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Georg Herwegh

1817-1875

Georg Herwegh

der Sohn eines Gastwirtes, wurde am 31. Mai 1817 in Stuttgart geboren. Er studierte in Tübingen Theologie. Seine Gedichtsammlung »Gedichte eines Lebendigen« erschien im Frühjahr 1841. Sie erzielten einen großen Erfolg und wurden in kurzer Zeit in fünf Auflagen verausgabt. Beteiligte sich 1848 am Badischen Aufstande und mußte nach der Schweiz flüchten. Kehrte 1866, nach Erlaß der Amnestie nach Baden-Baden zurück und starb daselbst am 7. April 1875.

Zwei Lieder

I.

Die Liebe ist ein Edelstein,
Sie brennt jahraus, sie brennt jahrein,
Und kann sich nicht verzehren;
Sie brennt, so lang noch Himmelslicht
In eines Menschen Aug' sich bricht,
Um drin sich zu verklären.

Und Liebe hat der Sterne Macht,
Kreist siegend über Tod und Nacht,
Kein Sturm, der sie vertriebe!
Und blitzt der Haß die Welt entlang,
Sie wandelt sicher den alten Gang,
Hoch über den Wolken, die Liebe!

II.

So sprach zum Tropfen Tau die Welle:
»Komm, folge mir auf meiner Bahn!
Ich will dich tragen, wandre schnelle
Mit mir hinab zum Ozean.«

So sprach der Tau: »Dank für die Ehre!
Mir ist viel wohler hier allein –
Soll ich ein Tropfen in dem Meere
Von Millionen Tropfen sein?

Zieh hin, in Bitterkeit zu enden!
Ich sterb' in einer Blume Schoß,
Die heute in geliebten Händen
Verwelken darf – o selig Los!

Lock' mich nicht über diese Schwelle!
Hier ist mein Glück, denn Glück ist Ruh'.«
Und weiter klatschend floß die Welle
Dem Meere der Vernichtung zu.

An Emma

Komm, mein Mädchen, in die Berge,
Wo der Himmel tiefer blaut
Und das stille Volk der Zwerge
Uns kristallne Schlösser baut.
Wo der Liebe morgenhellen
Traum kein Schleicherohr belauscht,
Und Triumph von tausend Quellen
Der vereinte Donner rauscht.

Wie entfremdet ist die Erde,
Wie entweiht ihr Element,
Seit der Mensch mit Angstgebärde
Nur nach Schattenbildern rennt.
Wieviel Staub auf allen Wegen
Wühlt er auf zu seiner Ruh' –
Komm, auf unbetretnen Stegen
Führ' ich dich den Sternen zu.

Komm, wo kaum der Gemse Spuren
Reinstem Schnee sind eingedrückt
Und das Reich der Kreaturen
Lebt, in erster Lust beglückt.
Dort, das Silberhaupt in Ehren,
Sieh den Gletscher, welch' ein Mann,
Den ein Sonnenblick verklären,
Aber nicht mehr schmelzen kann!

Komm, wo dir der Staub die Locken
Aus der heißen Wange streicht,
Kaum der dumpfe Klang der Glocken
Und kein Glauben dich erreicht.
Während er im Tale zittert,
Losgebundner Knechte Schwarm,
Ruhen wir, wenn's hochgewittert,
Freudetrunken Arm in Arm.

Komm, mein Mädchen, laß dich fassen,
Tragen zu des Adlers Nest;
Menschen lieben, Menschen hassen,
Und wer bliebe felsenfest?
Was sie beten, was sie fluchen,
Ach, ich konnt' es nie verstehen –
Blumen laß uns, Blumen suchen:
Mädchen, willst du mit mir gehn?

Antwort

Zu dem Meere, zu dem Meere
Folge mir, Geliebter, nach;
Über ihm steht noch der hehre
Unentweihte Schöpfungstag.
Uns zum Haupt ein Meer von Sternen,
Unter uns die heil'ge Flut,
Um uns eine Welt von Fernen,
In uns eine Welt voll Glut.

Tausend Wellenaugen blicken
Glückberauscht ob unserm Bund,
Und die lust'gen Algen winken
Uns zum stillen Pflanzengrund.
Hör' den Riesensturm der Töne,
O, wie lieb' ich ihn so sehr!
Bild der Jugend, Bild der Schöne,
Ew'ger Anmut Bild, das Meer.

Daß ich dich im Arme hielte
Eine einz'ge kleine Stund',
Deinen warmen Herzschlag fühlte,
Einen Hauch von deinem Mund –
Fürchten wollt ich nicht die Wellen,
Die im Sturm manch Schiff zerschellt:
Sprich, sind wir nicht auch Rebellen
Gegen eine Sklavenwelt?


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