Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Friedrich Hebbel

1813–1863

Liebeslieder

Friedrich Hebbel

den dürftigsten Verhältnissen entstammend, wurde am 18. März 1813 zu Wesselburen geboren. Er verlebte eine Jugendzeit voller Entbehrungen. Sein erstes Drama »Judith« vollendete er 1840 und wurde in Hamburg und Berlin zur Aufführung gebracht. Heiratete 1846 in Wien die Schauspielerin Christine Enghaus. Starb daselbst am 13. Dezember 1863.

Ich und du

Wir träumten voneinander
     Und sind davon erwacht,
Wir leben, um uns zu lieben,
     Und sinken zurück in die Nacht.

Du tratst aus meinem Traume,
     Aus deinem trat ich hervor,
Wir sterben, wenn sich eines
     Im andern ganz verlor.

Auf einer Lilie zittern
     Zwei Tropfen, rein und rund,
Zerfließen in eins und rollen
     Hinab in des Kelches Grund.

Tändelei

Ich schaute dir ins Auge schnell,
     Du blicktest gar zu mild,
Und lieblich sah ich, klar und hell,
     Darin mein eignes Bild.

In eine wunderbare Flut
     Von Farben war's getaucht,
Von Licht und Glanz die Zauberglut
     Darüber hingehaucht.

Da wurde dir das Auge feucht,
     Und perlenklar und rein
Trat eine Träne, schnell erzeugt,
     Licht in das Licht, hinein.

Mein Bild, als wär's mit Flut und Wind,
     Es kämpfte frei und frank
Mit deiner Träne, bis es lind
     In ihrem Schoß versank.

So dir im Auge, wundersam,
     Sah ich mich selbst entstehn,
Und als die stille Träne kam,
     Noch schöner mich vergehn.

Liebeszauber

Schwül wird diese Nacht. Am Himmelsbogen
     Ziehn die Wolken dichter sich zusammen,
     Breit begrenzt von Wetterleuchtens Flammen
Und von roten Blitzen scharf durchzogen.

Alles Leben ist in sich verschlossen,
     Kaum nur, daß ich mühsam Atem hole;
     Selbst im Beete dort die Nachtviole
Hat den süßen Duft noch nicht ergossen.

Jedes Auge wär' schon zugefallen,
     Doch die Herzen sind voll Angst und zittern
     Vor den zwei sich kreuzenden Gewittern,
Deren Donnergrüße bald erschallen.

Jene Alte schleppt sich zur Kapelle,
     Doch sie wird den Heil'gen nicht erblicken,
     Eh' die Wolken ihre Blitze schicken,
Betend kauert sie sich auf der Schwelle.

Ist das nicht des Liebchens taube Muhme?
     Ja! So will ich hier nicht länger weilen,
     Will zu ihr, zu ihrem Fenster eilen
Und dort lauschen, statt am Heiligtume.

Weiß ich's denn? Kann nicht ein Blitz da zünden?
     Kann ich, wenn ich aus der Glut sie rette,
     Nicht – o daß er schon gezündet hätte! –
Ihr mein süß Geheimnis endlich künden?

Sieh, da bin ich schon! Beim Lampenlichte
     Sitzt sie, in die weiße Hand das Köpfchen
     Stützend, mit noch aufgeflochtnen Zöpfchen,
Stillen Schmerz im blassen Angesichte.

Horch, der erste Donnerschlag! Es krachen
     Tür und Tor! Sie scheint es nicht zu hören!
     Wessen denkt sie? Wüßt' ich's, würd' ich schwören:
Heut noch will ich den Garaus ihm machen.

Sie erhebt sich. Willst du dich entkleiden?
     Gute Nacht! Warum? Zur rechten Stunde
     Löscht sie selbst das Licht und gibt dir Kunde:
Mehr ist nicht erlaubt! Dann magst du scheiden!

Was? Sie knüpft ein Tuch um ihre Locken?
     Hüllt sich in der Muhme alten Mantel?
     Ist sie – oder stach mich die Tarantel?
Wird sie – Die Besinnung will mir stocken!

Ja, schon knarrt die Tür. Da kommt sie. Nimmer
     Würd' ich selbst sie, so vermummt, erkennen,
     Hätt' ich nicht – die Lampe läßt man brennen,
Daß es scheint, man sei im frommen Zimmer.

Rasch an mir vorbei! Sie ist, wie alle!
     Folg' ich ihr? Ja freilich! Um zu schauen,
     Ob man ihr mit braunen oder blauen
Augen – schwarze hab' ich selbst – gefalle.

Waldhornklänge aus dem Jägerhäuschen!
     Beim Gewitter? O, das ist ein Zeichen!
     So ist das der Jüngling sondergleichen?
Wohl! Doch nächstens pflücken wir ein Sträußchen.

Und weshalb? Hat sie dir was versprochen?
     Nein! Und dennoch muß ich sie verklagen,
     Daß sie, ja, so darf, so darf ich sagen,
Einen stillen Bund mit mir gebrochen.

Weiter! Weiter? So vergib, Geliebte!
     Doch wohin? Hier zieht der Wald sich düster,
     Und dort wohnt die Alte an der Rüster,
Die in mancher dunklen Kunst geübte.

Gilt es der? Halt ein! Dein Herz muß klopfen!
     Rastlos donnert's ja, zur Feuergarbe
     Schwillt der Blitz, blutrot wird seine Farbe,
Und noch immer fällt kein milder Tropfen.

Fort! Und fort! Und unter falschen Bäumen,
     Die der Blitz – – Ihr näher! daß sie keiner
     Treffen kann, der mich verschont, nicht einer!
Schritt auf Schritt ihr nach! Wer würde säumen!

Ist sie nun am Ziel? Da ist die Hütte!
     Ja, sie pocht. Man öffnet ihr. Ich spähe
     Durch den Ritz. Wer weiß, was ihr geschähe,
Wenn ich nicht – – ein Kreis! Sie in der Mitte!

Wie sie da steht, fast zum Schnee erbleichend,
     Und die Alte, in der Ecke kauernd,
     Dreht ein Bild aus Wachs. Sie sieht es schauernd.
Jetzt spricht die zu ihr, das Bild ihr reichend:

»Zieh' dir nun die Nadel aus den Haaren,
     Rufe den Geliebten laut und deutlich
     Und durchstich dies Bild, dann wirst du bräutlich
Ihn umfangen und ihn dir bewahren.«

Schweigt, ihr Donner! Prassle noch nicht, Regen,
     Daß ich noch den einen Laut vernehme,
     Ob er auch des Herzens Schlag mir lähme
Und der Pulse feuriges Bewegen!

Wie sie zögert! Wie sie mit Erröten
     In die Locken greift und eine Nadel
     Auszieht auf der Alten stummen Tadel
Und noch säumt, als gälte es, zu töten!

Endlich zückt sie die, und – meine Sinne
     Reißen! – ruft – hinein! Zu ihren Füßen! – –
     Ruft mich selbst mit Worten, stammelnd-süßen,
Als den Einen, den sie heimlich minne! – –

Und dem Zagen kommt der Mut, behende
     Weicht die Tür. »Wer durfte sich erfrechen«,
     Ruft die Alte, »und den Zauber brechen?« –
»Ohne Furcht! Hier kommt nur, der ihn ende!«

Sie entweicht mit holden Schamgebärden;
     Da umschließt er sie, und Glut und Sehnen
     Löst bei beiden sich in linden Tränen,
Die der Mensch nur einmal weint auf Erden.

Und so stehn sie, wechseln keine Küsse,
     Still gesättigt und in sich versunken,
     Schon berauscht, bevor sie noch getrunken,
In der Ahnung dämmernder Genüsse.

Und auch draußen löst sich jetzt die Schwüle,
     Die zerrissnen Wolken, regenschwanger,
     Schütten ihn herab auf Hain und Anger,
Und hinein zur Hütte dringt die Kühle.

Als nun auch der Regen ausgewütet,
     Wallen sie, die Alte gern verlassend,
     Kinderfromm sich an den Händen fassend,
Wieder heim, von Engeln still behütet.

Als sie aber scheiden will, da ziehen
     Glühendheiß die Nachtviolendüfte
     An ihm hin im sanften Spiel der Lüfte,
Und nun küßt er sie noch im Entfliehn.

Die Unschuld

Sie ist nicht, daß sie ewig lebe,
     Sie soll nur einen Tod erwerben,
Der sie mit Glorie umgebe,
     Drum muß sie an der Liebe sterben!


 << zurück weiter >>