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Annette v. Droste-Hülshoff

1797–1848

Annette von Droste-Hülshoff

entstammt einer alten westfälischen Adelsfamilie. Sie wurde am 11. Januar 1797 auf Schloß Hülshoff unweit Münster geboren. Lernte im Hause ihres Schwagers Freiherrn von Laßberg in Mersburg am Bodensee Kerner, Schwab und Uhland kennen. Wurde durch den jungen Westfalen Levin Schücking in die Literatur eingeführt. Aus der innigen Freundschaft für den bedeutend jüngeren Mann ward eine nie frei ausgesprochene Liebe, welche ihre lyrische Begabung zur vollen Blüte entfaltete. Der im Jahre 1844 erschienene Band der Gedichte begründete ihren Ruhm für alle Zeiten. Sie starb am 24. Mai 1848 in Mersburg.

An Levin Schücking

     Kein Wort, und wär es scharf wie Stahles Klinge,
Soll trennen, was in tausend Fäden eins,
So mächtig kein Gedanke, daß er dringe
Vergällend in den Becher reinen Weins.
Das Leben ist so kurz, das Glück so selten,
So großes Kleinod: einmal sein statt gelten!

     Hat das Geschick uns, wie in frevlem Witze,
Auf feindlich starre Pole gleich erhöht,
So wisse, dort, dort auf der Scheidung Spitze
Herrscht, König über alle, der Magnet,
Nicht fragt er, ob ihn Feld und Strom gefährde,
Ein Strahl fährt mitten er durchs Herz der Erde.

     Blick in mein Auge, – ist es nicht das deine,
Ist nicht mein Zürnen selber deinem gleich?
Du lächelst – und das Lächeln ist das meine,
An gleicher Lust und gleichen Sinnen reich;
Worüber alle Lippen freundlich scherzen,
Wir fühlen heil'ger es im eig'nen Herzen.

     Pollux und Kastor, – wechselnd Glühn und Bleichen,
Des einen Licht geraubt dem andern nur,
Und doch der allerfrömmsten Treue Zeichen. –
So reiche mir die Hand, mein Dioskur!
Und mag erneuen sich die holde Mythe,
Wo überm Helm die Zwillingsflamme glühte.

An Levin Schücking

     Zum zweiten Male will ein Wort
Sich zwischen unsre Herzen drängen,
Den felsbewachten Erzeshort
Will eines Knaben Mine sprengen.
Sieh mir ins Auge, wende nicht
Das deine nach des Fensters Borden,
Ist denn so fremd dir mein Gesicht,
Denn meine Sprache dir geworden?

     Sieh freundlich mir ins Auge, schuf
Natur es gleich im Eigensinne
Nach harter Form, muß ihrem Ruf
Antworten ich mit scharfer Stimme;
Der Vogel singt, wie sie gebeut,
Libelle zieht die farbigen Ringe,
Und keine Seele hat bis heut
Sie noch gezürnt zum Schmetterlinge.

     Still ließ an meiner Jahre Rand
Die Parze ihre Spindel schlüpfen,
Zu strecken meint ich nur die Hand,
Um alte Fäden anzuknüpfen,
Da fand den deinen ich so reich,
Fand ihn so vielbewegt verschlungen,
Darf es dich wundern, wenn nicht gleich
So Ungewohntes mir gelungen?

     Daß manches schroff in mir und steil,
Wer könnte, ach, wie ich es wissen!
Es ward zu meiner Seele Heil
Mein zweites zarteres Gewissen,
Es hat den Übermut gedämpft,
Der mich gigantengleich bezwungen,
Hat glühend, wie die Reue kämpft,
Mit dem Dämone oft gerungen.

     Doch du, das tief versenkte Blut
In meinem Herzen, durftest denken,
So wolle ich mein eignes Gut,
So meine eigne Krone kränken?
O, sorglos floß mein Wort und bunt,
Im Glauben, daß es dich ergötze,
Daß nicht geschaffen dieser Mund
Zu einem Hauch, der dich verletze.

     Sieh her, nicht eine Hand dir nur.
Ich reiche beide dir entgegen,
Zum Leiten auf verlorne Spur,
Zum Liebespenden und zum Segen.
Nur ehre ihn, der angefacht
Das Lebenslicht an meiner Wiege,
Nimm mich, wie Gott mich hat gemacht,
Und leih mir keine fremden Züge!

Junge Liebe

     Über dem Brünnlein nicket der Zweig,
Waldvögel zwitschern und flöten,
Wild Anemon' und Schlehdorn bleich
Im Abendstrahle sich röten,
Und ein Mädchen mit blondem Haar
Beugt über der glitzernden Welle,
Schlankes Mädchen, kaum fünfzehn Jahr,
Mit dem Auge der scheuen Gazelle.

     Ringelblumen blättert sie ab:
»Liebt er, liebt er mich nimmer?«
Und wenn »liebt« das Orakel gab,
Um ihr Antlitz gleitet ein Schimmer:
»Liebt er nicht« – o Grimm und Graus!
Daß der Himmel den Blüten gnade!
Gras und Blumen, den ganzen Strauß,
Wirft sie zürnend in die Kaskade.

     Gleitet dann in die Kräuter lind,
Ihr Auge wird ernst und sinnend;
Frommer Eltern heftiges Kind,
Nur Minne nehmend und minnend,
Kannte sie nie ein anderes Band
Als des Blutes, die schüchterne Hinde;
Und nun einer, der nicht verwandt –
Ist das nicht eine schwere Sünde?

     Mutlos seufzet sie niederwärts,
In argem Schämen und Grämen,
Will zuletzt ihr verstocktes Herz
Recht ernstlich in Frage nehmen.
Abenteuer sinnet sie aus:
Wenn das Haus nun stände in Flammen,
Und um Hilfe riefen heraus
Der Karl und die Mutter zusammen?

     Plötzlich ein Perlenregen dicht
Stürzt ihr glänzend aus beiden Augen,
In die Kräuter gedrückt ihr Gesicht,
Wie das Blut der Erde zu saugen,
Ruft sie schluchzend: »Ja, ja, ja!«
Ihre kleinen Hände sich ringen,
»Retten, retten würd' ich Mama
Und zum Karl in die Flamme springen!«

Locke und Lied

     Meine Lieder sandte ich dir,
Meines Herzens strömende Quellen,
Deine Locke sandtest du mir,
Deines Hauptes ringelnde Wellen;
Hauptes Welle und Herzens Flut,
Sie zogen einander vorüber,
Haben sie nicht im Kusse geruht?
Schoß nicht ein Leuchten darüber?

     Und du klagest: verblichen sei
Die Farbe der wandernden Zeichen;
Scheiden tut weh, mein Liebchen, ei,
Die Scheidenden dürfen erbleichen;
Warst du blaß nicht, zitternd und kalt.
Als ich von dir mich gerissen?
Blicke sie an, du Milde, und bald,
Bald werden den Herrn sie nicht missen.

     Auch deine Locke hat sich gestreckt,
Verdrossen, gleich schlafendem Kinde,
Doch ich hab' sie mit Küssen geweckt,
Hab' sie gestreichelt so linde,
Ihr geflüstert von unserer Treu,
Sie geschlungen um deine Kränze,
Und nun ringelt sie sich auf's neu,
Wie eine Rebe im Lenze.

     Wenig Wochen dann grünet der Stamm,
Hat Sonnenschein sich ergossen,
Und wir sitzen am rieselnden Damm,
Die Händ' einander geschlossen,
Schau'n in die Welle und schau'n in das Aug'
Und wieder und wieder und lachen,
Und Bekanntschaft mögen dann auch
Die Lock' und der Liederstrom machen.


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