit Sporengeklirr.

Im leuchtenden Teppichgemache
Da ist es so duftig und warm,
Da harret meiner die Holde –
Ich fliege in ihren Arm.

Es säuselt der Wind in den Blättern,
Es spricht der Eichenbaum:
»Was willst du, törichter Reiter,
Mit deinem törichten Traum?«

59.

Es fällt ein Stern herunter
Aus seiner funkelnden Höh'!
Das ist der Stern der Liebe,
Den ich dort fallen seh'!

Es fallen vom Apfelbaume
Der Blüten und Blätter viel'.
Es kommen die neckenden Lüfte
Und treiben damit ihr Spiel.

Es singt der Schwan im Weiher,
Und rudert auf und ab,
Und immer leiser singend
Taucht er ins Flutengrab.

Es ist so still und dunkel!
Verweht ist Blatt und Blüt',
Der Stern ist knisternd zerstoben,
Verklungen das Schwanenlied.

60.

Der Traumgott bracht' mich in ein Riesenschloß,
Wo schwüler Zauberduft und Lichterschimmer,
Und bunte Menschenwoge sich ergoß
Durch labyrinthisch vielverschlungne Zimmer.
Die Ausgangspforte sucht der bleiche Troß
Mit Händeringen und mit Angstgewimmer.
Jungfraun und Ritter ragen aus der Menge,
Ich selbst bin fortgezogen im Gedränge.

Doch plötzlich steh' ich ganz allein, und seh',
Und staun', wie schnell die Menge konnt' verschwinden,
Und wandre fort allein, und eil', und geh'
Durch die Gemächer, die sich seltsam winden.
Mein Fuß wird Blei, im Herzen Angst und Weh,
Verzweifl' ich fast den Ausgang je zu finden.
Doch komm' ich endlich an das letzte Tor;
Ich will hinaus – o Gott, wer steht davor!

Es war die Liebste, die am Tore stand,
Schmerz um die Lippen, Sorge auf der Stirne.
Ich soll zurückgehn, winkt sie mit der Hand;
Ich weiß nicht, ob sie warne oder zürne.
Doch aus den Augen bricht ein süßer Brand,
Der mir durchzuckt das Herz und das Gehirne.
Wie sie mich ansah, streng und wunderlich,
Und doch so liebevoll, erwachte ich.

61.

Die Mitternacht war kalt und stumm;
Ich irrte klagend im Walde herum.
Ich habe die Bäum' aus dem Schlaf gerüttelt;
Sie haben mitleidig die Köpfe geschüttelt.

62.

Am Kreuzweg wird begraben,
Wer selber sich brachte um;
Dort wächst eine blaue Blume,
Die Armesünderblum'.

Am Kreuzweg stand ich und seufzte:
Die Nacht war kalt und stumm.
Im Mondschein bewegte sich langsam
Die Armesünderblum'.

63.

Wo ich bin, mich rings umdunkelt
Finsternis, so dumpf und dicht,
Seit mir nicht mehr leuchtend funkelt,
Liebste, deiner Augen Licht.

Mir erloschen ist der süßen
Liebessterne goldne Pracht,
Abgrund gähnt zu meinen Füßen –
Nimm mich auf, uralte Nacht!

64.

Nacht lag auf meinen Augen,
Blei lag auf meinem Mund,
Mit starrem Hirn und Herzen
Lag ich im Grabesgrund.

Wie lang' kann ich nicht sagen,
Daß ich geschlafen hab',
Ich wachte auf und hörte,
Wie's pochte an mein Grab.

»Willst du nicht aufstehn, Heinrich?
Der ew'ge Tag bricht an;
Die Toten sind erstanden,
Die ew'ge Lust begann.«

Mein Lieb, ich kann nicht aufstehn,
Bin ja noch immer blind;
Durch Weinen meine Augen
Gänzlich erloschen sind.

»Ich will dir küssen, Heinrich,
Vom Auge fort die Nacht;
Die Engel sollst du schauen,
Und auch des Himmels Pracht.«

Mein Lieb, ich kann nicht aufstehn,
Noch blutet's immerfort,
Wo du ins Herz mich stachest
Mit einem spitz'gen Wort.

»Ganz leise leg' ich, Heinrich,
Dir meine Hand aufs Herz;
Dann wird es nicht mehr bluten,
Geheilt ist all sein Schmerz.«

Mein Lieb, ich kann nicht aufstehn,
Es blutet auch mein Haupt;
Hab' ja hineingeschossen,
Als du mir wurdest geraubt.

»Mit meinen Locken, Heinrich,
Stopf ich des Hauptes Wund',
Und dräng' zurück den Blutstrom
Und mache dein Haupt gesund.«

Es bat so sanft, so lieblich,
Ich konnt' nicht widerstehn;
Ich wollte mich erheben
Und zu der Liebsten gehn.

Da brachen auf die Wunden,
Da stürzt' mit wilder Macht
Aus Kopf und Brust der Blutstrom,
Und sieh! – ich bin erwacht.

65.

Die alten bösen Lieder,
Die Träume schlimm und arg,
Die laßt uns jetzt begraben;
Holt einen großen Sarg.

Hinein leg' ich gar manches,
Doch sag' ich noch nicht, was;
Der Sarg muß sein noch größer,
Wie's Heidelberger Faß.

Und holt eine Totenbahre,
Von Brettern fest und dick;
Auch muß sie sein noch länger,
Als wie zu Mainz die Brück'.

Und holt mir auch zwölf Riesen,
Die müssen noch stärker sein
Als wie der heil'ge Christoph
Im Dom zu Köln am Rhein.

Sie sollen den Sarg forttragen
Und senken ins Meer hinab;
Denn solchem großen Sarge
Gebührt ein großes Grab.

Wißt ihr, warum der Sarg wohl
So groß und schwer mag sein?
Ich legt' auch meine Liebe
Und meinen Schmerz hinein.

Tragödie

1.

Entflieh mit mir und sei mein Weib
Und ruh an meinem Herzen aus;
Fern in der Fremde sei mein Herz
Dein Vaterland und Vaterhaus.

Gehst du nicht mit, so sterb' ich hier,
Und du bist einsam und allein;
Und bleibst du auch im Vaterhaus,
Wirst doch wie in der Fremde sein.

2.

Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht,
Er fiel auf die zarten Blaublümelein,
Sie sind verwelket, verdorret.

Ein Jüngling hatte ein Mädchen lieb,
Sie flohen heimlich vom Hause fort,
Es wußt' weder Vater noch Mutter.

Sie sind gewandert hin und her,
Sie haben gehabt weder Glück noch Stern,
Sie sind verdorben, gestorben.

3.

Auf ihrem Grab da steht eine Linde,
Drin pfeifen die Vögel und Abendwinde,
Und drunter sitzt auf dem grünen Platz
Der Müllersknecht mit seinem Schatz.

Die Winde wehen so lind und so schaurig,
Die Vögel die singen so süß und so traurig,
Die schwatzenden Buhlen die werden stumm,
Sie weinen und wissen selbst nicht, warum.


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