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Ludwig Tieck

1773-1853

Liebeslieder

Ludwig Tieck

der Sohn eines wohlhabenden Seilermeisters, wurde am 31. Mai 1773 in Berlin geboren. Bezog nach dem Besuch des Gymnasiums die Universität, um sich literarischen Studien zu widmen. Siedelte 1819 nach Dresden über, wo er den Mittelpunkt des literarischen Lebens bildete. Von Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1841 nach Potsdam berufen und mit Ehren überhäuft, zog er 1842 nach Berlin und starb daselbst am 28. April 1853.

Lockung

Geliebter, wo zaudert
Dein irrender Fuß?
Die Nachtigall plaudert
Von Sehnsucht und Kuß.

Es flüstern die Bäume
Im goldenen Schein,
Es schlüpfen mir Träume
Zum Fenster herein.

Ach! kennst du das Schmachten
Der klopfenden Brust?
Dies Sinnen und Trachten
Voll Qual und voll Lust?

Beflügle die Eile
Und rette mich dir;
Bei nächtlicher Weile
Entfliehn wir von hier.

Die Segel, sie schwellen,
Die Furcht ist nur Tand:
Dort, jenseits der Wellen,
Ist väterlich Land.

Die Heimat entfliehet –
So fahre sie hin!
Die Liebe, sie ziehet
Gewaltig den Sinn.

Horch! wollüstig klingen
Die Wellen im Meer,
Sie hüpfen und springen
Mutwillig einher.

Und sollten sie klagen?
Sie rufen nach dir!
Sie wissen, sie tragen
Die Liebe von hier.

Liebe

Weht ein Ton vom Feld herüber,
Grüßt mich immerdar ein Freund,
Spricht zu mir: Was weinst du, Lieber?
Sieh', wie Sonne Liebe scheint:
Herz am Herzen stets vereint,
Gehn die bösen Stunden über.

Liebe denkt in süßen Tönen,
Denn Gedanken stehn zu fern,
Nur in Tönen mag sie gern
Alles, was sie will, verschönen.
Drum ist ewig uns zugegen,
Wenn Musik mit Klängen spricht,
Ihr die Sprache nicht gebricht,
Holde Lieb' auf allen Wegen;
Liebe kann sich nicht bewegen,
Leihet sie den Odem nicht.

Heimliche Liebe

Wie lieb und hold ist Frühlingsleben,
Wenn alle Nachtigallen singen,
Und wie die Tön' in Bäumen klingen,
In Wonne Laub und Blüten beben.

Wie schön im goldnen Mondenscheine
Das Spiel der lauen Abendlüfte,
Die, auf den Flügeln Lindendüfte,
Sich jagen durch die stillen Haine.

Wie herrlich glänzt die Rosenpracht,
Wenn Liebreiz rings die Felder schmücket,
Die Lieb' aus tausend Rosen blicket,
Aus Sternen ihrer Wonnenacht.

Doch schöner dünkt mir, holder, lieber
Des kleinen Lichtleins blaß Geflimmer,
Wenn sie sich zeigt im engen Zimmer,
Späh' ich in Nacht zu ihr hinüber,

Wie sie die Flechten löst und bindet,
Wie sie im Schwung der weißen Hand
Anschmiegt dem Leibe hell Gewand,
Und Kränz' in braune Locken windet.

Wie sie die Laute läßt erklingen,
Und Töne, aufgejagt, erwachen,
Berührt von zarten Fingern lachen
Und scherzend durch die Saiten springen;

Sie einzufangen, schickt sie Klänge
Gesanges fort, da flieht mit Scherzen
Der Ton, sucht Schirm in meinem Herzen,
Dahin verfolgen die Gesänge.

O laßt mich doch, ihr Bösen, frei!
Sie riegeln sich dort ein und sprechen:
»Nicht weichen wir, bis dies wird brechen,
Damit du weißt, was lieben sei.«

Des Mädchens Plage

Was halt' ich hier in meinem Arm?
Was lächelt mich an so hold und warm?
Es ist der Knabe die Liebe!
Ich wieg' ihn und schaukl' ihn auf Knie und Schoß,
Wie hat er die Augen so hell und groß!
O himmlische, himmlische Liebe!

Der Junge hat schön krausgoldnes Haar,
Den Mund wie Rosen hell und klar,
Wie Blumen die liebliche Wange;
Sein Blick ist Wonne und Himmel sein Kuß,
Red' und Gelach' Paradiesesfluß,
Wie Engel die Stimm' im Gesange.

»Und liebst du mich denn?« Da küßt er ein Ja!
Und wie ich ihm tief in die Augen nun sah,
Da schlägt er mir grimmige Schmerzen;
»O böses Kind! ei, wie tückisch du!
Wo ist deine Milde, die liebliche Ruh'?
Wo deine Sanftmut, dein Scherzen?«

Nun geht ein süß Lächeln ihm übers Gesicht:
»Ich liebe dich nicht! Ich liebe dich nicht!«
Da setz' ich ihn nieder zu Füßen.
»O weh mir!« so ruft nun und weinet das Kind,
»Du Böse, o nimm mich auf geschwind,
Ich will, ich muß dich küssen.«

Ich heb' ihn empor, er schreiet nur fort,
Er hört auf kein liebkosendes Wort,
Er spreitelt mit Beinen und Händen:
Mich ängstiget und betäubt sein Geschrei,
Mich rühren die rollenden Tränen dabei,
Er will die Unart nicht enden.

Und größer die Angst und größer die Not,
Ich wünsche mir selbst und dem Kleinen den Tod,
Ich nehm' ihn und wieg' ihn zum Schlafe:
Und wie er nur schweigt, und wie er nur still,
Vergess' ich, daß ich ihn züchtigen will,
Meine Lieb' seine ganze Strafe.

Da schlummert er süß, es hebt sich die Brust
Vom lieben Atem, ich sätt'ge die Lust
Und kann genug nicht schauen:
Wie ist er so still? Wie ist er so stumm?
Er schlägt nicht und wirft sich nicht wild herum,
Er tobt nicht! Es befällt mich ein Grauen.

O könnte der Schlaf nicht Tod auch sein?
Ich weck' ihn mit Küssen; nun hör' ich ihn schrein,
Nun schlägt er, nun kost' er, meine Wonne, mein Sorgen.
Dann drückt er mich an die liebliche Brust,
Nun bin ich sein Feind, dann Freund ihm und Lust: –
So geht's bis zum Abend vom Morgen.

Der Fischfang

Es war einmal ein Junggesell,
Der tät hin fischen gehn,
Die Wasser schienen klar und hell,
Die Sonne gar so schön.
Er schaut wohl in die nasse Flut,
Er denkt an sie und klagt und fühlt den Liebesmut.

»Und willst du mich mit Netzen stehlen?«
So singt es aus dem Fluss;
»Zum Liebsten wollt' ich dich erwählen,
Komm her, komm her zum Kuß!«
Er zieht das Netz mit großer Pein,
Und schaut! da zappelt und lacht die Liebste drein.

Nackt fällt sie ihm an seinen Mund
Und halst und drückt ihn sehr,
Da war er froh und ganz gesund
Und klagte nimmermehr:
Sankt Peter segnet' ihm den Zug,
Er hat mit seinem lieben Fisch der Lust und Freude überg'nug.


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