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Liebeslieder unbekannter englischer Dichter

Alte Volksweisen

Übersetzungen aus dem Englischen

Die Wiese

Ich ging einst einen Frühlingstag,
Wo alles schön und lustig lag,
Kam an ein einsam Sommerhaus,
Ein liebes Mädchen trat heraus,
Und weint' und ging und sang betrübt:
»Ach, wer hat je wie ich geliebt!«

Sie ging die Wiese still umher,
Und rang die Hand und seufzte schwer;
Dann pflückte sie ein Blümchen ab,
Wie's hie und da die Wiese gab,
Maßliebchen, klein' Vergißmeinnicht,
Und seufzte: »Ach, er liebt mich nicht!«

Sie band die Blumen in ein Bund,
Weint' noch einmal aus Herzensgrund:
»Vergißmeinnicht! hier bind' ich dich,
Für wen? – Maßliebchen, schaust auf mich,
Weinst um mich! – Ja, ich bin betrübt;
Er hat mich nicht, wie ich ihn geliebt.«

Nun hatt' sie Busen voll und Schoß,
Und ach! nun ward ihr Schmerz zu groß;
Sie goß die liebe Bürd' hinab:
»Liegt,« sprach sie, »seid mein sanftes Grab!«
Und sank dahin – ein stilles Ach,
Voll Lieb' und Leid ihr Herz zerbrach.

Lied eines wahnsinnigen Mädchens

Frühmorgens, als ich gestern
     Im Felde ging entlang,
Da hört' ich, wie im Turme
     Ein Mädchen lieblich sang,
Die Ketten rasselnd an der Hand,
     Und sang so fröhlich:
»Mein Liebchen lieb' ich; denn ich weiß,
     Mein Liebchen liebet mich.

O harter, harter Vater,
     Der riß ihn ab von mir!
Grausam-grausamer Schiffer,
     Der fort ihn nahm von hier!
Seitdem bin ich so stille nun,
     So still aus Lieb' um dich,
Und lieb' mein Liebchen; denn ich weiß,
     Mein Liebchen liebet mich.

O wär' ich eine Schwalbe,
     Wie schlüpft ich zu ihm heim!
Oder wär' ich eine Nachtigall,
     Ich säng' in Schlaf ihn ein.
Könnt' ich ihn an, nur an ihn sehn,
     Vergnügt und froh wär' ich!
Ich lieb' mein Liebchen; denn ich weiß,
     Mein Liebchen liebet mich.

Kann ich, als ich am Ufer stand,
     Den Tag vergessen je?
Und sah ihn nun zum letztenmal,
     Den nie ich wieder seh'.
Er kehrt' auf mich sein Auge noch,
     Ach, wie sprach das in mich! –
Mein Liebchen lieb' ich; denn ich weiß,
     Mein Liebchen liebet mich.

Ich flecht' dir dieses Kränzchen,
     Mein Lieb' und flecht' es fein,
Von Lilien und von Rosen,
     Und binde Thymian drein.
Einst geb' ich's denn, mein Liebster, dir,
     Wenn ich seh' wieder dich.
Mein Liebchen lieb' ich; denn ich weiß,
     Mein Liebchen liebet mich.«

Weg der Liebe

Erster Teil.

Über die Berge,
     Über die Wellen,
Unter den Gräbern,
     Unter den Quellen,
Über Fluten und Seen,
     In der Abgründe Steg,
Über Felsen, über Höhen
     Find't die Liebe den Weg!

In Ritzen, in Falten,
     Wo der Feu'rwurm nicht liegt,
In Höhlen, in Spalten,
     Wo die Fliege nicht kriecht,
Wo die Mücken nicht fliegen
     Und schlüpfen hinweg;
Kommt Liebe, sie wird siegen
     Und finden den Weg!

Sprecht, Amor sei nimmer
     Zu fürchten, das Kind!
Lacht über ihn immer
     Als Flüchtling, als blind!
Und schließt ihn durch Riegel
     Vom Taglicht hinweg;
Durch Schlösser und Siegel
     Find't Liebe den Weg.

Wenn Phönix und Adler
     Sich unter euch beugt,
Wenn Drache, wenn Tiger
     Gefällig sich neigt,
Die Löwin läßt kriegen
     Den Raub sich hinweg;
Kommt Liebe, sie wird siegen
     Und finden den Weg.

Zweiter Teil.

Den gordischen Knoten,
     Den Liebe sich band,
Kann brechen, kann lösen
     Ihn sterbliche Hand?
Was müht ihr, was sinnet
     Ihr listigen Zweck?
Durch was ihr beginnet,
     Find't Liebe den Weg.

Und wär' er verriegelt,
     Und wär' er verkannt,
Sein Name versiegelt
     Und nimmer genannt;
Mitleidige Winde,
     Ihr schlüpftet zu mir
Und brächtet mir Zeitung
     Und brächtet ihn mir.

Wärst fern über Bergen,
     Wärst weit überm Meer:
Ich wandert' durch Berge,
     Ich schwämme durchs Meer.
Wärst, Liebchen, ein' Schwalbe
     Und schlüpftest am Bach,
Ich, Liebchen, wär' Schwalbe
     Und schlüpfte dir nach.

Eileen-a-Roon

Stets will ich lieben dich,
     Eileen-a-Roon!
Segnen dich ewiglich,
     Eileen-a-Roon!
O, für dich eilt ich gern
Irland durch, nah und fern,
Hoffnung mein Licht, mein Stern,
     Eileen-a-Roon!

O, wie gewinn' ich dich,
     Eileen-a-Roon!
Sag', o wie minn' ich dich,
     Eileen-a-Roon!
Gern ohne Rast und Ruh',
Zög' ich der Ferne zu,
Würdest mein Hausweib du,
     Eileen-a-Roon!

Drum willst du ziehn mit mir,
     Eileen-a-Roon!
Sag', oder bleibst du hier,
     Eileen-a-Roon!
Nein, ich bin dein, bin dein
Ziehe mit dir allein!
Einzig dein Lieb soll sein
     Eileen-a-Roon!

Heil hunderttausendmal,
     Eileen-a-Roon!
Heil dir ohn' Maß und Zahl
     Eileen-a-Roon!
Heil und Willkommen froh,
Jetzt und für immer so,
Bis Lieb' und Leben floh,
     Eileen-a-Roon!

Bleibt, o bleibt, ihr Lippen, ferne

Bleibt, o bleibt, ihr Lippen, ferne,
     Die so süßen Trug geborgen,
Und ihr Augen, – Morgensterne,
     Die nur irr geführt den Morgen!
Doch die Küsse gib zurück,
     Mein verschwendet Liebesglück!

Birg, o birg des Schnees Wellen
     Deiner Brust, der eisgefrornen!
Denn die Knospen, die dort schwellen,
     Sind von den Aprilgebornen;
Doch woll' erst mein Herz befrein,
     Aus den eis'gen Ketten dein!

Die Silberquelle

     Hast, liebes Mädchen frisch und jung
Du jenen Mann gesehn
In heißem Durst nach Labetrunk
Zur kühlen Quelle gehn?
     Voll Sehnsucht bog er ihr sein Knie,
Und »Göttin, Göttin« nannt' er sie.

     Und als sie seinen Durst gestillt
Mit ihrem süßen Trank
Und neubelebt und krafterfüllt
Er ihr zu Füßen sank:
     Da schlief er ein, und ohne Dank
Trug ihn hinweg ein loser Gang.

     O Mädchen, wie die Quelle rein,
Unschuldig, frisch und schön,
Ach, laß es nicht dein Schicksal sein,
Laß nie dir's also gehn,
     Daß, wenn du andere erfreust,
Du selbst dir Tränenquelle seist!


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