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Heinrich Leuthold

1827-1879

Heinrich Leuthold

wurde am 9. August 1827 in Wetzikon, einem Dorfe bei Zürich, geboren. Verlor seinen Vater frühzeitig, und wurde durch seine Großmutter, welche den aufgeweckten Knaben verstand, erzogen. Bezog nach Beendigung der Schulzeit die Universitäten Bern, Zürich und Basel, und widmete sich literarischen und philosophischen Studien. Verkehrte später in München mit Dahn, Heyse, Geibel und anderen bedeutenden Schriftstellern. Als Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung wurde er nach Frankfurt a. M. versetzt, doch gab er diese Stellung plötzlich auf. 1864 in Stuttgart als Redakteur der Schwäbischen Zeitung, siedelte er 1866 wieder nach München über, wo er eine Reihe seiner besten Dichtungen schuf. Leidend suchte er Heilung in Tirol, doch bald nach seiner Rückkehr verschlimmerte sich sein Zustand so, daß er in eine Heilanstalt untergebracht werden mußte. Er starb am 1. Juli 1879.

Sehnsucht

Was weckst du mich auf in der tauigen Nacht,
Du sehnsuchtflötende Nachtigall?
Nun ist mit deinem melodischen Schall
     Auch ein Widerhall
     Vergangenen Glückes erwacht.

Wie heute schlugst du im Lindenbaum ...
Ich herzte und küßte mein rosiges Kind;
Die Saiten der Liebe erbebten gelind
     Wie Harfen im Wind ...
     O seliger Maientraum!

Und als ich gekommen nach manchem Jahr,
Da schwammen in Tränen die Äuglein blau,
Der Lenz in dem Herzen, der Lenz auf der Au
     War hin, weil ein Tau
     Auf beide gefallen war.

Was lockst du mich wieder mit dunkler Gewalt,
Mit Lügen von Lenz und von Liebeslust?
Da längst doch verdorrt in der eignen Brust
     Der schwellende Blust
     Und die jubelnden Lieder verhallt.

O Nachtigall, flötend im Lindenbaum!
Der Frühling vergeht und die trügende Gunst
Der Götter ... Was soll uns die fröhliche Kunst?
     Die Liebe ist Dunst
     Und das flüchtige Leben ein Traum.

An Thais

Liebliches Mädchen, das gleich der Libelle
Immer von Stengel zu Stengel sich wiegt,
Das, wie vom Busen der Welle die Welle,
Treulos sich trennt und an andre sich schmiegt.

Liebliches Mädchen, das jenen mit Blicken,
Diesen mit Seufzern, von ihm nur gehört,
Jenen mit Lächeln und diesen mit Nicken,
Oder dem Drucke des Händchens betört:

Wie im Triumphe an Ketten und Rosen
Ziehst du dir nach den vergötternden Schwarm,
Fesselst mit Küssen und lockest mit Kosen
Diesen am Herzen und jenen im Arm!

Spielend mit Banden, im Taumel gebunden,
Sorglos gelöst und mit Leichtsinn geknüpft,
Mögest du nimmer erleben die Stunden,
Da dir das Zepter der Schönheit entschlüpft!

Möge die Parze dir nahn mit der Schere,
Eh' du, ernüchtert in schmerzlichem Tausch,
Büßest mit endlosen Qualen der Leere
Dieser Minuten vergänglichen Rausch!

Lebewohl

Noch einmal laß, du holde Fei,
In meinem Arm dich wiegen!
Das war ein wundersamer Mai,
So süß und so verschwiegen.

Ich kann es nicht: doch könnt' ich's auch,
Ich möchte dich nicht halten,
Da sich im ersten Frühlingshauch
Die Schwingen dir entfalten.

Du weißt es wohl, die tiefste Kluft
Liegt zwischen unsern Pfaden;
Es ist dein Los, in Glanz und Duft
Des Glückes dich zu baden.

Leb wohl, leb wohl! Das Band zerriß,
Gewoben aus eitel Wonne ...
Mein Leben liegt in Finsternis,
Du bist ein Kind der Sonne.

Hin

Als der Sommersonne Gluten
Noch auf den Gefilden ruhten,
Fühlt' von Poesie und Liebe
Ich den Busen überfluten.

Um die Mauer gelb und traurig
Seh' ich nun die Rebe ranken;
Herbstwind weht durch mein Gemüte,
Und verwelkt sind die Gedanken.

Gib mir jenes Meer von Wonne,
Gib aufs neue meine Lieder,
Süße Maid, o gib mir eine
Jener Sommernächte wieder!

Warum

Holde, braune Augensterne,
Mit dem Zauber unergründet,
O, ich früg' euch gar zu gerne,
Was ihr Mund mir nie verkündet!

Wenn ihr blicket in die meinen
Wie die Augen sanfter Tauben,
Sagt, wie könnt ihr ruhig scheinen
Und doch mir die Ruhe rauben?

Einer Italienerin

Nach dem Takte fremder Lieder
Schwebst du lieblich hin im Tanz;
Dieser Rhythmus deiner Glieder
Fesselt meine Sinne ganz;

Diese Locken, diese dunkeln,
Dieser Ausdruck, diese Kraft,
Und im Auge dieses Funkeln
Einer trunknen Leidenschaft.

Aber Maß und Anmut zügeln
Jeden Wunsch; er schweigt besiegt,
Wo die Schönheit sich auf Flügeln
Ihres eignen Wohllauts wiegt.

Tanzlied

Des Goldbauern Hiesel,
Dem ging es recht schlecht,
Er liebte die Liesel,
Die Liesel den Knecht.

Des Goldbauern Hiesel
Hatt' Taler, die echt;
Er gab sie der Liesel,
Sie gab sie dem Knecht.

Des Goldbauern Hiesel
Sagt', daß er sie möcht';
Da lachte die Liesel
Und küßte den Knecht.

Des Goldbauern Hiesel
Hat alles verzecht;
Da ließ ihn die Liesel
Und ging zu dem Knecht.

Des Goldbauern Hiesel,
Ward dennoch gerächt;
So wie ihn die Liesel,
Verriet sie der Knecht.

Erinnerung

Es flüstert in den Zypressen
Am verfallenen Gartentor;
Wie kann, wer einst dich besessen,
     Vergessen,
Was er an dir verlor!

Es weht um die Lauben, die düstern,
Wie verhaltne Sehnsucht nach dir ...
Ich höre ein Grüßen und Flüstern,
     So lüstern,
Als wohntest du noch hier.

Ein Wort

Ein ganzer Himmel war mir einst beschieden,
Als deinen schönen Leib mein Arm umfangen;
Der Frühling blühte, und die Lerchen sangen,
Und in dies heiße Herz ergoß sich Frieden.

Ein einzig Wort, – o hättest du's vermieden! –
Du sprachst es aus, und alle Bande sprangen,
Die liebend unsre Seelen einst umschlangen,
Und ach! – auf ewig sind wir nun geschieden.

Zwar wird auf mich, den fürder Nimmerfrohen,
Noch manche Qual der heißen Sehnsucht lauern,
Bis dein geliebtes Bild mir ganz entflohen.

Einsam, verwaist, wird meine Seele trauern,
Vergleichbar jenen Blumen, die beim rohen
Berühren in sich selbst zusammenschauern.


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