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Joh. Christ. Fr. Hölderlin

1770-1843

Liebeslieder

Joh. Christ. Fr. Hölderlin

wurde in Lauffen am 20. März 1770 geboren. Von der Mutter zum Pfarrer bestimmt, bezog er zuletzt das Tübinger Stift. Obwohl das Studium nicht seinem Empfinden entsprach, blieb er aus Rücksicht auf seine Mutter dabei. Durch eine Empfehlung Schillers kam er als Hofmeister zu Frau von Kalb. Verließ 1794 seine Stellung, um sich in Jena, in der Nähe von Goethe und Schiller aufzuhalten. Er widmete sich nun seinen philosophischen Studien, da er die Absicht trug, die Professorenlaufbahn einzuschlagen. Auf das Drängen seiner Mutter kehrte er nach Nürtingen zurück, konnte sich aber nicht mehr heimisch fühlen und übernahm eine Hofmeisterstelle in Frankfurt a. M. Eine leidenschaftliche Liebe zu der geistvollen Frau Gontard erweckte in ihm seine volle Reife als Dichter. Die Kränkungen des Mannes veranlaßten ihn, 1798 das Haus zu verlassen. Nach mancherlei Reisen kehrte er 1802 zu seiner Mutter zurück, kränklich und geistig gebrochen. Sein Zustand verschlimmerte sich, und man mußte ihn in einer Anstalt in Stuttgart unterbringen. Lebte, nachdem eine Besserung eingetreten, in Tübingen, wo er am 7. Juni 1843 starb.

Hymne an die Liebe

     Froh der süßen Augenweide,
Wallen wir auf grüner Flur;
Unser Priestertum ist Freude,
Unser Tempel die Natur; –
Heut soll kein Auge trübe,
Sorge nicht hienieden sein!
Jedes Wesen soll der Liebe
Frei und froh, wie wir, sich freun!

     Höhnt im Stolze, Schwestern, Brüder!
Höhnt der scheuen Knechte Tand!
Jubelt kühn das Lied der Lieder,
Festgeschlungen Hand in Hand!
Steigt hinauf am Rebenhügel,
Blickt hinab ins weite Tal!
Überall der Liebe Flügel,
Hold und herrlich überall!

     Liebe bringt zu jungen Rosen
Morgentau von hoher Luft,
Lehrt die warmen Lüfte kosen
In der Maienblume Duft;
Um die Orione leitet
Sie die treuen Erden her,
Folgsam ihrem Winke gleitet
Jeder Strom ins weite Meer.

     An die wilden Berge reihet
Sie die sanften Täler an,
Die entbrannte Sonn' erfreuet
Sie im stillen Ozean;
Siehe! mit der Erde gattet
Sich des Himmels heil'ge Lust,
Von den Wettern überschattet,
Bebt entzückt der Mutter Brust.

     Liebe wallt durch Ozeane,
Höhnt der dürren Wüste Sand,
Blutet an der Siegesfahne
Jauchzend für das Vaterland;
Liebe trümmert Felsen nieder,
Zaubert Paradiese hin –
Lächelnd kehrt die Unschuld wieder,
Göttlichere Lenze blühn.

     Mächtig durch die Liebe winden
Von der Fessel wir uns los,
Und die trunknen Geister schwinden
Zu den Sternen frei und groß!
Unter Schwur und Kuß vergessen
Wir die träge Flut der Zeit,
Und die Seele naht vermessen
Deiner Lust, Unendlichkeit!

Am Abend

Geh unter, schöne Sonne, sie achteten
Nur wenig dein, sie kannten dich, heil'ge, nicht,
Denn mühelos und stille bist du
Über den Mühsamen aufgegangen.

Mir gehst du freundlich unter und auf, o Licht,
Und wohl erkennt mein Auge dich, herrliches!
Denn göttlich stille ehren lernt ich,
Da Diotima den Sinn mir heilte.

O du des Himmels Botin, wie lauscht ich dir,
Dir, Diotima! Liebe, wie sah von dir
Zum goldnen Tage dieses Auge
Staunend und dankend empor. Da rauschten

Lebendiger die Quellen, es atmeten
Der dunkeln Erde Blüten mich liebend an,
Und lächelnd über Silberwolken
Neigte sich segnend herab der Äther.

Nachruf

Wohl geh' ich täglich andere Pfade, bald
Ins Grün im Walde, bald zu der Quelle Bad,
     Zum Felsen, wo die Rosen blühen,
     Blicke vom Hügel ins Land; doch nirgend,

Du Holde, nirgend find' ich im Lichte dich,
Und in die Lüfte schwinden die Worte mir,
     Die frommen, die bei dir ich ehmals ...

Ja, ferne bist du, seliges Angesicht!
Und deines Lebens Wohllaut verhallt von mir
     Nicht mehr belauscht, und ach! wo seid ihr
     Zaubergesänge, die einst das Herz mir

Besänftiget mit Ruhe der Himmlischen?
Wie lang ist's! o wie lange! der Jüngling ist
     Gealtert, selbst die Erde, die mir
     Damals gelächelt, ist anders worden.

O lebe wohl! es scheidet und kehrt zu dir
Die Seele jeden Tag, und es weinet um dich
     Das Auge, daß es heller wieder
     Dort, wo du säumest, hinüberblicke.

An Luise Nast

Laß sie drohen die Stürme, die Leiden
Laß trennen – der Trennung Jahre,
Sie trennen uns nicht!
Sie trennen uns nicht!
Denn mein bist du! Und über das Grab hinaus
Soll sie dauren, die unzertrennbare Liebe.


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